Bernhard Jahn, Nicole Masanek Bericht über das Teilprojekt Literatur der Romantik fachwissenschaftliche und fachdidaktische Zugänge erproben im Rahmen des Lehrlabors Lehrerbildung Veranstaltungskonzept Das Seminar Literatur der Romantik fand im Fach Neuere deutsche Literatur im Rahmen der Vertiefungsphase des Bachelor-Studiums bzw. im Master-Studiengang statt. Das Seminar II war für Studierende aller Lehramtsstudiengänge sowie für interessierte Fachstudierende geöffnet. Als Kerngedanke folgte dieses Seminar dem Gedanken eines vernetzten fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Lernens und Lehrens als zentralen Bestandteil einer verbesserten Professionalisierung der Lehramtsstudierenden. In diesem Sinne wurden am Beispiel des Themas Literatur der Romantik fachwissenschaftliche und fachdidaktische Aspekte an einem einheitlichen Gegenstand gelehrt und gelernt. Diese Vernetzung fand im Weiteren auch zwischen Theorie und Praxis statt: Theoretische Ausführungen im Seminar wurden ergänzt und erweitert durch eine im Mai 2017 durchgeführte Exkursion nach Jena. Während des Seminares sowie der Exkursion waren durchgängig beide Lehrende anwesend. Die Moderation sowie die Materialauswahl lag je nach Sitzungsinhalt entweder auf fachwissenschaftlicher oder fachdidaktischer Seite, Perspektivenwechsel und damit Ergänzungen von Themen wurden durchgängig eingebracht und haben sich als sehr fruchtbar erwiesen. Einzelne Sitzungen (z.b. die Eingangssitzung sowie die Abschlusssitzung zu Block B und Block C, s. unten) wurden gemeinsam abgehalten. Die Modulprüfung wird in Form von Hausarbeiten erfolgen, in welchen fachwissenschaftliche Gegenstände sowohl unter fachwissenschaftlicher als auch fachdidaktischer Perspektive beleuchtet werden (Beispiel: Analyse einer Schulbucheinheit zum Thema Romantik unter der Frage der fachwissenschaftlichen Angemessenheit; Analyse des fachdidaktischen sowie fachwissenschaftlichen Gewinns von außerschulischen Lernorten etc.).
Inhalte Die Inhalte des Seminars wurden vor allem entsprechend dem Bedarf von Lehramtsstudierenden ausgewählt: Im Rahmen der literaturwissenschaftlichen Sitzungen wurden überwiegend fachwissenschaftliche Inhalte behandelt, welche sowohl zentral für ein Verständnis der Epoche der Romantik sind, als auch einen häufigen Einsatz in der Schule finden. Diese Gegenstände wurden aus fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Sicht miteinander vernetzt. Durch eine Exkursion nach Jena (= Stätte der Frühromantiker), welche fachlich an die behandelten Gegenstände anknüpfte, sollten die Studierenden sich theoretisch und praktisch mit den Möglichkeiten außerschulischer Lernorte beschäftigen ein ebenfalls für ihre spätere Lehrtätigkeit hochrelevantes Thema. Das Seminar gliederte sich in drei Blöcke. Block A setzte sich mit grundsätzlichen fachwissenschaftlichen Fragen zur Epoche der Romantik auseinander (romantische Basistexte, z.b. Eichendorffs Mondnacht sowie mit grundlegenden theoretischen Ausführungen romantischer Autoren, z.b. Auszüge aus Schlegels Athenäum ); in fachdidaktischer Hinsicht wurden zunächst grundlegende Aspekte wie verschiedene Positionen zu Zielorientierungen im Literaturunterricht, die didaktische Analyse literarischer Texte sowie die Bedeutung außerschulischer Lernorte am Beispiel der fachwissenschaftlichen gelernten Inhalte wiederholt und vertieft. Abgeschlossen wurde dieser Block durch die Formulierung von noch offenen fachwissenschaftlich und fachdidaktisch orientierten Fragen, die im Rahmen der im Block B stattfindenden Exkursion beantwortet werden sollten. Daran schloss sich der zentrale Block B, die Exkursion nach Jena an. Im Block B wurden folgende Veranstaltungen unternommen: Zunächst fand eine Stadtführung mit dem Schwerpunkt Orte der Romantiker durch Jena statt, welche die im Seminar gelernten fachwissenschaftlichen Inhalte vertiefte, erweiterte und insbesondere veranschaulichte. Im Weiteren besuchten wir das Romantiker-Haus: Unser Aufenthalt dort begann mit einer fachwissenschaftlich orientierten Führung durch das Haus (im Zuge dessen: Bearbeitung der offenen Fragen zur Frühromantik sowie der Interessenschwerpunkte). Im zweiten Teil fand ein didaktisch orientierter Workshop statt, in dessen Rahmen die Studierenden Ausführungen zu Chancen und Nutzen der Museumpädagogik hörten, um dann im nächsten angeleiteten Schritt museumspädagogische Inhalte zur Frühromantik entwickeln, erproben und reflektieren zu können. So wurden z.b. auf der Theaterbühne des Romantikerhauses literarische Texte der Frühromantik vorgetragen; es erfolgte eine szenische Darstellung der romantischen Geselligkeit durch die Studierenden; ein nachgestelltes Streitgesprächs zwischen Fichte und Schelling wurde im nachgebauten Hörsaal des Romantikerhauses unternommen. Block C widmete sich der Auswertung und Aufarbeitung der Exkursion (fachdidaktische und fachwissenschaftliche Analyse des eingesetzten museumspädagogischen Materials; Epochenkritik am Beispiel der Karoline von Günderode; Verfassen von reflektierenden Essays) 2
sowie vertieften fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Fragestellungen (Analyse von Schulbuchtexten unter sowohl fachwissenschaftlichen als auch fachdidaktischen Kriterien). Im Einzelnen wurden im Sommersemester 2017 im Rahmen des Seminars Literatur der Romantik folgende fachwissenschaftliche Aspekte bearbeitet: - Lyrik der Romantik; - Kunstmärchen: Tieck: Der Runenberg; E.T.A. Hofmann: Die Bergwerke zu Falun; - Theorie der Romantik (Schlegel, Wackenroder, Novalis); - Texte der Karoline von Günderode; - Novalis: Heinrich von Ofterdingen; - Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts; - Volkspoesie-Konzept: Volksmärchen und Des Knaben Wunderhorn. In den didaktisch orientierten Sitzungen wurden die fachwissenschaftlich gelernten Inhalte aus didaktischer Sicht unter folgender Schwerpunktstellung reflektiert: - Auseinandersetzung mit verschiedenen Positionen zu den Zielen des Deutschunterrichts (Spinner, Abraham, Schilcher/Pissarek); - Analyse von Verstehensanforderungen der fachwissenschaftlich vermittelten Inhalte; - Ambiguität literarischer Texte: Plausible und angemessene Interpretationen; - theoretische Reflexion und praktische Erprobung von Methoden des Deutschunterrichts (besonders: das literarische Unterrichtsgespräch; szenische Interpretation); - Bedeutung sowie Chancen und Grenzen außerschulischer Lernorte; - Reflexion des fachwissenschaftlichen Gehalts von Schulbuchtexten; - Reflexion von Schulbuchtexten unter den Aspekten von Zielsetzungen, Methoden, Aufgabenstellungen; - Anwendung fachwissenschaftlich und fachdidaktisch gelernter Inhalte durch die Erprobung des Verfassens eigener Unterrichtsentwürfe zur romantischen Epoche. Als Studienleistungen verfassten die Studierenden zu jeder Seminarsitzung ein die jeweils folgende Sitzung vorbereitendes Essay zu entweder fachwissenschaftlichen und/oder fachdidaktischen Fragestellungen. Ziele Lehramtsstudierenden fällt es sowohl nach eigener Aussage als auch nach Aussage von Lehrenden schwer, die Bedeutung fachwissenschaftlich gelernter Inhalte für ihre spätere 3
Berufstätigkeit erkennen bzw. fachdidaktisch vermittelte Inhalte auf gelerntes, fachwissenschaftliches Wissen beziehen zu können. Diese Fähigkeit zur Vernetzung verschiedener Wissensbereiche ist allerdings für die zukünftige Berufstätigkeit zentral: Guter Unterricht speist sich aus der Fähigkeit der Lehrenden, fachwissenschaftliches Material für bestimmte Lernergruppen auszuwählen und in didaktisch-methodischer Hinsicht aufzubereiten. Für das spätere Berufsleben der Studierenden ist es somit unabdingbar, fachliches und fachwissenschaftliches Denken und Wissen aufeinander zu beziehen. Vor diesem Hintergrund bestand das vorrangige Ziel dieses Kooperationsseminares darin, am Beispiel des schulrelevanten Gegenstandes Literatur der Romantik die Verknüpfung von literaturwissenschaftlichen mit literaturdidaktischen Inhalten zu fördern. Dieses Ziel wurde im Rahmen des Seminars z.b. dadurch erfolgreich gefördert, dass Transkripte von Schüler/innen- Äußerungen verschiedener Jahrgangsstufen zu Novalis Wünschelrute auf ihren fachwissenschaftlichen Gehalt hin analysiert wurden. Das Ziel der Exkursion nach Jena bestand darin, die fachwissenschaftlichen (Jena als Stätte der Frühromantiker) und fachdidaktischen (Bedeutung außerschulischer Lernorte) Inhalte historisch-praktisch und in der Lebenswirklichkeit der Studierenden verknüpft erfahrbar werden zu lassen. Überdies sollte die Exkursion die Verbindung von theoretischem und praktisch erfahrbarem Wissen durch die Vernetzung zwischen inner- und außeruniversitären Lehr- und Lernräumen erfahrbar machen. Folgende weitere Ziele bestanden sowohl auf fachwissenschaftlicher als auch fachdidaktischer Seite: - Intensive Auseinandersetzung mit den verschiedenen und in der Epoche der Romantik dominierenden Gattungen: Gedichte, Novellen, Märchen; - Kennenlernen wesentlicher, schulrelevanter Literatur der Romantik (z.b.: Aus dem Leben eines Taugenichts ); - Wissen um die zentralen philosophisch-theoretischen Fundamente der Romantiker; - Wissen um den Konstruktionscharakter von Epochenzuordnungen; - Wissen um die bzw. kritische Reflexion der Inhalte des literarischen Lernens/literarischer Kompetenzen; - Wissen um Chancen und Nutzen außerschulischer Lernorte; - Sichere Erprobung didaktischer Analyse literarischer Texte; - Kennenlernen verschiedener Methoden der Literaturrezeption (handlungs- und produktionsorientierte sowie analytische Verfahren); - Entwicklung und Anwendung von Kriterien zur kritischen (fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen) Sichtung von Texten und Aufgaben in gängigen Schulbüchern. Ertrag und Evaluation Die Chancen von Kooperationsseminaren liegen eindeutig in der Möglichkeit, Gegenstände aus der Sicht von fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Experten betrachten und kritisch 4
diskutieren zu können. So hat sich z.b. die fachwissenschaftliche Beleuchtung von Schulbuchauszügen romantischer Literatur, den dazu formulierten Aufgabenstellungen sowie den ausgewählten Methoden, als äußerst fruchtbar erwiesen: Wie bewertet z.b. ein Fachwissenschaftler handlungs- und produktionsorientierte Aufgaben, welche literarische Gegenstände zumeist aus ihrem historischen Kontext zugunsten eines Versetzens in die Gegenwart entfremden? Ebenso fruchtbar ist das Betrachten von Schüleraussagen zu fachwissenschaftlich gelernten Inhalten: Welche Interpretationsleistung können Schülerinnen formulieren? Inwieweit sind diese fachwissenschaftlich (noch) angemessen? An welchen Stellen und warum kann man diese als nicht mehr plausibel bezeichnen? Aus Sicht der Lernenden ermöglichen Kooperationsseminare das Wissen um und das Verständnis der Inhalte des jeweils anderen Faches eine grundsätzliche und basale Voraussetzung dafür, das Studium für Lehramtsstudierende bezüglich der Herausforderungen der Berufswelt anpassen und verbessern zu können. Nach der Auskunft von Studierenden bot die Exkursion nach Jena den Studierenden die Möglichkeit, bisher gelerntes fachwissenschaftliches und fachdidaktisches Wissen praktisch erfahrbar werden sowie fachwissenschaftliche und oft als abstrakt empfundene Inhalte anschaulich werden zu lassen. Dieses Seminar hat gezeigt, dass die weitere Behandlung eines Gegenstandes, der sowohl aus fachlicher als auch aus fachdidaktischer Sicht beleuchtet wird, absolut wünschenswert ist, um Studierende zu einem für ihre spätere Berufstätigkeit so bedeutsamen vernetzten Denkens anleiten zu können. Seminare wie das hier beschriebene sind allerdings zurzeit nur möglich durch eine finanzielle Förderung. Autor/in Prof. Dr. Bernhard Jahn, Neuere deutsche Literatur, Fakultät für Geisteswissenschaften, Fachbereich Sprache, Literatur, Medien I, Universität Hamburg Dr. Nicole Masanek, Wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Lehre, Projekt ProfaLe Qualitätsoffensive Lehrerbildung, Universität Hamburg 5