Rahmenbedingungen für freiwilliges Engagement in Österreich



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Transkript:

Rahmenbedingungen für freiwilliges Engagement in Österreich Ergebnisse einer Organisationsbefragung Eva More-Hollerweger Katrin Hora Wien, Oktober 2014

Impressum: Kompetenzzentrum für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship Welthandelsplatz 1 1020 Wien Tel.: 01 31336 5878 www.npo.or.at Wien, 2014 Kontakt: Mag. Eva More-Hollerweger eva.more@wu.ac.at Copyright NPO&SE-Kompetenzzentrum 2

INHALT EXECUTIVE SUMMARY... 4 1 EINLEITUNG... 5 2 METHODIK... 5 2.1 ZIEL DER STUDIE... 5 2.2 ONLINE-BEFRAGUNG - HERANGEHENSWEISE... 5 2.3 BESCHREIBUNG DER STICHPROBE... 6 3 RAHMENBEDINGUNGEN FREIWILLIGES ENGAGEMENT IN ORGANISATIONEN... 11 3.1 RAHMENBEDINGUNGEN FÜR FREIWILLIGE/EHRENAMTLICHE IN DEN ORGANISATIONEN... 11 3.2 ZUSTÄNDIGKEIT FÜR DIE FREIWILLIGEN IN DEN ORGANISATIONEN... 14 3.3 ENTWICKLUNGEN DES FREIWILLIGEN ENGAGEMENTS... 18 3.4 RAHMENBEDINGUNGEN FÜR FREIWILLIGENORGANISATIONEN UND FREIWILLIGE... 19 4 RESÜMEE... 22 1

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Organisationen pro Bundesland... 6 Abbildung 2: Rechtsformen der Organisationen... 7 Abbildung 3: Verbandsebene... 7 Abbildung 4: Tätigkeitsbereiche der Organisationen... 8 Abbildung 5: Größe der Organisationen (Zahl der freiwilligen und hauptamtlichen MitarbeiterInnen)... 8 Abbildung 6: Zahl der hauptamtlichen MitarbeiterInnen... 9 Abbildung 7: Reichweite der Aktivitäten... 9 Abbildung 8: AdressatInnen der Organisationen... 10 Abbildung 9: Bezeichnung Ehrenamtliche/Freiwillige... 11 Abbildung 10: Aufgaben... 11 Abbildung 11: finanzielle Entschädigung für Zeitaufwand... 12 Abbildung 12: Haftpflichtversicherung... 12 Abbildung 13: Haftpflichtversicherung - Bundesländer... 13 Abbildung 14: Unfallversicherung... 13 Abbildung 15: Unfallversicherung - Bundesländer... 14 Abbildung 16: Zuständige Stelle für Freiwillige... 14 Abbildung 17: Bezeichnung der zuständigen Stelle... 15 Abbildung 18: Zuordnung der Stelle... 15 Abbildung 19: Beschäftigungsstatus der MitarbeiterInnen der Ehrenamtskoordination... 16 Abbildung 20: Ehrenamtskoordination - Stunden pro Woche... 16 Abbildung 21: Ausbildung der MitarbeiterInnen in der zuständigen Stelle... 17 Abbildung 22: Zuständigkeit, wenn keine eigene Stelle... 17 Abbildung 23: Einfluss der übergeordneten Organisation auf die Freiwilligenkoordination... 18 Abbildung 24: Herausforderungen an die Freiwilligenkoordination... 19 Abbildung 25: Freiwilligenarbeit in Österreich... 23 2

3

EXECUTIVE SUMMARY Das NPO&SE-Kompetenzzentrum beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Freiwilligenarbeit. Im Februar 2014 wurde eine Erhebung bei Freiwilligenorganisationen durchgeführt. Ziel der Studie ist, einen Überblick über die Beschaffenheit von Organisationen in Österreich zu geben, in denen es freiwilliges Engagement gibt. Insbesondere interessieren: (1) Unter welchen Rahmenbedingungen arbeiten Freiwillige? (2) Wer ist für die Freiwilligenkoordination bzw. das Freiwilligenmanagement zuständig? (3) Gibt es Probleme bei der Gewinnung bzw. Bindung von Freiwilligen? Insgesamt haben 703 Organisationen, großteils (83%) als Verein organisiert, an der Befragung teilgenommen, wobei den größten Anteil (fast 28%) Wiener Organisationen ausmachten. Die befragten Organisationen sind weiters großteils aus dem Bereich der sozialen Dienste und des Gesundheitswesens. Ein erheblicher Anteil von knapp 40% der Organisationen hat keine hauptamtlichen MitarbeiterInnen. Sofern es auch hauptamtliche MitarbeiterInnen gibt liegt die Anzahl der Beschäftigten meist unter 10 Personen. Die Freiwilligenarbeit lässt sich zusammenfassend wie folgt charakterisieren: 1. Die Organisationen selbst bezeichnen ihre freiwillig tätigen MitarbeiterInnen vorwiegend (70%) als Ehrenamtliche. 2. Tätigkeitsbereiche sind insbesondere bei der unmittelbaren Leistungserstellung für KundInnen/KlientInnen, in der Öffentlichkeitsarbeit sowie in Management und Aufsichtsfunktionen. 3. Es gibt großteils keine finanzielle Entschädigung für den Zeitaufwand. 4. In 60% der Organisationen sind Freiwillige haftpflichtversichert. 5. In 56% der Organisationen sind sie unfallversichert. In Wien ist der Anteil der Organisationen, in denen es keine Unfallversicherung gibt, besonders hoch. 6. In 34% der befragten Organisationen gibt es eine eigene Stelle, die für Freiwillige zuständig ist, welche als Ehrenamts- oder Freiwilligenkoordination bezeichnet wird. 7. Bei 47% ist diese Stelle der Organisationen der Geschäftsführung zugeordnet, bei 20% der Personalabteilung. 8. In einem Drittel der Organisationen sind die MitarbeiterInnen der für Freiwillige verantwortlichen Stelle angestellt, bei 37% erfüllen sie ihre Aufgabe ehrenamtlich und bei 29% sind die MitarbeiterInnen teilweise angestellt und teilweise unbezahlt. 9. In über der Hälfte der befragten Organisationen werden bis zu 10 Stunden pro Woche für die Freiwilligenkoordination verwendet. 10. In knapp 70% der Organisationen, die eine eigene Stelle haben, hat zumindest einer bzw. eine der MitarbeiterInnen eine Ausbildung zum Thema Freiwilligenkoordination/- management absolviert. 11. Sofern es keine eigene Stelle für die Freiwilligenorganisation gibt, übernimmt zumeist die Geschäftsführung diese Aufgabe. 12. Für 64% der befragten Organisationen sind Freiwillige nur mit größerem Aufwand zu gewinnen. 13. Für 58% der befragten Organisationen sind Freiwillige nur mit größerem Aufwand zu halten. 14. 55% bestätigen, dass es schwieriger ist, Freiwillige für einen längeren Zeitraum zu halten. 15. 43% der Organisationen haben Probleme damit, ehrenamtliche FunktionärInnen nachzubesetzen. 16. 35% der Organisationen haben Probleme damit, Freiwilligen für ausführende Tätigkeiten zu finden. 4

1 EINLEITUNG Freiwilliges Engagement ist eine wichtige Ressource unserer Gesellschaft. Darüber besteht weitgehende Einigkeit - auch die Politik wird sich dieser Bedeutung zunehmend bewusst und setzt verschiedene Maßnahmen, um das freiwillige Engagement zu fördern. Dazu gehört auch seine Erfassung, also die Frage, wie viele Menschen sich freiwillig in welchem Zeitausmaß engagieren, in welchen gesellschaftlichen Bereichen sie tätig sind, welche Bevölkerungsgruppen sich beteiligen etc. Diese erhobenen Daten tragen dazu bei, die Bedeutung des freiwilligen Engagements sichtbar zu machen. Eine deutliche Forschungslücke besteht hingegen in Bezug auf die Freiwilligenorganisationen. Damit fehlt aber ein wichtiger Puzzle-Teil für eine glaubhafte Einschätzung, wie sich freiwilliges Engagement künftig weiter entwickeln kann. Freiwilligenorganisationen sind es, die freiwilligem Engagement eine Form und Richtung geben, die dafür sorgen, dass Hilfeleistungen bei den richtigen Personen ankommen, die gesellschaftliche Anliegen mit Unterstützung der Freiwilligen artikulieren, die z.b. kulturelles oder sportliches Engagement von Menschen auch vielen anderen zugute kommen lassen und vieles mehr. Sie sind es, die Personen motivieren, sich zu engagieren, die Freiwillige in eine Gemeinschaft aufnehmen, die ihnen Anerkennung und Wertschätzung entgegenbringen und Möglichkeiten des Lernens schaffen. Im Rahmen einer Online-Erhebung hat das Kompetenzzentrum für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship im Februar/März 2013 Freiwilligenorganisationen befragt. Insgesamt haben rund 700 Organisationen den Fragebogen weitgehend ausgefüllt. Wir freuen uns über das rege Interesse und bedanken uns bei allen, die sich beteiligt haben. Zu den Begrifflichkeiten: Wir verwenden Freiwilligenarbeit, freiwilliges Engagement und Ehrenamt, ehrenamtliche Arbeit, ehrenamtliches Engagement in diesem Bericht synonym und verstehen darunter all jene Tätigkeiten, die unentgeltlich erbracht werden und auch anderen Menschen zugute kommen. In diesem Bericht liegt der Fokus bei der formellen Freiwilligenarbeit, die im Gegensatz zur informellen Freiwilligenarbeit (Nachbarschaftshilfe) unter Einbindung in eine Freiwilligenorganisation erfolgt. 2 METHODIK 2.1 ZIEL DER STUDIE Ziel der Studie ist einen Überblick über die Beschaffenheit von Organisationen in Österreich zu geben, in denen es freiwilliges Engagement gibt. Insbesondere interessieren: (1) Unter welchen Rahmenbedingungen arbeiten Freiwillige? (2) Wer ist für die Freiwilligenkoordination bzw. das Freiwilligenmanagement zuständig? (3) Gibt es Probleme bei der Gewinnung bzw. Bindung von Freiwilligen? 2.2 ONLINE-BEFRAGUNG - HERANGEHENSWEISE Im Rahmen einer Interneterhebung wurde ein Online-Fragebogen entwickelt. Der Link wurde per E-Mail am 02. Februar 2014 an rund 2.000 Organisationen ausgesandt. Die ursprüngliche Laufzeit der Erhebung von drei Wochen wurde aufgrund des regen Interesses erweitert der letzte Fragebogen wurde am 06.03.2014 ausgefüllt. Ziel war es, möglichst viele Freiwilligenorganisationen zu befragen und möglichst jene Organisationseinheiten anzusprechen, die jeweils in unmittelbaren Kontakt mit den Freiwilligen stehen, weshalb die AdressatInnen gebeten wurden, den Fragebogen weiterzuleiten. Dies war insbesondere bei größeren Organisa- 5

tionen wichtig, die über mehrere Verbandsebenen (Bezirksstellen, Landesverband, Bundesverband) verfügen. Die Fragebögen wurden zum Teil weitergeleitet, zum Teil von Landesverbänden ausgefüllt. Insgesamt wurden 703 Fragebögen in die Auswertung einbezogen. Allerdings gibt es eine große Anzahl an Organisationen, die beispielsweise keine Angaben zur Zahl der Freiwilligen gemacht haben. Etwa 500 Fragebögen wurden vollständig ausgefüllt. Aufgrund der gewählten Herangehensweise ist die Grundgesamtheit nicht bekannt, da der Fragebogen weitergeleitet wurde und nicht eruiert werden kann, wie viele Organisationen der Fragebogen erreicht hat. Folglich kann der Rücklauf nicht ermittelt werden. 2.3 BESCHREIBUNG DER STICHPROBE Der Großteil (27,7%) der Organisationen stammt aus Wien, gefolgt von Niederösterreich (17,2%), Tirol (11,9%), Steiermark und Oberösterreich (jeweils 10,9%). Abbildung 1: Organisationen pro Bundesland Wien 27,7% Niederösterreich 17,2% Tirol Steiermark Oberösterreich Vorarlberg 11,9% 10,9% 10,9% 8,7% Kärnten Salzburg 5,8% 5,1% Burgenland 1,8% n=608 Weitaus der größte Anteil (83%) der befragten Organisationen weist die Rechtsform eines Vereins auf, gefolgt von öffentlich-rechtlichen Organisationen (8%). 2% der befragten Freiwilligenorganisationen sind gemeinnützige GmbHs und 1% sind Personengesellschaften. 6

Abbildung 2: Rechtsformen der Organisationen 2% 1% 6% 8% 83% Verein öffentlich - rechtlich sonstige GmbH Personengesellschaft n=593 Bei 31% der Organisationen handelt es sich um Landesverbände, 14% sind Regionalverbände, 10% Bundesverbände und 6% Dachverbände. Zumindest 28% der befragten Organisationen sind kein übergeordneter Verband auch bei den sonstigen (10%) wurde vielfach erwähnt, dass es sich um einzelne Vereine handelt bzw. sie einem Verband angehören. Abbildung 3: Verbandsebene Landesverband 31% Nichts davon 28% Regionalverband 14% Sonstiges 10% Bundesverband 10% Dachverband 6% n=666 Die Organisationen wurden im Rahmen der Erhebung nach den Tätigkeitsbereichen, in denen sie aktiv sind gefragt, wobei hier Mehrfachnennungen möglich waren. Es haben sich am meisten Organisationen aus dem Bereich der sozialen Dienste und des Gesundheitswesens beteiligt. 155 Organisationen kommen aus dem Sport- und Freizeitbereich, 126 aus dem Bildungsbereich. 124 Organisationen sind dem Bereich Einsatzorganisationen/Katastrophenhilfe zuzurechnen. 86 Organisationen engagieren sich im Kunst- und Kulturbereich, 77 im Bereich internationale Aktivitäten. 66 der beteiligten Organisationen sind im Bereich Umwelt-/Natur-und Tierschutz aktiv. 7

Abbildung 4: Tätigkeitsbereiche der Organisationen soziale Dienste Gesundheitswesen Sport und Freizeit Bildung Einsatzorganisationen/ Katastrophenhilfe Kunst und Kultur Internationale Aktivitäten Umwelt-/Natur-/Tierschutz sonstige Religion Bürger und Verbraucherinteressen Beschäftigung Wohnungswesen Wirtschafts- und Berufsverbände 42 27 24 14 12 60 59 77 86 126 124 155 215 237 n=614 (Mehrfachnennungen möglich) 557 Organisationen haben Angaben zur Zahl der freiwilligen und hauptamtlichen MitarbeiterInnen gemacht. 130 Organisationen (23,2%), also knapp ein Viertel, haben weniger als 130 MitarbeiterInnen, 17,4% haben 10-20 MitarbeiterInnen. Immerhin 13,8% weisen mehr als 250 MitarbeiterInnen auf. Abbildung 5: Größe der Organisationen (Zahl der freiwilligen und hauptamtlichen MitarbeiterInnen) Organisationstyp Zahl der Mitarbeiter- Innen (FW + MA) Anzahl Organisationen in% Kleinstorganisation 1 bis <10 130 23,3% Kleinorganisation 10 bis >20 97 17,4% Mittelorganisation 1 20 bis >100 196 35,2% Mittelorganisation 2 100 bis >250 57 10,2% Großorganisation Ab 250 77 13,8% n=557 (Organisationen, die Angaben zur Zahl der Freiwilligen machten) Ein erheblicher Anteil von knapp 40% hat keine hauptamtlichen MitarbeiterInnen, beruht demnach ausschließlich auf Freiwilligenarbeit. Ein Drittel der Organisationen hat weniger als 10 hauptamtliche MitarbeiterInnen, etwa 21% weisen zwischen 10 und 250 hauptamtlichen MitarbeiterInnen auf. Bei 6,5% handelt es sich um sehr große Organisationen mit 250 oder mehr hauptamtlichen MitarbeiterInnen. 8

Abbildung 6: Zahl der hauptamtlichen MitarbeiterInnen Zahl der bezahlten MitarbeiterInnen Anzahl Organisationen in % 0 221 39,7% 1 bis <10 184 33,0% 10 bis >20 49 8,8% 20 bis >100 54 9,7% 100 bis >250 13 2,3% Ab 250 36 6,5% n=557 Nur ein geringer Anteil von 9% der Organisationen ist ausschließlich auf lokaler Ebene aktiv. 29% haben eine landesweite Reichweite ihrer Aktivitäten. Jeweils etwa 20% der Organisationen orientieren sich mit ihren Aktivitäten regional, bundesweit oder international. Abbildung 7: Reichweite der Aktivitäten 29% 9% 22% 18% 22% lokal regional landesweit bundesweit international n=607 Eine weitere Frage bezog sich auf die Zielgruppen der Aktivitäten. 16% adressieren ausschließlich Mitglieder, alle anderen Organisationen bieten ihre Leistungen (auch) für andere Personen an. 9

Abbildung 8: AdressatInnen der Organisationen 5% 16% Mitglieder und Andere 23% 56% (nahezu) ausschließlich Mitglieder (nahezu) ausschließlich Andere wir haben keine Mitglieder, daher ausschließlich Andere n=603 10

3 RAHMENBEDINGUNGEN FREIWILLIGES ENGA- GEMENT IN ORGANISATIONEN 3.1 RAHMENBEDINGUNGEN FÜR FREIWILLIGE/EHRENAMTLICHE IN DEN ORGANISATIONEN Sowohl in der Forschung als auch in der Praxis werden Begrifflichkeiten in Bezug auf freiwilliges/ehrenamtliches Engagement immer wieder diskutiert und hinterfragt. In der von uns befragten Stichprobe wird von knapp 70% der Organisationen die Bezeichnung Ehrenamtliche verwendet. Etwa ein Viertel der Organisationen verwendet den Begriff Freiwillige. Rund 6% greifen auf beide bzw. andere Begriffe zurück, genannt wurden beispielsweise Aktive, Volunteers, Funktionäre und Funktionärinnen, Betroffene etc. Abbildung 9: Bezeichnung Ehrenamtliche/Freiwillige 5,9% 24,4% 69,7% Ehrenamtliche Freiwillige sonstige n=679 Ehrenamtliche/Freiwillige engagieren sich in den befragten Organisationen vorwiegend bei der unmittelbaren Leistungserstellung für KundInnen/KlientInnen, in der Öffentlichkeitsarbeit sowie in Management und Aufsichtsfunktionen. Bei sonstigen Aufgaben wurde eine breite Palette an Tätigkeiten genannt Erhaltung von Wanderwegen, Einsätze bei der Feuerwehr, Unterstützung von Freiwilligen, Leitung von Selbsthilfegruppen etc. Abbildung 10: Aufgaben Leistungen für KundInnen und KlientInnen Öffentlichkeitsarbeit Management/Aufsichtsfunktion administrative Tätigkeiten 510 478 477 438 Fundraising Aktivitäten 188 sonstige 111 N=703 11

Der Großteil der Ehrenamtlichen erhält keine finanzielle Entschädigung für den Zeitaufwand. Immerhin 25% der befragten Organisationen geben an, dass Freiwillige in ihrer Organisation teilweise auch für den entstandenen Zeitaufwand abgegolten werden. Für 6% der Organisationen trifft das auf alle Freiwilligen zu. Abbildung 11: finanzielle Entschädigung für Zeitaufwand 6% 25% 69% nein teilweise ja n=686 In 60% der Organisationen sind Freiwillige durch eine Haftpflichtversicherung geschützt, wobei 49% der Organisationen selbst dafür aufkommen und bei 11% der Organisationen andere Institutionen die Haftpflichtversicherung der Freiwilligen übernehmen. Abbildung 12: Haftpflichtversicherung 11% ja, durch unsere Organisation 40% 49% nein ja, durch andere Institution n=631 Da es hier auch bundesländerspezifische Unterschiede gibt, erfolgte auch eine Auswertung nach Bundesländern. In manchen Bundesländern (z.b. Vorarlberg, Tirol) übernimmt das Land die Versicherung der Freiwilligen, was sich in der Auswertung allerdings kaum widerspiegelt. 12

Abbildung 13: Haftpflichtversicherung - Bundesländer 90 85 80 70 60 50 40 30 20 10 0 4 6 18 15 1 1 46 28 29 23 25 9 39 38 24 18 1312 8 3 3 34 8 3 55 11 n=559 Ein ähnliches Bild zeigt sich in Bezug auf die Unfallversicherung. Hier ist jedoch ein höherer Anteil (44%) durch keine Institution unfallversichert. Abbildung 14: Unfallversicherung 13% 43% ja, durch unsere Organisation nein 44% ja, durch andere Institution n=631 Auch bei der Auswertung der Bundesländer zeigt sich, dass vor allem in Wien ein sehr hoher Anteil von Organisationen angibt, dass ihre Freiwilligen nicht versichert sind. 13

Abbildung 15: Unfallversicherung - Bundesländer 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 5 5 23 10 1 1 43 32 33 21 20 8 1113 3 38 17 6 33 33 25 10 8 5 44 92 17 n=557 3.2 ZUSTÄNDIGKEIT FÜR DIE FREIWILLIGEN IN DEN ORGANISA- TIONEN 34% der befragten Organisationen haben eine eigene Stelle, die für Freiwillige/Ehrenamtliche zuständig ist. Diese wird am häufigsten (47%) als Ehrenamts- oder Freiwilligenkoordination bezeichnet. Sonstige Bezeichnungen sind Ehrenamtlichen-/Freiwilligenmanagement (11%) bzw. begleitung (7%), FreiwilligenbetreuerIn, Personalstelle, Servicestelle Freiwilligenarbeit etc. Abbildung 16: Zuständige Stelle für Freiwillige 34% Ja Nein 66% n=611 14

Abbildung 17: Bezeichnung der zuständigen Stelle Freiwilligen- oder Ehrenamtskoordination 48% Freiwilligen- oder Ehrenamtsmanagement 11% Freiwilligen- oder Ehrenamtsbegleitung 7% Sonstige 35% n=176 Die Stelle ist bei 47% der Organisationen der Geschäftsführung zugeordnet, bei 20% der Personalabteilung. Unter sonstige wurden oft die unmittelbare Leitung (Kommando, Hausleitung, Gesamtleitung, Fachbereichsleitung etc.) aber auch andere Abteilungen, wie z.b. Organisationsentwicklung und Abteilung Soziale Arbeit genannt. Abbildung 18: Zuordnung der Stelle Geschäftsführung 47% Personalabteilung 20% Sonstige 34% n=163 In einem Drittel der Organisationen sind die MitarbeiterInnen der für Freiwillige verantwortlichen Stelle angestellt, bei 37% erfüllen sie ihre Aufgabe ehrenamtlich und bei 29% sind die MitarbeiterInnen teilweise angestellt und teilweise unbezahlt. 15

Abbildung 19: Beschäftigungsstatus der MitarbeiterInnen der Ehrenamtskoordination 29% 33% angestellt unbezahlt (Freiwillige) 37% Kombination aus angestellt und unbezahlt n=203 Beim Großteil der Organisationen sind bis zu 10 Stunden pro Woche der Funktion der Freiwilligenkoordination zugeordnet, bei 18% sind es 11-20 Stunden, bei rund einem Viertel (24%) 21-40 Stunden und bei 6% mehr als 40 Stunden, also mehr als ein Vollzeitäquivalent. Abbildung 20: Ehrenamtskoordination - Stunden pro Woche 24% 18% 6% 53% bis 10 Stunden 11-20 Stunden 21-40 Stunden mehr als 40 Stunden n=160 In knapp 70% der Organisationen, hat zumindest einer bzw. eine der MitarbeiterInnen eine Ausbildung zum Thema Freiwilligenkoordination/-management absolviert. 16

Abbildung 21: Ausbildung der MitarbeiterInnen in der zuständigen Stelle 31% 69% Ja Nein n=181 Organisationen, die angaben, keine eigene Freiwilligen-Koordinationsstelle zu haben, wurden gefragt, wer für die Anfrage von InteressentInnen bzw. für Anliegen von Freiwilligen/Ehrenamtlichen zuständig ist. 49% gaben an, dass die Geschäftsführung zuständig ist. In 27% der Fälle sind es mehrere Personen, in 10% der Fälle ist es eine Person, die sich dafür bereit erklärt haben bzw. hat. Unter sonstige wurden Obmann/-frau, Vorstand, alle Hauptamtlichen etc. genannt. Abbildung 22: Zuständigkeit, wenn keine eigene Stelle 49% Geschäftsführung 15% 27% mehrere Personen, die sich dafür bereit erklärt haben Sonstige 10% Person, die sich dafür bereit erklärt hat n=372 In weiteren Fragen wurde erhoben, inwieweit Organisationen in eine übergeordnete Organisation eingebunden sind und inwieweit sie mit dieser in Bezug auf die Angelegenheiten von Freiwilligen zusammenarbeiten. 68% der befragten Organisationen gaben an, in eine übergeordnete Organisation eingebunden zu sein. Von diesen arbeitet der Großteil (43%) weitgehend selbständig in Bezug auf die Koordination der Freiwilligen/Ehrenamtlichen. In 21% un- 17

terstützt die übergeordnete Organisation in vielen Belangen, in ebenso vielen Fällen unterstützt sie gelegentlich. In nur 15% macht die übergeordnete Organisation klare Vorgaben. Abbildung 23: Einfluss der übergeordneten Organisation auf die Freiwilligenkoordination Nein, wir arbeiten weitgehend selbstständig 43% Ja, unterstützt uns in vielen Belangen 21% Ja, unterstützt uns gelegentlich 21% Ja, macht in vielen Belangen klare Vorgaben 15% 0% 10% 20% 30% 40% 50% n=448 3.3 ENTWICKLUNGEN DES FREIWILLIGEN ENGAGEMENTS In der Forschungsliteratur zum Thema Freiwilligenarbeit wird immer wieder konstatiert, dass es mit größerem Aufwand verbunden ist, Freiwillige zu finden und dass es schwieriger wird Freiwillige für einen längeren Zeitraum an Organisationen zu binden. Traditionelle Bindungen verlieren an Bedeutung. Höhere Mobilität und vielfache andere Aktivitäten hindern Freiwillige daran, sich dauerhaft für Organisationen zu engagieren, stattdessen werden projektförmige Tätigkeiten bevorzugt (More-Hollerweger/Rameder 2013). Zunehmend wichtiger wird auch die Verwertbarkeit der bei einem freiwilligen Engagement erlangten Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt, was teils durch die schwierige Situation auf Arbeitsmarkt erklärt wird und andererseits durch ein höheres Bewusstsein von ArbeitgeberInnen in Bezug auf soziale Kompetenzen (More-Hollerweger et al. 2009; More-Hollerweger/Rameder 2013). Vieles von den genannten Entwicklungen wurde auch von den befragten Organisationen bestätigt. Für 64% der befragten Organisationen sind Freiwillige nur mit größerem Aufwand zu gewinnen, für 58% zu halten. 55% bestätigen, dass es schwieriger ist, Freiwillige für einen längeren Zeitraum zu halten. 43% der Organisationen haben Probleme damit, ehrenamtliche FunktionärInnen nachzubesetzen, bei 35% trifft dies auch auf die Gewinnung von Freiwilligen für ausführende Tätigkeiten zu. 21% gaben an, dass Freiwillige heute häufiger einen Tätigkeitsnachweis verlangen, für 60% trifft dies nicht zu. 18

Abbildung 24: Herausforderungen an die Freiwilligenkoordination Freiwillige MitarbeiterInnen... sind heute nur mit größerem Aufwand zu gewinnen 64% 16% 20% sind heute nur durch größeren Aufwand zu halten 58% 22% 21% sind schwierig für längeren Zeitraum zu finden 55% 22% 24% sind leicht für ausführende Tätigkeiten zu gewinnen 33% 31% 35% sind als ehrenamtliche FunktionärInnen leicht nachzubesetzen 30% 27% 43% verlangen heute öfters einen Tätigkeitsnachweis 21% 18% 60% 0% 20% 40% 60% 80% 100% trifft (stark) zu [1&2] trifft teilweise zu [3] trifft kaum/gar nicht zu [4&5] n=601-673 3.4 RAHMENBEDINGUNGEN FÜR FREIWILLIGENORGANISATIONEN UND FREIWILLIGE In einer offenen Frage wurde nach den Verbesserungsvorschlägen hinsichtlich der rechtlichen und sonstigen Rahmenbedingungen gefragt. - Umfassender Versicherungsschutz für Freiwillige: am häufigsten wurde die Forderung nach einem von der öffentlichen Hand finanzierten Versicherungsschutzes gestellt, das sind insbesondere Haftpflichtversicherung, Unfallversicherung und Rechtsschutzversicherung - Haftungsausschluss/Haftpflichtversicherung/Rechtschutz für Vereine: Wichtiges Thema bei Vereinen ist die Frage der Haftung, die von vielen noch als zu weitreichend angesehen wird. - Anrechnung des freiwilligen Engagements auf Pension: viele der befragten VertreterInnen von Freiwilligenorganisationen treten dafür ein, das Engagement in irgendeiner Form auch für die Pension anzurechnen - Schaffung von Erleichterungen an der Schnittstelle Freiwilligenarbeit und Berufstätigkeit: o Regelungen der Freistellung bei Hilfs- und Katastropheneinsätzen o Abgeltung der Fehlzeiten beim Arbeitgeber durch die öffentliche Hand - Abfederung der finanziellen Nachteile 19

o Anreize für Unternehmen schaffen, die freiwilliges Engagement unterstützen o Zusätzlicher Anspruch auf bezahlten Urlaub für Freiwillige/Ehrenamtliche o Arbeitsrecht ändern, damit Freiwilligenarbeit und Erwerbsarbeit besser vereinbar sind - Steuervorteile für Freiwillige o Höhere steuerliche Absetzbarkeit bei Aufwandentschädigungen o Steuerfreibetrag o Absetzbarkeit von Ausgaben, die für das freiwilligen Engagement getätigt werden (z.b. Ausbildung) - Finanzielle Förderungen für Freiwilligenorganisationen: o Generelle Subventionen (Infrastrukturkosten) für Vereine und andere Freiwilligenorganisationen o Spezielle Förderungen für die Freiwilligenkoordination o Förderung von Aus- und Weiterbildung o Verbesserung der finanziellen Planungssicherheit o Möglichkeiten zur Abfederung von finanziellen Risiken von Vereine schaffen (z.b. Versicherung) o Abbau von Bürokratismus bei Förderungen o Förderungen rascher auszahlen - Finanzielle Vorteile für Freiwillige o Finanzierung einer Aufwandsentschädigung (PKW etc.) seitens der öffentlichen Hand o Z.B. Einkaufsvorteile, Jahreskarte, ÖBB-Ticket, o Bildungschecks o Kaskoversicherung bei Gebrauch des eigenen PKWs im Rahmen des freiwilligen Engagements - Anrechnung des freiwilligen Engagements für Ausbildung und Beruf o Anrechnung der im Rahmen des freiwilligen Engagements erfolgten Ausbildung auf den Beruf o Anerkennung des Engagements für die Ausbildung (insbesondere für verwandte Berufen, z.b. im Sozialbereich) - Größere Rechtssicherheit und großzügigere Regelungen bei Aufwandsentschädigungen in Bezug auf Sozialversicherung: o Bessere Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen, Abgrenzung zu ähnlichen Arbeitsformen (Ferialpraktika, Voluntariat, etc.) o Wenn im Rahmen des freiwilligen Engagements der Zeitaufwand abgegolten wird, dann sollten es Regelungen geben, damit diese nicht sozialversicherungspflichtig sind - Adaptierung des Freiwilligengesetztes, damit auch Freiwilligendienste im Ausland anerkannt und die Vorteile genutzt werden können o Insbesondere: Anspruch auf Familienbeihilfe o Taschengeldpflicht muss durch Unterkunft und Verpflegung erfüllt sein können - Schaffung eines anerkannten Tätigkeitsnachweises - Öffentlichkeitsarbeit für freiwilliges Engagement o bessere Sichtbarkeit o Imagekampagnen o Mehr Medienaufmerksamkeit - Vereinfachung der Vorschriften/Regelungen o Vereinfachung des Vereinsgesetzes o Vereinfachung der Bürokratie o Vorschriften und Regelungen verständlicher machen - Erleichterungen bei den rechtlichen und steuerlichen Bedingungen bei Veranstaltungen: diese stellen eine wichtige Einnahmequelle für Vereine dar o Anmeldung und Pflichtversicherung bei Veranstaltungen abschaffen o Keine Besteuerung der Festveranstaltungen 20

- Schutz der Freiwilligen am Arbeitsplatz in Anlehnung an dem Arbeitnehmerschutz - Vorteile für bestimmte Bevölkerungsgruppen o Krankenversicherung für alle, die sich engagieren o Anrechnung bei Arbeitslosen o Anwärter für die Staatsbürgerschaft, die sich freiwillige engagieren - Steuervorteile für Vereine o Ausweitung der Absetzbarkeit von Steuern auf Vereine - Vorrang von Freiwilligen bei Anstellungen im öffentlichen Dienst - Teilzeitmodelle vor der Pension für die Ermöglichung eines stärkeren freiwilligen Engagements - Grundeinkommen - Verpflichtendes Sozialjahr, Zivildienst auch für Frauen - Ko-finanzierung und Beratung für Beantragung von EU-Projekten 21

4 RESÜMEE Das NPO&SE-Kompetenzzentrum beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Freiwilligenarbeit. Im Februar 2014 wurde eine Erhebung bei Freiwilligenorganisationen durchgeführt. Ziel der Studie ist einen Überblick über die Beschaffenheit von Organisationen in Österreich zu geben, in denen es freiwilliges Engagement gibt. Insbesondere interessieren: (1) Unter welchen Rahmenbedingungen arbeiten Freiwillige? (2) Wer ist für die Freiwilligenkoordination bzw. das Freiwilligenmanagement zuständig? (3) Gibt es Probleme bei der Gewinnung bzw. Bindung von Freiwilligen? Insgesamt haben 703 Organisationen, großteils (83%) als Verein organsiert, an der Befragung teilgenommen, wobei den größten Anteil (fast 28%) Wiener Organisationen ausmachen. Die befragten Organisationen sind weiters großteils aus dem Bereich der sozialen Dienste und des Gesundheitswesens. Ein erheblicher Anteil von knapp 40% hat keine hauptamtlichen MitarbeiterInnen, beruht demnach ausschließlich auf Freiwilligenarbeit. Sofern es auch hauptamtliche MitarbeiterInnen gibt liegt die Anzahl der Beschäftigten meist unter 10 Personen. Rahmenbedingungen Die Organisationen selbst bezeichnen ihre freiwillig tätigen MitarbeiterInnen vorwiegend (70%) als Ehrenamtliche. Diese engagieren sich in den befragten Organisationen vorwiegend bei der unmittelbaren Leistungserstellung für KundInnen/KlientInnen, in der Öffentlichkeitsarbeit sowie in Management und Aufsichtsfunktionen. Der Großteil der Ehrenamtlichen erhält keine finanzielle Entschädigung für den Zeitaufwand. In 60% der Organisationen sind Freiwillige durch eine Haftpflichtversicherung geschützt, wobei 49% der Organisationen selbst dafür aufkommen. Unfallversichert sind 56%, hierbei kommen 43% der Organisationen selbst dafür auf. In Wien ist der Anteil der Organisationen, in denen es keine Haftpflicht- und Unfallversicherung gibt, besonders hoch. Zuständigkeit 34% der befragten Organisationen haben eine eigene Stelle, die für Freiwillige zuständig ist, welche als Ehrenamts- oder Freiwilligenkoordination bezeichnet wird. Diese Stelle ist bei 47% der Organisationen der Geschäftsführung zugeordnet, bei 20% der Personalabteilung. In einem Drittel der Organisationen sind die MitarbeiterInnen der für Freiwillige verantwortlichen Stelle angestellt, bei 37% erfüllen sie ihre Aufgabe ehrenamtlich und bei 29% sind die MitarbeiterInnen teilweise angestellt und teilweise unbezahlt. In über der Hälfte der befragten Organisationen werden bis zu 10 Stunden pro Woche für die Freiwilligenkoordination verwendet. In knapp 70% der Organisationen, hat zumindest einer bzw. eine der MitarbeiterInnen eine Ausbildung zum Thema Freiwilligenkoordination/-management absolviert. Sofern es keine eigene Stelle für die Freiwilligenorganisation gibt, übernimmt zumeist die Geschäftsführung diese Aufgabe. Entwicklung des freiwilligen Engagements Für 64% der befragten Organisationen sind Freiwillige nur mit größerem Aufwand zu gewinnen, für 58% zu halten. 55% bestätigen, dass es schwieriger ist, Freiwillige für einen längeren Zeitraum zu halten. 43% der Organisationen haben Probleme damit, ehrenamtliche FunktionärInnen nachzubesetzen, bei 35% trifft dies auch auf die Gewinnung von Freiwilligen für ausführende Tätigkeiten zu. 21% gaben an, dass Freiwillige heute häufiger einen Tätigkeitsnachweis verlangen, für 60% trifft dies nicht zu 22

Zusammenfassende Betrachtung Folgende Abbildung fasst die Ergebnisse der Studie zusammen: Abbildung 25: Freiwilligenarbeit in Österreich 23

Literatur More-Hollerweger, Eva/Rameder, Paul (2013): Freiwilligenarbeit in Nonprofit-Organisationen. In: Simsa, Ruth/Meyer, Michael/Badelt, Christoph (Hrsg.): Handbuch der Nonprofit Organisation. Strukturen und Management. 5 Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, 381-399. More-Hollerweger, Eva/Rameder, Paul/Spajcer, Selma (2009): Die Beziehung zwischen Freiwilligenarbeit und Erwerbsarbeit aus individueller Sicht. In: BMASK (Hrsg.): Freiwilliges Engagement in Österreich. 1. Freiwilligenbericht, Wien: BMASK, 74-89. 1

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