Weiterhin wird ein Nachteilsausgleich bei der Erhebung von Studienbeiträgen eingeräumt:

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Transkript:

Hinweise zur Gestaltung des gesetzlich verankerten Nachteilsausgleichs beim Studium und bei den Prüfungen von behinderten und chronisch kranken Studierenden 1. Vorbemerkung Dieses Merkblatt ist ein Beitrag zum Abbau von Informationsdefiziten im Hinblick auf die Gestaltung eines Nachteilsausgleichs für behinderte und chronisch kranke Studierende im Studium und bei den Prüfungen. Behinderte und chronisch erkrankte Studierende sind an Hochschulen häufiger anzutreffen, als es zunächst den Anschein hat. Denn die zunächst nicht offensichtlichen aber gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie z. B. rheumatische Erkrankungen, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Hörschädigungen und psychische Erkrankungen kommen in allen Bevölkerungsschichten vor, also auch bei Studierenden. Neben der Gruppe der offensichtlich Körperbehinderten wie z.b. Rollstuhlfahrern oder Gehbehinderten sind sie zunächst nicht durch ihr Auftreten stigmatisiert. Gemeinsam ist beiden Gruppen aber das Problem, auf Fragen zu ihren behinderungs- oder krankheitsbedingten notwendigen Modifikationen von Studien- und Prüfungsbedingungen erklären zu müssen, wie diese zu gestalten sind. 1 Für die Frage nach der Gestaltung ihres Studienalltags stehen dabei weniger die klinischen Definitionen der Erkrankungen im Vordergrund, sondern vielmehr Art und Umfang der Auswirkungen einer Behinderung oder chronischen Erkrankung auf den Studienalltag und auf Prüfungsformen. Bei relativ bekannten Beeinträchtigungen, z. B. der Hör- oder Sehfähigkeit dürfte die Erklärung leichter nachzuvollziehen sein, als bei Behinderungen oder Erkrankungen mit unklarer Genese und sehr vielfältigen Erscheinungs- und Störungsformen. Das Bewältigen von kritischen Situationen wie Prüfungen, Praktika, etc. gelingt oft nur durch professionelle Unterstützung und Begleitung im Studienalltag, wie z. B. durch die Beratungsstelle für behinderte Studierende oder andere beratende Institutionen, die mit dem Studiengeschehen und den Bedingungen behinderter und chronisch kranker Menschen vertraut sind. Häufig ist die Gewährung von Nachteilsausgleichen die einzige Möglichkeit für Betroffene, sich ihrer Gleichstellung zu nichtbehinderten Studierenden anzunähern. Nachteilsausgleiche ermöglichen es behinderten und chronisch kranken Studierenden, die geforderten Studien- und Prüfungsleistungen bei Wahrung der fachlichen Anforderungen in vollem Umfang, jedoch in bedarfsgerechter Form, zu erbringen. Das Recht behinderter und chronisch kranker Studierender auf angemessene Nachteilsausgleiche ergibt sich prinzipiell bereits aus dem Gleichheitsgrundsatz, dem Sozialstaatsprinzip und dem Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes in 3 und 20. Diesem Gebot unserer Verfassung haben sich nun auch alle Hochschul- und Universitätsrektoren auf ihrer gemeinsamen Sitzung am 21 April 2009 in Aachen verpflichtet. Es ist sogar dieser gemeinsamen Beschlussfassung der HRK eine Empfehlung gefolgt, wodurch sich alle Hochschulen verpflichtet sehen, ihren behinderten Studierenden individuelle, nachteilsausgleichende Maßnahmen zuzugestehen und zwar dort, wo Barrieren die chancengleiche Teilhabe und Selbstbestimmung von behinderten Menschen an den Hochschulen beschränken. Im Rahmen einer Hochschule für Alle soll nun endlich auch Behinderten die Möglichkeit für ein chancengleiches Studium und Partizipation im Hochschulalltag eröffnet werden.

2. Gesetzliche Grundlagen für den Nachteilsausgleich beim Studium und bei den Prüfungen aufgrund einer Behinderung oder einer chronischen Erkrankung finden sich in den einzelnen Paragraphen und Bestimmungen folgender Gesetze Durch das Sozialgesetzbuch (SGB) IX und das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (BGG) ist ein allgemeiner Behinderungsbegriff gesetzlich definiert, der überall einheitlich in Gesetzen und rechtlichen Bestimmungen angewendet wird, wo von behinderten Menschen und Behinderung die Rede ist. Die Definition nach 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und 3 BGG lautet: Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Der Behinderungsbegriff des SGB IX und des BGG umfasst auch chronisch Erkrankte i. S. von länger andauernden Erkrankungen sowie chronische Erkrankungen mit episodischem Verlauf, sofern diese zu einer Beeinträchtigung der Teilhabe führen. Ein Teil der behinderten Menschen i. S. der Definition ist nach 2 Abs. 2 SGB IX zugleich schwerbehindert. 2 Bedürfnisse Behinderter und chronisch Kranker zählen zu den vorrangig zu berücksichtigenden Aufgaben der Hochschulen NRWs. Ausdrücklich steht dort im 3 ASbs.5 Satz 2 des HG NRW: Sie (die Hochschulen) berücksichtigen die besonderen Bedürfnisse behinderter und chronisch kranker Studierender und Beschäftigter Für behinderte Studierende in NRW greifen daher der 64 HG NRW und der 8 StBAG NRW: 64 Prüfungsordnungen des Gesetzes über die Hochschulen Nordrhein-Westfalens (Hochschulgesetz HG) i.d.f.d. Hochschulfreiheitsgesetzes vom 01.01.2007 (Hochschulfreiheitsgesetz HFG) (1) Hochschulprüfungen werden auf Grund von Prüfungsordnungen abgelegt, die nach Überprüfung durch das Präsidium vom Fachbereichsrat zu erlassen sind. Bei Erarbeitung der Prüfungsordnungen sind die Studierenden zu beteiligen; das Nähere bestimmt die Fachbereichsordnung. (2) Hochschulprüfungsordnungen müssen insbesondere regeln: den Inhalt, das Qualifikationsziel, die Lehrform, die Teilnahmevoraussetzungen, die Arbeitsbelastung und die Dauer der Prüfungsleistungen der Module; für behinderte Studierende sind nachteilsausgleichende Regelungen zu treffen, Nach 64, Abs. 1 und 2 HFG NW verpflichtet somit der gesetzliche Auftrag die Hochschulen des Landes NRW dazu, die einzelnen Module der Prüfungsleistungen von behinderten Studierenden in den Prüfungsordnungen durch die Anwendung von Nachteilsausgleichen bei dem Aspekt des Inhaltes, des Qualifikationszieles, der Lehrform, der Teilnahmevoraussetzung, der Arbeitsbelastung und der Dauer einer Prüfung spezifisch zu regeln. Die Begründung hierfür zieht der Gesetzgeber aus der alten Fassung des damaligen 94 Prüfungsordnungen Abs. 2 des ehemaligen Hochschulgesetzes NRW (HG) in der Fassung des

Gesetzes zur Weiterentwicklung der Hochschulreformen (Hochschulreformweiterentwicklungsgesetz HRWG) vom 30.11.2004. Die betreffenden Passagen lauteten damals: (2) Hochschulprüfungsordnungen müssen insbesondere regeln:, 6. Form, Zahl, Art und Umfang der Prüfungsleistungen unter Berücksichtigung nachteilsausgleichender Regelungen für behinderte Studierende, 7. die Zeiten für die Anfertigung von Prüfungsarbeiten und die Dauer der mündlichen Prüfungen unter Berücksichtigung nachteilsausgleichender Regelungen für behinderte Studierende, Weiterhin wird ein Nachteilsausgleich bei der Erhebung von Studienbeiträgen eingeräumt: 8 Ausnahmen von der Abgabenpflicht, Abgabenermäßigung und Abgabenerlass Des Gesetzes zur Erhebung von Studienbeiträgen und Hochschulabgaben (Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz StBAG NRW) vom 21. 3. 2006 (Artikel 2 des Gesetzes zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen (HFGG) (GV. NRW. S. 119): (3) Von der Beitragspflicht auf der Grundlage der Beitragssatzung nach 2 Abs. 1 wird auf Antrag eine Befreiung oder Ermäßigung gewährt für (4) die studienzeitverlängernden Auswirkungen einer Behinderung oder einer schweren Erkrankung. 3 Die Begründung des Hochschulgesetzes 2005 (HSchG 2005) zum 8 Abs. 3 Satz 4 lautet: Die Befreiung von der Verpflichtung zur Entrichtung der Studienbeiträge setzt sachliche Gründe voraus, die mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der abgabenrechtlichen Gleichbehandlung die Befreiung rechtfertigen können; das Gleiche gilt für Ermäßigungen der Höhe der Beitragsverpflichtung. Typischerweise entscheiden die Studierenden selbst, wie sie ihr Studium gestalten. In den in Absatz 3 genannten Fallgestaltungen ist diese Entscheidungsfreiheit indes durch äußere Umstände eingeschränkt, die für die betroffenen Studierenden unabweislich sind oder in der Teilhabe an der Hochschul-, Studierendenschafts- oder Studentenwerksorganisation gründen. Eine Befreiung von der Beitragspflicht ist hier nach Maßgabe der Beitragssatzung sachgerecht. Im Einzelnen: Im Falle der studienzeitverlängernden Auswirkung einer Behinderung oder einer schweren Erkrankung ist die Befreiung gerechtfertigt durch das verfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) und für studienzeitverlängernd schwer erkrankte Studierende durch das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes. Dabei führt nicht jede Behinderung oder schwere Erkrankung zu einer Beitragsbefreiung. Vielmehr müssen die körperlichen Beeinträchtigungen studienzeitverlängernd sein. Sie müssen mithin dazu führen, dass die Studierfähigkeit bezogen auf das jeweilige Semester über einen längeren Zeitraum so erheblich herabgesetzt ist, dass ein ordnungsgemäßes Studium nicht mehr möglich ist. Auch eine chronische Erkrankung kann bei einem entsprechenden Schweregrad zu einer Beitragsbefreiung führen. Als Nachweis für die studienzeitverlängernde Auswirkung einer Behinderung oder schweren Erkrankung können ein fachärztliches Attest oder ergänzend die Stellungnahme der Behindertenbeauftragten oder des Behindertenbeauftragten der Hochschule, die Stellungnahme anderer einschlägig kompetenter Behindertenverbände oder organisationen oder andere geeignete Nachweise dienen.

3. Rechtliche Grundsätze zum Ausgleich von Nachteilen von Behinderten und chronisch Kranken in den Prüfungsordnungen der Ruhr-Universität Bochum Wie in den vielen Jahren vorher bei den Prüfungsordnungen für die Diplom- und Masterstudiengänge hat die RUB den Gleichstellungsbemühungen behinderter und chronisch kranker Studierender auch 2002 bei der Neufassung der Gemeinsamen Prüfungsordnung für das Bachelor-/Masterstudium im Rahmen des 2-Fach-Modells an der Ruhr-Universität Bochum mit 16 Abs. 3 entsprochen: 16 Prüfungsformen; Nachteilsausgleiche für behinderte Studierende Macht eine Kandidatin oder ein Kandidat durch ein ärztliches Zeugnis glaubhaft, dass sie bzw. er wegen länger andauernder oder ständiger körperlicher oder psychischer Behinderung nicht in der Lage ist, die B.A.- oder M.A.-Prüfungen ganz oder teilweise in der vorgesehenen Form abzulegen, gestattet die oder der Vorsitzende des Gemeinsamen Prüfungsausschusses der Kandidatin oder dem Kandidaten, gleichwertige Prüfungen in anderer Form zu erbringen. Entsprechendes gilt für Studienleistungen. 4 Dieser Grundsatz gilt heute für jeden auf Nachteilsausgleiche angewiesenen Studierenden, auch dann, wenn seine fakultätsbezogene Fach-Prüfungsordnung einer gleichlautenden Bestimmung entbehrt. Ihr steht die Rahmenprüfungsordnung der RUB vor. Es ist z.b. auch ausdrücklich erklärte Handlungsstruktur der Akkreditierungsagenturen, zukünftig nur Prüfungsordnungen zu akkreditieren, die Benachteiligungen von Behinderten ausgleichen (vgl. Hinweise des Deutschen Studentenwerkes Homepage: www.studentenwerke.de). Werden Leistungen von Studierenden nach einem dokumentierenden Schemata erwartet, z.b. Klausuren, mündliche Prüfungen, Protokolle, Dokumentationen, Vorträge, Referate, etc., wird dem auf Nachteilsausgleiche angewiesenen Studierenden empfohlen, einen formlosen schriftlichen Antrag auf Gewährung eines entsprechenden Nachteilsausgleiches beim zuständigen Dozenten, Prüfungsamt oder Prüfungsausschussvorsitzenden zu stellen. Die beantragten Änderungen können Art, Form und Inhalt der Prüfungsleistungen betreffen. Dies betrifft daher auch Prüfungen für Leistungsnachweise und Teilabschnitte des Studiums; nicht nur Zwischen- und Abschlussprüfungen. Ebenso wie es für die Prüfungsordnungen der Bachelor- und Masterstudiengänge festgeschrieben ist, muss es den Lehramts-Kandidaten, den Rechtswissenschaftlern, u.a. gestattet werden, Prüfungsleistungen in einer anderen Form zu erbringen, sofern sie glaubhaft machen, dass sie aufgrund einer länger andauernden oder ständigen Behinderung nicht in der Lage sind, Prüfungsleistungen ganz oder teilweise in der vorgesehenen Form abzulegen. Für Staatsprüfungen gelten die jeweiligen Gesetze und Verordnungen des Landesministeriums, für Juristen gilt die JAPO (Juristenausbildungsprüfungsordnung), für Mediziner die Approbationsordnung für Ärzte. Auch dort, wo es noch nicht ausdrücklich festgeschrieben ist, sollten betroffene Studierende nach dem Prinzip der Freiwilligkeit ihre Problemsituation rechtzeitig gegenüber den jeweiligen Verantwortungsträgern darstellen. Nur so sind Unterstützung und Anpassung der Studienbedingungen am effizientesten möglich.

4. Gestaltung eines Nachteilsausgleichs bei Studien- und Prüfungsleistungen Durch den Nachteilsausgleich bei Studien- und Prüfungsleistungen werden die fachlichen Anforderungen an die Kandidatinnen und Kandidaten nicht verringert. Es handelt sich daher keinesfalls um eine Erleichterung, sondern um eine bedarfsgerechte Gestaltung von Bedingungen, um behinderten und chronisch erkrankten Studierenden das Absolvieren von Studien- und Prüfungsleistungen unter chancengleichen Kriterien zu ermöglichen. Die Gestaltung solcher nachteilsausgleichenden Maßnahmen muss stets individuell festgelegt werden. Eine exemplarische Liste von Beispielen für mögliche Modifikationen befindet sich beim Deutschen Studentenwerk auf der Homepage www.studentenwerke.de im Bereich der Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung. Wird eine schriftliche Anmeldung bei der Zulassung zur Klausur, Prüfung etc. erforderlich, sollte der Antrag auf Nachteilsausgleich möglichst gleichzeitig gestellt werden. In dem Antrag sollten Studierende die für sie geeigneten Nachteilsausgleiche darlegen. Ihm kann je nach Lage des Einzelfalls ein geeigneter Nachweis beigefügt sein. Die Abgabe einer gutachterlichen Stellungnahme sollte stets in enger Abstimmung und nur mit Einwilligung der oder des Betroffenen erfolgen. 5 Ein geeigneter Nachweis zur Unterstützung der Glaubhaftmachung kann beispielsweise sein: Ein ärztliches Attest, ein psychologisches Gutachten, eine Kopie des Ausweises über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch i.s. des 2 Abs. 2 SGB IX, eine Stellungnahme des Behindertenbeauftragten, oder ähnliches. Nachteilsausgleichende Maßnahmen dürfen sich nicht auf die Bewertung von Studien- und Prüfungsleistungen auswirken und dürfen nicht in Leistungsnachweisen oder Zeugnissen dokumentiert werden. Das Servicezentrum für Behinderte im Studierendenhaus steht Studierenden mit Behinderung oder chronischer Erkrankung sowie den Dozenten stets für Informations- und Beratungsgespräche bezüglich der Gestaltung des Nachteilsausgleichs bei Studien- und Prüfungsleistungen zur Verfügung. Nachteilsausgleiche sind immer individuelle Einzelfallentscheidungen. Für deren Form haben Hochschulen bei ihrer Entscheidung einen weiten Ermessenspielraum. Die Regelungen zum Nachteilsausgleich beim Studium und bei den Prüfungen sind dem Grunde nach auch auf psychisch erkrankte Studierende anzuwenden. Psychisch erkrankte Studierende haben oft Bedenken, dass die Offenlegung ihrer Erkrankung mit Nachteilen und Stigmatisierung verbunden sein könnte. Die beratende Institution für psychisch erkrankte Studierende ist in diesem Fall das Studienbüro der Ruhr-Universität Bochum. Alle Universitätsangehörigen sowie auch Mitarbeiter anderer Beratungseinrichtungen sind zur Vertraulichkeit verpflichtet. Verfasser: Harry Baus Sonderpädagoge, Servicezentrum für Behinderte (SZB), Studierendenhaus der Ruhr-Universität Bochum, Februar 2010.