Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom
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- Bernt Adenauer
- vor 7 Jahren
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1 Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts GKV-Spitzenverband Reinhardtstraße 28, Berlin Telefon Fax
2 Seite 2 von 6 Inhaltsverzeichnis I. Vorbemerkung... 3 II. Stellungnahme zum Gesetzentwurf... 4 Artikel 1 Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes Menschen mit Behinderungen... 4
3 Seite 3 von 6 I. Vorbemerkung Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts (BGG) kommt der Bund seiner Pflicht nach, in Anbetracht der seit 2009 in Deutschland geltenden UN- Behindertenrechtskonvention die seit über zehn Jahren gültigen Gesetze zur Gleichstellung behinderter Menschen einer Prüfung und Anpassung zu unterziehen. Diese Entwicklung ist begrüßenswert. Auch der GKV-Spitzenverband ist der Auffassung, dass das Gleichstellungsgesetz im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention fortzuentwickeln ist. Es ist von zentraler Bedeutung, dass dieses für die heutige und zukünftige Gewährleistung der Rechte von Menschen mit Behinderungen so wichtige Gesetz die verbindlichen inhaltlichen Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention hinreichend erfüllt. Die vorgesehene Anpassung des Behinderungsbegriffs, die dem Grundverständnis der UN- BRK folgt, wird grundsätzlich begrüßt. Allerdings birgt die nun gewählte Definition aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes einige Unschärfen, die zu Rechtsunsicherheit führen können. Insofern sollten zum Behinderungsbegriff weitergehende Klarstellungen vorgenommen werden. Hinsichtlich des Gesetzentwurfes wird daher zu 3 im folgenden Stellung genommen.
4 Seite 4 von 6 II. Stellungnahme zum Gesetzentwurf Artikel 1 Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes 3 Menschen mit Behinderungen A) Beabsichtigte Neuregelung Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sind Menschen mit Behinderungen im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Als langfristig soll dabei ein Zeitraum gelten, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert ( 3 BGG n. F.). Die vorgesehene Anpassung des Behinderungsbegriffs spiegelt den Paradigmenwechsel von einem defizitorientierten hin zu einem ressourcenorientierten, auf Teilhabe fokussierenden Verständnis von Behinderung wider und folgt damit dem Grundverständnis der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf ist eine Ausweitung oder Einengung des Personenkreises mit dem neuen Behinderungsbegriff nicht verbunden. B) Stellungnahme Zu 3 Der Ansatz, mit den vorgesehenen Anpassungen zum Behinderungsbegriff den auf Behinderung bezogenen Paradigmenwechsel widerzuspiegeln und damit dem Grundverständnis der Behindertenrechtskonvention zu folgen, wird grundsätzlich begrüßt. Bei der Neudefinition des Behinderungsbegriffs sollten jedoch die nachfolgenden Aspekte berücksichtigt werden. Eine Anpassung des Behinderungsbegriffs sollte orientiert an der UN-BRK und der Internationalen Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) erfolgen. Nach der ICF umfassen die körperlichen Beeinträchtigungen auch die seelischen, geistigen und Sinnesbeeinträchtigungen. Der Begriff Körper bezieht sich auf den menschlichen Organismus als Ganzes. Daher umfasst er auch das Gehirn und seine Funktionen, z. B. den Verstand. Aus diesem Grund werden mentale (geistige und seelische) Funktionen unter Körperfunktionen subsumiert. Unter Berücksichtigung der ICF Systematik ist somit nicht nachvollziehbar, dass bei der
5 Seite 5 von 6 vorgesehenen Definition von Behinderung seelische, geistige und Sinnesbeeinträchtigungen gleichrangig neben den körperlichen Beeinträchtigungen angeführt werden. Da allerdings auch bereits die bisherige Definition des Behinderungsbegriffs im BGG neben der körperlichen Funktion explizit auch die geistige Fähigkeit und die seelische Gesundheit anführt, wird zur Vermeidung von Missverständnissen vorgeschlagen, bei der Anpassung des Behinderungsbegriffs die Bezugnahme auf die seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen nicht vollständig zu streichen, sondern diese systematisch korrekt durch die Ergänzung des Begriffs einschließlich mit den körperlichen Beeinträchtigungen zu verknüpfen ( körperlicher Beeinträchtigungen, einschließlich seelischer, geistiger oder Sinnesbeeinträchtigungen ). Die vorgesehene Formulierung einstellungs- und umweltbedingte Barrieren, die offensichtlich aus der Präambel der UN-BRK, Erwägungsgrund e), entnommen ist, wirft nicht zuletzt aufgrund der Abweichung von der Formulierung in Artikel 1 der UN-BRK, die von verschiedenen Barrieren spricht, Fragen auf. So bleibt zum einen offen, ob mit dieser Formulierung eine Einschränkung gegenüber dem weiten Begriff der verschiedenen Barrieren in Artikel 1 der UN-BRK beabsichtigt ist. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der einstellungsbedingten Barrieren nicht allgemein definiert ist. Einstellungen sind hinsichtlich der Außen- (Umwelt) und Innenperspektive (Person) zu unterscheiden, sodass bei dem Begriffspaar einstellungs- und umweltbedingte Barrieren nicht klar ist, welche Perspektive hier einzunehmen ist. Es wird deshalb vorgeschlagen, zur Konkretisierung der in der UN-BRK ausgeführten verschiedenen Barrieren in Anknüpfung an das bio-psychosoziale Modell der WHO als Grundlage der ICF die Begrifflichkeit umwelt- und personbezogene Barrieren zu verwenden. Entgegen der bisherigen Definition von Behinderung wird auf das Abweichen von dem für das Lebensalter typischen Zustand verzichtet. Der Behinderungsbegriff setzt insoweit nicht mehr voraus, dass die körperliche Beeinträchtigung von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Im Abschlussbericht zur Evaluation des Behindertengleichstellungsgesetzes (s. Forschungsbericht des BMAS 445, Seite 439) wird dazu ausgeführt, dass die lebensaltersuntypischen Beeinträchtigungen im Grunde auch im Behinderungsbegriff der UN-BRK enthalten sind. Das Vorliegen einer Krankheit verdeutliche aus organisch-medizinischer Sicht bereits, dass es sich um eine Abweichung von einem wie auch immer zu bewertenden durchschnittlichen Normalzustand von Menschen in einer ähnlichen Altersstruktur handele. Es sollte daher eine entsprechende Klarstellung vorgenommen werden, dass eine Beeinträchtigung vorliegt, wenn der Körper- oder Geisteszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
6 Seite 6 von 6 Das Wort langfristig ist nach unserem Verständnis der UN-BRK im Zusammenhang mit der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu sehen. Danach bedingt nicht die langfristige körperliche Beeinträchtigung die Behinderung; erst die Wechselwirkungen mit den unterschiedlichsten Barrieren aus dem jeweils individuellen Lebenshintergrund können im Ergebnis zu einer längerfristigen Hinderung an der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und damit zur Behinderung führen. Deshalb sollte sich der Begriff langfristig in der Definition konsequent auf die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und nicht auf die körperlichen Beeinträchtigungen beziehen. Die Klarstellung des Begriffs langfristig in 3 Satz 2 als ein Zeitraum von länger als sechs Monaten wird begrüßt, da sie Rechtsunsicherheit vermeidet. Die vorgenommenen Ergänzungen umfassen damit keine inhaltlichen Änderungen gegenüber den aktuellen gesetzlichen Regelungen, sondern dienen weiterhin der Präzisierung. Auch insoweit sollte jedoch die Langfristigkeit eindeutig auf die Hinderung an der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ausgerichtet werden. C) Änderungsvorschlag 3 sollte wie folgt gefasst werden: Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Menschen, die körperliche Beeinträchtigungen, einschließlich seelischer, geistiger oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit umwelt- und personbezogenen Barrieren langfristig an der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- oder Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Als langfristig in diesem Sinne gilt, wenn die Hinderung an der gleichberechtigten Teilhabe mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert.
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