GROSSFLÄCHIGES AUFTRETEN VON ENTEROKOKKEN IM TRINKWASSER - URSACHEN UND BEWERTUNG - Ergebnisse eines DVGW-Forschungsprojektes - Dr. Andreas Korth, Dr. Heike Petzoldt, M.Sc. Reik Nitsche, Dr. Beate Hambsch, Dr. Michael Hügler
EINLEITUNG Im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2011 traten in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg großflächige Belastungen des Trinkwassers mit Enterokokken auf. Die von den Versorgungsunternehmen durchgeführten üblichen Maßnahmen führten häufig zu keiner vollständigen Beseitigung der Belastung. Voruntersuchungen wiesen darauf hin, dass die Belastung durch Enterokokken mit Mücken in Zusammenhang stehen könnte, allerdings waren auf Basis vorliegender Einzeluntersuchungen keine konkreten Aussagen möglich. Hauptziele des Forschungsvorhabens waren die Ursachenanalyse der großflächigen Belastung mit Enterokokken und die Ableitung von Maßnahmen zur Vermeidung einer Trinkwasserbelastung.
ERGEBNIS DER LITERATURAUSWERTUNG Das am besten bekannte Habitat von Enterokokken ist der Intestinaltrakt von Säugetieren und Vögeln. Enterokokken wurden bereits in verschiedenen Insekten nachgewiesen. Insekten spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung von Enterokokken auf Pflanzen. In den Literatur sind Belastungen von Insekten mit 10 8 Enterokokken/Individuum beschrieben.
HERANGEHENSWEISE Beschaffung u. Untersuchung von Insekten (primär Mücken) und weiteren Kleinlebewesen aus verschiedenen Regionen Deutschlands Unterstützung bei Beschaffung von Mücken durch GA s, WVU s und ZALF* Bestimmung der Enterokokkenbelastung einschließlich Identifizierung Untersuchung weiterer hygienisch relevanter Begleitflora (Coliforme, E. coli, Salmonellen, Campylobacter) Beschaffung der im Trinkwasser (Schwerpunkt Brandenburg und Mecklenburg Vorpommern) aufgetretenen Enterokokkenstämme und Identifizierung Unterstützung durch GA s, Auftragslabore und WVU s * Leibnitz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung e.v.
UNTERSUCHUNG VON INSEKTEN AUF ENTEROKOKKEN UND ANDERE BEGLEITFLORA 85 % der Proben: Culex pipiens
ÜBERSICHTSKARTEN BEFUNDE ENTEROKOKKEN UND MÜCKENPROBEN Enterokokkenbefunde im Trinkwasser Mückenproben deutschlandweit
NACHWEIS VON ENTEROKOKKEN UND COLIFORMEN BAKTERIEN IN MÜCKEN 100 90 80 Befunde in % 70 60 50 40 30 20 19 32 10 0 Enterok. + Colif. Enterok. Colif. 7
REGIONALE VERTEILUNG DER ENTEROKOKKEN IN MÜCKEN 1.000.000 BW BAY BB HES MV NR S-AH SAX SHO Enterokokken in KBE / Individuum 100.000 10.000 1.000 100 10 1 0 33 44 45 58 46 47 2 34 5 6 13 16 9 188 14 15 17 10 11 12 19 23 24 26 27 28 7 38 39 36 37 50 51 52 64 65 66 60 61 40 41 1 20 21 22 30 25 53 42 43 54 55 62 63 29 Bundesland (Region) und Probennummer 34 35 56 57 32 31 67 68 59 48 59
ZEITLICHE VERTEILUNG DER ENTEROKOKKEN IN MÜCKEN Anzahl Enterokokken in KBE / Individuum 1.000.000 100.000 10.000 1.000 100 10 1 Z 1 Z 2 Z 3 Z 4 0 53 58 56 57 38 39 31 44 45 34 35 33 46 47 32 36 37 48 49 54 55 40 41 42 43 59 1 56 2 34 7 13 16 9 14 15 8 10 11 17 12 19 20 21 22 18 25 23 24 26 28 27 Probenahmezeitraum und Probennummer 29 30 60 61 62 63 50 51 52 64 65 66 67 68
REGIONALE VERTEILUNG DER COLIFORMEN BAKTERIEN IN MÜCKEN 1.000.000 BW BAY BB HES MV NR S-AH SAX SHO coliforme Bakterien / Individuum 100.000 10.000 1.000 100 10 1 0 33 44 45 58 46 47 2 34 5 6 13 16 9 188 14 15 17 10 11 12 19 23 24 26 27 28 7 38 39 36 37 50 51 52 64 65 66 60 61 40 41 1 20 21 22 30 25 53 42 43 54 55 62 63 29 Bundesland (Region) und Probennummer 34 35 56 57 32 31 67 68 59 48 59
ZEITLICHE VERTEILUNG DER COLIFORMEN BAKTERIEN IN MÜCKEN 1000000 Z Z 2 Z 3 Z 4 Anzahl coliforme Bakterien pro Mücke 100000 10000 1000 100 10 1 0 53 58 56 57 38 39 31 44 45 34 35 33 46 47 32 36 37 48 49 54 55 40 41 42 43 59 1 56 2 34 7 13 16 9 14 15 8 10 11 17 12 19 20 21 22 18 25 23 24 26 28 27 Probenahmezeitraum und Probennummer 29 30 60 61 62 63 50 51 52 64 65 66 67 68
IDENTIFIZIERUNG DER ENTEROKOKKEN 100 % Isolate aus Mücken
IDENTIFIZIERUNG DER COLIFORMEN BAKTERIEN Probenahmedatum Bundesland Identifikation 04.09.2011 BB Pantoea spp. 1 13.09.2011 S-AH Pantoea spp. 1 18.11.2011 BB Serratia liquefaciens 02.12.2011 BB Serratia liquefaciens 02.12.2011 BB unklarer Befund 02.12.2011 BB Serratia liquefaciens 02.12.2011 BB Serratia liquefaciens 02.12.2011 BB Serratia liquefaciens 11.12.2011 BB Serratia liquefaciens 12.12.2011 BB Serratia liquefaciens 12.12.2011 BB Pantoea spp. 1 13.12.2011 BB Pantoea spp. 1 13.12.2011 BB Enterobacter cloacae 21.12.2011 BB Butiauxella agrestis 21.12.2011 BB Pantoea spp. 1 28.12.2011 BB Pantoea spp. 1 26.01.2012 BB Pantoea spp. 1 29.01.2012 BB unklarer Befund
Berechnung Kontaminationspotenzial Enterokokken Coliforme Bakterien Maximale Belastung Mittlere Belastung Maximale Belastung Mittlere Belastung KBE/Individuum 840.000 100.000 480.000 28.000 Wasservolumen in m³ mit theoretischem Nachweis von 1 KBE/100 ml 84 10 48 2,8
ERGEBNISSSE DER UNTERSUCHUNG WEITERER KLEINLEBEWESEN Organismen Anzahl Enterokokken Coliforme Bakterien E. coli Salmonellen + Campylobacter Würmer 2 + + - - Spinnen 8 - - - - Ameisen 1 - - - - Schnaken 1 - - - - Eintagsfliegen 1 - - - - Asseln 1 - - - - Tausendfüßler 1 - - - - Marienkäfer 1 - - - - Blattläuse 1 - - - -
IDENTIFIZIERUNG VON ENTEROKOKKEN AUS TRINKWASSERPROBEN 40 Enterokokkenbefunde aus Brandenburg und Mecklenburg- Vorpommern von Wasserwerken Reinwasserbehälter TW-Verteilungsnetze Kunden Ergebnis: ausschließlich Enterococcus silesiacus / Enterococcus caccae Enterokokkenspezies aus Mücken und Wasserproben waren identisch
SITUATION BEI ORTSBEGEHUNGEN
LEBENSZYKLUS VON CULEX PIPIENS Die Gemeine Stechmücke Culex pipiens ist weltweit verbreitet. Bei den Weibchen ist ein langer Stechrüssel ausgebildet, mit dem sie Blut saugen. Die Männchen besitzen nur einen Saugrüssel, mit dem sie Nektar und Pflanzensäfte aufnehmen. Befruchtete Weibchen überwintern an geschützten Stellen (z.b. Keller oder Schuppen). Im Frühjahr werden 200-300 Eier zusammengeklebt und als schwimmendes Schiffchen auf der Wasseroberfläche abgelegt. Die großflächigen Befunde von Enterokokken im Mecklenburg- Vorpommern und Brandenburg traten ab Mitte 10/2011 bei Beginn von Tiefsttemperaturen im Bereich von 2 C auf. Es ist davon auszugehen, dass eine bestimmte Temperatursituation den Auslöser für die Weibchen darstellte, eine Überwinterungsmöglichkeit zu suchen.
ZUSAMMENFASSUNG In 50 % der untersuchten Mücken wurden Enterokokken mit einer Belastung von 1 bis ca. 840.000 KBE/Individuum nachgewiesen. Salmonellen und Campylobacter wurden nicht detektiert Coliforme Bakterien traten bei ca. 25 % der Mücken auf, wobei 1 bis 480.000 Coliformen/Individuum bestimmt wurden. Für die Enterokokken war kein regionaler Effekt zu verzeichnen. Coliforme Bakterien wurden, mit einer Ausnahme, nur bei den Mücken aus Brandenburg detektiert. Alle untersuchten Enterokokken-Isolate aus Mücken waren identisch und wurden E. silesiacus/e caccae aus der Enterococcus faecalis-gruppe zugeordnet. Bei den Enterokokkenbefunden im Rahmen von Trinkwasseruntersuchungen handeltes es sich ebenfalls E. silesiacus/e caccae
SCHLUSSFOLGERUNGEN Es ist davon auszugehen, dass die großflächigen Befunde von Enterokokken im Trinkwasser in Mecklenburg- Vorpommern und Brandenburg im Winter 2011/2012 mit dem Eindringen von Mücken in wasserwirtschaftliche Anlagen in Zusammenhang stehen. Im Focus stehen hierbei insbesondere Trinkwasserbehälter, bei denen die Möglichkeiten des Eindringens von Mücken vorhanden ist. Um eine Beeinträchtigung der Beschaffenheit des Trinkwassers bei der Speicherung zu vermeiden, sind die Hinweise des DVGW-Regelwerkes umzusetzen. Enterokokken werden als Indikator für eine möglicherweise länger zurückliegende fäkale Verunreinigung gewertet. Auf Basis der Ergebnisse ist zu prüfen, ob die Bewertungsgrundlage anzupassen ist.
DANKSAGUNG Das TZW bedankt sich bei dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.v. (DVGW) für die Förderung des Kurzprojektes Gesundheitsämtern, Wasserversorgungsunternehmen und Laboren, die das Projekt durch die Zusendung von Mücken-/ Insektenproben und Enterokokkenbefunden sowie informell unterstützt haben ZALF für die Zusendung von Mücken von verschiedenen Standorten deutschlandweit sowie die Unterstützung bei der Identifizierung der Mücken und anderer Insekten
DVGW-Forschungsvorhaben W 3/01/11: Enterokokkenbelastungen im Trinkwasser - Ursachenanalyse DVGW- Technologiezentrum Wasser Karlsruhe Außenstelle Dresden Wasserwerkstraße 2 01326 Dresden Tel.: +49 (0) 351 852 11 54 Fax.: +49 (0) 351 852 11 10 andreas.korth@tzw.de