Schreckgespenster. Wie häufig sind infektiöse Erkrankungen des zentralen Nervensystems beim Pferd wirklich?

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Transkript:

Schreckgespenster Wie häufig sind infektiöse Erkrankungen des zentralen Nervensystems beim Pferd wirklich?

Taumelnde und unsicher gehende Pferde, Pferde, die sich im Kreis drehen, mit dem Kopf gegen die Wand drängen, Pferde, die wie Hunde auf der Hinterhand sitzen und sich nicht mehr aufrichten können, vollkommen apathisch auf der Seite liegende Pferde kurz vor ihrem Tod die Bilder von Erkrankungen des zentralen Nervensystems bei Pferden sind erschreckend. Immer wieder geistern Beschreibungen von Pferden mit infektiösen Erkrankungen des zentralen Nervensystems durch Pferde- Fachmagazine und Foren. Doch wie häufig treten solche schweren und möglicherweise tödlich endenden Krankheitsverläufe tatsächlich auf? Schauen wir uns die drei Erkrankungen, die in Deutschland in den letzten Jahren Thema waren oder sind, genauer an: Tollwut, die Bornasche Krankheit und die zentralnervöse Verlaufsform der Infektion mit dem equinen Herpesvirus 1 (EHV1). Tollwut Es gibt verschiedene Formen der Tollwut: Hundetollwut, Fuchstollwut und Fledermaustollwut. Im letzten Jahrhundert war in Deutschland die Fuchstollwut noch recht verbreitet, inzwischen kommen nur noch vereinzelt Fälle der Fledermaustollwut vor. Tollwut wird durch den Biss eines kranken Tieres übertragen. Das Virus infiziert das verletzte Gewebe und gelangt ins Rückenmark und ins Gehirn. Zwischen dem Biss und dem Auftreten von Tollwutsymptomen können Wochen bis Monate vergehen. Die Krankheit zeigt sich durch Symptome, die Folge der Gehirn- und Rückenmarkschäden sind. Typisch für Tollwut beim Pferd sind Schluckbeschwerden, starker Speichelfluss, heiseres Wiehern und Lähmungen der Hinterhand. Eine verstärkte Aggressivi- tät, wie sie bei anderen Tieren vorkommt, ist beim Pferd kaum beobachtet worden. Tollwut war bei Pferden immer eine seltene Erkrankung, inzwischen ist sie schon einige Jahre gar nicht mehr aufgetreten. Die letzten drei Fälle bilanzierte das Friedrich- Löffler-Institut, das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, im Zeitraum von 1999 bis 2006. Seit 2008 gilt Deutschland nach den Kriterien der Weltorganisation für Tiergesundheit als frei von Fuchstollwut. Eine Ansteckungsgefahr durch Füchse besteht deshalb nicht. Eine Übertragung der Fledermaustollwut auf das Pferd ist bisher nicht vorgekommen. Auch sind europäische Fledermäuse Insektenfresser und keine Blutsauger wie südamerikanische Fledermäuse. Tollwut ist eine anzeigepflichtige Tierseuche. Das bedeutet, jeder, der Umgang mit Tieren hat und den Verdacht hat, ein Tier sei an Tollwut erkrankt, muss diesen Verdacht dem Veterinäramt melden. Der letzte Fall von Tollwut bei einem Fuchs trat in Deutschland im Februar 2006 auf. Seitdem ist Deutschland frei von Wildtollwut. 35

36 Verdächtige Tiere müssen getrennt gehalten werden und es dürfen keine Therapieversuche gemacht werden. Für Pferde sind Impfungen gegen Tollwut verfügbar. Weil in Deutschland derzeit keine Gefahr der Ansteckung besteht, werden Pferde hier nicht gegen Tollwut geimpft. Bornasche Krankheit Die Bornasche Krankheit ist eine Entzündung des Gehirns, des Rückenmarks und der umgebenden Häute. Sie wird durch ein Virus ausgelöst und tritt vor allem bei Pferden und Schafen auf. Wie die Tiere sich anstecken, ist nicht sicher geklärt. Es wird eine Übertragung über die Schleimhaut der oberen Atemwege vermutet. Mit dem Ausbruch der Krankheit treten Gleichgewichtsstörungen, Zwangsbewegungen, Anrennen gegen Hindernisse, Kaukrämpfe und Genickstarre auf. Die Krankheit endet in vielen Fällen tödlich. Eine wirksame Therapie ist nicht bekannt. Erste Berichte über die Bornasche Krankheit sind über 100 Jahre alt. Ihren Namen erhielt die Krankheit Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund eines besonders heftigen Ausbruchs in der Kavallerie der sächsischen Stadt Borna. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts ist die Krankheit selten geworden. Doch auch heute noch werden gelegentliche Erkrankungen gemeldet. Das Friedrich-Löffler-Institut verzeichnete in den letzten Jahren durchschnittlich 35 Neuerkrankungen pro Jahr bei Pferden. Schon in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden Impfstoffe gegen die Bornasche Krankheit entwickelt. Die Impfungen hatten jedoch keine Schutzwirkung und erwiesen sich sogar als gefährlich. Weil die Impfungen offenbar eher zur Verbreitung als zur Eindämmung der Krankheit beitrugen, wurden sie in den alten Bundesländern 1979 eingestellt, in den neuen Bundesländern 1992. Alle Vakzinen ( ) erwiesen sich als uneffektiv, ja gefährlich, da nicht nur davon auszugehen ist, dass dadurch die Infektion selbst in der Pferdepopulation weiter verbreitet werden konnte, sondern mit Impfstoffen auf der Basis infektiöser Pferdegehirne z.b. auch die Infektiöse Anämie. In den alten Bundesländern wurden diese Impfungen ab 1979 eingestellt und die Borna-Erkrankung wurde aus der Liste der anzeigepflichtigen Infektionen herausgenommen. In den Ländern der ehemaligen DDR dagegen wurde noch bis ca. 1992 intensiv in der Pferdepopulation geimpft. Handbuch Pferdepraxis, 3. Auflage 2006 Seit Mitte der achtziger Jahre wird das Bornavirus auch als Auslöser von psychiatrischen Erkrankungen beim Menschen diskutiert. Mittlerweile sprechen sich viele Wissenschaftler gegen diese Annahme aus. Im Zuge dieser Diskussion wurden neue Labortests entwickelt, mit denen das Bornavirus auch im Blut gesund erscheinender Menschen und Pferden nachgewiesen werden kann. Die Wissenschaftler nehmen an, dass das Virus im Organismus des Pferdes

schlummert. Der Mediziner spricht dann von einer persistenten Infektion. Bis zu 30% Prozent der Pferde in Deutschland sollen das Virus in sich tragen. Unter ungünstigen Bedingungen, zum Beispiel bei geschwächter Immunlage, erwacht das Virus und die Krankheit bricht aus. Das Krankheitsbild dieser aktivierten Borna-Infektion stimmt dabei jedoch nicht mehr mit den früheren Beschreibungen des Krankheitsbildes überein. Man vermutet deshalb, dass es sich um eine zweite, untypische Borna-Variante handelt. Diese zeige sich durch vielfältige und wenig spezifische Krankheitssymptome, unter anderem durch wiederholte Koliken, Schluckbeschwerden, Bewegungsstörungen und auch Verhaltenstörungen. Ob es tatsächlich eine zweite untypische Bornavariante gibt, ist umstritten. Viele Wissenschaftler bestreiten auch, dass die aktuellen Labortests aussagekräftig sind. Denn auch wenn ein Pferd positiv auf Borna getestet wird, weiß man nicht, ob das Pferd tatsächlich an Borna erkrankt ist. Eine Untersuchung bei sechs Pferden mit der Labordiagnose aktivierte Borna-Infektion zeigte, dass bei keinem der anschließend euthanasierten Pferde die für Borna typischen Gewebeveränderungen im Gehirn nachweisbar waren. Die Diagnose konnte also nicht bestätigt werden. Bis zur eindeutigen Klärung sollten wir deshalb Diagnosen und Therapieempfehlungen auf der Grundlage von positiven Borna-Labortests kritisch gegenüberstehen. Equines Herpesvirus 1 EHV1 ist weit verbreitet. In Studien wird geschätzt, dass 50-80% aller Pferde Virusträger sind. Manche Studien geben ei- nen noch höheren Prozentsatz an. Über die Atemwege kommen die Pferde in Kontakt mit dem Virus. In den allermeisten Fällen beschränkt sich die Krankheit auf vorübergehende Erkältungssymptome. In seltenen Fällen entwickeln sich jedoch einige Tage nach der Infektion schwerwiegende neurologische Symptome. Die Tiere zeigen zunächst Husten und Nasenausfluss, haben Fieber und verweigern das Futter. Bei tragenden Stuten kann es zum Abort kommen. Etwa eine Woche später treten die neurologischen Symptome auf, wobei Gangstörungen, Lähmungen der Hinterhand und Blasenlähmungen häufige und auffallende Symptome sind. In manchen Fällen erholen sich die Tiere wieder. Es gibt jedoch auch so schwere Verläufe, dass die Tiere sich festliegen und sterben oder eingeschläfert werden müssen. Über die Häufigkeit der zentralnervösen Verlaufsform des Herpesvirus bei Pferden in Deutschland gibt es keine sicheren Angaben, da sie durch das Friedrich-Löffler- Institut weder als meldepflichtige noch als Über die Atemwege kommen die Pferde in Kontakt mit dem equinen Herpesvirus. Die wichtigste vorbeugende Maßnahme ist artgerechte Haltung. 37

38 anzeigepflichtige Tierseuche eingestuft ist. Es kommt aber immer wieder zu Krankheitsfällen, wobei in einem Stall Einzeltiere, mehrere Pferde oder auch ein ganzer Bestand betroffen sein können. Zuletzt kam es nach Zeitungsberichten im Mai 2010 zur Erkrankung von 18 Pferden in Friesland, von denen drei starben. Nach Erstinfektion und überstandener Erkrankung bleibt das Herpesvirus im Körper und verhält sich ruhig. Das Virus zieht sich an bestimmte Orte im Organismus zurück. Ruhende EHV1 wurden beispielsweise in den Gesichtsnerven von Pferden nachgewiesen. Damit sie dort bleiben können, müssen Viren Strategien entwickeln, dem Immunsystem zumindest zeitweise zu entgehen. Das ist dem Herpesvirus offenbar gelungen. Bei einer Schwächung des Immunsystems kann die Infektion aktiviert werden. Das Virus nutzt die Schwäche, um sich zu vermehren. Auslöser kann psychischer Stress sein, zum Beispiel durch einen Stallwechsel. Oder körperliche Belastungen, wie sie durch Überanstrengung und auch in der Trächtigkeit auftreten. Ein weiterer Auslöser sind Cortisonbehandlungen, wie in Studien an experimentell infizierten Pferden gezeigt wurde. Impfungen mit EHV1 sind verfügbar und werden häufig eingesetzt. Besonders in Zuchtbetrieben ist die Impfung verbreitet, da sich Pferdebesitzer eine Schutzwirkung gegen Abort erhoffen, die jedoch nicht erwiesen ist. Die Impfung mit EHV1 schützt nicht gegen die Erkrankung durch das Virus. Auch bei geimpften Pferden treten Erkältungssymptome, Abort oder die neurologische Verlaufsform auf. Abschließend muss festgestellt werden, dass leider bei keinem der im Markt befindlichen Herpesimpfstoffe zu erwarten ist, dass das einzelne geimpfte Individuum dadurch vor Neu- oder Reinfektionen, ob mit oder ohne klinische Folgen, verlässlich geschützt wäre. An sich wäre das die Grundlage eines soliden und wirksamen Impfstoffs und der alleinige Grund für seinen Einsatz. Prof. Dr. Dr. Peter Thein, VetImpulse 5/2010 Fachtierarzt für Pferde und für Mikrobiologie Hochschullehrer Tierärztliche Fakultät der Universität München Vorsitzender des Arbeitskreises Infektionsprophylaxe bei der Gesellschaft für Pferdemedizin Bei den Pferden, die von der neurologischen Verlaufsform betroffen sind, wurden Schäden an den Blutgefäßen im zentralen Nervensystem gefunden. Mit der Gewebezerstörung der Gefäßwände kommt es zu Gefäßverschlüssen oder auch zu Blutungen ins Rückenmark, die dann die typischen Symptome wie Gangstörungen und Lähmungen auslösen. Warum es bei einigen Pferden zu so schweren Verläufen kommt, während andere nur leicht erkranken, ist nicht klar. Sicher ist, dass bei allen Pferden, bei denen es zu neurologischen Symptomen kommt, ein extrem hoher Antikörpertiter gegen EHV1 nachweisbar ist. Wie es genau zu den Gefäßschäden kommt, ist umstritten:

Theorie 1 Die Viren verstecken sich in Körperzellen Das Virus gelangt in den Körper und verbleibt dort - zunächst ohne Krankheitssymptome zu verursachen. Beim Ausbruch der Krankheit befällt das Virus die Blutzellen, die für die Immunabwehr zuständig sind, und überschwemmt damit das Blut es kommt zur so genannten Virämie. Der Körper bildet Antikörper, die aber gegen das Virus nichts ausrichten können, da es sich in den Zellen aufhält. Antikörper befinden sich im Blut und können daher nur Viren neutralisieren, die sich nicht in Körperzellen verstecken. Die Viren gelangen nun über die Abwehrzellen zu den Gefäßen des zentralen Nervensystems und beschädigen diese. Theorie 2 Die neurologische Verlaufsform ist eine überschießende Immunreaktion Nicht die Viren selbst greifen die Gefäßwände an, sondern die Gefäße werden als Folge der massenhaften Bildung von Immunkomplexen (Verbindungen aus Antikörpern und Krankheitserregern) geschädigt, die vom Körper als Reaktion auf das Virus gebildet werden. Die Immunkomplexe lagern sich an den Gefäßwänden an, führen zu Entzündungen und verursachen Blutungen ins Nervengewebe. Kurzum, die Antikörperbildung selbst ist die Ursache der Krankheitssymptome. Aus diesen beiden Theorien ergeben sich Fragen zur Impfung gegen EHV1: Wenn es stimmt, wie in Theorie 1 beschrieben, dass sich die Viren in Körperzellen verstecken und deshalb durch Antikörper nicht direkt erreichbar sind, dann ist die Impfung gegen EHV1 weitgehend sinnlos. Denn die Impfung funktioniert so, dass sie die Antikörperproduktion gegen EHV1 ankurbelt. Stattdessen benötigt der Organismus Zellen des Immunsystems, die von Viren befallene Körperzellen unschädlich machen können. Und wenn es stimmt, wie in Theorie 2 beschrieben, dass die überschießende Bildung von Immunkomplexen aus Antikörpern und Viren der Grund für die Gefäßschäden ist, dann wäre es ja nicht nur sinnlos, sondern sogar schädlich, gegen EHV1 zu impfen. Denn Ziel der Impfung ist ja, die Antikörperproduktion anzukurbeln, die letztlich die Probleme verursacht Es bleibt auch fraglich, ob dieses Ziel (die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs gegen EHV1 - Anm. d. Verf.) bei diesen Viren auch durch Einsatz modernerer Techniken der Impfstoffherstellung überhaupt erreicht werden kann. Prof. Dr. Dr. Peter Thein, VetImpulse 5/2010 Die Wissenschaftler arbeiten an einer Verbesserung des Impfstoffs gegen EHV1. Der Impfstoff soll nun nicht in erster Linie die Bildung von Antikörpern anregen, sondern die Zellen des Immunsystems stärken, die die mit Viren befallenen Zellen unschädlich machen. Gelungen ist das bisher nicht. 39

Fazit Erkrankungen des zentralen Nervensystems beim Pferd sind glücklicherweise selten. Tollwut kommt beim Pferd in Deutschland schon seit längerem nicht mehr vor. Die Bornasche Krankheit und die zentralnervöse Verlaufsform einer Herpesvirusinfektion treten nach wie vor auf. Die Krankheitsverläufe sind immer schwerwiegend und enden häufig tödlich. Bewährte Therapien sind bisher nicht bekannt. Die Impfung gegen die Bornasche Krankheit gibt es wegen ihrer Unwirksamkeit und vermuteten Schädlichkeit nicht mehr. Die Impfung gegen EHV1 ist nach wie vor weit verbreitet, obwohl sie keine Schutz- wirkung hat. Ihre möglicherweise schädlichen Auswirkungen werden diskutiert. Sabine Müller Sabine Müller Jahrgang 1965, Tierhomöopathin mit eigener Praxis in Jesteburg bei Hamburg. Die Autorin praktiziert seit 2002 nach den Grundsätzen der klassischen Homöopathie. Anzeige 40