Anwendung des Leitfadens Nachhaltiges Bauen und des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen (BNB) in den Bundesbauverwaltungen

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Transkript:

Anwendung des Leitfadens Nachhaltiges Bauen und des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen (BNB) in den Bundesbauverwaltungen Zusatzmodul "Bauprodukte: Baustoffkonzept und Baustoffauswahl" Autoren: Volker Beckmann, Jürgen Veit Öko-Zentrum NRW GmbH Sachsenweg 8 59073 Hamm In diesem Skript wurden vereinzelt Textpassagen aus dem Leitfaden Nachhaltiges Bauen und Auszüge aus den Steckbriefen des Bewertungssystems für Nachhaltiges Bauen (BNB) verwendet. Diese sind in der Regel aus dem textlichen Zusammenhang erkennbar und wurden der Lesbarkeit wegen nicht gesondert gekennzeichnet. Die zur Umsetzung des Leitfadens Nachhaltiges Bauen und BNB benötigten Dokumente werden über das Internetportal Nachhaltiges Bauen (www.nachhaltigesbauen.de) zur Verfügung gestellt. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 1

INHALT 1 Baustoffe und Nachhaltigkeit... 3 1.1 Grundelemente des nachhaltigen Bauens... 3 2 Baustoffkonzept und Baustoffauswahl... 5 2.1 Planungswerkzeuge und Prozess... 5 2.2 Umwelt und Gütekennzeichen... 6 Exkurs: Umweltkennzeichnungen... 7 2.3 Weitere Arbeitshilfen... 10 GISBAU... 10 Sicherheitsdatenblätter und technische Merkblätter... 11 Wecobis... 12 3 BNB-Steckbriefe 1.1.6 und 3.1.3... 13 3.1 Risiken für die lokale Umwelt; BNB-Steckbrief 1.1.6... 13 Allgemeines... 13 Konzept - BNB-Steckbrief 1.1.6 Risiken für die lokale Umwelt... 14 3.2 Innenraumhygiene; BNB Steckbrief 3.1.3... 17 Allgemeines... 17 Qualität der Raumluft... 18 Konzept - Steckbrief 3.1.3 Innenraumlufthygiene... 19 4 Konzentration von Gasen und Gerüche in der Luft... 20 4.1 Einführung... 20 4.2 Allgemeine Grundsätze der Konzentration von Gasen in Räumen... 21 4.2.1 Stationäres Verhalten... 21 4.2.2 Instationäres Verhalten... 21 4.2.3 Örtliche Differenzen... 22 4.2.4 Einheiten: ppm, Vol-%, l/h, l/m³, mg/m³.... 23 Emission von Gasen... 23 Konzentration von Gasen in Luft... 23 5 Anwendungsbeispiel... 24 5.1 Einstufung einer Perimeterdämmung aus extrudiertem Polystyrol in eine der Qualitätsstufen gemäß BNB Steckbrief 1.1.6... 24 Aufgabenstellung... 24 Arbeitsschritt 1 - Anforderungen... 24 Arbeitsschritt 2 - Nachweise halogenierte Treibmittel... 25 Arbeitsschritt 3 - Nachweise besonders besorgniserregende Stoffe... 27 Arbeitsschritt 4 - ökotoxikologischer Unbedenklichkeitsnachweis... 30 Ergebnis... 31 6 Anlagen... 32 6.1 Übersicht der GISCODES und Produkt-Codes GISBAU - Stand September 2009... 32 7 Quellen, weiterführende Literatur... 38 Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 2

Kenntnisse zu Anforderungen an die Eigenschaften von Bauprodukten, die sich aus den BNB-Steckbriefen 1.1.6 Risiken für die lokale Umwelt und 3.1.3 Innenraumhygiene ergeben Hinweise für die gezielte Auswahl von Baustoffen und Bauprodukten Kenntnisse über Bewertungsinstrumente, die zur Erstellung eines Baustoffkonzeptes gemäß BNB Steckbrief 1.1.6 erforderlich sind 1 Baustoffe und Nachhaltigkeit 1.1 Grundelemente des nachhaltigen Bauens Gebäude werden üblicherweise über sehr lange Zeiträume genutzt. Daher kann erst die Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus von der Wiege bis zur Bahre Aufschluss über die tatsächliche Qualität eines Gebäudes geben. Alle Lebensphasen eines Bauwerks müssen dazu im Hinblick auf die unterschiedlichen Aspekte der Nachhaltigkeit analysiert und in ihrem Zusammenwirken optimiert werden. Ziel ist das Erreichen einer hohen Gebäudequalität mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Umwelt und möglichst geringen Folgekosten. Hinsichtlich der Baustoff- bzw. Bauproduktebene gliedert sich die Lebenszyklusbetrachtung eines Gebäudes in folgende Einzelphasen: Rohstoffgewinnung, Produktherstellung, Errichtung, Nutzung, Instandhaltung, Modernisierung, Rückbau und Recycling. Die Einschätzung der Lebens- bzw. Nutzungsdauer eines Gebäudes, der Bauteile und der Bauteilschichten ist bei der Bewertung der Nachhaltigkeit und der ökonomischen Qualität von besonderer Bedeutung. Lebenszyklus Baustoffe Abb.1.1 Darstellung des Lebenszyklus eines Baustoffs; Zum "Kreislauf" gehört die Betrachtung einschließlich des Rückbaus bzw. der Verwertung der Reststoffe. Die Bedeutung dieses Ansatzes wird auch angesichts des vielfach höheren Abfallaufkommens aus Gebäudeabrissen im Vergleich zum Hausmüll deutlich. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 3

Bei der Auswahl der Baustoffe unter nachhaltigen Gesichtspunkten müssen zusätzlich neben den technischen Eignungen (wie z. B. Festigkeiten, Schwinden oder Brandschutz etc.) weitere Kriterien berücksichtigt werden. Die Schadstoffemissionen oder der Ressourcenverbrauch während der Herstellung, Verarbeitung, Nutzung und Entsorgung oder die Dauerhaftigkeit spielen bei der einer Baustoffauswahl unter Nachhaltigkeitsaspekten eine ebenso wichtige Rolle. Dabei sind die umweltrelevanten Faktoren (Gewinnung-Herstellung-Einbau-Nutzung-Abriss-Verwertung) immer "von der Wiege bis zur Bahre" zu untersuchen und zu bewerten. Bisher ist der Planungs- und Bauablauf auf die Definition und Einhaltung der technischen Eignung fokussiert und nicht auf eine ganzheitliche Betrachtungsweise. Prinzipiell sollte bei der Baustoffauswahl folgendes beachtet werden: Je länger ein Material verwendet wird, desto größere Bedeutung gewinnt der gesundheitliche Aspekt. Auch kleinste Schadstoffmengen über einen langen Zeitraum sind nicht akzeptabel. Andererseits wird das "Ökoprofil" eines Baumaterials immer besser, je länger es eingebaut ist. Daher können auch Materialien, die einen etwas kritischen Herstellungsprozess durchlaufen aber sehr langlebig sind, noch toleriert werden. Bisher ist der Planungs- und Bauablauf auf die Definition und Einhaltung der technischen Eignung fokussiert und nicht auf eine ganzheitliche Betrachtungsweise Die nachfolgende Grafik verdeutlicht diesen Sachverhalt: Abb. 1.2 Zusammenhang von Prozesskette und Nutzungsdauer bei der Auswahl von Baustoffen (nach: [1]) [1] Landesinstitut für Bauwesen, Aachen (Hrsg.): Bauteilplanung mit ökologischen Baustoffen. Heft 1.41. 2004 Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 4

2 Baustoffkonzept und Baustoffauswahl Die Auswahl der Baustoffe ist aus Sicht der Nachhaltigkeit ein umfassender Entscheidungsprozess. Eine Vielzahl von Kriterien / Steckbriefen sind davon direkt oder indirekt betroffen: 1.1.1 Treibhauspotenzial 1.1.2 Ozonschichtabbaupotenzial 1.1.3 Ozonbildungspotenzial 1.1.4 Versauerungspotenzial 1.1.5 Überdüngungspotenzial 1.1.6 Risiken für die lokale Umwelt 3.1.3 Innenraumhygiene 5.1.3 Komplexität und Optimierung der Planung 5.1.4 Ausschreibung und Vergabe 5.2.1 Baustelle / Bauprozess 5.2.3 Qualitätssicherung der Bauausführung (Dokumentation) 2.1 Planungswerkzeuge und Prozess Für die Auswahl von Baustoffen und Baukonstruktionen gibt es keine einheitlichen und normativ festgelegten Bewertungsverfahren zur Beschreibung und Bewertung von Umweltbelastungen bzw. von Stoffströmen und Ressourceninanspruchnahme. Für ein nachhaltiges Planungskonzept in Bezug auf Baumaterialien und -komponenten kann daher nicht ein einzelnes Verfahren oder Tool herangezogen werden, sondern muss entsprechend der Leistungsphasen der HOAI ausgewählt werden. Die Erfahrung des Öko-Zentrums NRW ist es, dass in der Praxis Entscheidungen meist nur zwischen wenigen Alternativen zu treffen sind. Die für die Entscheidung relevanten Kriterien lassen sich dann meist leicht belegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nachhaltige Standards beliebig wären; wo ein quantitativer Nachweis gewünscht oder erforderlich ist, müssen geeignete Tools eingesetzt werden für die aber auch dann die Materialdaten zur Verfügung stehen müssen. Der Leitfaden Nachhaltiges Bauen des BMVBS kann als Checkliste Verwendung finden, um zwischen Auftraggeber und Planungsteam die Rahmenbedingungen zum Nachhaltigen Bauen zu definieren. Diese können dann in einem Bericht zur Bewertung der Nachhaltigkeit überführt (Muster siehe Leitfaden Nachhaltiges Bauen) werden. Die dort gemachten Angaben werden für den Planungsprozess für alle Beteiligten verbindlich. Es stellt von Beginn der Planung an sicher, dass Umweltbelastungen sowohl während der Errichtung, des Betriebes und beim Rückbau auf ein Mindestmaß begrenzt werden. WECOBIS (unter Abschnitt 2.3 beschrieben), herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und der Bayrischen Architektenkammer, enthält umfassende umwelt- und gesundheitsrelevante Informationen zu Bauproduktgruppen in allen Phasen des Lebenszyklus. Im Planungsprozess können diese umwelt- und gesundheitsrelevanten Daten ermittelt und bewertet werden. Ergänzend müssen für die genaue Bauproduktauswahl weitere Instrumente (Umweltgütezeichen, Informationen der GISBAU, Sicherheitsdatenblätter und technische Bauproduktbeschreibungen, etc.) ausgewertet werden, um eine abschließende Auswahl vorzunehmen. Darauf wird insbesondere auch im BNB Steckbrief 1.1.6. "Risiken für die lokale Umwelt" hingewiesen. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 5

2.2 Umwelt und Gütekennzeichen Für die Auswahl von Baustoffen zur Umsetzung des Nachhaltigen Bauens können Ziele definiert werden, die beispielsweise beim Vergleich von zwei konstruktiv geeigneten Baukonstruktionen als Bewertungsgrundlage dienen. Dazu gehören beispielsweise Ressourcenschonung, Verringerung des Treibhauseffektes, Abfallvermeidung, Risikominimierung und Vermeidung von Emissionen. (+) Förderung von (-) Vermeidung von Baustoffen aus erneuerbaren Rohstoffen Baustoffen aus Recyclingmaterialien Regionalen Rohstoffen und Produkten Materialien, die einfach und hochwertig verwertbar sind Einfachen Konstruktionen mit möglichst geringer Materialienvielfalt Produkten, die mit geringem Störfallrisiko hergestellt werden Produkten, die mit geringem Aufwand an Energie und Infrastruktur hergestellt werden Materialien, deren Gewinnung eine unwiederbringliche Zerstörung von Naturräumen oder die Bedrohung einer Art verursacht Materialien, deren Herstellungsprozess massive Umweltbelastungen verursacht Verpackungen, insbesondere Einwegverpackungen Belastungen durch gesundheits- oder umweltgefährdende Inhaltsstoffe Belastungen durch Emissionen gesundheits- und umweltschädigender Substanzen Materialien, die im Brandfall ein besonderes Risiko bilden Materialien, die Probleme in der Entsorgung verursachen Langlebigen Produkten Die notwendige Datenbasis für die jeweiligen Bewertungen der Baustoffe liefern die EPD (Environmental Product Declaration). Dabei handelt es sich um eine Umweltdeklarationen Typ III nach DIN ISO 14025. Neben dieser Umweltkennzeichnung werden beim Nachhaltigen Bauen noch andere Typen relevant siehe nächsten Abschnitt Umweltkennzeichen. Um eine Diskriminierung von Produkten auszuschließen, dürfen keine Produkte mit bestimmten Umweltzeichen vorgeschrieben werden. Dennoch können die einem Umweltzeichen zu Grunde liegenden Kriterien in der Leistungsbeschreibung zur Formulierung von gewünschten Umweltspezifikationen genutzt werden. Dem Bieter muss darüber hinaus ermöglicht werden, den Nachweis der Gleichwertigkeit seines Produktes mit den in den Ausschreibungsunterlagen detailliert dargestellten Umweltkriterien durch andere Beweismittel, z.b. Prüfberichte, nachzuweisen. Bei der Aufstellung der Leistungsverzeichnisse sind die Bauprodukte daher anwendungsbezogen entsprechend der Anforderungen durch die genormten bzw. über Zulassungen definierten Stufen und Klassen festzulegen und im Hinblick auf ihre umwelt- und gesundheitsrelevanten Eigenschaften genau zu beschreiben. Bei der Beschreibung und Auswahl von Produkten können die Prüfkriterien z.b. folgender Umweltzeichen eine Orientierung geben: Blauer Engel (deutsches Umweltzeichen für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen), EU-Ecolabel (europäisches Umweltzeichen für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen) IBO-Prüfzeichen (österreichisches baubiologisches und bauökologisches Prüfzeichen für Baustoffe und Innenraumausstattungen). Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 6

Exkurs: Umweltkennzeichnungen In der Normenreihe ISO 14020 [2] ff. werden nicht nur für das Bauwesen - drei verschiedene Typen von Kennzeichnungssystemen definiert: Umweltkennzeichnung Typ I, Grundsätze und Verfahren DIN EN ISO 14024 Umweltkennzeichnung Typ II Umweltbezogene Anbietererklärungen DIN EN ISO 14021 Umweltdeklarationen Typ III, DIN ISO 14025. Umweltkennzeichnungen nach Typ I Umweltkennzeichnungen nach Typ II Deklarationen nach Typ III DIN EN ISO 14024 DIN EN ISO 14021 DIN ISO 14025 Wenden sich an private und gewerbliche Endverbraucher Weisen ein oder zwei entscheidende Umweltaspekte aus Sind relevant für die öffentliche Beschaffung Haben eine hohe Glaubwürdigkeit Werden von unabhängigen Stellen vergeben Wenden sich an Endverbraucher Konzentrieren sich oft auf einen einzelnen Umweltaspekt Gelten im Grundsatz auch für komplexe Informationen Liegen in alleiniger Verantwortung des Herstellers Wenden sich an Gewerbe, Handel und Endverbraucher Liefern umfangreiche quantitative Informationen Beruhen auf einer Ökobilanz Stellen Umweltwirkungen dar, ohne zu werten Beziehen interessierte Kreise ein Liegen in alleiniger Verantwortung des Herstellers Drittzertifizierung möglich Abb. 2.2-1 Gegenüberstellung der produktbezogenen Informationen (nach: [3]) Die Teilnahme an den Kennzeichnungssystemen ist für Unternehmen freiwillig. Sie sind branchenübergreifend formuliert und können im nationalen, regionalen oder internationalen Rahmen durch private oder öffentliche Träger eingerichtet werden. Für alle Kennzeichnungssysteme gilt, dass nicht nur das Produkt, wie es in Verkehr gebracht wird, sondern der gesamte Produktlebenszyklus, von der Rohstoffbereitstellung bis zur Entsorgung betrachtet wird. Umweltkennzeichnung nach Typ I Die Kennzeichnung Typ I besteht aus einem Zeichen oder Logo, mit dem Produkte mit besonders guter Umweltleistung ausgezeichnet werden. Ein bekanntes Beispiel ist der Blaue Engel. Hinter dem Logo stehen bestimmte, vereinbarte Anforderungen an das Produkt. Sie werden so gewählt und später nachjustiert, dass immer nur ein bestimmter Prozentsatz des Produktangebots auf dem Markt dieses Logo erhalten kann. Die Anforderungen stellen charakteristische Grenzwerte oder qualitative Anforderungen dar, deren Einhaltung die Produkte deutlich umweltfreundlicher machen als solche Produkte, die die gesetzten Grenzwerte und Anforderungen nicht erfüllen. Diese Hürden müssen so hoch sein, dass sie nur von den Besten der betreffenden Produktgruppe eingehalten werden. DIN EN ISO 14020 Umweltkennzeichnungen und -deklarationen. Allgemeine Grundsätze DIN EN ISO 14024 Umweltkennzeichnungen und -deklarationen. (Umweltkennzeichnung Typ I) Grundsätze und Verfahren DIN EN ISO 14021 Umweltkennzeichnungen und -deklarationen. Umweltbezogene Anbietererklärungen (Umweltkennzeichnung Typ II) DIN ISO 14025 Umweltkennzeichnungen und -deklarationen. (Umweltkennzeichnung Typ III) Grundsätze und Verfahren [3] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bundesverband der Deutschen Industrie e.v. und Umweltbundesamt (Hrsg.): Umweltinformationen für Produkte und Dienstleistungen. Anforderungen - Instrumente Beispiele. BDI-Drucksache 346. 2004 Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 7

Die Überprüfung der gefragten Produkteigenschaften geschieht durch geeignete Messungen. Die Prüfzeugnisse werden von unabhängigen Dritten bestätigt. Beim Blauen Engel wird die Prüfung durch das staatlich akkreditierte RAL (Deutsches Institut für Gütesicherung) abgenommen. Titel Zeichen Baustoffe/ Bauprodukte Schwerpunkt Bemerkung Blauer Engel Europäisches Umweltzeichen Dämmstoffe Lacke/Lasuren Wandfarben Bodenbeläge Holz/Holzwerkstoffe Zemente/Putze/Mörtel Mauer-/Dachsteine Lacke/Lasuren Wandfarben Bodenbeläge (Fliesen) Umwelt- und Gesundheitslabel Umwelt- und Gesundheitslabel zeichnet Dienstleistungen und Produkte aus, bei gleicher Sicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Qualität als besonders umweltfreundlich gelten. Die Umweltfreundlichkeit kann von Produkt zu Produkt unterschiedliche Gründe haben. Berücksichtigt ökologische Anforderungen entlang des gesamten Produktionsprozesses eines Produktes. FSC Holz/Holzwerkstoffe Umwelt und Soziallabel natureplus Abb.2.2-2 Dämmstoffe Lacke/Lasuren Wandfarben Holz/Holzwerkstoffe Bodenbeläge Zement/Putz /Mörtel Mauer-/ Dachsteine Beispiele für Labels nach Typ I Umweltlabel Bezieht sich ausschließlich auf die Holzerzeugung, nicht auf die ökologische Qualität des Endproduktes. Einziges weltweit gültiges Zertifikat für Waldbewirtschaftung. Kriterien gehen weit über das gesetzliche Maß hinaus. Anspruchsvolle Anforderungen an Umwelt- und Gesundheitsschutz Betrachtet wird der gesamte Lebensweg eines Produktes. Es garantiert strenge Schadstoffgrenzwerte, deklariert sämtliche Einsatzstoffe. Umweltkennzeichnung nach Typ II Das Typ-II-Umweltkennzeichen kann für jede Art der Deklaration von Umwelteigenschaften eines Produktes eingesetzt werden, sofern eine Reihe von Einschränkungen berücksichtigt werden, die in ISO 14021 formuliert sind. Diese Einschränkungen gelten außerdem in jedem der drei Kennzeichnungs- oder Deklarationstypen für Aussagen zur Umweltleistung eines Produktes. Darüber hinaus gibt es keine speziellen Anforderungen an Inhalte oder Überprüfungsverfahren für Typ-II-Deklarationen. Der Hersteller veröffentlicht die Aussagen selbst oder im Rahmen eines Programms. Er ist selbst für seine Aussagen verantwortlich und kann sie, muss aber nicht, zur Unterstreichung der Glaubwürdigkeit unabhängig überprüfen lassen. Produktdeklaration nach Typ III In der Umweltdeklaration Typ III wird eine systematische und umfassende Beschreibung der Umweltleistung des Produktes oder der Dienstleistung ohne Wertung direkt veröffentlicht. Der Nutzer dieser Information muss seine eigenen Maßstäbe zur Bewertung der deklarierten Sachverhalte wie CO2- Bilanz, Abfallträchtigkeit, Landverbrauch oder Artenschutz anwenden. Diese umfängliche Deklaration eignet sich zur detaillierten Information von Geschäftspartnern. Alle Stoffströme, die mit einem Produkt von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung verknüpft sind, werden erfasst. Zusätzlich zu den Kennzahlen der Ökobilanz werden auch Indikatoren von Sachverhalten deklariert, die in der Öko- Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 8

bilanz bisher nicht erfasst werden können, wie z. B. die potenzielle Innenraumluftbelastung durch ein Bauprodukt oder Landverbrauch bei der Herstellung einer kwh Strom durch Wasserkraft. Das typische Programm zur Typ-III-Deklaration ist privat organisiert. Nicht die Untersuchungsergebnisse einzelner Messungen werden durch unabhängige Dritte überprüft, sondern es wird geprüft, ob die Regeln für die Beschreibung eines Produktes eingehalten werden. Eine Überprüfung durch unabhängige Dritte ist deshalb für diese Deklaration lediglich für die Regelsetzung bei der Beschreibung des Produktsystems als "Product Category Rules" vorgesehen. Die PCR sind Regeln der Datenrecherche für die Ökobilanz und die zusätzlich zu deklarierenden Sachverhalte. Langfristiges Ziel ist die Harmonisierung der PCR-Dokumente verschiedener Deklarationsprogramme zu denselben Produktgruppen. Die deutsche Umweltdeklaration Typ III für Bauprodukte entsteht beim Institut für Bauen und Umwelt in Kooperation mit dem BMVBS und dem Umweltbundesamt. Darin sind neben den genannten Behörden auch das Deutsche Institut für Bautechnik, die Bundesanstalt für Materialforschung, Bauwissenschaftler und Umweltverbände vertreten. Das Institut Bauen und Umwelt e.v. IBU ist eine Initiative von Bauproduktherstellern. Titel Zeichen Baustoffe/ Bauprodukte Schwerpunkt Bemerkung Institut Bauen und Umwelt e.v. (IBU) ARGE kdr e.v. Arbeitsgemeinschaft kontrolliert deklarierte Rohstoffe e.v Abb.2.2-3 Baumetalle Dachsysteme Holzwerkstoffe Kalksandstein Leichtbeton Leichtzuschlag mineral. Dämmstoffe Porenbeton Ziegel Bauelemente Bodenbeläge Dämmung Farben/Oberflächen Rohbaustoffe u. Lehm Umwelt- und Gesundheitslabel Umweltlabel Beispiele für Produktdeklarationen. nach Typ III Gesundheits- und umweltrelevante, herstellerinterne Informationen sollen transparent gemacht werden. Die Einhaltung von gesundheitlichen und ökologischen Mindeststandards ist nicht vorgeschrieben. Arge kdr e.v. soll zukünftig ein Element des harmonisierten Verfahrens zur Bewertung nachhaltigen Bauens auf europäischer und internationaler Ebene werden. Das Zeichen stellt den Anteil bzw. Verbrauch an fossilen oder nachwachsenden Rohstoffen eines Produktes dar. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 9

2.3 Weitere Arbeitshilfen GISBAU GISBAU ist das Gefahrstoff-Informationssystem der Berufsgenossenschaften (sieben Bau-Berufsgenossenschaften und die Tiefbau-Berufsgenossenschaft) der Bauwirtschaft. Im Baugeschehen wird eine große Anzahl von Baustoffen mit unterschiedlichen Zusammensetzungen verarbeitet. Vermehrt kommen dabei auch Produktzusammensetzungen zur Anwendung, bei denen bei der Verarbeitung gesundheitliche Gefahren entstehen können. Ziel des Informationssystems ist es, Betriebe und Verarbeiter beim sicheren Umgang mit Gefahrstoffen zu unterstützen. Damit wird ein umfassendes Portal zur Verfügung gestellt, das Betriebsinhaber dabei unterstützt, ihren Überwachungs- und Unterweisungspflichten gemäß GefStoffV (Gefahrstoffverordnung) nachzukommen. Abb. 2.3-1 Startseite Gefahrstoff-Informationssystem GISBAU; www.gisbau.de Neben vielen Informationen wie Gefahrstoffrecht, Broschüren zum Umgang mit Gefahrstoffen oder eine "Handschuhdatenbank" werden unter dem Stichwort Produktgruppen die GISCODES bzw. Produkt-Codes bereitgestellt. Produkte mit vergleichbaren Gesundheitsgefahren zu Gruppen zusammengefasst. Hierdurch wird für den Unternehmer die große Anzahl an chemischen Produkten auf wenige Produktgruppen reduziert und das Anwendungsvokabular vereinfacht. Verwendet der Handwerker Produkte, die auf dem Gebinde mit dem Giscode D1 gekennzeichnet sind, so hat er es mit einem lösemittelfreien Dispersions-Verlegewerkstoffe zu tun, und kann damit sehr einfach die erforderlichen Schutzmaßnahmen berücksichtigen. Die GISCODES / Produkt-Codes sind dabei auf den Herstellerangaben (Produktdatenblätter, Technischen Merkblätter), Sicherheitsdatenblättern oder Gebinden aufgeführt. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 10

Zu folgenden Bereichen stehen zurzeit GISCODES zur Verfügung: GISCODE Verlegewerkstoffe Epoxidharz-Beschichtungsstoffe Oberflächenbehandlungsmitte für Parkett und andere Holzfußböden Kaltverarbeitbare Bitumenprodukte in der Bauwerksabdichtung Zementhaltige Produkte Methylmethacrylat-Beschichtungsstoffe Polyurethan-Systeme im Bauwesen Korrosionsschutz-Produkte Produkt-Codes Betonzusatzmittel Farben und Lacke Reinigungs- und Pflegemittel Holzschutzmittel Betontrennmittel Sicherheitsdatenblätter und technische Merkblätter Das Sicherheitsdatenblatt ist ein Informationssystem, um sicherheitsbezogene Informationen über Stoffe und Gemische (Chemikalien) von der Lieferkette zum Verarbeiter sicherzustellen. Das Sicherheitsdatenblatt informiert dabei über den Umgang mit Stoffen und Gemischen und gibt die notwendigen Daten und Empfehlungen, damit die für den Schutz der Gesundheit, die Sicherheit am Arbeitsplatz und den Schutz der Umwelt erforderlichen Maßnahmen treffen zu können. Die Anforderungen an ein Sicherheitsdatenblatt ergeben sich aus Artikel 31 in Verbindung mit Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH). Am 20. Januar 2009 ist die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in Kraft getreten. Ein Sicherheitsdatenblatt enthält i.d.r. dabei folgende Angaben: Bezeichnung des Stoffs bzw. des Gemischs und des Unternehmens Mögliche Gefahren Zusammensetzung/Angaben zu Bestandteilen Erste Hilfe Maßnahmen Maßnahmen zur Brandbekämpfung Maßnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung Handhabung und Lagerung Begrenzung und Überwachung der Exposition / Persönliche Schutzausrüstung Physikalische und chemische Eigenschaften Stabilität und Reaktivität Toxikologische Angaben Umweltbezogene Angaben Hinweise zur Entsorgung Angaben zum Transport Rechtsvorschriften Sonstige Angaben Technische Merkblätter bzw. Produktdatenblätter sind Informationsblätter, die Anwender (Handwerker, Architekt, Planer, Behörden, etc.) mit fachlichen Informationen unterstützt. Im Technischen Merkblatt sind die wichtigen Informationen zu einem Material zusammengefasst, z. B. Verarbeitungshinweise, physikalische Kennwerte, Materialeigenschaften usw. Wo keine Sicherheitsdatenblätter erforderlich sind, stellen die technischen Merkblätter bzw. Produktdatenblätter häufig die einzige Informationsquelle zu Bauprodukten dar. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 11

Wecobis Bei WECOBIS handelt es sich um ein internetgestütztes Baustoffinformationssystem, welches vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und der Bayrischen Architektenkammer betrieben wird. In WECOBIS werden herstellerneutrale Informationen zu umweltrelevanten Aspekten von Baustoffproduktgruppen und Grundstoffen der Baustoffe zur Verfügung gestellt. Dabei findet eine Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus, also von der "Wiege bis zur Bahre statt. Abb. 2.3-3 Startseite Baustoffinformationssystem WECOBIS; http://www.wecobis.de Zu folgenden Bauproduktgruppen bzw. Grundstoffen zu Baustoffen können Informationen recherchiert werden: Bausoffgruppen Bauplatten Bodenbeläge Dämmstoffe Dichtungen, Abdichtungen Holz u. Holzwerkstoffe Klebstoffe Massivbaustoffe Mörtel u. Estrich Oberflächenbehandlung Verglasungen Grundstoffe Bindemittel Zuschläge Kunststoffe Metalle Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 12

Die Datensätze werden regelmäßig vom Bundesinstitut für Bau, Stadt- und Raumplanung (BBSR) aktualisiert und weiterentwickelt. Desweiteren wird ein Baustofflexikon zur Verfügung gestellt. In WECOBIS sind Online-Verknüpfungen mit WINGIS (Gefahrstoffinformationssystem der Bauberufsgenossenschaften) angelegt, sowie eine Integration von EPD-Basisdaten (Environmental Product Declaration)/LCA-(Life Cycle Assessment). 3 BNB-Steckbriefe 1.1.6 und 3.1.3 Im Bereich der Baustoffkonzepte und der Innenraumluftqualität sind folgende Steckbriefe für das Nachhaltige Bauen besonders relevant und werden deshalb in ihrem konzeptionellen Ansatz behandelt: Risiken für die lokale Umwelt 1.1.6 Anteil am Gesamtergebnis: 3,375 % Innenraumhygiene 3.1.3 Anteil am Gesamtergebnis: 2,411 % 3.1 Risiken für die lokale Umwelt; BNB-Steckbrief 1.1.6 Allgemeines Ziel der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ist es, die Verwendung von Stoffen und Produkten (Zubereitungen), die aufgrund ihrer stofflichen Eigenschaften oder Rezepturbestandteile ein Risikopotential für die Umweltmedien Grundwasser, Oberflächenwasser, Boden und Luft enthalten, zu reduzieren bzw. zu vermeiden. Die in Deutschland auf den Markt gebrachten Baustoffe und Bauprodukte gewährleisten zurzeit keine vollständige Freiheit von Schadstoffemissionen. Der BNB-Steckbrief 1.1.6 Risiken für die lokale Umwelt definiert daher fünf Qualitätsstufen für eine gezielte Auswahl von Bau- und Bauhilfsstoffen. Die Erreichung wird durch eine Dokumentation der Bauteile, Oberflächen und eingesetzten Materialien nachgewiesen. Als Bewertungsgrundlage werden u.a. Sicherheitsdatenblätter und Deklarationen genutzt, die auch für Steckbrief 5.2.2 Qualitätssicherung der Bauausführung relevant sind. Eine Grundlage bietet die Dokumentationsrichtlinie 02/2008 des BBR, Seite 142. Auch die im Steckbrief 3.1.3 Innenraumhygiene geforderten Schadstoffgrenzen für Raumluftbelastungen müssen durch eine spezifizierte Baustoffauswahl und Abnahme-Messungen abgesichert werden. Im Rahmen der Ausschreibung und Vergaben (siehe Steckbrief 5.1.4 Ausschreibung und Vergabe) werden ebenfalls Nachhaltigkeitskriterien bewertet, die Anforderungen an ökologische Eigenschaften von Produkten und Materialien stellen. Vorrangige Ziele für den Neubau sind die Reduzierung von Halogenen, Lösemitteln/VOC (volatile organic compounds - flüchtige organische Verbindungen) sowie Schwermetallen. Dies wird durch die gezielte Auswahl besonders der oberflächennahen Baustoffe sichergestellt. Für viele Oberflächenmaterialien werden inzwischen emissionsarme bzw. emissionsbegrenzte Produkte angeboten, die beispielsweise über Kennzeichnungen der Bauberufsgenossenschaften oder Deklarationen wie Blauer Engel / RAL UZ ausgewählt werden können. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 13

Konzept - BNB-Steckbrief 1.1.6 Risiken für die lokale Umwelt Zielsetzung Reduzierung von Emissionen mit negativen Auswirkungen auf Klima und Ozonschicht wie Halogene Reduzierung von Einträgen von Schwermetallen in die Umwelt Vermeidung von Stoffen, die unter die Biozid-Richtlinie fallen Vermeidung von Stoffen, deren Stoffinformationen entspr. REACH-Richtlinie auf umweltgefährdende Eigenschaften hinweisen Vermeidung von organischen Lösemitteln (VOC) betroffene Gebäudeteile Bereich Dach, Fassade, regenwasserführende Bauteile und die Planung der Kältetechnik, großflächige Oberflächen (Wände, Decken, Fußböden, ) Bewertungsaspekte Mindestanforderung: Dokumentation folgender Materialien und Produkte: - Kunstschaumdämmstoffe inkl. Hauptisoliermaterialien für die Haustechnik - Produkte zur Belegung von Oberflächen in großflächiger Anwendung - Beschichtungen, Imprägnierungen, Kleber oder Schutzmittel, die PU, Epoxidharz oder Bitumen enthalten (in großflächiger Anwendung >20% in den Oberflächen von Wänden, Fußböden, Decken oder Dächern) Dokumentation weiterer Materialien und Begrenzung von Inhaltsstoffen für höhere Stufen; es werden insgesamt 5 Qualitätsstufen unterschieden Zuständigkeit Festlegung des Qualitätsniveaus Bauherr (Zielvereinbarung zu Verwendung, Vermeidung, Reduzierung, Dokumentation, Sicherheitsdatenblätter, ) Entwurf Architekt (Gebäudeentwurf, Konstruktions- u. Materialwahl, Bauausführung, ) TGA-Planer (Planung technische Kühlung) Bauleitung (Kontrolle Bauausführung, Dokumentation, ) Auftrag Baustoffauswahl und Dokumentation gemäß Zielvereinbarung vertraglich gesondert zu vereinbaren Anforderungen an ökologische Eigenschaften von Produkten und Materialien in Ausschreibung ausführlich beschreiben (siehe auch Steckbrief 5.1.4) Materialdokumentation mit Sicherheitsdatenblättern (siehe Dokumentations-RL des BBR) Die insgesamt fünf verschiedenen Qualitätsniveaus können dabei durch EPD`s (Environmental Product Declarations), Umwelt- und Gütekennzeichnungen, Produktdatenblätter (Sicherheitsdatenblätter) oder anderer gleichwertiger Einzelnachweise belegt werden. Die Datenbank WECOBIS kann nur im Einzelfall zum Nachweis herangezogen werden. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 14

Anforderungen BNB-Kriterium 1.1.6 Risiken für die lokale Umwelt (Neubau Büro- und Verwaltungsbauten V 2011_1) Die ausführlichen Erläuterungen im Steckbrief 1.1.6 sind zu beachten. Aus technisch-funktionalen Gründen können Ausnahmen von den Anforderungen zugelassen werden. Das Produkt ist dann aber umfassend zu dokumentieren. Abb. 3.1-1 Übersicht der Anforderungen aus Steckbrief 1.1.6 Risiken für die lokale Umwelt Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 15

Für die Nachweisführung ist die Erstellung eines Material- und Produktkatasters notwendig, um Einbauort, Menge und Art des verwendeten Produktes bzw. Materials feststellen zu können. Die nachfolgende Grafik zeigt eine mögliche Form der Dokumentation: Abb. 3.1-2 Dokumentationsvorschläge Nachweisführung BNB 1.1.6 Desweiteren sind in den einzelnen Planungsschritten die Unterlagen über die Nachhaltigkeit der geplanten und eingesetzten Baustoffe zu archivieren. Diese sind im Rahmen des Bewertungs-/ Zertifizierungsverfahrens nach BNB der Konformitätsstelle vorzulegen. Folgende Dokumente sind gemäß BNB Steckbrief 1.1.6 bereitzustellen: Abb. 3.1-3 Auszug Steckbrief 1.1.6; Für die Bewertung erforderliche Unterlagen Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 16

3.2 Innenraumhygiene; BNB Steckbrief 3.1.3 Allgemeines Die Qualität von Innenräumen wird durch viele Einflüsse geprägt. Nur ein Teil davon lässt sich objektiv und verifizierbar beschreiben. Für das zertifizierte nachhaltige Bauen braucht man aber feste Kriterien, die qualitativ beziehungsweise quantitativ eindeutig darstellbar und durch Grenzwerte, Qualitätsklassen und ähnliches charakterisierbar sind. Die relevantesten soziokulturellen und funktionalen Steckbriefe beschreiben Innenraumqualitäten. Sie widmen sich damit insbesondere dem Wohlbefinden und der Gesundheit der Nutzer. Umgesetzt wird dies in den Gebäuden durch Einhaltung von Anforderungen zu Nutzungssicherheit (z.b. Trittsicherheit von Bodenbelägen, Fluchtwege etc.) Behaglichkeit (z.b. Zugerscheinungen von Luftauslässen, sommerliche Raumtemperaturen, Sprachverständlichkeit in Vortragsräumen etc.) Schadensfreiheit (z.b. Vermeidung von Schimmelpilzbildung aufgrund zu hoher Luftfeuchtigkeit an der Oberfläche von Bauteilen) Dabei geht es um Sachgebiete die steckbriefübergreifend auf den nachfolgenden Seiten kurz dargestellt sind. Dies sind: Qualität der Raumluft Thermische Behaglichkeit Schallschutz und akustischer Komfort Visueller Komfort durch natürliche und künstliche Beleuchtung Abb. 4.2-1 Einflussgrößen auf das Wohlbefinden von Menschen in Innenräumen - ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 17

Qualität der Raumluft Die Luftqualität bestimmt in Arbeitsräumen die Produktivität und Motivation ganz wesentlich. Nutzer, die unter Augen-, Atemwegsreizungen, Kopfschmerzen, Konzentrationsproblemen und Müdigkeit leiden, geben oft schlechte Luft als Ursache an. Die Konzentration der Schadstoffe und der CO2-Konzentration in der Innenraumluft wird durch vier Einflussgrößen geprägt: Raumvolumen beziehungsweise Außenluftvolumenstrom je Person Schadgasemission der Baustoffe und der Einrichtung und Geräte im Raum Luftwechsel und Lüftungseffektivität im Raum Qualität der einströmenden Außenluft Planerisch lassen sich alle vier Einflussgrößen beeinflussen und müssen nicht Zufälligkeiten überlassen werden. Folgende wesentlichen Punkte sind dabei zu beachten: Raumvolumen, beziehungsweise Außenluftvolumenstrom je Person Bei mechanischer Lüftung ist von einem planmäßigen Außenluftvolumenstrom auszugehen, der sich unter anderem an der Anzahl anwesender Personen im Raum orientiert. Bei kleinem Raumvolumen kann es zu hohen Luftwechselzahlen kommen und damit zur Gefahr von Zugerscheinungen. Bei Räumen mit natürlicher Lüftung muss durch die Anordnung der Fenster gewährleistet sein, dass der notwendige Luftwechsel durch eine gute Lüftungseffektivität auch erreicht wird. Energieverluste und Abluft aus angrenzenden Räumen sollten vermieden werden. Schadgasemission der Baustoffe und der Einrichtung und Geräte im Raum Die Zulassungsbedingungen für Baustoffe und ihre Verarbeitungsrichtlinien stellen keine ausreichende Garantie dar, um die festgelegten Grenzwerte für Schadstoffe einzuhalten. Daher sind besondere Maßnahmen notwendig, um ein Baustoffkonzept zu erstellen, das die Schadstoffemissionen minimiert. Die Auswahl emissionsarmer Bauprodukte stellt deshalb heute mehr denn je eine Notwendigkeit dar. Einrichtungsgegenstände und Geräte im Raum dürfen bei der Zertifizierung keine Rolle spielen, da nur die Gebäudeeigenschaften und nicht das Nutzerverhalten untersucht werden können. Im Rahmen des BNB werden als Richtgrößen der Formaldehyd-Gehalt und der TVOC-Gehalt in der Raumluft verwendet. Im TVOC-Wert werden neben den identifizierten flüchtigen organischen Verbindungen auch die nicht identifizierten Substanzen berücksichtigt. Der TVOC-Wert ist also die Zusammensetzung des in der Innenraumluft vorhandenen Substanzgemischs und stellt eine hygienische Gesamtbeurteilung vor. Eine Voraussetzung für die Anwendung des TVOC-Konzeptes ist, dass toxikologisch begründete Richtwerte von Einzelstoffen dabei nicht überschritten werden. Luftwechsel und Lüftungseffektivität im Raum Die Schadstoffkonzentration in einem Raum ist bei gleicher anzunehmender Emissionsrate umso höher, je geringer der Luftwechsel ist. Dabei ist darauf zu achten, dass die Durchlüftung eines Raumes optimal ist. Anforderungen hierzu stellt DIN EN 15251. Qualität der einströmenden Außenluft Der Standort des Gebäudes bestimmt natürlich die Außenluftqualität. Trotzdem kann es im Umfeld eines Gebäudes sehr unterschiedliche Außenluftqualitäten geben. Bei der Planung der Lüftungsanlage ist dies bei der Ansaugung zu berücksichtigen. Planungsvorgaben hierzu enthält DIN EN 13779. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 18

Die Sicherstellung der Luftqualität bedeutet nach diesem Kriterium, dass keine negativen Effekte hinsichtlich der Befindlichkeit der Raumnutzer entstehen. Gebäude mit einer TVOC-Konzentration von über 3000 µg/m³ sind von der Bewertung ausgeschlossen, da diese Konzentration gemäß der Innenraumhygienekommission am Umweltbundesamt als hygienisch bedenklich einzustufen ist. Zur Minimierung von Formaldehyd und TVOC in der Raumluft müssen emissionsarme Bauprodukte für Innenräume ausgewählt werden und ein ausreichender Luftwechsel gesichert sein. Konzept - Steckbrief 3.1.3 Innenraumlufthygiene Zielsetzung Sicherstellung der Luftqualität im Innenraum unter hygienischen Gesichtspunkten welche: zu keinen negativen Effekten der Befindlichkeit der Raumnutzer führt die hygienische Sicherheit garantiert zu keiner negativen geruchlichen Wahrnehmung der olfaktorischen Luftqualität führt. Niedrige Immissionskonzentration an flüchtigen und geruchsaktiven Stoffen Sicherstellung eines hinreichenden Luftwechsels bei natürlicher wie mechanischer Belüftung (Qualität in Bezug auf CO2-Konzentration) betroffene Gebäudeteile alle Gebäudeteile / Oberflächenmaterialien Bewertungsaspekte Flüchtige organische Stoffe (VOC) und Formaldehyd in der Innenraumluft deutliche Unterschreitung von 3000 µg/m³ TVOC bei Messungen, als Zielwert gilt 500 µg/m³, deutliche Unterschreitung des Formaldehyd-Richtwertes von 120 µg/m³ Personenbezogene Lüftungsrate Berechnung / Messung der Gesamtlüftungsrate von Räumen aus Gebäudekomponente (Liter/m²) und Personenkomponente (Liter/Person) Bewertung der Lüftungsrate je Person anhand Referenzwert aus Steckbrief Zuständigkeit Entwurf Bauherr (Zielvorgaben) Planer (Raumgestaltung, Fenster, Auswahl emissionsarmer Bauprodukte) Ausbauplanung und Feinstruktur der Räume Architekt, Innenarchitekt, TGA-Planer (Abstimmung Lüftungskonzept, geruchs- und emissionsarmer Bauprodukte) Bauherr (Dokumentation der Nachweisführung über Einhaltung der Werte) Auftrag TGA-Planer (gesondert zu beauftragen) Ermittlung Gesamtlüftungsrate und qp für repräsentative Räume Sachverständiger/Messinstitut (gesondert zu beauftragen) Auswahl zu messende Räume, Durchführung Raumluftmessungen, Prüfbericht zu Ergebnissen TVOC-Werte, Formaldehyd-Werte, Abgleich Einzelwerte VOC mit Richtwerten und Orientierungswerten Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 19

4 Konzentration von Gasen und Gerüche in der Luft In der Luft sollen möglichst wenige Schad- und Geruchsstoffen enthalten sein. In diesem Kapitel werden die physikalischen Zusammenhänge von Emission und Lüftung auf die Konzentration der Gase dargestellt und die betreffenden Einheiten erläutert. 4.1 Einführung Zu Gasen in Luft gehören sowohl Schadstoffe als auch Wasserdampf. Es gibt eine generelle Betrachtung wie man die Konzentrationen in Formeln fassen kann. Daraus ergeben sich dann sehr wichtige Folgerungen für Berechnungen, Messungen und Bewertungen in der Praxis. Für eine Bilanz der Gaskonzentration in der Raumluft ist die Emission im Raum wichtig, der Luftwechsel, das Raumvolumen und die Konzentration des Gases in der Außenluft. Bei genauerer Betrachtung können auch Speicherungen des Gases in den Raumoberflächen und die Diffusion des Gases durch die Außenbauteile von Bedeutung sein. außerdem können in der Praxis zeitliche schwankende Konzentrationen eine Rolle spielen. Die Verteilung der Gase im Raum, die Reaktion der in der Luft vorhandenen Gase untereinander und die Reaktion mit flüssigen und festen Stoffen im Raum können von Gas zu Gas variieren. Die Beschreibungen in diesem Abschnitt gelten für alle Gase in gleicher Weise. Gegenüber den meisten zu betrachtenden Gasen hat Wasserdampf die Eigenschaft, dass auch die Kondensation zu betrachten ist. Der Übergang in die flüssige Phase bleibt in den Betrachtungen dieses Kapitels unberücksichtigt. Werden Schadstoffkonzentrationen in einem Raum gefunden, stellt sich die Frage nach der Quelle dieser Belastung. Eine geruchliche Belästigung ist möglicherweise auch biologischer Herkunft, beispielsweise infolge eines versteckten Schimmelpilzbefalls. Zur Abklärung von Schadstoffen in Innenräumen gehören neben dem Nachweis von Verbindungen in auffälligen Konzentrationen auch die Suche und die Identifikation der verantwortlichen Quelle. Der Zusammenhang von gesundheitlichen Symptomen und gefundenen Schadstoffkonzentrationen wird in den betroffenen Innenräumen ist in der Regel diffus. Daher gilt vor allem das Vorsorgeprinzip durch die Baustoffauswahl. Viele Anfragen über Schadstoffe in Innenräumen betreffen Geruchsbelästigungen. Die individuelle Wirkung eines Geruches kann nicht gemessen und verallgemeinert werden. Der menschliche Geruchsinn ist bei manchen, gerade als sehr unangenehm empfundenen Stoffen empfindlicher als die zur Verfügung stehende Analytik. Hier sind, falls die Analyse der Raumluft keinen Erfolg bringt, pragmatische Ansätze gefragt. Eine Hilfestellung bietet u.a. der Leitfaden "Gerüche in Innenräumen - sensorische Bestimmung und Bewertung" (AGÖF-Geruchsleitfaden)", der bei der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute (AGÖF) unter www.agoef.de erhältlich ist. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 20

4.2 Allgemeine Grundsätze der Konzentration von Gasen in Räumen 4.2.1 Stationäres Verhalten In diesem Abschnitt geht es um die Konzentration eines Gases in der Luft in g/m³. Grundsätzlich wird die Gaskonzentration in Innenräumen vom Außenklima vorbestimmt. Die Konzentration im Raum kann gegenüber der Außenluft dadurch erhöht werden, dass das betreffende Gas im Raum emittiert wird. Hier sei zunächst nur der Fall betrachtet, dass keine zeitlichen Schwankungen der Lüftung oder der Emission bestehen. In diesem Fall ergibt sich die Konzentration im Innenraum aus der der Außenluft plus der Erhöhung innen. Dies lässt sich mit der folgenden Formel (4) darstellen: c i = c e + m V c i c e Konzentration des Gases innen in g/m³ Konzentration des Gases außen in g/m³ m Emissionsrate (Masse des in den Raum emittierten Gases je Stunde) in g/h V Luftvolumenstrom in m³/h (= n*v = Luftwechselzahl * Raumvolumen) 4.2.2 Instationäres Verhalten In diesem Abschnitt betrachten wir den Konzentrationsverlauf zeitabhängig: Verlauf der Gaskonzentration in einem Raum, in dem eine Emission stattfindet. Dabei nehmen wir an, dass zum Startzeitpunkt die Gaskonzentration innen und außen nach gründlichem Lüften - gleich ist. Nach dem Schließen der Fenster steigt die Gaskonzentration in Abhängigkeit des verbleibenden n t e Infiltrationsluftwechsels an. Der zusätzliche Faktor [ ] geht für sehr lange Zeiträume gegen Null. Wenn der Faktor Null wird ergibt sich wieder die bekannte Formel: c i = c e + m n V c i = c e + n t ( 1 e ) m n V Geht man davon aus, dass der Ausgangswert für die Gaskonzentration nicht innen und außen gleich ist, dann wird die Formel komplizierter. Dies ist z.b. der Fall, wenn eine Lüftung eingeschaltet wird und dadurch erst langsam die Gaskonzentration im Raum gesenkt wird. Wir bezeichnen im Folgenden die Gaskonzentration der Zuluft (entspricht oben der Außenluft) mit czl und die Gaskonzentration der c R Raumluft zum Startzeitpunkt (t=0) mit 0. Mit diesen Änderungen lautet die Formel: m i = czl + + cr n V 0 c c ZL m e n V n t (4) diese und die in den nachfolgenden Kapiteln vorgestellten Formeln ergeben sich durch die Lösung folgender Differentialgleichung: dv v = V ce + r V dt V R Außenluftvolumenstrom V [m³/s] Konzentration außen c e [l/m³] Volumen des Gases im Innern v [l] Emissionsrate r [l/s] Raumvolumen V R [m³] Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 21

Berechnungsbeispiel In einem Büro mit einem Raumvolumen von 50 m³ befinden sich 30 m² Materialien, die Formaldehyd abgeben. Die Emissionsrate entspricht dem, was die DIN EN 15251 für schadstoffarme Gebäude vorgibt (5): 0,05 mg/(m²h). Die Luftwechselrate des Raumes beträgt bei geschlossenen Fenstern 0,1 h-1. Vor Beginn der beiden zu betrachteten Fälle beträgt die Formaldehyd-Konzentration im Raum 300 µg/m³. Es werden folgende Fälle unterschieden: a.) Der Raum wird durch die offenen Fenster gründlich gelüftet und diese dann geschlossen. b.) Der Raum wird nur durch das Einschalten einer Lüftungsanlage mit einem Außenluftvolumenstrom von 25 m³/h gelüftet. Welchen Zeitverlauf nehmen in beiden Fällen die Konzentrationen? Hinweis zur Bewertung der Größenordnung: In der BNB-Bewertung gelten 120 µg/m³ als oberster Richtwert; 60 µg/m³ gilt als sehr gut. Abb. Darstellung des Verlaufs der Konzentration von Formaldehyd in mg/m³ für die beiden Berechnungsfälle: Fall a.) blaue Kurve Anstieg der Konzentration nach der Fensterlüftung Fall b.) rote Kurve Abfall der Konzentration bei mechanischer Lüftung Für die Messung ist die DIN EN ISO 16000 anzuwenden. Diese schreibt die Konzentrationsmessung 8 Stunden nach der gründlichen Durchlüftung vor. Im vorliegenden Rechenbeispiel würde dies einen Messwert von 0,165 mg/m³ ergeben (danach wird der höchste Wert des BNB-Systems überschritten). 4.2.3 Örtliche Differenzen Während bei dem Gas Wasserdampf davon auszugehen ist, dass an jeder Stelle im Raum sich in kürzester Zeit ein Konzentrationsausgleich ergibt, kann es bei starken Schadstoff- oder Geruchsemissionen im Raum Konzentrationsunterschiede geben. Dies sollte bei einem Lüftungskonzept beachtet werden, insbesondere dann, wenn die Lüftung durch Messfühler gesteuert wird. (5) Die Norm macht keine Angaben darüber, ob sich diese Emissionsrate auf die Fläche eingebauter Materialien bezieht, oder ob es um die Nettogrundfläche des Gebäudes geht. Anzunehmen ist am ehesten ersteres, was deshalb bei dieser Annahme berücksichtigt wurde. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 22

4.2.4 Einheiten: ppm, Vol-%, l/h, l/m³, mg/m³. Emission von Gasen l Emittiertes Gasvolumen je Zeit: h Konzentration von Gasen in Luft Volumen Gas je Volumen Luft: l 4 1 Vol % = 10 = 10 ppm m³ Umrechnung von Volumenkonzentrationen zu Massekonzentrationen: cm³ molare Masse mg 1 ppm = 1 m³ Molvolumen m³ Das Molvolumen beträgt für alle Gase 22,4 Liter/Mol. Um die Konzentrationsangabe in mg/m³ zu berechnen, muss man die chemische Formel kennen. Aus der molaren Masse (im Periodensystem nachzusehen) lässt sich dann die Angabe in mg/m³ ermitteln. Nachfolgend ist dies am Beispiel für einige Gase dargestellt. Es werden die Werte für die maximale Arbeitsstättenkonzentration von der Einheit ppm auf mg/m³ umgerechnet. Für die Berechnung werden folgende molare Massen aus dem Periodensystem der Elemente entnommen: Kohlenstoff C: 12,01115 g/mol Sauerstoff O: 15,9994 g/mol Wasserstoff H: 1,00797 g/mol Benzol C6H6 g g (6 12,01115 + 6 1,00797) 78,114 mg 5 ppm = 5 mol = 5 mol = 17,4 l l 22,4 22,4 m³ mol mol Ozon O3 g mg 0,1 ppm = 0,214 = 0,214 l m³ Kohlendioxid CO2 mg 5000 ppm = 9824 m³ Formaldehyd HCHO mg µ g 1ppm = 1,34 = 1340 m³ m³ Empfehlung zur Übung: Rechnen Sie nach dem Beispiel Benzol die Konzentrationen der anderen Gase - Ozon, Kohlendioxid und Formaldehyd von Volumen- auf Masseeinheit nach! Geben sie alle Konzentrationen in folgenden Einheiten an: ppm, Vol-%, l/m³, mg/m³, µg/m³ Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 23

5 Anwendungsbeispiel 5.1 Einstufung einer Perimeterdämmung aus extrudiertem Polystyrol in eine der Qualitätsstufen gemäß BNB Steckbrief 1.1.6 Aufgabenstellung Welche der fünf Qualitätsstufen gemäß BNB Steckbrief 1.1.6. ist mit einem Wärmedämmstoff (hier Perimeterdämmung aus extrudiertem Polystyrol-Hartschaum) zu erreichen? Zu betrachten sind Treibmittel, Stoffe, die gemäß REACH-Verordnung als besonders besorgniserregend eingestuft sind, sowie die ökotoxikologische Unbedenklichkeit bei Einsatz in direktem Kontakt mit Boden und Grundwasser. Arbeitsschritt 1 - Anforderungen Folgende Anforderungen sind gemäß Steckbrief 1.1.6 für einen Perimeterdämmstoff zu betrachten. Grundlage ist hierbei die Anforderungstabelle von Seite 15: Halogenierte Treibmittel Stoffe, die gemäß REACH-Verordnung als besonders besorgniserregend eingestuft sind ökotoxikologische Unbedenklichkeit Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 24

Arbeitsschritt 2 - Nachweise halogenierte Treibmittel Angaben zu den halogenierten Treibmitteln lassen sich in der Regel über EPDs (Environmental Product Declaration) oder über die Produktdatenblätter bzw. technischen Merkblätter bestimmen. EPDs sind beim Institut Bauen und Umwelt e.v. (IBU) - www.bau-umwelt.de verfügbar. Die Produktdatenblätter bzw. technischen Merkblättern werden von den Produktherstellern zur Verfügung gestellt. Abb. 4.1-1 Environmental Product Declaration des Wärmedämmstoffs XPS - Extrudierter Polystyrolschaum Quelle: www.bau-umwelt.de In der Umweltproduktdeklaration wird unter Punkt "2 Grundstoffe" folgende Angabe gemacht: Abb. 4.1-2 Environmental Product Declaration des Wärmedämmstoffs XPS - Extrudierter Polystyrolschaum Quelle: www.bau-umwelt.de Auszug Seite 6 Grundstoffe: "Das Treibmittel besteht aus Kohlenstoffdioxid [CAS 124-38-9] und halogenfreien CO-Treibmittel (siehe roter Kasten)." Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 25

Zum Datenabgleich sollten die Angaben aus Produktdatenblättern bzw. technischen Merkblättern der Hersteller mit den Angaben aus der Umwelt-Produktdeklaration verglichen werden. Abb. 4.1-3 Beispiel eines Produktdatenblatts eines Wärmedämmstoffs aus XPS - Extrudierter Polystyrolschaum der Firma URSA Quelle: www.ursa.de " geschäumt mit Kohlendioxid, Zellgas." (siehe roter Kasten) Damit ist das Teilkriterium, dass keine teilhalogenierten Treibmittel für die Produktion des Dämmstoffs verwendet werden dürfen, erfüllt. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 26

Arbeitsschritt 3 - Nachweise besonders besorgniserregende Stoffe Angaben zu Stoffen oder Rezepturen lassen sich über EPDs (Environmental Product Declaration) oder über Sicherheitsdatenblätter feststellen. In einer Umwelt-Produktdeklaration ist ein Baustoff über den gesamten Lebenszyklus von der Wiege bis zur Bahre abgebildet. Damit sollten alle Stoffe, die in einem Produkt enthalten sind, auftauchen. Sollte es sich dabei um "besonders besorgniserregende Stoffe" gemäß REACH-Verordnung handeln, so müssen diese im Sicherheitsdatenblatt benannt, und in Ihrer Konzentration aufgeführt sein. Denn ein Sicherheitsdatenblatt muss, gemäß Artikel 31 in Verbindung mit Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH), folgende Angaben (in Auszügen wiedergegeben) enthalten: Bezeichnung des Stoffs bzw. des Gemischs und des Unternehmens Mögliche Gefahren Zusammensetzung/Angaben zu Bestandteilen Toxikologische Angaben Umweltbezogene Angaben Rechtsvorschriften Sonstige Angaben In der Umweltproduktdeklaration XPS - Extrudierter Polystyrolschaum wird unter Punkt "2 Grundstoffe" folgende Angabe gemacht: Abb. 4.1-4 Environmental Product Declaration des Wärmedämmstoffs XPS - Extrudierter Polystyrolschaum Quelle: www.bau-umwelt.de Auszug Seite 6 Grundstoffe: "Als Zusatzmittel wird das Flammschutzmittel Hexabromcyclododekan (HBCD) [CAS 25637-99-4] eingesetzt. (siehe roter Kasten)." Zum Datenabgleich sollten die Angaben aus der Umwelt-Produktdeklaration mit dem Sicherheitsdatenblatt des Baustoffs verglichen werden. Denn im Zusammenhang mit dem Kriterium "besonders besorgniserregende Stoffe " ist der Anteil in % von entscheidender Bedeutung. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 27

Abb. 4.1-5 Sicherheitsdatenblatt (Seite 1) Wärmedämmstoffs" URSA XPS" - Extrudierter Polystyrolschaum Quelle: www.ursa.de Seite 1 Zusammensetzung: Hexabromcyclododekan > 0,1 % CAS-Nummer: 3194-55-6 EC-Nummer: 221-695-9 (siehe roter Kasten) Die im Sicherheitsdatenblatt genannten "Gefährlichen Inhaltsstoffe" sind dann mit der "Candidate List of Substances of Very High Concern for authorisation" der ECHA abzugleichen. Diese wird mehrmals im Jahr aktualisiert. Unter folgenden Link, kann die Kandidatenliste der "besonders besorgniserregenden Stoffe" heruntergeladen werden: www.echa.europa.eu/chem_data/authorisation_process/candidate_list_table_en.asp. Abb. 4.1-6 Startseite "Candidate List of Substances of Very High Concern for authorisation" Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 28

Die in der Liste aufgeführten Stoffbezeichnungen lassen in der Regel keine genaue Klassifizierung und damit keine genaue Feststellung zu, ob es sich um einen "besonders besorgniserregenden Stoff" handelt, der im Sicherheitsdatenblatt aufgeführt ist. Zur genauen Identifizierung ist die CAS-Nummer bzw. EC-Nummer aus dem Sicherheitsdatenblatt mit denen in der "Kandidatenliste" abzugleichen. Abb. 4.1-7 "Candidate List of Substances of Very High Concern for authorisation" Übereinstimmungsnachweis; Sicherheitsdatenblatt: CAS-Nummer: 3194-55-6 EC-Nummer: 221-695-9 Kandidatenliste: CAS-Nummer: 3194-55-9 EC-Nummer: 221-695-9 (siehe roter Kasten) Im Sicherheitsdatenblatt wird auf Seite 7 unter Punkt "15.0 Rechtsvorschriften" dieser Sachverhalt noch einmal bestätigt. Abb. 4.1-8 Sicherheitsdatenblatt (Seite7) Wärmedämmstoffs" URSA XPS" - Extrudierter Polystyrolschaum Quelle: www.ursa.de Seite 7 unter Punkt 15.0 Rechtsvorschriften: "Dieses Produkt ist ein Erzeugnis. Es enthält Hexabromcyclododecan >0,1%, welches in der Liste der für Anhang XIV (Verzeichnis zulassungspflichtiger Stoffe) in Frage kommenden Stoffe gemäß Artikel 59.1 gelistet ist." (siehe roter Kasten) Damit ist das Teilkriterium Stoffe, die gemäß REACH-Verordnung als besonders besorgniserregend eingestuft sind und in Anteilen < 0,1 % enthalten sind, nicht erfüllt. Stand: 21.02.2012 Öko-Zentrum NRW 29