Predigt am (Israelsonntag) in Bolheim Pfarrerin Hanna Nicolai Predigttext: Römer 11,25-32

Ähnliche Dokumente
predigt am , zu römer 16,25-27

9 Gründe für die Vorentrückung

Predigt am ; Sonntag Trinitatis; Thema: Lobpreis der irrwitzigen Menschenliebe

ERSTE LESUNG Jes 66, 10-14c

dieses Buch hier ist für mich das wertvollste aller theologischen Bücher, die bei mir zuhause in meinen Bücherregalen stehen:

Mit Ostern steht und fällt alles. Predigt über 1. Korintherbrief 15,12-20 Ostermontag Er ist wahrhaftig auferstanden! 2016

Das Neue Testament 6.Klasse

Herzlich willkommen. Zum Gottesdienst Gemeinde Jesu Christi - GJC. Gemeinde Jesu Christi - Predigt Oliver Braun

ERSTE LESUNG Jes 22, 19-23

Beweise für die Auferstehung

Evangelisch-Lutherisches Pfarramt St. Christophorus Siegen Dienst am Wort. vor zwei Wochen habe ich euch schon gepredigt, dass das

ERSTE LESUNG Sach 9, 9-10 SIEHE, DEIN KÖNIG KOMMT ZU DIR; ER IST DEMÜTIG

5. Treffen Kommunion. Liebe Schwestern und Brüder,

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde ich nehme das letzte Wort dieser unglaublichen Geschichte auf. Der

Wasser heißt: Leben Familiengottesdienst über die Bedeutung des Wassers

Predigttext: 1 Johannes 5,11-13 (Predigtreihe IV, Erneuerte Perikopenordnung)

Predigt für einen Sonntag in der Trinitatiszeit (20.)

Predigt des Erzbischofs em. Friedrich Kardinal Wetter beim Jubiläumsgottesdienst 1200 Jahre Götting am 26. Juli 2009 in Götting-St.

Gottesdienst zum Thema Gebet um Uhr in Bolheim Schriftlesung: Lk 11,5-13 Gleichnis vom bittenden Freund Pfarrerin z. A.

Pfingsten - Das Christentum feiert Geburtstag

Informationen zur Taufe - Evangelische Kirche Traisa

Religionen oder viele Wege führen zu Gott

Die Gnade unsers HErrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Predigt Salvenmoser: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe.

Wozu Israel? Ist Israel für Christen von Bedeutung? Eine Erstinformation des Christlichen Forums für Israel Deutschland (CFFI)

Ich finde, gut gekleidete Leute sagen etwas aus über sich selbst. Und sie sind hübsch anzusehen. Kleider machen Leute.

Aber auch wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht.

Worüber schreibt Paulus in Römer 7?

Hebräerbrief. Zweck: Hebräer 3,12-14 A. Mit diesen Worten eröffnet der Schreiber den Zweck seiner Lektion.

26. November 2014 Universität Zürich. Dr.med. Timo Rimner Christen an den Hochschulen

Christentum, Judentum Hinduismus, Islam

1. Predigt in der Predigtreihe über den Heiligen Geist Gottesdienst vom 6. Juni 2015 Thema: Der heilige Geist sein Wesen und seine Personalität

Predigt für die Osterzeit (Rogate) Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Kraft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.

Ostern ist mehr. Das Geheimnis vom Kreuz und dem leeren Grab. Mehr! Basiswissen Christentum Herausgeber: Steffen Kern und Roland Werner

Jahreslosung Psalm 73, 28 Gott nahe zu sein, ist mein Glück

DIE SPENDUNG DER TAUFE

Evangelisieren warum eigentlich?

Predigt zu Römer 11, von Pfarrerin Annette Mehlhorn, Shanghai

Jahreslosungen seit 1930

Gottesdienst in Ronsdorf am Predigt zu Matthäus 21,28-32

KAPITELZUSAMMENSTELLUNG IM NEUEN TESTAMENT

Gerettet auf Hoffnung Predigt zum drittletzten Sonntag des Kirchenjahres

Die Heilige Taufe. HERZ JESU Pfarrei Lenzburg Bahnhofstrasse 23 CH-5600 Lenzburg. Seelsorger:

Ein gutes Beispiel! Nehemia : 80 Prinzip

Valentinstag Segnungsfeier für Paare

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Der Herr der Zeit Gott lebt nicht in der Zeit

In himmlischen Regionen WKG-Predigt

Der Heilige Stuhl BENEDIKT XVI. GENERALAUDIENZ. Aula Paolo VI Mittwoch, 16. Januar [Video]

Du sollst keine anderen Götter haben neben mir

»Ich lebe und ihr sollt auch leben«johannes 14,19

Römer 7 Christen Homepage wir@was-christen-glauben.info Römer 7

Oberweißburg am 24 November 2013 Tauffeier von

Predigt am 1. Sonntag nach Weihnachten am 28. Dezember 2014 in St. Salvator, Gera.

Gott, der Mensch und die Ewigkeit nach einer Schrift von Richard Müller

Lesungen aus dem Alten Testament

EIN KIND, AUSSERHALB DER HEILIGEN MESSE. in den Bistümern des deutschen Sprachgebietes

Zehn Gründe, als Christ zu leben Was Christen vom Glauben haben

EIN völlig NEUES LEBEN. Wie man Christus annimmt und was das bedeutet

Herzensrosen, die bedingungslose Liebe und die Schuld

1 Einführung in die Pastoraltheologie 9. Sitzung,

Islam. Keiner von euch ist ein Gläubiger, solange er nicht seinem Bruder wünscht, was er sich selber wünscht. Islam 1

Evangelische Kirchengemeinde Merzig. Taufen. in unserer Gemeinde ein Wegweiser

NACHFOLGE... BIBELTEXT PETRUS BEGANN UND SAGTE ZU IHM: SIEHE, WIR HABEN ALLES VERLASSEN UND SIND DIR NACHGEFOLGT.

[Luther]Kapitel 6 {1 Was sollen wir nun sagen? Sollen wir denn in der Sünde beharren, damit die Gnade umso mächtiger werde?

Leseprobe Vertraut auf Gottes Liebe ISBN

Predigtreihe Was wir glauben Ich glaube an Gott, den Vater. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus. Liebe Gemeinde!

Predigt. am 05.Januar 2003 in Denklingen. über. Lukas 2, von

Ehre, Ehre sei Gott in der Höhe, Ehre! Und Friede auf Erden (3 mal), Friede den Menschen, die Gott lieben.

Ä8QGLFKELQQLFKWZLGHUVSHQVWLJJHZHVHQ³*RWWHV6WLPPHK UHQOHUQHQ

Das Problem mit der Heilsgewissheit

Die Stellung der Gläubigen des Alten und des Neuen Testaments (der Gemeinde) in der Ewigkeit

Hintergrundinformationen zu Apostelgeschichte 8,26-40 Philippus und der Kämmerer

Gott gibt Regieanweisungen zur Hoffnung

Liebe Gemeinde! Demut ist nicht mehr zeitgemäß. Demut passt nicht in unsere aktuelle gesellschaftliche Landschaft.

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Hat die Religion uns heute noch etwas zu sagen?

Was ist Bekehrung? Die Bekehrung als der Anfang eines neuen Lebens

Er steht für Versöhnung ein Ein PLO-Scharfschütze wird Gottes Visitenkarte. Datum: , Autor: Daniel Gerber, Quelle: Livenet.

Predigten von Pastorin Andrea Busse

Predigt über Galater 5,22 Treu und zuverlässig werden

Gott in drei Beziehungen

Da das Jesus merkte, sprach er zu ihnen: Was bekümmert euch das Weib, sie hat ein gutes Werk an mir getan. Ihr habt allezeit Arme bei euch, mich aber

Predigt am Sonntag Miserikordias Domini 14. April 2013 in der Versöhnungskirche Dresden-Striesen von Pfarrer Dr. Hans-Peter Hasse

M03a Lernstraße für den Unterricht in Sekundarstufe I

Alpha- Live Kurs 2013

Hintergrundinformation Apostelgeschichte 3 Heilung an der schönen Pforte

HGM Hubert Grass Ministries

Inhalt. Durch seine Striemen sind wir geheilt... 35

Also: Wie es uns geht, das hat nichts mit dem zu tun, ob wir an Gott glauben.

Katholische Priester finden die Wahrheit

Predigt Lk 19 Verloren wie Zachäus Juni 2015

Mk. 16,1-8: Predigt für den deutsch-englischen Gottesdienst am Ostermontag 2015

E L T E R N R O S E N K R A N Z

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Abendgottesdienst der Diakonie am Sonntag Sexagesimae, Ettenhausen, Uhr

WESEN UND WIRKEN DES HEILIGEN GEISTES

Transkript:

Predigt am 11.09.2016 (Israelsonntag) in Bolheim Pfarrerin Hanna Nicolai Predigttext: Römer 11,25-32 Römer 11,25-32 25 Ich will euch, liebe Brüder, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, so lange bis die Fülle der Heiden zum Heil gelangt ist; 26 und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht (Jesaja 59,20; Jeremia 31,33):»Es wird kommen aus Zion der Erlöser, der abwenden wird alle Gottlosigkeit von Jakob. 27 Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.«28 Im Blick auf das Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber im Blick auf die Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen. 29 Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. 30 Denn wie ihr zuvor Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams, 31 so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen. 32 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme. Liebe Gemeinde, von Friedrich dem Großen, dem Preußenkönig im 18. Jahrhundert, der nicht nur ein großer Herrscher, sondern auch ein großer Spötter und Religionsverächter war, wird folgende Geschichte erzählt: Friedrich der Große wollte einmal jemanden in Verlegenheit bringen. Es war nicht irgendjemand, sondern sein Superintendent heute wäre das so etwas wie der Dekan, also der oberste Pfarrer eines Kirchenbezirkes. Er sagte zu ihm: Nenne Er mir einen einzigen Gottesbeweis, aber kurz, in drei Worten! Da soll der kluge Geistliche einen Schritt vorgetreten sein und sich mit den Worten verbeugt haben: Majestät, die Juden. Wie kommt der Superintendent dazu, solch eine Antwort zu geben? Warum sollen die Juden ein Beweis dafür sein, dass es Gott gibt? Schauen wir im Zeitraffer auf die Geschichte des jüdischen Volkes. Da entflieht ein Volk der Sklaverei in Ägypten und kommt nach Jahrzehnten in der Wüste in dem Land an, das Gott diesem Volk versprochen hat. Seinem Volk, das er sich auserwählt hat, nicht weil es besonders reich wäre oder starke Krieger oder kluge Köpfe in seinen Reihen hätte oder eines der damaligen Weltmächte wäre. Nein, Gott sucht sich dieses Volk als sein Volk aus, weil es gerade nichts vorweisen kann. Und dann lässt sich dieses Volk nieder in 1

einem schmalen Landstrich am östlichen Mittelmeer. Gott hat eine besondere Beziehung zu diesem Volk und dieses Volk hat eine besondere zu ihm. Aber nicht immer verlässt es sich auf diesen Gott, der selber unsichtbar ist, aber verspricht, bei seinem Volk zu sein. Israel wird zum Spielball seiner Nachbarn, der damaligen Großmächte. 587 v. Chr. wird Jerusalem, die Hauptstadt mitsamt dem Tempel zerstört, ein Großteil der Bevölkerung wird getötet oder nach Babylon verschleppt. Aber das Volk Israel schafft es, in der Verbannung beieinander zu bleiben und nach einigen Jahrzehnten kehren sie in ihr zerstörtes Land zurück. Sie bauen die Städte wieder auf und bewirtschaften die Felder. Bis dann 70 n. Chr. Jerusalem wieder zerstört wird, dieses mal von den Römern. Die Juden werden verstreut über die ganze Welt. Sie werden dort, wo sie sich niederlassen, oft diskriminiert, verfolgt, ermordet. Über die Jahrhunderte geht es so, bis dahin, dass Hitler dieses Volk systematisch ausrotten wollte. Christen waren an diesen Verfolgungen und Diskriminierungen häufig aktiv beteiligt. Seit 1948 sammeln sich Juden im Staat Israel. Seit 68 Jahren erst haben sie wieder ein eigenes Territorium. Fast 1900 Jahre hat dieses Volk seine Identität bewahrt durch alle Zerstreuung, Verfolgung, Ausrottungsversuche und Feindschaft hindurch. Kein anderes Volk der Weltgeschichte hat eine solch lange Zeit der Zerstreuung überstanden. Alle sind sie untergegangen: Die alten Ägypter ebenso wie die Babylonier, das alte Griechenland und die Römer. Sobald der Staat weg war, bröckelte auch die Identität als Volk. Die Geschichte des jüdischen Volkes ist beispiellos in der Weltgeschichte. Da kann man ins Staunen kommen und auch daran denken, dass Gott dieses, sein auserwähltes Volk bewahrt und erhalten hat durch alle Wirren hindurch. Ob Sie in der Existenz des jüdischen Volkes einen Gottesbeweis sehen, so wie es der Superintendent dem Herrscher Friedrich dem Großen vorschlägt, das bleibt Ihrem eigenen Urteil überlassen. Aber Sie werden wohl der Meinung zustimmen, dass die Geschichte des jüdischen Volkes einzigartig ist in der ganzen Weltgeschichte. Und das ist Grund genug, dass wir uns als Christen mit unserem Verhältnis zum jüdischen Volk befassen. Mit unserem Verhältnis in der Vergangenheit und mit unserem Verhältnis heute. Und wenn wir da zurückschauen auf unser Verhältnis als Christen zum jüdischen Volk, dann sieht das nur wenig rühmlich aus. Da war die Beziehung oft geprägt von Hochmut und Überheblichkeit. Und dieser Hochmut und diese Überheblichkeit schlug sich nieder in Worten und in Taten. Da war ein Gedanke: Gott hat zwar Israel als sein Volk erwählt aber weil es Jesus nicht als Messias anerkennt, weil es nicht an Jesus glaubt, deshalb hat Gott sein Volk verstoßen. Das wahre Gottesvolk das sind jetzt wir, die Christen. Uns gelten jetzt die 2

Verheißungen, die einst Israel bekam. Das war lange weit verbreitete christliche Meinung, selbst der große Reformator Martin Luther dachte so und predigte so. Das war die eine Art von christlichem Hochmut und Überheblichkeit gegenüber dem jüdischen Volk. Und eine andere bestand darin, dass Christen über Jahrhunderte hinweg an Karfreitag in der Kirche über die Ursache von Jesu Tod am Kreuz zwar gesungen haben: Ich bin s, ich sollte büßen, aber vor den Kirchentüren schrieen sie: Sie, die Juden warn s, sie sollen s büßen. Und so haben Christen über Jahrhunderte hinweg häufig nicht widersprochen, wenn jüdische Mitbürger diskriminiert, verfolgt, ermordet wurden. Nein, im Gegenteil, Christen haben sich daran aktiv beteiligt und diesen Hass und diese Meinung mitgeschürt: Juden, das sind Christusmörder. Paulus schreibt in seinem Brief an die Gemeinde in Rom, von welcher Haltung unser Verhältnis zum jüdischen Volk geprägt sein soll: Ich schreibe euch dieses Geheimnis, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet! Paulus warnt uns davor als Heiden gegenüber den Juden eine hochmütige und besserwisserische Haltung einzunehmen. Er warnt nicht deshalb davor, weil er selber Jude ist und sein Volk in Schutz nehmen will, nein, er warnt deshalb davor, weil wir sonst Gott nicht ernst nehmen. Weil wir wenn wir gegenüber dem jüdischen Volk uns als Christen für etwas besseres halten nicht ernst nehmen, mit wem wir es in Gott zu tun haben. Gott selber hat Paulus gezeigt, warum seine Geschichte mit dem jüdischen Volk so ist, dass nur wenige Juden an Jesus als den Messias glauben können. Gott hat Israel verstockt, verblendet, so dass sie gar nicht glauben können. Gott hat dies nicht als Strafe dafür getan, weil die Juden vor Pilatus Kreuzige ihn geschrieen haben und Jesus deshalb sterben musste. Nein, er hat es aus einem ganz anderen Grund getan: Damit Zeit bleibt, dass alle Heiden - und damit ist die ganze übrige Welt gemeint - die Möglichkeit haben, vom Evangelium zu hören und zum Glauben an Jesus zu kommen. Gottes verstockendes Handeln an Israel ist Heilshandeln an uns! (2x) Schwer nachvollziehbar, diese Wege Gottes. Wahrlich ein Geheimnis, wie Paulus sagt. Eines, das sich nicht lösen lässt wie ein Rätsel. Eines, das bleibt und das uns deutlich macht, dass Gott nicht derjenige ist, der sich in jedes menschliche Schema pressen lässt. Ein Geheimnis das deutlich macht, dass Gottes Wege mit seiner Menschheit manchmal sonderbare und verschlungene Wege sind. Und obwohl die Juden Jesus als Messias ablehnen, sind sie nach wie vor und immer noch von Gott geliebt. Sie sind geliebt und bleiben Gottes auserwähltes Volk, weil Gott das Israel versprochen hat. Schon vor langer Zeit hat er das den Vätern des Volkes Israel versprochen: 3

Abraham, Isaak und Jakob. Gott steht zu dem, was er einmal gesagt hat. Er sagt nicht: Jetzt habt ihr mich enttäuscht und ich nehme zurück, was ich versprochen habe oder Was interessiert mich mein Gerede von gestern. Nein, Israel ist und bleibt Gottes auserwähltes Volk, denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. Und wir Christen, wir werden mithineingenommen in den Glauben Israels. Wir werden mithineingenommen in dieses erwählte Volk. Und so gelten die alten Verheißungen an Israel auch uns. Nicht wir lösen Israel als Gottes erwähltes Volk ab, nein, Gott weitet seine Erwählung aus auf uns Heiden und schenkt den Glauben an ihn. Wenn Gott seinem Volk Israel die Treue hält obwohl es ihm gegenüber ungehorsam ist, obwohl es Jesus nicht als Sohn Gottes anerkennt, dann können auch wir gewiss sein, dass Gott gegenüber uns treu ist, auch wenn wir untreu werden, wenn wir uns von Gott abwenden. Gott wird sich am Ende der Zeit über Israel erbarmen, und er wird sich auch über uns Christen erbarmen, die wir nicht immer so leben, wie es unserem Herrn, wie es Gott, gefällt. Wenn Gott zu seinen Versprechen gegenüber Israel steht, dann können wir uns als Christen auch darauf verlassen dass die Verheißungen, die wir von Jesus haben, gültig sind: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende oder Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Gott ist treu und voller Erbarmen. Er steht zu dem, was er gesagt und versprochen hat gegenüber Israel und auch gegenüber uns Christen. Was heißt das nun für unser Verhältnis zum Volk Israel? Ich denke, wir haben zuerst einmal eine demütige Haltung einzunehmen in Bezug auf Gottes Handeln an seinem Volk und an uns. Wir haben anzuerkennen, dass Gott zu seinem Volk steht, weil er versprochen hat, für dieses Volk ganz besonders da zu sein. Weil er mit ihm einen Bund geschlossen hat, weil dieses Volk letztlich seine auserwählte Braut ist. Es ist anzuerkennen, dass Gott sein Volk liebt selbst dann wenn das Verhalten dieses Volkes nicht mit dem vereinbar ist, was Gottes Willen entspricht. Uns verbindet mit Israel viel, weil wir eine lange, gemeinsame Glaubensgeschichte haben und denselben Gott, dessen Erbarmen wir genauso bedürfen wie die Juden. Und so ist unser Verhältnis von Israel von Achtung geprägt und von der Anerkennung unseres Gottes, dessen Handeln und dessen Wege wir nicht immer verstehen, der sich aber sowohl über uns als auch über sein Volk erbarmt und uns beiden gegenüber barmherzig ist. Zum Schluss wage ich es, eine schwierige und sehr umstrittene Frage in den Raum zu stellen: Wie haben wir uns als Christen heute gegenüber Israel zu verhalten, gegenüber dem jüdischen Volk und gegenüber dem Staat Israel? 4

Die Antwort ist schwer. Es gibt meines Erachtens zwei Wege, vor denen wir uns hüten sollten: Vor der Verachtung Israels einerseits und vor dem Hinnehmen oder Gutheißen dessen, was in diesem Staat alles geschieht andererseits. Als Christen werden wir nicht alles hinnehmen können, was heute im Staat Israel geschieht, weil dort auch Gottes Gebote missachtet werden aber gerade wir als Christen insbesondere in Deutschland wissen, dass auch wir Gottes Gebote missachtet haben und auch nach wie vor verletzten. Wir sind nicht besser als Israel. Und trotzdem haben wir die Aufgabe, nach dem zu suchen und zu fragen, was dem Frieden dient. Und darüber haben wir auch mit Israel kritisch ins Gespräch zu kommen. Gott gebe uns und den Verantwortlichen in der Politik dazu Weisheit und eine Haltung, die von Achtung und Respekt und nicht von Hochmut und eigener Klugheit geprägt ist. Amen. 5