Zur aktuellen Verbreitung und jüngsten Ausbreitung des Fischotters in Niederösterreich

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Transkript:

Zur aktuellen Verbreitung und jüngsten Ausbreitung des Fischotters in Niederösterreich von Andreas Kranz & Lukas Polednik

Auftraggeber: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung Gruppe Raumordnung, Umwelt und Verkehr Abteilung Naturschutz Landhausplatz 1 3109 St. Pölten Tel.: 02742 900515220 post.ru5@noel.gv.at Betreuung: Mag. Katharina Kölbl Auftragnehmer: DI Dr. Andreas Kranz alka-kranz Ingenieurbüro für Wildökologie und Naturschutz e. U. Am Waldgrund 25, 8044 Graz andreas.kranz@aon.at Tel.: 0664 2522017 Fax.: 03132 53533 Ein neu besiedelter Lebensraum des Fischotters: die Fladnitz bei Stift Göttweig (Foto: A. Kranz) Zitiervorschlag: Kranz, A. und Polednik, L. 2009: Zur aktuellen Verbreitung und jüngsten Ausbreitung des Fischotters in Niederösterreich. Bericht im Auftrag der Abteilung Naturschutz des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung, 15 Seiten. Titelbild: Halbwüchsiger Fischotter, deutlich zu sehen sind die für den Jagderfolg entscheidenden Tasthaare (Foto: A. Kranz). Zusammenfassung Im Herbst 2008 wurde ganz Niederösterreich auf Vorkommen des Fischotters untersucht. Dafür wurden stichprobeartig vier für diesen Zweck geeignete Brücken pro 100 km 2 untersucht. Das so entstehende Verbreitungsbild ist genauer und nachvollziehbarer als dies jeder anderen Säugetierart Niederösterreichs, nicht einmal von Reh, Hase und Fuchs gibt es derartig saubere Verbreitungskarten. Möglich wurde dies, weil sich Fischotter an Hand ihrer Losungen unter geeigneten Brücken zweifelsfrei nachweisen lassen. Die Ergebnisse wurden mit einer ebensolchen Kartierung aus dem Jahre 1999 verglichen, weshalb die Ausbreitung gut nachvollzogen werden kann. Der Fischotter hat sich in den neun Jahren von 1999 bis 2008 unglaublich stark ausgebreitet; 1999 beschränkte sich das Vorkommen fast ausschließlich auf das Waldviertel und nun ist er auch südlich der Donau praktisch flächendeckend nachweisbar. Eine größere Verbreitungslücke besteht nur noch im Weinviertel. In Zahlen ausgedrückt wurden im Jahre 2008 auf 88 % der Landesfläche Fischotternachweise gefunden, im Jahre 1999 nur auf 28 %. Im Gegensatz zu dieser deutlichen Ausbreitung der Fischotter kam es im Kerngebiet der früheren Otterverbreitung, dem Waldviertel, in einigen Quadraten zu einem Rückgang an Nachweisen. 1999 wurden dort unter denselben Brücken zum Teil deutlich mehr Losungen gefunden. Der Gesamtbestand an Fischottern wird auf etwa 300 bis 500 Individuen geschätzt. Zahlenmäßig hat er sich vom Jahre 1999 bis zum Jahre 2008 vermutlich verdoppelt. Der Erhaltungszustand gemäß Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union ist sowohl in der alpinen als auch in der kontinentalen Region Niederösterreichs als günstig zu beurteilen. Seite 2 von 15 im Juli 2009

Ein Mythos geht, ein Mythos kommt Fischotter galten lange als Sinnbild intakter Natur, glasklarer und störungsarmer Gewässer. Von diesem Bild müssen wir uns verabschieden. Die Ausbreitung des Fischotters in Niederösterreich wäre andernfalls nicht möglich. Mag sein, dass die einstige Einschätzung der Lebensraumansprüche des Fischotters nicht immer zutreffend war, es besteht aber auch der begründete Verdacht, dass sich der Fischotter in seinem Verhalten geändert hat, er ist offensichtlich nicht mehr so scheu wie dazumal. Und damit stünde er nicht alleine da, man denke nur an das ebenfalls erst seit wenigen Jahrzehnten konstatierte Vordingen der Steinmarder in die Städte und deren so merkwürdige Gewohnheiten wie Autokabel anzubeißen. Sicher ist auch, dass heute dank intensiver Forschung die Lebensraumansprüche, das Verhalten und die den Bestand begrenzenden Faktoren viel besser bekannt sind als vor 30 Jahren. Verständlich ist auch, dass der Naturschutz den Fischotter zu einer Symbolfigur hochstilisiert hat. Kaum ein anderes Tier der Fließgewässer mag so viele Sympathien wecken wie der Fischotter, und Wiedergutmachungspotential gab es auch genug. Schließlich wurde der Otter noch im 20. Jahrhundert intensiv verfolgt, mit dem Zwecke ihn auszurotten. Über weite Strecken ist dieses Ziel auch erreicht worden. Am Kamp oberhalb von Zwettl im Waldviertel waren Fischotter nie ganz ausgestorben, in den 1980er Jahren waren sie aber auch hier ganz selten geworden. Der Lebensraum entsprach dem damaligen Klischee eines Fischotterlebensraumes: klares Wasser, reichlich Uferstrukturen und Ungestörtheit. Heute müssen wir erkennen, dass Otter auf solche Lebensräume nicht angewiesen sind. Dass die Otter hier nie ganz verschwanden, lag vielmehr an der Nähe zum grenzüberschreitenden Teichgebiet im nördlichen Waldviertel (Foto: A. Kranz). Wenn auch die Gründe der Ausrottung nicht bis ins Letzte geklärt wurden, so steht doch fest, dass das Zusammenwirken einer Reihe von Faktoren den Otter in Niederösterreich, Österreich aber auch Europa zum Verschwinden gebracht hat. Mit dem Fortschreitenden Ausbau der Wasserkraft und der Wildbachverbauung und Flussregulierung insbesondere nach dem 2. Weltkrieg wurde die Nahrung für den Fischotter lokal zusehends schwieriger zu erbeuten. Weiters waren einige Gewässer so stark verschmutzt, dass der dadurch bedingte Fischrückgang für den Otter erheblich war. Beide Faktoren führten zu einer zunehmenden Verinselung der bestehenden Vorkommen. In so einer Situation haben Ausfälle in Folge Jagd einen erhöhten Einfluss auf die Bestandesentwicklung. Der Fischotter ist zwar Ende der 1940er Jahre in ganz Österreich unter jagdliche Vollschonung gestellt worden, die Verfolgung ging aber in jenen Gebieten, die noch nennenswert Fischotterbestände hatten, weiter. Zu diesen ungünstigen Rahmenbedingungen kam die vermutlich deutlich eingeschränkte Fruchtbarkeit der Otter, welche durch polychlorierten Biphenyle (PCBs) hervorgerufen wird. Leider wurden die Wirkung dieses und anderer möglicher relevanter Umweltgifte nicht ausreichend untersucht; unsere Annahmen basieren auf Analogieschlüssen von anderen fischfressenden Säugetieren (Mink, Robben), Otter, tote wie lebendige standen nicht mehr ausreichend zur Verfügung und mit dem Erstarken der Fischottervorkommen, sank das Interesse, die ökologisch relevanten bestandesbegrenzenden Faktoren zu untersuchen. Damit sind auch die für die Zunahme verantwortlichen Wirkfaktoren nicht klar abgrenzbar. Es besteht jedenfalls kein Zweifel daran, dass Otter in Niederösterreich wieder fruchtbar sind, ansonsten könnten sie die durch den Straßenverkehr verursachten Abgänge nicht kompensieren und sich sogar ausbreiten. Bezüglich der Verfügbarkeit der Nahrung, also den Erbeutungschancen für den Otter, hat sich in den vergangen 20 Jahren kaum etwas zum Besseren verändert. Uferstruktur vernichtende Verbauung wurde, wenn überhaupt, dann nur punktuell und in ersten Ansätzen rückgebaut und die für Otter ungünstigen Stauhaltungen in Folge Wasserkraftnutzung wurden auch nicht weniger, sondern mehr. Seite 3 von 15 im Juli 2009

Hinsichtlich der tatsächlich vorhandenen Fischbiomasse sind zwei gegenläufige Wirkfaktoren zu verzeichnen. Zum einen führten die Kläranlagen zu einem Widerstarken der Fischbestände, zum anderen werden in nährstoffarmen Gewässern wie dem Waldviertel den Gewässern durch Kläranlagen auch Nährstoffe entzogen, weshalb die Fische langsamer wachsen. In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts kam es auch zur Errichtung zahlreicher Hobbyteiche, nicht nur im Waldviertel, diese Entwicklung vollzog sich fast im ganzen Land, aber auch in den benachbarten Gebieten. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Nahrungsbasis für den Fischotter unterm Strich wohl verbessert hat, die für ihn relevanten Umweltgifte abgenommen haben und die Verfolgung zumindest in der Anfangsphase der Ausbreitung eine recht geringe Rolle gespielt hat. So haben sich Fischotter zunächst von Angler, Fischzüchtern und Jägern unbemerkt ausgebreitet. Nicht selten wurde das Vorkommen erst durch im Straßenverkehr verunglückte Otter publik. Damit entstand der Eindruck, Otter hätten sich explosionsartig vermehrt, denn einmal erkannt und nachgewiesen stößt man an den Gewässern durchwegs häufig auf Hinweise der Otter. Die vermeintliche plötzliche Ausbreitung und damit einhergehende Bestandeserhöhung ist aber primär auf mangelndes Wissen der Betroffenen und auch die zu selten und spät einsetzende Dokumentation der Ausbreitung erfolgt. Die erste landesweit flächendeckende Kartierung fand erst 1999 statt, zehn Jahre früher waren Otter wohl noch viel weniger weit verbreitet und über eine Kartierung z. B. 2004 hätte man die Ausbreitung besser dokumentieren und nachvollziehen können, was insbesondere für unser Verständnis bezüglich Habitatansprüche und damit effektiven Fischotterschutz günstig gewesen wäre, denn gerade im Zuge der Ausbreitung werden ja zunächst nur die günstigsten Lebensräume besiedelt, später, bei steigender Populationsdichte werden vor allem von rangniedrigen Tieren auch suboptimale Lebensräume besiedelt. In vielen Bereichen Niederösterreichs sehen wir uns bereits mit dieser Situation konfrontiert. Die nun für viele plötzlich erscheinende Ausbreitung des Fischotters führt auch zu Gerüchten, dass Fischotter von Naturschützern ausgesetzt worden wären. Derartige Gerüchte halten sich hartnäckig, es gibt sie auch in anderen Bundesländern und dem benachbarten Ausland. Die Gerüchte sind jedenfalls haltlos und entbehrten jeder Logik. Warum sollte man Otter aussetzen, wenn sie sich von Natur aus ohnehin gut vermehren. Es liegt in der Natur der Sache, dass illegale, geheime Aussetzungen zwar nicht zu 100 % ausgeschlossen werden können, die konstatierte Ausbreitung in Niederösterreich, aber auch vielen anderen Gebieten Mitteleuropas wäre aber durch ein paar ausgelassene Otter nicht erklärbar. Die Ausbreitung der Otter bleibt lokalen Jägern und Fischern meist so lange verborgen, bis Otter im Straßenverkehr zu Tode kommen (Fotos: A Kranz). Die Fischotter haben sich also aus eigener Kraft weitgehend unbemerkt ausgebreitet und haben nun fast ganz Niederösterreich wiederbesiedelt. Diese Entwicklung ist höchst bemerkenswert und nahezu mysteriös. Welche andere Säugetierart hat so eine Entwicklung genommen? Bär und Luchs hat man mit wenig Erfolg versucht durch Aussetzungen wiederanzusiedeln, bislang ohne Erfolg; die gelegentlich zuwandernden Wölfe können sich ebenfalls nicht halten, in der Regel werden sie illegal abgeschossen. Auch der Wildkatze ist es bislang nicht gelungen sich in (Nieder-) Österreich erfolgreich auszubreiten. Seite 4 von 15 im Juli 2009

Felderhebung Fischotter wurden ausschließlich über ihre Losungen (Exkremente) nachgewiesen. Diese wurden unter geeigneten Brücken gesucht. Um die Stichprobe gleichmäßig über die Landesfläche zu verteilen wurden in der Regel vier Brücken pro 100 km 2 untersucht. Brücken gelten als geeignet für ein Fischottermonitoring, wenn sie über geeignetes Substrat am Ufer unter der Brücke verfügen, wo der Otter die Losungen absetzen kann. Dies ist gegeben, wenn Böschungen mit und ohne Bermen oder große Steine, Sand- und Schotterbänke, nicht aber ausschließlich Schlick und feiner Schlamm unter der Brücke vorhanden sind. Weiters müssen sie ausreichend breit und niedrig sind, um einen leicht höhlenartigen Charakter unter der Brücke entstehen zu lassen. Bespiel einer sehr gut geeigneten Monitoringbrücke vom Voisbach nordwestlich des Schneeberges. Die Brücke bietet dem Fischotter hervorragende Möglichkeiten, seine Losungen abzusetzen (bequem zu ersteigende Böschung unter einer Brücke, die niedrig genug ist, um einen höhlenartigen Charakter entstehen zu lassen). 1999 konnte hier nur eine Losung gefunden werden, 2008 konnten am linken Ufer 25 und am rechten 29 Losungen gefunden werden (Foto: A. Kranz). Die Vorgangsweise bei der Auswahl der Brücken war wie folgt: Zunächst wurden in einem Quadrat die Brücken angefahren, die bereits 1999 untersucht worden waren. Zusätzlich zu diesen Brücken von 1999 wurden weitere aufgesucht, um tunlichst vier Brücken pro Quadrat zu erheben. Beispiel eines 10 x 10 km UTM Quadrats (rosa Linie) südöstlich von Traiskirchen. 1999 wurden hier zwei Punkte untersucht (L308 und L328). Auf der Suche nach weiteren Punkten wurden zunächst im Bereich von Unterwaltersdorf vier Brücken aufgesucht (schwarze Ringe), sie waren aber als Monitoringbrücken nicht geeignet, die danach aufgesuchten Brücken AK719 und AK736 waren geeignet und wurden untersucht. Die Kreissignatur mit dem Kode L328 erbrachte keinen Otternachweis, die anderen drei Brücken mit quadratischen Signaturen erbrachten Otternachweise. Alle geeigneten Monitoringbrücken wurden mit einem GPS-Gerät geodätisch vermarkt. Auf diese Art und Weise wurde ganz Niederösterreich in der Zeit von 21. Oktober bis 30. November 2008 kartiert. Es wurden 797 Brücken untersucht und 5.198 Losungen gefunden. Die Feldarbeit wurde nördlich der Donau von Lukas Polednik durchgeführt, südlich der Donau von Andreas Kranz. Der Fischotter wurde durch diese Kartierung das bezüglich seiner Verbreitung am besten dokumentierte Säugetier Niederösterreichs. Es wurde das ganze Land in kurzer Zeit mit dem gleichen Aufwand beprobt. Wir wissen damit heute mehr über seine Verbreitung als jedes andere Säugetier. Ermöglicht wird dies nicht zuletzt, weil man Fischotter so einfach über seine Losungen unter Brücken nachweisen kann. Seite 5 von 15 im Juli 2009

Verbreitung Die Kartierung vom Herbst 2008 zeigt ein geschlossenes Vorkommen im Nordwesten und Süden des Landes (Waldviertel, Mostviertel und Industrieviertel) mit durchwegs variablen Nachweisdichten. Es gibt hier nur ein Gebiet ohne Losungen, es handelt sich um die Flüsse Wien und Mödling knapp westlich von Wien, wo Otter noch nicht vorkommen. Im östlichen Niederösterreich nördlich der Donau fehlen Otter weitgehend oder sind die Nachweisdichten sehr gering. Das isolierte Quadrat ohne Ottervorkommen im westlichen Weinviertel liegt im Bereich Kirchberg am Wagram, einem Gebiet mit nur einem größeren Bach (Gießgraben); er hat keine direkte Verbindung zur Donau. Verbreitung der Fischotter 2008: Die Farben verweisen auf die Anzahl der Losungen, die pro Quadrat durchschnittlich pro Brücke zu finden waren (grau = nicht untersucht, weiß = kein Nachweis, rot = sehr geringe Nachweisdichte, orange = geringe, hellgrün = hohe, dunkelgrün = sehr hohe Nachweisdichte. Die schwarz strichlierte Linie südlich der Donau gibt die Grenze zwischen den biogeographischen Regionen (kontinentale im Norden und alpine im Süden an). Ausbreitung des Fischotters von 1999 bis 2008: In 108 Quadraten kam es zu einer Neubesiedlung seit 1999 (dunkelgrüne Quadrate), in 61 Quadraten war der Otter bei beiden Kartierungen anwesend (hellgrüne Quadrate), 24 Quadrate waren 1999 nicht besiedelt und sind es auch 2008 nicht (rote Quadrate). Die folgenden Tortendiagramme zeigen, auf welchem Prozentsatz der Landesfläche diese Veränderungen der Verbreitung zu verzeichnen waren. 1999 waren noch 65 % aller untersuchten Quadrate ohne Otternachweise, 2008 war dieser Anteil auf 12 % geschrumpft. Im Gegensatz zu dieser landesweit beachtlichen Zunahme der Otter musste im Kerngebiet der früheren Verbreitung, im Waldviertel, in einer Reihe von 100 km 2 Quadraten ein Rückgang der Losungsdichten festgestellt werden. Dies mag verschiedenste Ursachen haben; eine könnte die zunehmende Zäunung von Fischteichen sein, wodurch dem Otter Lebensraum und Nahrung verloren geht. Seite 6 von 15 im Juli 2009

2008 1999 22,6 12,3 4,8 8,8 6,3 23,5 nicht untersucht keine Nachweise sehr wenig Nachweise wenig Nachweise viele Nachweise sehr viele Nachweise 9,3 5,4 22,2 19,4 65,4 Die Fischotter sind heute ganz im Gegensatz zu den späten 1990er Jahren nicht mehr auf das Waldviertel beschränkt. Otter haben in nicht einmal einem Jahrzehnt eine Vielzahl von Gewässersystemen neu besiedelt. Man findet sie nun nicht nur in den nördlichen Kalkalpen, sondern auch im Alpenvorland, im Wienerwald, dem Wiener Becken und der Buckligen Welt. Wer heute unter eine Brücke der Schwechat, Leitha, Piesting, Traisen oder Tulln schaut, hat gute Chancen, Losungen des Fischotters zu finden. Verbreitungslücken findet man heute nur noch in Bereichen des Weinviertels, wo die Gewässer dichte sehr gering und die Gewässerbelastung durch die intensive Landwirtschaft sehr hoch ist. Auffällig wenig Otter dürften auch im Nationalpark an der Donau östlich von Wien leben. Schwechat im Wienerwald (links) und Leitha (rechts): Beispiele neuer Fischotterlebensräume. Traisen im Zentrum der Landeshauptstadt St. Pölten: auch hier leben heute Fischotter, Nahrung ist ausreichend verfügbar, an den Ufern gibt es Verstecke, wo der Otter den Tag verschlafen kann und die von Menschen, Hunde und Verkehr ausgehende Störung wirkt auf Otter offensichtlich nicht abschreckend genug, um diesen Abschnitt des Flusses zu meiden (alle Fotos A. Kranz). Seite 7 von 15 im Juli 2009

Gewässereinzugsgebiete stellen in Hinblick auf den Fischotter ökologisch begründbare, natürliche Befundeinheiten dar. Es wurden 52 Gewässereinzugsgebiete ausgeschieden. Der Untersuchungsaufwand je Einzugsgebiet war recht unterschiedlich. Die Bandbreite reicht von 61 untersuchten Brücken im Einzugsgebiet des unteren Kamp bis zu 3 Brücken im Einzugsgebiet der Pinka. Auf Grund des unterschiedlichen Untersuchungsaufwandes wurden zwei Gebietskategorien definiert: Einzugsgebiete mit weniger und Einzugsgebiete mit mehr als zehn untersuchten Brücken. Von den mit über 10 Brückenchecks untersuchten Einzugsgebieten wiesen folgende sehr hohe Nachweisdichten (> 10 Losungen / Brücke) auf: Obere Thaya (21), Ysper (50) und Weitenbach (48), Untere Ybbs (44) und Traisen (40); die Ziffern beziehen sich auf die Kenntlichmachung der Einzugsgebiete in nachfolgender Karte. Hohe Nachweisdichten (6,1 1,0 Losungen / Brücke) wurden in folgenden Gebieten mit über 10 untersuchten Brücken festgestellt: Lainsitz Nord (13), Lainsitz Süd (14), Oberer Kamp (23), Krems (12), Donau westlich Krems (2), Url (46), Erlauf (6), Melk (19), Pielach (25), Perschling (24), Triesting (41), Piesting (26), Schwarza (34) und Pitten (28). Geringe Nachweisdichten (3-6 Losungen pro Brücke) wurden in folgenden Gebieten mit über 10 untersuchten Brücken festgestellt: Unterer Kamp (45), Untere Thaya (43), Schmida (33), Obere Ybbs (22), Große Tulln (9), Fischa (7) und Leitha (15). Sehr geringe Nachweisdichten (< 3 Losungen pro Brücke) wurden in folgenden Gebieten mit über 10 untersuchten Brücken festgestellt: Göllersbach (10), Zaya (51), Rußbach (31), Donau östlich von Wien (3) und Donau Krems - Wien (1) und Schwechat (35). In folgenden Einzugsgebieten konnten überhaupt keine Otter nachgewiesen werden, in ihnen wurden auch weniger als 10 geeignete Brücken untersucht: im Marchfeld im Einzugsgebiet des Sulzbaches (39), des Weidenbaches (47) und des Marchfeldkanals (18); südlich der Donau im Gebiet der Liesing (16). Im Einzugsgebiet des Wienflusses (49) und der Mödling (20) konnte jeweils nur eine Losung gefunden werden. In den übrigen Einzugsgebieten wurden jeweils weniger als 10 Brücken untersucht, an March (17), Stempfenbach (38), Senningbach (36), Pulkau (29), Pinka (27), Kl. Tulln (11) waren die Nachweisdichten sehr gering, an der Rabnitz (30), waren sie gering, an Enns (4), Fladnitz (8) und Zöbernbach (52) waren sie hoch, an der Sierning (37), Erla (5), Untere Enns (42) und Salza (32) waren sie sehr hoch. Nachweisdichten in den Gewässer- einzugsgebieten im Herbst 2008: rot (0,1 3 Losungen / Brücke) = sehr geringe Nachweisdichte, orange (3,1-6 Losungen / Brücke) = geringe, hellgrün (6,1 10) = hohe und dunkelgrün (über 10) = sehr hohe Nachweisdichten. 2008 Seite 8 von 15 im Juli 2009

Bezirke: Im Folgenden werden nun die Otterverbreitung und Nachweisdichten in den Bezirken, besprochen. Hierbei ist zu bedenken, dass auf Grund ihrer unterschiedlichen Größe und der Lage der Punkte in Folge deren Auswahl in 100 km 2 Quadraten die Bezirke nicht mit demselben Aufwand bearbeitet worden sind und die Vergleichbarkeit dadurch eingeschränkt ist. Gemildert wird dieser Umstand durch die Tatsache, dass mit einer Ausnahme alle Bezirke deutlich größer sind als 100 km 2. Der Bezirk mit den wenigsten untersuchten Brücken ist Waidhofen an der Ybbs (sechs Brücken), gefolgt von Mödling mit acht untersuchten Brücken, Korneuburg mit 21 und Bruck an der Leitha mit 22 Brücken; alle anderen Bezirke wiesen deutlich mehr Brücken auf; die meisten wurden in Krems Land mit 68, gefolgt von Melk mit 65 und Gänserndorf mit 62 Brücken untersucht. Fischotter konnten 2008 in allen Bezirken nachgewiesen werden. Im Wesentlichen nehmen die Losungsdichten von Westen nach Osten ab. Rund um Wien und im östlichen Weinviertel (Korneuburg, Mistelbach und Gänserndorf sind die Nachweisdichten mit 0,1 bis 3 Losungen pro Brücke im Durchschnitt aller untersuchter Brücken des Bezirkes am geringsten. Bemerkenswert ist, dass mit Ausnahme des Bezirks Waidhofen an der Thaya die höchsten Nachweisdichten nicht mehr im klassischen Kernbereich des Waldviertels (Gmünd und Zwettl) liegen, sondern im südwestlichen Waldviertel (Bezirk Melk) sowie im Mostviertel, namentlich den Bezirken Amstetten, Waidhofen an der Ybbs und Lilienfeld. Die extrem hohen durchschnittlichen Losungsdichten je Brücke im Bezirk Waidhofen an der Ybbs basieren aber wie schon gesagt auf lediglich sechs Brückenchecks; hier liegt die Annahme nahe, dass dieses Ergebnis davon beeinflusst ist und die Losungszahlen bei erhöhter Stichprobenzahl (Brücken) sinken würden. Im Vergleich zu 1999 kam es also zu wesentlichen Veränderungen. Damals waren sehr hohe Nachweisdichten in allen Bezirken des Waldviertels mit Ausnahme von Krems zu verzeichnen gewesen; im westlichen Mostviertel und im Wiener Becken, aber auch im Weinviertel hatte es 1999 noch keine Otter gegeben. Die bereits angesprochenen Rückgänge der Nachweisdichten in den Bezirken Zwettl und Gmünd führten dazu, dass hier nicht wie 1999 sehr hohe, sondern nur noch hohe Nachweisdichten zu verzeichnen waren. Nachweisdichten in den Bezirken im Herbst 2008: rot (0,1 3 Losungen / Brücke / Bezirk) = sehr geringe Nachweisdichte, orange (3,1-6 Losungen) = geringe, hellgrün (6,1 10) = hohe und dunkelgrün (über 10) = sehr hohe Nachweisdichten. 2 Nachweisdichten in den Bezirken im Herbst 1999 Seite 9 von 15 im Juli 2009

Bestandesschätzung Die Verbreitung des Fischotters festzustellen ist, wenn es geeignete Monitoringbrücken gibt, einfach. Ungleich schwieriger ist es, die Bestandeshöhe zu ermitteln. Man kann nämlich von der Anzahl der Losungen nicht direkt die Anzahl der anwesenden Otter ableiten. Die hier getätigte Schätzung beruht daher auf mehreren Kenngrößen: auf den konstatierten Losungsdichten je Quadrat, einschlägigen Erfahrungen bezüglich Otterdichten, die im Zuge von Spurschneekartierungen gewonnen worden sind und dem Gewässerangebot je 100 km 2, wobei hier die Fischteiche des Waldviertels gesondert berücksichtigt worden sind. Die geschätzte Otterdichte schwankte demnach zwischen 0,33 und 14 Stück pro 100 Quadratkilometer. Durch die Aufsummierung der geschätzten Otteranzahlen je 100 km 2 ergaben sich folgende Bestände: Gebiet 1999 2008 Waldviertel 201 205 Weinviertel 4 26 Südlich der Donau 12 216 Kontinentale Region 207 325 Alpine Region 10 122 Niederösterreich 217 447 Die hier genannten exakt erscheinenden Otterzahlen für Teilbereiche bzw. ganz Niederösterreich dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie eine Schätzung sind, deren Grundlage Spurschneezählungen zu anderen Zeiten (bis zu 10 Jahre früher) aus dem Mühlviertel und dem südlichen Tschechien sind. Diese Schätzung ist eine Groborientierung und kann nicht als Basis für allfällige Managemententscheidungen dienen. Über verbesserte Eingangsdaten wie sie z.b. über Spurenkartierungen erhoben werden könnten, würden die Schätzungen abgesichert und allenfalls auch verbessert werden. Weiters wird darauf hingewiesen, dass Otterbestandeszahlen auch kurzfristigen Schwankungen unterworfen sein können. Es ist z. B. davon auszugehen, dass strenge Winter einen erheblichen negativen Einfluss auf die Überlebensrate von Jungottern und Halbwüchsigen haben. Im Waldviertel wurde im Laufe der letzten Jahre eine Vielzahl kleiner Teiche mit Elektrozäunen ausgestattet, um Otter von den Fischen fernzuhalten. Es ist davon auszugehen, dass die so reduzierte Nahrungsbasis sich auch auf die Anzahl der im Gebiet lebenden Fischotter auswirken wird. Derartige Einflüsse fanden in der hier getätigten Bestandesschätzung noch keine Berücksichtigung (Foto: A. Kranz). Zusammenfassend kann man festhalten, dass 2008 im Waldviertel vermutlich an die 200 Otter leben und knapp ein Drittel davon auf das verbesserte Nahrungsangebot infolge Fischteiche zurückzuführen ist. Südlich der Donau leben ebenfalls an die 200 Individuen, in ganz Niederösterreich also größenordnungsmäßig 300 bis 500 Tiere. Es wird hier ausdrücklich eine Bandbreite ( von bis ) angegeben, da eine einzige konkrete Zahl leicht darüber hinweg täuschen könnte, dass es sich hier um eine grobe Bestandesschätzung handelt. Seite 10 von 15 im Juli 2009

Portrait des Fischotters Verwandtschaft, Aussehen und Lebenserwartung: Fischotter sind hoch spezialisierte Raubtiere aus der Familie der Marder. Nach Vielfraß und Dachs ist der Fischotter der drittschwerste Vertreter der Marderartigen in Europa. Männchen werden etwa sieben bis zehn Kilo schwer, Weibchen wiegen nur etwa 70 % der Männchen. Otter sind kurzbeinig und haben einen behaarten, muskulösen Schwanz, einen stromlinienförmigen Körper und einen kleinen Kopf. In freier Wildbahn werden sie gewöhnlich nicht älter als zehn Jahre (Foto: A. Gebauer). Nahrung: Otter ernähren sich primär von Fischen, aber auch von Fröschen, Kröten, Krebsen, Wasserinsekten (Gelbrandkäfer, Libellen) etc. (Foto: V. Sidorovich). Die Auswahl der Fische wird primär durch deren Erreichbarkeit beeinflusst. Halbwüchsige, die im Fischfang noch nicht so viel Erfahrung haben, ernähren sich mehr von Krebsen und Amphibien. Bei den Fischen selbst gibt es keine klare Bevorzugung gewisser Größenklassen. Der Otter verfährt dabei nach dem Motto besser der Spatz in der Hand als die Taube am Dach. Nachdem es naturgemäß viel mehr kleine als große Fische gibt und er auf diese entsprechend häufiger trifft, werden diese auch entsprechend häufig gefressen. Die meisten vom Otter erbeuteten Fische haben daher eine Größe von 10 20 cm. Lebensraum, Baue und Reviergrößen: Der Lebensraum des Fischotters umfasst primär Gewässer, wo seine Beutearten vorkommen. Es handelt sich dabei um große Flüsse wie die Donau bis hin zu Quellbächen, solange dort auch Nahrung zu finden ist. Otter suchen auch Seen, Sümpfe und Moore auf und alle Arten künstlicher Stillgewässer. Man findet den Europäischen Fischotter aber auch an den Küsten, sofern es dort auch Süßwasser gibt, denn dies benötigt er, um sich das Salz aus dem Fell zu waschen, um so dessen Isolation aufrecht zu erhalten. An Land nutzt der Fischotter vor allem den zehn Meter breiten Uferstreifen der Gewässer, wo er auch seine sowohl oberirdischen als auch unterirdisch gelegenen Tagesraststätten findet. Oberirdische Tagesverstecke findet der Fischotter nicht selten in Reisighäufen und in dichtem Gebüsch, unterirdische befinden ich in zumeist natürlichen Uferhöhlen, die im Bereich von Steinen und Wurzeln durch die Erosion des Wassers entstehen. Das Streifgebiet eines Otterweibchens kann 5 bis 20 km Flusslauf plus die dort mündenden Seitenbäche und Stillgewässer umfassen; jene der Männchen sind in der Regel doppelt so groß wie die der Weibchen. Seite 11 von 15 im Juli 2009

Mitunter wechseln Fischotter auch von einem Gewässer zum anderen. Dann unternehmen sie zwangsweise auch längere Überlandwechsel; in der Regel folgen sie dabei deckungsspendenen Strukturen und Geländeformen, manchmal laufen sie aber auch über das freie Feld (Foto: A. Kranz). Anpassung an das Jagen im Wasser: Durch das Leben im und am Gewässer und den Fang diverser wassergebundener Tiere hat sich der Fischotter in seinem Körperbau unglaublich gut an das kalte Medium Wasser angepasst. Er schwimmt und taucht ausgezeichnet und erhält dabei die nötige Körpertemperatur über ein sehr dichtes, mehrschichtiges Fell, das entsprechend gepflegt werden muss, aufrecht. Der Otter hat nur ein sehr dünnes Fettpolster. Die ständige Versorgung mit Nahrung ist daher überlebenswichtig; er benötigt pro Tag etwa 10 % ihres Körpergewichtes (0,5-1 kg), auch der Rotfuchs benötigt ebensoviel. Bedenkt man, dass sich der Otter zu jeder Jahreszeit primär nächtens in durchwegs kaltem, meist sogar sehr kaltem Wasser aufhält, wird offensichtlich, was für eine unglaublich hohe Isolationswirkung das Fell haben muss. Der Otter findet seine Beute vor allem in Uferhöhlen und am Gewässergrund. Deshalb hat sich der Tastsinn des Otters besonders gut ausgebildet. Er besitzt nicht nur lange Tasthaare im Bereich der Schnauze, sondern auch an den Ellbogen der Vorderbeine. Das Sehvermögen spielt für den Otter hingegen eine ganz untergeordnete Rolle. Otter jagen vor allem bei Nacht, oft auch im trüben Wasser (Foto: A. Kranz). Soziales: Abgesehen von den lange bestehenden Mutter Kind-Familien (Foto links: C. Parayre) sind Otter Einzelgänger. Die arteigene Kommunikation erfolgt primär über Gerüche in der Losung und Analsekreten (Foto rechts M. Hönigsfeld), bei Sichtkontakt kommt es mitunter aber auch zu ausgeprägten akustischen Mitteilungen. Bei Nahrungsmangel wie er im Winter bei starker Vereisung auftreten kann, kommt es mitunter auch vor, dass sich mehrere Otter an jenen Gewässerabschnitten konzentrieren, die noch Zugang zu Wasser und Fischen bieten. Seite 12 von 15 im Juli 2009

Vermehrung: Besonders bemerkenswert ist, dass Otter keine fix festgelegte Paarungszeit haben, in Mitteleuropa kommen Otter von Februar bis November zur Welt. Im Gegensatz zu vielen anderen (Raub-)Tieren werden die Jungen von der Mutter ein Jahr und länger geführt. Die ein bis drei Jungen sind also sehr lange von der Mutter abhängig, bis sie selbst im Fischfang ausreichend Erfahrung haben. In den ersten zwei Lebensjahren sterben besonders viele Otter, hier spielt die leicht erreichbare Beute wie Amphibien und Krebse, aber auch gewisse Fischarten eine herausragende Rolle. Todesursachen: Wichtige natürliche Todesursachen sind das Verhungern und das Ertrinken unter dem Eis und bei Hochwasser. Auch hier sind Jungtiere und Halbwüchsige besonders gefährdet. Seuchen und Krankheiten spielen keine Rolle. Anthropogen bedingte Todesursachen sind der Straßenverkehr (Foto A. Kranz), Fischreusen und Netze, aber auch die direkte Nachstellung. Ebenso wichtig wie die Todesursachen sind jene Faktoren die sich auf die Vermehrungsrate auswirken. Wenn Umweltgifte die Fruchtbarkeit der Otter herabsetzen, kann ein Fischotterbestand sehr schnell zusammenbrechen. Rechtliches: Der Fischotter (Lutra lutra) ist eine streng geschützte Säugetierart von gemeinschaftlichem Interesse in der Europäischen Union. Daher ist er in den Anhängen II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie angeführt, um die Art sowohl im gesamten Gebiet der Europäischen Union als auch die betreffenden Lebensräume in ausgewählten Gebieten (Netzwerk Natura 2000) zu schützen. Fischotter dürfen daher auch in Niederösterreich weder gefangen noch getötet werden, und die Zerstörung von Rastplätzen und Jungenaufzucht sowie die Störung sind verboten. Naturschutz: Der aktuelle Schutzstatus trägt dem dramatischen Rückgang der Art in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Rechnung. Otter waren in weiten Teilen der Europäischen Union, so auch in weiten Teilen Niederösterreichs, verschwunden. Der Fischotter wurde zum Sinnbild für bedrohte Natur, deshalb ist er unter anderem das Wappentier des Österreichischen Naturschutzbundes und der Berner Konvention. Historische Verbreitung: In Österreich war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das wichtigste Rückzugsgebiet des Fischotters das Waldviertel, gefolgt vom Mühlviertel, dem Südburgenland und der Südoststeiermark. In den Alpen waren Otter bis auf ein sehr kleines Vorkommen an der steirischen Salza bei Wildalpen verschwunden. Gelegentlich wurden offensichtlich durchwandernde Otter an verschiedenen Stellen Österreichs registriert. Das Wissen um die Verbreitung war allerdings mangels systematischer Erhebungen gering. Dennoch ist davon auszugehen, dass alle etablierten Vorkommen bekannt waren, dass durchwandernde Tiere und sehr kleine Restvorkommen aber vielleicht nicht erfasst worden sind. Ausbreitung: In den 1980er Jahren gab es erstmals wieder Klagen von Teichwirten im Waldviertel, was als ein Zeichen für ein Erstarken der Population dort zu werten ist. Mit Beginn der 1990er Jahre war eine leichte Ausbreitung an den Gewässern des Mühl- und des Waldviertels zu verzeichnen. Mit Seite 13 von 15 im Juli 2009

Ende der 1990er Jahre ließen sich erste Otter auch südlich der Donau, am Oberlauf der Traisen, in der Buckligen Welt an der Schwarza und den Unterläufen von Erla, Ybbs und Pielach nachweisen. Diese Ausbreitung ist kein (nieder-) österreichisches Phänomen, es ist in ganz Mitteleuropa zu konstatieren, aber auch in vielen anderen Gegenden Europas. Probleme mit Fischzüchtern und Anglern: Die erstarkenden Otterbestände ernähren sich auch von Fischen in Fischzuchtanlagen, was zu finanziellen Einbußen der Fischzüchter und Unmut der Hobbyteichbesitzer führt sowie Abwehrmaßnahmen wie Zäune erfordert; auch dieses Phänomen ist nicht auf Österreich beschränkt. Fischteiche erhöhen jedenfalls Otterdichten vor Ort, was nicht zuletzt auch zu Abwanderung und natürlicher Wiederbesiedlung otterfreier Gebiete führt. Es ist auch nicht auszuschließen, dass durch Fischteiche erhöhte Otterbestände zu einem unnatürlich hohen Fraßdruck auf Fischbestände in Fließgewässern führen; die Wechselwirkungen zwischen Teichen, Ottern und Fischen in Flüssen und Bächen sind aber bislang noch nicht untersucht worden. Wenn Fischotter wie in diesem Fall einen 5 kg schweren Koikarpfen erbeuten, entsteht für die Hobbyteichbesitzer neben dem Ärger auch hoher finanzieller Schaden (Foto: A. Kranz). Ob Fischotter, wenn sie durch Fischteiche in überhöhten Dichten vorkommen, auch auf Beutetiere in Fließgewässern, insbesondere die für Angler so interessante Forelle, allenfalls aber auch bedrohte Arten einen nachhaltig negativen Einfluss haben können, ist bislang nicht untersucht worden. Politische Herausforderung: Damit ist der Spannungsbogen umrissen, in dem die gegenständliche Untersuchung steht: Es gibt eine Verpflichtung zum strengen Schutz, der Fischotter ist ein Symbol für den Naturschutz, Otter breiten sich aus, die Ausbreitung führt zu neuen Betroffenen, den Fischzüchtern, Hobbyteichbesitzern und Fließgewässerbewirtschaftern; es gibt keinen Konsens, wie Otterbestände zielgerichtet gelenkt werden können, die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinken naturgemäß den veränderten Bedingungen hinter her. Der Fischotter ist daher heute in Niederösterreich eine klassische Konfliktart, die ein umsichtiges Handeln der Verantwortlichen unter Einbindung der Betroffenen erfordert. Seite 14 von 15 im Juli 2009

Fotos zu Fischotternachweisen und Lebensräumen Frische Fischotterlosungen können sehr unterschiedlich gefärbt sein; es handelt sich dabei um zumeist formlose kleine Häufchen mit typischem Geruch (alle Fotos dieser Seite: A. Kranz) Fischotterlosungen unter Monitoringbrücken an der Donau in Niederösterreich. Die Donau in der Wachau (Bild links) war 1999 vom Otter noch nicht besiedelt, am Unterlauf der Ybbs fanden sich damals erste Hinweise auf durchwandernde Otter. Heute findet man an beiden Gewässern eine Vielzahl von Losungen, die beweisen, dass Otter hier nun permanent leben. Seite 15 von 15 im Juli 2009