EMK Sevelen Ressort Gottesdienst Predigt vom 07.05.17, Pfarrer Stephan Koch Predigthema: (K)Ein Grund zum Jubeln Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, unserem Herrn Jesus Christus. Amen Liebe Gemeinde, seid ihr gut im Abschied nehmen? Auf Bahnhöfen oder Flughäfen habt ihr sicher schon solche Szenen gesehen: eine letzte Umarmung, ein letzter Blick, ein langsames Loslassen. Abschied nehmen fällt schwer. Abschied nehmen tut weh, und Abschied nehmen macht oft traurig. Besonders dann, wenn es ein endgültiger Abschied sein wird. In einem Lied von Cole Porter heisst es: Every time I say goodbye, I die a little - Jedesmal wenn ich Lebewohl sage sterbe ich ein bisschen. Ein Abschied ist manchmal wie ein kleiner Tod und nichts, was uns Freude bereitet. Jubilate so heisst unser Sonntag heute nach dem Psalm 66,1: Jubilate deo, omnis terra. Also: Jubelt Gott zu, all ihr Völker der Erde. Freut euch über euren Gott. Das gilt doch gerade im Blick auf Ostern, der Herr ist auferstanden jetzt freut euch doch. Aber Freude kann man nicht verordnen. Meine Freude ist immer wieder in Frage gestellt. Wie komme ich zur Freude trotz der Abschiede, die ich erlebt habe? In unserem Predigttext ist von österlicher Freude noch wenig zu spüren. Er steht im Johannes-Evangelium, im 16. Kapitel, die Verse 16 und 20-23: 16»Es dauert noch eine kurze Zeit, und ihr werdet mich nicht mehr sehen. Dann wird wieder eine kurze Zeit vergehen, und ihr werdet mich wiedersehen.«20 Amen, ich versichere euch: Ihr werdet jammern und weinen, und die Welt wird sich freuen. Ihr werdet traurig sein; doch ich sage euch: Eure Trauer wird sich in Freude verwandeln. 21 Wenn eine Frau ein Kind zur Welt bringt, leidet sie Angst und Schmerzen; aber wenn das Kind geboren ist, denkt sie nicht mehr daran, was sie ausgestanden hat, und ist nur noch glücklich, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. 22 So wird es auch mit euch sein: Jetzt seid ihr voll Angst
und Trauer. Aber ich werde euch wiedersehen. Dann wird euer Herz voll Freude sein, und diese Freude kann euch niemand nehmen. 23 Wenn dieser Tag kommt, werdet ihr mich nichts mehr fragen. 1. Ihr werdet mich nicht mehr sehen. Liebe Gemeinde: Es dauert noch eine kurze Zeit, und ihr werdet mich nicht mehr sehen. Dann wird wieder eine kurze Zeit vergehen, und ihr werdet mich wiedersehen. Es ist die Zeit kurz vor seinem Tod. Jesus kündigt seinen Tod an und seine Jünger sind ratlos: sie verstehen Jesus nicht. Ein mikron (auf griechisch), eine kurze Zeit, dann bin ich weg. Und wieder ein mikron und ich bin wieder da: Es kommt mir fast wie ein Kinderspiel vor: Guckuck jetzt bin ich weg. Und keine Angst jetzt bin ich wieder da. Dabei ist das, was Jesus hier sagt von tiefem Ernst erfüllt: Jesus nimmt Abschied von seinen Jüngern und Jüngerinnen. Ganz ruhig ist er. Er hat mit allem abgeschlossen, er weiss was kommt, der Verräter ist schon unterwegs. Morgen bin ich nicht mehr da. Morgen bin ich tot. Für die Jünger und Jüngerinnen, die sein Leben geteilt haben, ist es mehr als nur ein Abschied. Ihre Hoffnungen, ihre Pläne werden enttäuscht und zunichte gemacht. Ihre Vorstellung von Leben und Glauben zerrinnt ihnen zwischen den Händen. Jesus, der Israel retten sollte, der Gottes Reich aufbauen sollte, plötzlich weg. Es fällt ihnen schwer zu verstehen, was ihnen Jesus ankündigt. Fast so wie in einer dieser Geschichten von einem Menschen, der kurz die Wohnung verlässt und spurlos verschwindet. Und zurück bleibt: die Erfahrung von Verlust, Verständnislosigkeit, Trauer. Sie waren mit Jesus unterwegs, vielleicht drei Jahre lang. Sie haben für ihn vieles aufgegeben: ihre Berufe und gesicherten Existenzen, sie haben ihre Familien zurückgelassen; sie haben alles auf diese Karte Jesus gesetzt. Und in dieser Zeit mit Jesus haben sie vieles gesehen: sie haben gesehen wie Blinde sehend wurden und Lahme wieder gehen konnten. Sie haben entdeckt, dass Gott Leben schenkt, der selbst das Leben ist. Sie haben ihren Durst nach Leben gelöscht an der lebendigen Quelle. Sie haben Brot gegessen, das satt macht, nicht nur den Körper, sondern den ganzen Menschen, mit seinem verzweifelten Hunger nach Liebe, nach Anerkennung, nach Leben. Und das alles haben sie entdeckt, weil sie bei Jesus waren, weil sie ihn gesehen und gehört haben, weil sie in seiner Nähe waren eine ganze Zeit lang. Und jetzt sagt er: Es dauert noch eine kurze Zeit, und ihr werdet mich nicht mehr sehen.
Sie spüren, wenn Jesus weg ist, dann ist auch alles in Frage gestellt, was sie bisher erlebt haben. Denn was er ihnen gegeben hat, das ist von seiner Person nicht zu trennen. Es ist keine Sache, kein Verein, der weitergeführt wird, wenn der Gründer gestorben ist. Es hängt alles an ihm: Er zeigt nicht den Weg, er ist der Weg. Er lehrt nicht die Wahrheit, er ist die Wahrheit. Er verschafft uns nicht die Auferstehung, er ist die Auferstehung. Er ist das Brot, das Licht, das Leben. All das hatten sie nur durch den Kontakt zu ihm, und das soll jetzt vorbei sein. Die Welt aber wird sich freuen, sagt Jesus: die Welt, die diesen Jesus, in dem Gott ganz nahe kam, als Bedrohung, als Angriff verstanden hat auf ihre Sicherheiten, ihre Art zu leben und zu glauben. 1:0 für die Welt und ihre Machtspiele, 1:0 für Misstrauen und Tod. Jesus setzt dagegen: Dann wird wieder eine kurze Zeit vergehen, und ihr werdet mich wiedersehen. Ein Abschied also, aber kein Abschied für immer. Ihr werdet traurig sein; doch ich sage euch: Eure Trauer wird sich in Freude verwandeln. Das will Johannes seiner Gemeinde sagen: Jesus war tot und ist auferstanden. Gott hat gesiegt. Auch wenn unsere Welt heute manchmal trübe und trist ist: Ostern ist passiert. Der Himmel ist offen. Er ist da und sein Geist ist mit uns. Also Freude, oder? 2. Ihr werdet traurig sein Ich weiß nicht wie es euch geht: es ist jedes Jahr nach Ostern das gleiche Lied von Auferstehung und Freude, aber in mir drin sitzt ganz tief der Zweifel: Stimmt das denn wirklich? Trifft das denn auch für mich zu? Wir haben es an Ostern erlebt: Kriege, die weitergehen, Attentate auf koptische Christen. Auch an Ostern wird gestorben, auch an Ostern hat der Tod seinen Platz. Und auch danach sind Menschen gestorben: Lukas Amman (Graf Yoster), die Sängerin Daliah Lavi, der Bergsteiger Ueli Steck, der Musiker Chuck Berry. Ist das nicht unser Alltag: statt Lebenssieg Todesgewissheit, statt Freude Misstrauen und Angst. Die vergangenen Abschiede, stecken uns vielleicht noch in den Knochen: Abschiede von Lebensträumen und -Hoffnungen, Abschiede von Orten, Abschiede von den Menschen, die mir lieb waren und sind. Abschiede, die ich erlebt habe und Abschiede, vor denen ich mich fürchte. "Eure Trauer soll in Freude verwandelt werden..." Das erscheint uns eher als Hohn. Denn wenn jemand stirbt, den wir lieben, dann tut das weh, dann ist da Trauer und Schmerz, die das Leben
bestimmen. Wie können wir das: uns österlich freuen trotz und in all diesem Abschied? Wie können wir das: abschiedlich leben lernen, so kann man das vielleicht nennen, und daraus Kraft schöpfen? So leben, dass Abschiede zum Leben dazu gehören, so wie der Tod zum Leben dazu gehört. Dann wird euer Herz voll Freude sein, und diese Freude kann euch niemand nehmen, sagt Jesus. Was für eine Freude kann das sein angesichts von Enttäuschung und Schmerz angesichts von Leid und Schwäche? 21 Wenn eine Frau ein Kind zur Welt bringt, leidet sie Angst und Schmerzen; aber wenn das Kind geboren ist, denkt sie nicht mehr daran, was sie ausgestanden hat, und ist nur noch glücklich, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. Das ist das eine: es gibt eine Freude, die durch den Schmerz hindurch entsteht. Die sogar durch den Schmerz durch muss, damit das neue entstehen kann: durch den Schmerz, den Jesus am Kreuz erleidet, entsteht neues Leben und Freude. Vielleicht entstehen auch durch den Schmerz, den wir erleben, wenn wir uns trennen müssen, neue Lebensmöglichkeiten, neue Wege, auch wenn das kein Trost ist. Die Freude, die so entsteht ist keine naive, einfache Freude. Es ist eine Freude, die Trauer und Schmerz nicht in irgendeine Ecke verdrängt, sondern es ist eine Freude, die diese Trauer wie eine Schwester bei sich hat. Das zweite: Wahre Freude braucht einen Grund und dieser Grund ist Jesus Christus. Seit er auferstanden ist, ist diese Freude da. Freude über neues Leben, Freude darüber, dass er unsere Schuld von uns nimmt. Freude darüber, dass der Tod besiegt ist. In unsere Angst und Unsicherheit hinein spricht Jesus sein: "Ich bin die Auferstehung und das Leben." Ich vertraue darauf, dass Gott Leben gibt. Dieses Leben will in uns leben. Dieses Leben ist stärker als der Tod, darauf können wir nur hoffen gegen das Misstrauen unseres Verstandes. Es gibt Wahrheiten, die erschließen sich nicht dem Nachdenken. Ob man schwimmen kann oder nicht, das erfährt man nicht durch intensives Nachdenken am Beckenrand des Schwimmbeckens. Das erfährt man durch Ausprobieren, durch Üben, durch Vertrauen, durch Wagen. Glaube ist Vertrauen. Glaube ist: Vertrauen auf Gott, vertrauen darauf, dass Gottes Hand uns hält, dass wir nicht tiefer fallen können als bis in Gottes Hand. Glaube ist: Sich einlassen mit seinem Leben auf diesen Jesus Christus: auf ihn hören, mit ihm reden. Wo einer es wagt, so zu vertrauen, da
entdeckt er die Freude, von der unser Text spricht, da entdeckt er: mein Leben wird gehalten. Wir fallen nie tiefer als bis in Gottes Hand. Gottes Wort ist nicht tot, sondern lebendig und lebensspendend. Wer so lebt, der spürt die Freude und der weiß auch: irgendwann werden wir alle Trauer hinter uns lassen. Dann wird es keine Tränen und keinen Schmerz mehr geben. 3. Ich werde euch wiedersehen Aber ich werde euch wiedersehen. Dann wird euer Herz voll Freude sein, und diese Freude kann euch niemand nehmen. so heißt es bei Johannes. Jesus spielt auf Ostern an und ändert die Blickrichtung. Nicht die Jünger sind es jetzt, die Jesus sehen werden. Er wird sie wiedersehen. Das galt für die Jünger, das galt für die Gemeinde des Johannes 70 Jahre später, das gilt für uns heute: Er sieht uns. Wir werden von Gott angesehen: unablässig, liebevoll. Wo andere vielleicht nur die verpassten Chancen sehen, wo andere nur die Narben und Beschädigungen eines Lebens sehen, da sieht Gott sein geliebtes Kind. Der Theologe Fulbert Steffensky hat es mal so gesagt: Als Geliebte haben wir unsere Authentizität (unsere Echtheit, unsere Identität) nicht in uns selber. Wir sind die, als die wir angesehen werden. Wir haben unser Zentrum im Blick der Güte, mit dem wir angesehen sind. In diesem Blick der Güte werden wir nicht nach unseren Leistungen beurteilt. In diesem Blick der Güte müssen wir keine Masken mehr tragen, uns verstellen, unser Image oder unsere Rolle pflegen. Und wir brauchen es, dass uns andere so ansehen: nicht kritisch, sondern liebevoll, nicht unvoreingenommen, sondern positiv voreingenommen in Achtsamkeit und Güte. So schaut uns Gott an. So sieht er uns, auch wenn wir ihn nicht sehen. Das ist der Grund unserer Freude: dass Jesus für uns gestorben und auferstanden ist und dass Gott uns liebevoll im Blick hat. Das kann uns niemand nehmen. Alles andere ist Vertrauen. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen