Ernährung auf dem Prüfstand - Mythos und Wirklichkeit

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Transkript:

Ernährung auf dem Prüfstand - Mythos und Wirklichkeit Dr. Wolfgang Hell Facharzt für Allgemeinmedizin Ernährungsmedizin DAEM/DGEM Ressort Pflege Kritische Ernährungssituationen in der Pflege, Caritas, Augsburg, 21.01.2010

Fachliche Diskussion Deutsches Ärzteblatt 12/2007 Pflegezeitschrift 03/2009 Deutsches Ärzteblatt.../2008 Aktuel. Ernähr.med. 2008 2 Bayer. Ärzteblatt 12/2007 Sondenernährung steigert nur selten die Lebensqualität M. de Ridder Deutsches Ärzteblatt 9/2008

Medienberichte Münchner Merkur, 23.09.2009 3

Prüfergebnisse MDK Ernährung und Flüssigkeitsversorgung (Stationär) Angaben in % sachgerecht 100 80 63,7 68,9 63,7 68,7 65,6 69,6 76,3 60 40 20 Bund Bayern 0 2004 2005 1. HJ 2006 2006/07 Quelle: MDS Statistik 118 SGB XI 4

Gesetzliche Grundlagen der Qualitätsprüfung (1) 114 SGB XI u Regelprüfung u Anlassprüfung u Wiederholungsprüfung 115 SGB XI u Pflegetransparenzvereinbarung u Veröffentlichung der Prüfergebnisse 4 ( für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich ) 5

Gesetzliche Grundlagen der Qualitätsprüfung (2) u Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes über die Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität nach 114 SGB XI (Qualitätsprüfungs-Richtlinien QPR) vom 11. Juni 2009 in der Fassung vom 30. Juni 2009 MDK - Prüfanleitungen ambulant/stationär (mit Erläuterungen) im Internet abrufbar unter www.mds-ev.de 6

Pflegequalität 11 SGB XI u Die Pflegeeinrichtungen pflegen, versorgen und betreuen die Pflegebedürftigen ( ) entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinischpflegerischer Erkenntnisse. 7

Häufige Risiken und Ursachen für Mangelernährung pflegebedürftiger Menschen Mechanische Passagestörungen des oberen Verdauungstraktes Psychische Erkrankungen Chronische Schmerzen Demenz Akuter cerebraler Insult Desolater Zahnstatus Wachkoma 8 Chronisch progrediente neurologische Erkrankungen Vereinsamung

Maßnahmen im Bereich der Ernährung u Ernährungsrisiko erkennen 4 Screening / Assessment u Ursache ermitteln 4 Aus Sicht der Pflege 4 Kommunikation mit Arzt 4 Ggf. weitere Berufsgruppen einbeziehen u Maßnahmen 4 planen / durchführen / bewerten 4 Ggf. Klärung der Indikation zu Sondenernährung initiieren u Dokumentation 9

Qualitätsprüfung: Beurteilungskriterien Fragen aus der Prüfanleitung u M u Info = Mindestangaben = Informationsfrage u Txx u B = Transparenzkriterium = Sonstige Bewertungsfrage 10

Beurteilungskriterien u Seniorengerechte Schriftgröße (mind. Schriftgrad 14, Schrifttyp) u Aushang in Wohnbereichen, einsehbar für Rollstuhlfahrer u Verteilung / Info an immobile Bewohner 11

Beurteilungskriterien 12

Beurteilungskriterien u z.b. Speiseplan 13

Beurteilungskriterien u Bewohner nachvollziehbar informiert (z.b. Heimvertrag, Einzug) u Getränke stehen jederzeit unbegrenzt zur Verfügung 14

Beurteilungskriterien 15

Beurteilungskriterien 9.6.a) Geeignete Regelungen können u.a. sein: u Gewichtsverlaufsmessung (alle 3 Monate, wenn indiv. ausreichend) u Einsatz von Assessmentinstrumenten (MNA, PEMU, ) u Ermittlung von Energie- und Flüssigkeitsbedarf gefährderter Bewohner u Systemat. Planung und Prüfung angemessener Ernährung und Flüssigkeitsversorgung u Cut-off-Punkte, bei denen Maßnahmen zwingend eingeleitet werden müssen (z.b. Arzt benachrichtigen) u Ermittlung des (mutmaßlichen) Willens des Bewohners zu PEG / künstlicher Ernährung 16

Körpergewicht und BMI Gewicht und BMI: Nie isoliert betrachten, sondern immer mit anderen Parametern in Beziehung bringen 17

Beurteilungskriterien 18

Beurteilungskriterien (bewohnerbezogen) u Wenn kein Konsens zwischen Einrichtung und Prüfer, dann gemeinsame Erhebung des EZ mittels MNA-SF u Ungewollter relevanter Gewichtsverlust: Ernährungsrisiko liegt vor 19

Beurteilungskriterien (bewohnerbezogen) u Ernährungsrisiko wurde erfasst (Screening, z.b. MNA-SF) u Bei Risiko oder Zeichen der Mangelernährung tiefer gehende Einschätzung der Ernährungssituation und der sie beeinflussenden Faktoren (Assessment) 20

Beurteilungskriterien (bewohnerbezogen) u Screening 4 Hinweis auf (Risiko einer) Mangelernährung? 4 Gewicht, BMI, Gewichtsverlauf, auffallend niedrige Ess- /Trinkmengen, erhöhter Bedarf, erhöhte Verluste 4 z.b. MNA-SF, PEMU 4 Mindestens alle 3 Monate u ggf. Assessment 4 Tiefer gehende Untersuchung mit Abklärung der Ursachen, Verzehrsmengenerfassung, 4 Kein Ersatz für ärztliche Diagnostik! 21

Beurteilungskriterien (bewohnerbezogen) u Erforderliche Maßnahmen auf der Grundlage der indiv. Ressourcen / Risiken u Mit Bewohner abgestimmt u In der Pflegeplanung nachvollziehbar dokumentiert, Durchführung erkennbar 22

Maßnahmen bei Einschränkung der selbständigen Nahrungsaufnahme (1) u Gestaltung der Umgebung / soz. Umfeld u Geeignete Speisenangebote und Darreichungsformen (Konsistenz, Fingerfood etc.) u Hilfsmitteleinsatz u Individuelle Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme u Information Hausarzt, ggf. Einbeziehung weiterer Berufsgruppen (Zahnarzt, Küche) 23

Maßnahmen bei Einschränkung der selbständigen Nahrungsaufnahme (2) u ggf. Verzicht auf bedarfsgerechte Nahrungszufuhr, insbesondere mit invasiven Maßnahmen (PEG-Sonde) 4 auf Grundlage des (mutmaßlichen) Willens (Patientenverfügung, ethische Fallbesprechung) 4 wenn diese Entscheidung nachvollziehbar dokumentiert ist (Hausarzt / Betreuer) 4 Hunger- und Durstgefühl müssen gestillt werden Der Maßnahmenplans in der Langzeitpflege unterliegt laufenden Veränderungen (Erproben, Änderungen, Veränderung der Bedürfnisse, ) 24

Beurteilungskriterien (bewohnerbezogen) u Bewohner hat keine Risiken / Einschränkungen im Bereich der Ernährung oder u Unabhängig vom Ergebnis der Frage 14.7 ist der EZ angemessen oder u Alle aus der Risikofeststellung abgeleiteten Maßnahmen werden durchgeführt, aber Bewohner ist trotzdem unter-, überoder fehlernährt 25

Beurteilungskriterien (bewohnerbezogen) u Angepasst an den indiv. Lebensrhythmus wird der Geschmackssinn angeregt. Die sollte mindestens 5x tgl. zu den Haupt- und Zwischenmahlzeiten erfolgen. u Angebot verschiedener Geschmacksrichtungen unter Berücksichtigung von Vorlieben und Abneigungen 26

Beurteilungskriterien (bewohnerbezogen) u Hinweise in der Pflegedokumentation u Hinweise auf erhöhten Flüssigkeitsbedarf u Aktuelle oder beschriebene Symptome der Dehydratation (14.1) 27

Beurteilungskriterien (bewohnerbezogen) u Indiv. Ressourcen bekannt (z.b. Vorlieben, Abneigungen und Gewohnheiten beim Trinken) u Risiko bei Flüssigkeitsversorgung erfasst, z.b. Zeichen von Flüssigkeitsmangel (plötzl. Verwirrtheit, trockene Schleimhäute, konz. Urin, auffällig geringe Trinkmenge, z.b. weniger als 1000 ml/d über mehrere Tage, erhöhter Flüssigkeitsbedarf) u Bei Risiko tiefer gehende Einschätzung einschl. beeinflussender Faktoren 28

Beurteilungskriterien (bewohnerbezogen) u Erforderliche Maßnahmen auf der Grundlage der indiv. Ressourcen/Risiken u Mit Bewohner abgestimmt u In der Pflegeplanung nachvollziehbar dokumentiert, Durchführung erkennbar 29

Maßnahmen bei Einschränkung der selbständigen Flüssigkeitsversorgung (1) u Individuelle Unterstützung bei der Flüssigkeitszufuhr u Gestaltung der Umgebung / soz. Umfeld u Geeignetes fexibles Angebot von Getränken und Darreichungsformen (z.b. Verdickungsmittel) u Angepasste Hilfsmittel u Information Hausarzt, ggf. Einbeziehung weiterer Berufsgruppen 30

Maßnahmen bei Einschränkung der selbständigen Flüssigkeitsversorgung (2) u Verzicht auf bedarfsgerechte Flüssigkeitszufuhr, insbesondere mit invasiven Maßnahmen (PEG-Sonde) 4 auf Grundlage des (mutmaßlichen) Willens (Patientenverfügung, ethische Fallbesprechung) 4 wenn diese Entscheidung nachvollziehbar dokumentiert ist (Hausarzt / Betreuer) 4 Hunger und Durstgefühl müssen gestillt werden Der Maßnahmenplans in der Langzeitpflege unterliegt laufenden Veränderungen (Erproben, Änderungen, Veränderung der Bedürfnisse, ) 31

Beurteilungskriterien (bewohnerbezogen) u Bewohner hat keine Risiken / Einschränkungen im Bereich der Flüssigkeitsversorgung oder u Unabhängig vom Ergebnis der Frage 14.8 ist die Flüssigkeitsversorgung angemessen u Alle aus der Risikofeststellung abgeleiteten Maßnahmen werden durchgeführt, aber Bewohner ist trotzdem nicht ausreichend mit Flüssigkeit versorgt 32

www.dnqp.de 33

Zum Thema Verpflegung in Heimen www.dge.de 34

Zum Thema Sondenernährung Dieser Leitfaden wird empfohlen von: www.stmas.bayern.de 35

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Dr. Wolfgang Hell Ressort Pflege 87600 Kaufbeuren