Anforderungen an die Siliertechnik zur Ausschaltung verlustbringender Prozesse durch Luftsauerstoff bei der Welksilagebereitung Prof. Dr. Gerhard Weise, Paulinenauer Arbeitskreis Grünland und Futterwirtschaft e.v. Paulinenaue Dr. Frank Hertwig, Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung Brandenburg Bereits in den Annalen der Landwirtschaft, Ausgabe 1859, wird in einem Bericht an das königliche Landes-Ökonomie-Colloquium über Sauerheubereitung treffend zum Faktor Lufteinfluss herausgestellt: Wenn derjenige, der die Sauerheubereitung überwacht oder ausführt, die Sorgfalt für die Entfernung oder Abhaltung der atmosphärischen Luft nie aus den Augen verliert und seine Aufmerksamkeit immer darauf richtet, so ist das vollständige Gelingen apodiktisch vorherzusagen, so dass jeder der in der Sache erfahren ist, weiß, dass wen er von verunglückten Versuchen hört oder liest, bei aller angewandten Sorgfalt die richtige Sorgfalt auf den richtigen Punkt doch nicht genügend gerichtet gewesen ist. Die verlustarme Vergärung des Siliergutes zu einer stabilen Silage mit einer guten aeroben Stabilität hat neben der Vergärbarkeit des Siliergutes einen schnellen und bis zur Auslagerung der Silage andauernden Luftabschluss zur Voraussetzung. Der Ausschluss von Luftsauerstoff ist notwendig für eine optimale Milchsäuregärung, gute aerobe Stabilität der Silage, minimale Verluste in Form von Gärgas und energiearmen Gärgasprodukten sowie für die Vermeidung eines qualitätsmindernden Temperaturanstieges in der Silage. Die Gegenüberstellung der für den Silierprozess typischen mikrobiellen Stoffumsetzungen mit Sauerstoff (Atmung) sowie ohne Sauerstoff (Milchsäuregärung) in Tabelle 1 veranschaulicht mit der Umsetzung von Glukose zu Kohlendioxid und Wasser die hohen Nährstoffverluste infolge Lufteinfluss. Tabelle 1: Grundreaktionen für Atmung und Milchsäuregärung Atmung C 6 H 12 O 6 Milchsäuregärung C 6 H 12 O 6 6 CO 2 + 6 H 2 O + 2880 kj 2CH 3 CHOHCOOH + 243 kj Die freigesetzte Energie (2880 kj) führt zwangsläufig zu einer Erwärmung der Silage. Ein Temperaturanstieg über 40 C bringt mit steigender Temperatur eine zunehmende Verdaulichkeitsminderung der Silage. Besonders die Reduzierung der Proteinverdaulichkeit um 15.. 40 % führt zu einer beachtlichen Qualitätsminderung. Den Lufteinfluss auf den Silierprozess weitgehend auszuschalten, erfordert den beim Befüllen im Futterstapel verbleibenden Sauerstoff auf ein Minimum zu beschränken, diesen so schnell wie möglich abzubauen und bis zur Silageentnahme keinen Sauerstoff aus der Atmosphäre in den Futterstapel eindringen zu lassen. Zügiges Befüllen, intensives Verdichten und luftdichtes Zudecken sind hierfür die Voraussetzung. Zügiges Befüllen bedeutet kleinere Silos innerhalb von 1 bis 2 Tagen zu befüllen und größere Fahrsilos bei abschnittsweiser Befüllung täglich mindestens einen Abschnitt von 15 m zugedeckt fertig zu stellen. Ein zwischenzeitliches Zudecken in den nächtlichen Befüllpausen schützt vor aeroben Umsetzungen sowie vor Niederschlagswasser. So ergaben Temperaturmessungen während einer Befüllpause von 48 Stunden 25 cm unter der Futterstapeloberfläche bei nicht zugedeckter Oberfläche eine Temperaturerhöhung um 13 C, während bei zwischenzeitlicher Zudeckung mit Folie die Temperaturerhöhung nur 4 C betrug. Entscheidenden Einfluss auf die Ausgangstemperatur im Futterstapel hat die Lufttemperatur bei der Silierguternte. Die Untersuchungsergebnisse in Tabelle 2 zeigen, dass mit steigender Lufttemperatur ein Temperaturanstieg im geernteten Siliergut unvermeidbar ist. An Tagen mit Lufttemperaturen von über 30 C stieg die Tempera-
tur im Siliergut auf über 35 C an. Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass es besonders bei optimalen Welkbedingungen darauf ankommt eine starke Temperaturerhöhung durch aerobe Umsetzungen im Futterstapel zu verhindern. Tabelle 2: Einfluss der Lufttemperatur bei der Silierguternte auf die Temperatur des einzulagernden Siliergutes Lufttemperatur C 10 15 20 25 30 Silierguttemperatur C 12,0 17,8 23,7 29,6 35,4 Auf den Umfang der aeroben Umsetzungen im Futterstapel hat neben der Befülldauer und der Zeitdauer offenliegender Oberflächen in den Befüllungspausen die Verdichtung des Futterstapels entscheidenden Einfluss. Eine intensive Verdichtung reduziert durch die Verringerung des Porenvolumens den Umfang der aeroben Umsetzungen entscheidend. Die Ergebnisse entsprechender Untersuchungen in Tabelle 3 belegen diese Aussage. Tabelle 3: Temperaturentwicklung in unterschiedlich verdichteten Futterpartien Messtiefe Variante Temperaturanstieg C 0,25 cm 0,25 cm intensiv verdichtet unzureichend verdichtet 4,2 C 7,6 C 0,50 cm 0,50 cm intensiv verdichtet unzureichend verdichtet 1,6 C 3,6 C Wichtige Kontrollkriterien für ein gutes Verdichten sind Temperaturen unter 40 C und eine Lagerungsdichte von über 200 kg Trockenmasse/m³ Siloraum. Die wichtigsten siliertechnischen Maßnahmen zum Erreichen dieser Zielparameter sind: Kurzhäckseln (< 2 cm) Verteilung des eingelagerten Siliergutes auf dünne Schichten von 30-40 cm Walzfahrzeuge mit hoher Druckwirkung o Hohes Gewicht (Faustzahl Bergeleistung in Tonnen geteilt durch 3) o Schmale Reifen, hoher Reifendruck (2,0 bis 3,5 bar) o Langsame Überfahrt (2,5-3,0 km/h) o Dreimalige Überfahrt o Kontinuierliches Walzen ab Beginn der Einlagerung o 1-2 Stunden nachwalzen vor der Befüllpause Die Erfüllung dieser Parameter begrenzt die Leistung eines entsprechend präparierten Traktors auf 15-20 Tonnen Trockenmasse/Stunde. Bei höheren Ernteleistungen sind entsprechend zwei oder drei Walzfahrzeuge einzusetzen. Der Einsatz mehrerer Walzfahrzeuge erfordert großdimensionale Silos beziehungsweise das gleichzeitige Befüllen von zwei kleineren Silos. Zunehmend berichten Betriebe auch über den erfolgreichen Einsatz von Rüttelwalzen.
Durchgeführte Untersuchungen zeigen, dass die Verdichtungsleistung weniger von der Art des Walzfahrzeuges, sondern in erster Linie von der Einhaltung der aufgelisteten Anforderungen abhängig ist. Grundsätzlich steht die Forderung, dass nur soviel an Siliergutmasse pro Zeiteinheit geerntet werden darf, wie im Silo optimal verdichtet werden kann. Eine luftdichte Isolierung der Rand- und Oberflächenschichten ist die Voraussetzung für eine weitgehende Unterbindung der aerober Umsetzungen während der Lagerung. Die unsachgemäße Zudeckung hat nicht selten Masseverluste von über 20 % und erhebliche Qualitätsverluste durch hohe Temperaturen, Fehlgärung und eine geringere aerobe Stabilität zur Folge. Bewährt hat sich die Zudeckung mit einer Unterziehfolie plus einer dicken Zudeckfolie und die ganzflächige Beschwerung. Neben der relativ aufwendigen Beschwerung mit Autoreifen haben sich ausrangierte Förderbänder, Liegematten und Straßenplatten sowie Silosäcke mit Grobsand gefüllt, bewährt. Bild 1 und Bild 2: Besonders muss auf eine wirksame Beschwerung und Abdichtung der Überlappungsstellen und der Grenzschichten zur Silowandung geachtet werden. Bei sorgfältiger Handhabung kann durch eine über die Silorwandung gehängte Folie, die nach der Befüllung auf die Futterstapeloberfläche gelegt und von der Unterziehfolie sowie der dickeren Zweitfolie zugedeckt wird, eine Verbesserung des Luft- und Wasserabschlusses in diesem Bereich erzielt werden. Bei günstiger Silowandgestaltung können die Folien über den Silorand gezogen und innen sowie außen beschwert werden. Derartige Silowände ermöglichen auch eine bessere Verdichtung der Randpartien (Bild 3). Die Nacherwärmung und Schimmelbildung bei der Silageentnahme sind noch in beträchtlichen Umfang in der Praxis anzutreffen. Die an der Anschnittfläche und in der entnommenen Silage auftretenden Veränderungen werden durch Sekundärverschmutzung, Auswaschverluste und aerobe Umsetzungen mit Luftsauerstoff verursacht. Die Sekundärverschmutzung tritt besonders bei der Entnahme aus unbefestigten Behelfssilos sowie infolge unzureichender Abräumung von Zudeckmaterial und qualitätsgeminderten Randschichten auf. Ein Anstieg des Rohaschegehaltes und Rückgang der Energiekonzentration sowie der Futteraufnahme sind typische Folgeerscheinungen. Auswaschungsverluste durch Niederschlag betreffen in erster Linie hochwertige Inhaltsstoffe wie Zucker, Stärke, Proteinverbindungen und Milchsäure. Die Verluste können weitgehend vermieden werden, wenn die Zudeckfolie erst kurzfristig vor der Entnahme entfernt wird, die Anschnittfläche senkrecht und fest ist und keine entnommene Silage auf der Silosohle gelagert wird. Aerobe Umsetzungen mit Luftsauerstoff bei der Entnahme lassen sich grundsätzlich ausschalten, indem die Silage nicht länger dem Lufteinfluss ausgesetzt wird, wie die aerobe Stabilität (in Tagen) beträgt. Die bestimmenden Einflussgrößen sind der Umfang des Lufteinflusses und die aerobe Stabilität bzw. Haltbarkeit der Silagen. Der Umfang des Lufteinflusses an der Anschnittfläche wird durch die Lagerungsdichte bestimmt. Mit zunehmender Lagerungsdichte verringert sich die Eindringtiefe der Luft in den Futterstapel (Tabelle 4).
Tabelle 4: Luftgefährdete Schichten an der Anschnittfläche in Abhängigkeit von der Lagerungsdichte Lagerungsdichte kg Silage/m³ 200 400 600 800 Gefährdete Silageschicht cm 180 300 70 150 40 80 20 30 Die aerobe Stabilität der Silagen reicht von Null-Stunden bis zu 20 Tagen und ist vorrangig abhängig von dem Nährstoffgehalt, dem Grad des Lufteinflusses während der Silagebefüllung und der Lagerzeit, dem erreichten Siliererfolg, der Lagerungstemperatur und dem eingesetzten Siliermittel: Energiereiche Silagen mit einem hohen Gehalt an leicht vergärbaren Kohlenhydraten unterliegen einem höheren Risiko für aerobe Umsetzungen als qualitätsärmere Silagen. Mit länger anhaltender Lufteinwirkung infolge unzureichender Befülldauer, Verdichtung und Zudeckung verringert sich die aerobe Stabilität. Besonders gefährdet sind Rand- und Oberflächenschichten (Tabelle 5). Tabelle 5: Untersuchungsergebnisse zur aeroben Stabilität von Welksilagen aus Praxissilos Abstand zur Futterstapeloberfläche cm 0 20 40 80 80 100 aerobe Stabilität Tage 3,4 5,2 7,2 Fehlvergorene Silagen mit hohem Essigsäure- und Buttersäuregehalt haben eine größere aerobe Stabilität als hochwertige Silagen mit optimalem Milchsäuregehalt. Der günstigste Temperaturbereich für aerobe mikrobielle Umsetzungen liegt zwischen 25 bis 40 C. Silagen mit relativ hoher konservierter Temperatur aus der Befüllphase sowie im Sommer verfütterte Silagen und Silagen von Anschnittflächen mit direkter Sonneneinstrahlung sind besonders für aerobe Umsetzungen gefährdet. Durch den Einsatz von DLG-anerkannten Siliermitteln der Wirkungsrichtung 2 kann die aerobe Stabilität verbessert werden. Die effektivsten Maßnahmen zur Sicherung einer guten aeroben Stabilität der Silagen sind die genannten siliertechnischen Maßnahmen zur Minimierung des Lufteinflusses bei der Silobefüllung und Silagelagerung. Basierend auf den Untersuchungsergebnissen zur Eindringtiefe der Luft und der aeroben Stabilität der Silagen sollte bei ganzflächiger täglicher Entnahme eine Schicht von 15 bis 40 cm entnommen werden (Tabelle 6).
Tabelle 6: Richtwerte für die Silageentnahme Zu entnehmende Schicht Entnahmeperiode Pro Tag cm Pro Woche cm Winter Sommer 15 20 30 40 100 150 200 300 Um diesen Vorschub zu gewährleisten, ist die Silogröße dem täglich anstehenden Silagebedarf anzupassen. Bei älteren Siloanlagen wird der notwendige Vorschub oft nicht erreicht. Wie schon von vielen Betrieben praktiziert, ist die Verringerung der Anschnittfläche durch das Einziehen von Zwischenwänden eine zu empfehlende Maßnahme. Die Dimensionierung neuer Silos hat sich konsequent nach dem täglichen Silagebedarf zu richten. Einige Richtwerte zeigt die Tabelle 7. Tabelle 7: Optimale Anschnittfläche (m²) für ein Silo in Abhängigkeit vom zu versorgenden Tierbestand und der eingesetzten Silagemenge bei einer unterstellten Lagerungsdichte von 200 kg TM/m³ und einer täglichen ganzflächigen Entnahmeschicht von 30 cm Tierbestand Silagemenge in der Ration (kg TM/GV/Tag) GV 4 6 8 100 300 500 1000 6,7 20,0 33,3 66,7 10,0 30,0 50,0 100,0 13,3 40,0 66,7 133,3 Eine gute Möglichkeit zur Verringerung der Anschnittfläche bietet auch die Schlauchsilierung. Bei der Auswahl der Entnahmetechnik sollten die Gewährleistung einer täglichen ganzflächigen Entnahme sowie eine minimale Auflockerung der Anschnittfläche die bestimmenden Auswahlkriterien sein. Je kurzzeitiger die Zwischenlagerung der entnommenen Silage ist, umso geringer ist das Risiko verlustbringender aerober Umsetzungen bei der Zwischenlagerung. Bei Unterbrechung der Silageentnahme weit über die Zeitspanne der aeroben Stabilität hinaus, ist die Anschnittfläche wirksam vor Lufteinfluss und Niederschlägen zu schützen. Fazit Hohe Masseverluste und eine starke Qualitätsminderung beim Silieren sind vielfach auf aerobe mikrobielle Umsetzungen zurückzuführen. Kurze Silobefüllzeiten, eine hohe Verdichtung des Futterstapels, eine wirksame Zudeckung, sowie ein ausreichender Vorschub bei der Silageentnahme sind die markanten Gütemerkmale für siliertechnische Maßnahmen zur Ausschaltung des Lufteinflusses auf den Silierprozess. Die dafür notwendige Siliertechnik ist vorhanden, betriebsspezifisch auszuwählen und kontrolliert einzusetzen.
Bild 1 und 2: Ganzflächige bzw. punktuelle Beschwerung der Zudeckfolie
Bild 3: Günstige Silowandgestaltung für die Verdichtung und Zudeckung (Bild von einem Werbeprospekt zum Traunsteiner Silo)