Anpassung individueller weicher Kontaktlinsen

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Transkript:

SPEZIAL Individuelle weiche Kontaktlinsen Anpassung individueller weicher Kontaktlinsen Christian Kempgens, Prof. Dr. Dipl.-Ing. (FH) Für die Kontaktlinsenindustrie ist eine der drängendsten Fragen, wie die hohe Aussteigerrate bei den Kontaktlinsenkunden reduziert werden kann. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Ursachen für einen Ausstieg gibt es dafür keine allgemeingültige Lösung. Manchmal liegt die Ursache für den Ausstieg beim Kunden. Häufig ist jedoch eine nicht fachgerechte oder nicht existente Anpassleistung der Grund für eine unverträgliche Kontaktlinse. Solche Ausstiege sind vermeidbar durch eine individuellere Anpassung von Kontaktlinsen. Dieser einleitende Artikel erläutert die wichtigsten Gesichtspunkte einer individuellen Anpassung rotationssymmetrischer Weichlinsen und präsentiert mögliche Anpassstrategien für die Zukunft. Schlüsselwörter weiche Kontaktlinsen, individuelle Anpassung, Scheiteltiefe, Durchmesser, Basiskurve For the contact lens industry, one of the most pressing issues is how to reduce contact lens drop outs. Since the reasons for drop outs are manifold and complex, there can be no universal solution. Sometimes the cause for drop out rests with the customer. However, very often, a lens that can no longer be tolerated is caused by an insufficient or inexistent fitting process. Such drop outs are avoidable by more individually fitting contact lenses. This introductory paper discusses the main aspects of individually fitting rotationally symmetric soft contact lenses and it hints at potential future fitting strategies. Key words soft contact lenses, individual fit, sagittal depth, diameter, base curve 1. Einleitung Bis vor einigen Jahren gab es eine scheinbar direkte Kopplung zwischen dem geplanten Austauschrhythmus und der lieferbaren Parametervielfalt einer Kontaktlinse. Kontaktlinsen mit mehreren Materialoptionen, individueller Durchmesserwahl, einem großen Stärkenbereich mit feinen Zylinder- und Achsabstufungen, evtl. sogar noch in Mehrstärkenvariante, waren nahezu immer Jahreslinsen. Demgegenüber gab es bei Kontaktlinsen zum häufigen Austausch nicht ansatzweise diese Optionen. In den letzten Jahren ist eine erfreuliche Verschiebung dieses Bildes ersichtlich. Diese Verschiebung erfolgt in zwei Richtungen: 1. Linsen, die vormals als Jahreslinsen angeboten wurden, werden, an sich unverändert, aber mit verkürzten Austauschrhythmen, zu günstigeren Stückpreisen angeboten. Damit können auch individuell gefertigte Kontaktlinsen zu einem für den Kunden akzeptablen Preis angepasst werden. 2. Einige Austauschlinsen werden in einer Parametervielfalt angeboten, die den Lieferbereichen der Jahreslinsen sehr nahe kommt. So können auch Kontaktlinsen zum häufigen Austausch mittlerweile recht individuell angepasst werden. Damit diese erfreuliche Entwicklung einen positiven Einfluss auf den Kontaktlinsenmarkt haben kann, sollten alle Anpasser das Angebot nutzen und ihre Kunden individueller als bisher versorgen. In diesem Zusammenhang gewinnt die individuelle Anpassung gegenüber der one-size-fits-all-strategie wieder enorm an Bedeutung. Dieser Artikel soll die Vorgehensweise bei einer individuellen Anpassung darstellen zur Zeit keine einfache Aufgabe. Es gibt nach Ansicht des Autors im Moment keine allgemein akzeptierte Lehrmeinung zur Anpassung weicher Kontaktlinsen. Seit längerer Zeit findet ein Umdenkprozess statt, weg von der Anpassung über die zentralen Hornhautradien und die Basiskurve hin zur Anpassung über die Scheiteltiefe des Corneoskleralprofils (CSP) des Auges und der Kontaktlinse. Es ist hinreichend erwiesen, dass die Basiskurve, die bei vielen Anpassern noch als der wichtigste Parameter gilt, ohne Kenntnis der Rückflächenform und des Durchmessers nur sehr wenig bis gar nichts über das zu erwartende Sitzverhalten einer Kontaktlinse aussagt 1-3. Dennoch kann man die Anpassung von KL mit der Scheiteltiefe als zentralem Anpassparameter noch nicht als den Goldstandard bezeichnen. Die hauptsächlichen Gründe dafür sind: zum Einen geben die Kontaktlinsenhersteller im Allgemeinen die Scheiteltiefe ihrer Linsen gar nicht an (teilweise nicht einmal auf Anfrage). Zum Anderen sind die Messgeräte zur Bestimmung der Scheiteltiefe des Corneoskleralprofils im Auflagebereich einer weichen KL noch recht teuer und wenig bei Kontaktlinsenanpassern verbreitet. Auch gibt es noch keine definitiven Richtlinien, welche Scheiteltiefe eine weiche Kontaktlinse haben muss, damit sie auf einem Auge mit gegebenen CSP einen guten Sitz aufweist. Aus diesen Gründen konzentriert sich dieser Artikel in Absatz 6 die KONTAKTLINSE 4/2017

Individuelle weiche Kontaktlinsen SPEZIAL Scheitelbrechwerte der Kontaktlinsen. Die Besonderheiten der Anpassung bei Astigmatismus und Presbyopie werden in zwei anderen Artikeln dieser Sonderausgabe besprochen. Weiterhin sind der horizontale sichtbare Irisdurchmesser, die zentralen Hornhautradien, die numerische Gesamtexzentrizität (n.e.) der Hornhaut, sowie das Corneoskleralprofil (CSP) wichtige Parameter. Die Inspektion des vorderen Augenabschnitts (IvA) inklusive des Tränenfilms ist ausschlaggebend für die Entscheidung, ob bei dem jeweiligen Kunden Kontaktlinsen angepasst werden dürfen. Außerdem zeigen sich bei den Messungen und Untersuchungen möglicherweise Besonderheiten, die bei der Anpassung Berücksichtigung finden müssen. 3. Auswahl der geeigneten Kontaktlinse Da es, wie oben bereits erwähnt, mittlerweile auch Austauschsysteme mit individuellen Parametergestaltungsmöglichkeiten gibt, werden diese Linsen ausdrücklich in die Betrachtungen zur Linsenauswahl mit einbezogen. Abbildung 1 Die KL-Rückflächenprofilskizzen A bis L zeigen das Wechselspiel von Basiskurve, Durchmesser, Rückflächenform und Scheiteltiefe. Die Linie unter der KL stellt die Linsenauflage dar. Die obere Linie markiert in jeder Zeile der Abbildung die größte Scheiteltiefe der jeweils drei dargestellten Profile. A-C: Unterschiedliche Scheiteltiefen durch unterschiedliche Rückflächenformen bei konstantem zentralem Radius und Durchmesser. Es ist offensichtlich, dass jede der Kontaktlinsen A-C trotz gleicher Basiskurve ein unterschiedliches Sitzverhalten zeigen würde. D-F: Unterschiedliche Scheiteltiefen durch unterschiedliche Basiskurven bei sphärisch einkurvigen KL mit konstantem Durchmesser. Auch der Durchmesser allein ist kein gutes Kriterium, um den Linsensitz vorherzusagen, da die Kontaktlinsen D-F trotz konstantem Durchmesser ebenfalls sehr unterschiedlich sitzen. G-I: Konstante Scheiteltiefen sphärisch einkurviger KL bei variabler Basiskurve und variablem Durchmesser. Auch die Scheiteltiefe allein ist kein für den Sitz prädiktives Kriterium, da KL G-I sehr unterschiedlich sitzen würden. J-L: konstante Scheiteltiefen bei konstantem Durchmesser und unterschiedlichen Rückflächenprofilen. Es ist ersichtlich, dass neben Scheiteltiefe und Durchmesser auch die Rückflächenform entscheidend für den Sitz ist. 2-4 auf eine (hoffentlich) vertretbare Strategie zur Anpassung individueller weicher KL, die mit derzeit verbreiteten Messgeräten und mit den von den Herstellern angegebenen KL-Parametern umgesetzt werden kann. In Abschnitt 5 werden zwei zukunftsträchtige Ansätze zur Anpassung weicher Linsen dargestellt, und derzeit bestehende Herausforderungen beleuchtet. 2. Messungen/Untersuchungen Am Anfang einer jeden Kontaktlinsenanpassung steht eine ausführliche Anamnese mit Bedarfsanalyse. Dazu gehört unter Anderem die allgemeine und okuläre Patientengeschichte, Lebensgewohnheiten, Beruf und Freizeitaktivitäten, sowie die Abklärung des täglichen Umfeldes und der Umgebungsbedingungen. Zur Anpassung von sphärischen Kontaktlinsen wird beidseits das beste sphärische Glas bestimmt. Nach dem Binokularabgleich wird der sphärische Wert jeweils auf den Hornhautscheitelabstand null umgerechnet. Daraus ergeben sich die 3.1 Austauschrhythmus und Material Die Wahl des Austauschrhythmus ist bei Kontaktlinsensystemen zum häufigen Austausch oft gekoppelt an ein bestimmtes Material. Bestimmend für die Wahl des Austauschrhythmus und des Materials sind die Ergebnisse aus der Bedarfsanalyse und der IvA. Faktoren wie Häufigkeit des KL-Tragens, gewünschte tägliche Tragezeit, Umgebungs- und Arbeitsbedingungen, Hobbies, Tränenfilmeigenschaften und, falls bekannt, Ablagerungsneigung bei früher getragenen Kontaktlinsen fließen hier ein. Grundsätzlich gilt: je häufiger das Tragen, je länger die gewünschte Tragezeit und je höher der erforderliche Scheitelbrechwert, desto besser sollte die Sauerstoffdurchlässigkeit des Materials sein. Ein weiteres Kriterium bei der Materialauswahl ist der Tränenfilm. Ein hoher Lipidanteil spricht eher gegen die lipidaffinen Silikonhydrogele (oder für Silikonhydrogele mit zusätzlichem Reiniger). Bezieht man Sicherheitsaspekte mit ein, so haben Kunden mit eher schlechter Compliance das geringste Infektionsrisiko mit Eintageskontaktlinsen. Weitere Gesichtspunkte ergeben sich von Fall zu Fall. 3.2 Durchmesser Weiche Kontaktlinsen müssen größer als formstabile KL gewählt werden, damit sie stabil sitzen. Der optimale Durchmesser ist der kleinstmögliche Durchmesser, der gerade noch einen zentrischen Sitz der Kontaktlinse mit guter aber nicht exzessiver Bewegung ermöglicht ohne Berührung des Limbus. Meistens ist dies der Fall, wenn der Kontaktlinsendurchmesser 1,5 bis 2 mm größer als der horizontale sichtbare Irisdurchmesser ist. Bei fließend konvexem und fließend tangentialem CSP (mit geringer n.e. der HH) erfährt die KL peripher wenig Widerstand, daher muss der Durchmesser hier tendenziell größer gewählt werden. Bei fließend tangentialem CSP (mit hoher n.e. der HH), markant konvexem, markant tangentialem oder fließend konkavem Übergang flacht das CSP peripher stark ab oder weist eine Diskontinuität auf. Deshalb sollte hier der Durchmesser eher kleiner gewählt werden, um einen zu starken Druck des Linsenrandes auf die Bindehaut und ein zentrales Abheben der KL zu vermeiden. Der Durchmesser hat einen stärkeren Einfluss auf den Linsensitz als die Basiskurve 4, reicht aber als alleiniges Kriterium für die Vorhersage des KL-Sitzes nicht aus (Abbildung 1 D-F). die KONTAKTLINSE 4/2017 7

SPEZIAL Individuelle weiche Kontaktlinsen 3.3 Basiskurve Auch die Basiskurve allein ist wenig geeignet, einen guten Kontaktlinsensitz vorherzusagen (Abb. 1 A-C), denn sie sagt nichts über die Rückflächenform in der Peripherie der KL aus. Der KL- Durchmesser und die gewählte Abflachung haben einen wesentlich größeren Einfluss auf die Scheiteltiefe, und damit auf das Sitzverhalten einer weichen KL als die Basiskurve 5. Es lohnt es sich trotzdem, die Basiskurve unter Berücksichtigung von Durchmesser, Material und n.e. gezielt auszuwählen. Je nach Material, Tränenfilm und Umgebungsbedingungen verliert die Kontaktlinse beim Tragen einen Teil ihres Wassers. Damit versteilt sie auf dem Auge und die Scheiteltiefe erhöht sich. Der Versteilungseffekt verstärkt sich noch bei größeren Kontaktlinsendurchmessern. Um der Versteilung entgegenzuwirken sollte die Basiskurve der Kontaktlinse von vornherein flacher gewählt werden als der zentrale flache Hornhautradius. Die allgemein bekannte Faustformel r KL = + 1 mm ist eine zu starke Verallgemeinerung. Streng genommen müsste man für jedes Kontaktlinsenmaterial eine vom Kontaktlinsendurchmesser, der Hornhautkrümmung und n.e. des Kunden abhängige Faustformel erstellen. Dies ist allerdings in der Praxis zu aufwändig. Professor Müller-Treiber beschreibt eine sehr sinnvolle, und in der Anpasspraxis erfolgreiche Vereinfachung 6 für Hydrogellinsen (Tabellen 1 und 2). Tabelle 1 gibt Anhaltspunkte für die Auswahl der Basiskurve bei herkömmlichen Hydrogelen. Dies sind alle Hydrogele, die weder die wasserbindende Substanz GMA enthalten (oder andere das Wasserbindungsvermögen stark verbessernde Komponenten) noch zur Gruppe der Silikonhydrogele zählen. Diese Hydrogele verlieren beim Tragen vergleichsweise viel Wasser. Kontaktlinsendurchmesser 13,0 13,5 14,0 14,5 Tabelle 1 (nach Müller-Treiber 6 ): Faustformeln für die Auswahl der Basiskurve in Abhängigkeit vom Kontaktlinsendurchmesser bei konventionellen Hydrogelkontaktlinsen. Die Faustformeln gelten nur für mittlere Hornhautdurchmesser. Kontaktlinsendurchmesser 13,0 13,5 14,0 14,5 Basiskurve + 0,5 + 0,7 + 0,9 + 1,2 Basiskurve + 0,1 + 0,3 + 0,5 + 0,7 Tabelle 2 (nach Müller-Treiber 6 ): Faustformeln für die Auswahl der Basiskurve in Abhängigkeit vom Kontaktlinsendurchmesser bei Hochleistungshydrogelen. Die Faustformeln gelten nur für mittlere Hornhautdurchmesser Dementsprechend muss hier der resultierenden Erhöhung der Scheiteltiefe stark gegengesteuert werden mit einer deutlich flacheren Wahl der Basiskurve. Richtwerte für die Wahl der Basiskurve bei Nicht-Silikonhydrogelen mit sehr guten Wasserbindungseigenschaften (so genannte Hochleistungshydrogele, die zum Teil GMA enthalten) sind in Tabelle 2 dargestellt. Wegen des geringeren Wasserverlusts erhöht sich die Scheiteltiefe nach Aufsetzen nur geringfügig, so dass die Basiskurve nur wenig flacher als der flache HH-Radius gewählt werden muss. Die Materialeigenschaften der Silikonhydrogele (SiHy) sind sehr inhomogen, und somit auch das Ausmaß der Versteilung auf dem Auge. Deshalb erscheint hier die Angabe einer Faustformel wenig sinnvoll 6. Die Herstellerempfehlung ist bislang bei SiHy-Linsen die einzige Richtlinie, sofern überhaupt eine Auswahlmöglichkeit bezüglich der Basiskurve besteht. 3.4 Rückflächenprofil Genau wie bei formstabilen Kontaktlinsen unterscheidet man bei weichen rotationssymmetrischen KL zwischen einkurvigen, zweikurvigen, mehrkurvigen und asphärischen Rückflächenformen. Aus der Rückflächenform und dem Gesamtdurchmesser ergibt sich wiederum das Rückflächenprofil und die Scheiteltiefe (siehe Abb. 1 J-L) der Kontaktlinse. Etwas differenzierter betrachtet wird also das Rückflächenprofil bei sphärischen KL festgelegt durch den Zentralradius, die peripheren Radien, die jeweiligen Zonendurchmesser und den Gesamtdurchmesser. Bei asphärischen KL ergibt sich das Rückflächenprofil durch die Basiskurve, den Durchmesser der oft sphärischen optischen Zone, die Abflachung und den Gesamtdurchmesser. Das Rückflächenprofil ist bei unterschiedlichen Kontaktlinsen in verschiedenem Maße individuell wählbar. Bei den meisten Austauschsystemen gibt es hier immer noch keinerlei oder wenig Gestaltungsspielraum, da oft nur eine Basiskurve und meist nur ein Durchmesser angeboten wird. Es gibt erfreuliche Ausnahmen: Cooper Vision bietet eine als fern- oder nahzentrierte Variante erhältliche multifokal torische Hydrogel-KL (Dk/t 17) mit immerhin zwei Basiskurven an. Absoluter Vorreiter bezüglich Parametervielfalt ist im Austauschsegment derzeit mark ennovy. Monats-KL sind als Hydrogel- und Silikonhydrogel-Variante erhältlich mit Basiskurven von 6,8-9,8 mm in 0,3-mm-Stufungen, und mit Durchmessern von 13-16 mm in 0,5-mm-Stufungen, in unterschiedlichen Geometrien inklusive fern- und nahzentrierten multifokal torischen KL. Aber auch diese Austauschsysteme stoßen an ihre Grenzen, wenn es um die individuelle Gestaltung der Linsenperipherie geht. Hier sind nach wie vor individuell gefertigte Jahreslinsen unerreicht: man hat die Möglichkeit, sphärisch einkurvige, zweikurvige, mehrkurvige oder asphärische Linsen zu gestalten mit individueller Wahl der Zonendurchmesser, des Gesamtdurchmessers, der Radien der zentralen und peripheren Kurven oder der Abflachung. Die richtige Wahl des Rückflächenprofils ist entscheidend für die Langzeitverträglichkeit der angepassten Kontaktlinsen. Es ist nicht leicht, anhand von zentralem Hornhautradius, Hornhautabflachung, sichtbarem Irisdurchmesser und CSP das optimale Rückflächenprofil einer Kontaktlinse zu finden. Dies liegt hauptsächlich daran, dass die den meisten Kontaktlinsenanpassern zur Verfügung stehenden Messgeräte nicht oder nicht weit genug in die Peripherie der Hornhaut messen. Nur wenige Instrumente bieten die Möglichkeit, eine corneosklerale Profilli- 8 die KONTAKTLINSE 4/2017

Individuelle weiche Kontaktlinsen SPEZIAL Abbildung 2 Der Eye Surface Profiler der Firma Eaglet-Eye ermöglicht die Vermessung der corneoskleralen Topographie und bietet damit die Möglichkeit, auch die Peripherie einer Kontaktlinse individuell anzupassen. nie im gesamten Auflagebereich einer weichen Kontaktlinse zu messen. Dies sind z.b. Optische Kohärenztomographen (OCT s) oder der Eye Surface Profiler der Firma Eaglet-Eye (Abb. 2). Auch die Firma Oculus forscht an einer Messmöglichkeit des CSP mittels der Pentacam Scheimpflugkamera. Mit Kenntnis der corneoskleralen Topographie (Abb. 3) ließe sich eine weiche Kontaktlinsen mit höherer Treffgenauigkeit anpassen als allein auf Basis der Topographie der zentralen 6-8 mm Hornhaut 7. Weil diese vergleichsweise teuren Messgeräte nur Wenigen zur Verfügung stehen, muss zumindest die Gestaltung des peripheren Rückflächenprofils der KL durch teilweise recht grobe Schätzungen erfolgen. Dies gilt insbesondere für das Corneoskleralprofil. Eine Fehlmessung oder Fehleinschätzung des peripheren Hornhautverlaufs und CSPs führt unweigerlich zu einem zu flachen oder zu steilen Sitz der Kontaktlinse. Für die meisten Anpasser ist jedoch zur Zeit die Anpassung über die Bestimmung von Durchmesser, Rückflächenform und Basiskurve die einzige Möglichkeit, eine Linse individuell anzupassen. Und in jedem Fall ist diese Methode deutlich besser als die leider sehr häufig praktizierte Quick-and-dirty-Methode (die zentralen Hornhautradien messen, die Messung ignorieren, und die Austauschlinse mit der derzeit besten Gewinnspanne auf das Auge setzen). Das Rückflächenprofil der KL ist entscheidend dafür, wie gut die KL insbesondere in der Peripherie, also am Limbus und auf der Bindehaut, passt. Deswegen ist es wichtig, anhand des CSP und der Abflachung der Hornhaut die richtige Rückflächenform auszuwählen. Dies kann frei nach Müller-Treiber 6 nach folgenden Anhaltspunkten geschehen: Fließend konvexes/tangentiales CSP und geringe n.e.: sphärisch einkurvige Rückflächenform (RFF) Fließend konvexes/tangentiales CSP und höhere n.e.: asphärische oder zweikurvige RFF Markant konvexes/tangentiales CSP: schlechte Eignung stark markanter Profile für weiche KL, siehe fließend konkave CSP. Bei mäßig markanten Profilen sollte ein kleiner Durchmesser und eine asphärische RFF mit geeigneter Abflachung oder eine zwei- oder mehrkurvige RFF gewählt werden. Fließend konkaves CSP: sehr schlechte Eignung für weiche KL. Wenn doch weiche KL angepasst werden müssen, sollte ein sehr kleiner Durchmesser und eine stark abflachende asphärische RFF bzw. eine stark öffnende mehrkurvige RFF gewählt werden. Ob die Auswahl richtig war, zeigt die anschließende Beurteilung der Kontaktlinse. Eine Marktübersicht verschiedener Kontaktlinsen inklusive Informationen zur Rückflächengeometrie sind von der FHNW erhältlich 8. 4. Beurteilung: Kriterien eines guten Linsensitzes Die Beurteilung einer weichen Kontaktlinse ist schwieriger als bei formstabilen Linsen, weil die Passform nicht über das Fluoreszeinbild eingeschätzt werden kann. Daher sind bei weichen Linsen eher indirekte Kriterien ausschlaggebend. Zusätzlich erschwerend wirkt sich aus, dass die Passform sich zunächst ab dem Zeitpunkt des Aufsetzens durch die bereits beschriebene Versteilung ändert. Es ist daher sinnvoll, die endgültige Beurteilung der Kontaktlinse erst ab einer Zeit von ca. 30 Minuten durchzuführen. Eine gut angepasste weiche Kontaktlinse sollte objektiv 0,5-0,8 mm spontan beim Lidschlag bewegen (eine sehr dünne Linse oder eine Linse mit geringem Reibungskoeffizienten darf auch weniger bewegen), weder beim Blick geradeaus noch bei Blickauslenkungen den Limbus mit dem Linsenrand berühren bei horizontalen Sakkaden nach kurzer Dezentration mit nur geringer Verzögerung rezentrieren beim Blick nach oben nicht mehr als ca. 1 mm durchsacken bei ihrer Bewegung eine Relativbewegung zur bulbären Bindehaut aufweisen die Gefäße der bulbären Bindehaut nicht abdrücken nach dem Absetzen keine mit Fluoreszein anfärbbaren Bindehautabdrücke hinterlassen keine Rötungen oder sonstigen Veränderungen am Auge bewirken. Zusätzlich sollte eine gut angepasste weiche Kontaktlinse dem Kunden subjektiv einen guten Visus erlauben einen guten Spontankomfort und einen guten Komfort am Ende des Tages ermöglichen Das letzte objektive Kriterium und die beiden subjektiven Kriterien sind wichtig für die Kundeninformation. Der Anpasser sollte Abbildung 3 Die Oculus Pentacam kann prinzipiell das Corneoskleralprofil erfassen, und bietet damit die Grundlage für eine individuelle KL-Anpassung. Die Messung ergibt corneosklerale Profillinien in verschiedenen Meridianen. Das CSP-Softwaremodul befindet sich derzeit in der Testphase und ist noch nicht am Markt erhältlich. die KONTAKTLINSE 4/2017 9

SPEZIAL Individuelle weiche Kontaktlinsen den Kunden bitten, auf diese Anzeichen auch zu Hause zu achten. Dies lässt sich mit der sehr eingängigen Formel: Die Augen sollten - gut sehen (guter Visus) - gut aussehen (keine Rötungen) - sich gut anfühlen (Komfort). Wenn diese Kriterien erfüllt sind, und auch Nachkontrollen keine Auffälligkeiten zeigen, ist davon auszugehen, dass die Anpassung gelungen und langzeitverträglich ist. Abbildung 4 Der blaue Bogen oben stellt die Kontaktlinse in vitro dar. Sitzt die Linse auf dem Auge, so passt sie sich auf der Hornhaut und jenseits des Limbus dem Auge an. Dabei dehnt sich der Linsenrand (Randdehnung). Die horizontale Strecke, die die KL über den Limbus ragt, wird als corneale Überlappung bezeichnet. 5. Ausblick: Individuelle Anpassung von Kontaktlinsen in näherer Zukunft 5.1 Scheiteltiefe als zentraler Anpassparameter Eine Herausforderung bei der Auswahl der ersten weichen Anpass-KL ist, die Linse so auszuwählen, dass sie eingerechnet der Versteilung, die sie auf dem Auge nach Aufsetzen erfährt, gut sitzt. Eine ideale individuelle Anpassung einer weichen Kontaktlinse bezüglich der Druckverteilung wäre theoretisch erreicht, wenn das Rückflächenprofil der Kontaktlinse auf dem Auge (nach Erreichen des Gleichgewichtszustandes von Verdunstung und Wiederaufnahme von Wasser) exakt dem Corneoskleralprofil spannungsfrei folgen würde. Nach einem kürzlich veröffentlichten mathematischen Modell von Graeme Young 2, 4 würde jedoch eine solche Gleichlaufanpassung zu einer stark nach unten dezentrierten und exzessiv beweglichen Kontaktlinse führen 9. Daraus folgt, dass für eine gute KL-Anpassung die Linse eine größere Scheiteltiefe als das okuläre Corneoskleralprofil im Auflagebereich der Linse besitzen muss. Anders ausgedrückt, die Linse muss am Rand stärker aufliegen als im Zentrum. Dies ist gleichbedeutend mit einer leichten Steilanpassung. Aus Youngs Modell lässt sich jedoch nicht ableiten, wie viel höher die Scheiteltiefe der Kontaktlinse sein muss, um zu einem guten Sitz zu führen. Genau dies ist die Information, die die Anpasser brauchen, die aber leider noch nicht zur Verfügung steht. Erste Untersuchungen an der Pacific University und Maastricht University 9 ergaben, dass die Scheiteltiefendifferenz Linse/Auge bei konventionellen Linsen zwischen 200-400 μm liegen muss. Bei Austausch-KL genügt eine Scheiteltiefendifferenz Linse/Auge von ca. 130 μm, wobei die Streubreite des Wertes für Austauschlinsen immens hoch war 10. Es ist sinnvoll, dass die Scheiteltiefendifferenz Linse/Auge bei konventionellen Linsen größer sein muss, denn Austausch-KL sind erfahrungsgemäß weniger beweglich als konventionelle KL und müssen im Vergleich flacher sein (eine geringere Scheiteltiefe haben), um bei guter Zentrierung ausreichend zu bewegen. Diese Richtwerte für Scheiteltiefendifferenzen sind die ersten Anhaltspunkte, die am Anfang eines großen Berges Forschungsarbeit stehen. Um gute Vorhersagen für den Sitz einer bestimmten weichen Kontaktlinse machen zu können, müssten viele Faktoren beachtet werden. Die Scheiteltiefe allein kann als Kriterium nicht ausreichend sein (vgl. Abb. 1 G-L). Aber selbst Basiskurve, Durchmesser und Scheiteltiefe zusammen sind nicht ausreichend. Das endgültige Sitzverhalten ist sehr stark von materialspezifischen Eigenschaften wie Modulus, temperaturabhängiger Formänderung und Wasserbindungsvermögen abhängig. Zukünftige Forschungsarbeiten müssen zeigen, wie (material-) spezifisch eine scheiteltiefenbasierte Anpassformel sein muss, und welche Vereinfachungen ohne zu große Fehler zulässig sind. 5.2 Randdehnung und corneale Überlappung als zentrale Anpassparameter Vielleicht ist aber auch die scheiteltiefenbasierte Anpassung nicht der Weisheit letzter Schluss. Das oben erwähnte mathematische Modell 2, 4 wurde entwickelt, um Vorhersagen über die Güte einer Anpassung zu machen. Das Modell basiert auf der Annahme, dass bei einem optimalen Sitz der KL die Linsenperipherie ein wenig gedehnt wird: genug, dass die Linse zentriert, aber nicht so viel, dass ein zu hoher Druck auf die Bindehaut ausgeübt wird. Dabei ist die zentrale Variable zur Beurteilung der Festigkeit des Linsensitzes die Randdehnung, also die Dehnung des Umfangs des äußeren Linsenrandes auf dem Auge (Abb. 4). Eine weiche KL schmiegt sich dem Auge an. Setzt man eine Linse auf das Auge, deren Scheiteltiefe höher ist, als der darunter liegende corneosklerale Abschnitt gleichen Durchmessers, dann dehnt sich der Umfang des Linsenrandes (Randdehnung > 0%). Ist die Scheiteltiefe der KL geringer, reduziert sich der Umfang der KL auf dem Auge, bzw. die Linse wird im Umfang gestaucht (Dehnung < 0%). Aus Youngs Modell lässt sich abschätzen, dass eine Linse mit <0% Dehnung zu locker sitzt, und eine Linse mit >6% Dehnung zu fest sitzt. Dazwischen befindet sich ein Bereich der Dehnung, in dem die Linse theoretisch einen akzeptablen Sitz aufweist. Als weiteres Kriterium nutzt Youngs Modell die corneale Überlappung (Abb. 4), also die Differenz zwischen dem Durchmesser der Linse auf dem Auge und dem horizontalen Hornhautdurchmesser 4. Hier ist zu beachten, dass der Durchmesser in vivo nicht dasselbe ist wie der Linsendurchmesser in vitro, da die Linse sich, wie bereits erwähnt, der Augenform anpasst. Youngs Modell ergibt, dass eine corneale Überlappung auf jeder Seite von 0,2 bis 1,2 mm zu einem akzeptablen Linsensitz führen dürfte. Die Untergrenze dieser Werte erscheint zunächst klein. Berücksichtigt man jedoch den Umstand, dass 10 die KONTAKTLINSE 4/2017

Individuelle weiche Kontaktlinsen SPEZIAL Young den wahren HH-Durchmesser mit dem OCT misst, welcher etwa 1,5 mm größer ist als der sichtbare Irisdurchmesser, dann ergibt sich eine gute Übereinstimmung mit den aus der Praxis gewohnten Werten von ca. 0,7-1,2 mm Überlappung über den sichtbaren Irisdurchmesser. Das Modell ermöglicht theoretische Überlegungen, die allerdings Materialeigenschaften komplett außer Acht lassen. Trotzdem stimmen die Vorhersagen des Modells recht gut mit Erfahrungen aus der Anpasspraxis überein. Demnach könnten ebenso wie die Anpassvariante KL-Rückflächenform und Scheiteltiefe (siehe 5.1) auch die Parameter Randdehnung und corneale Überlappung in Zukunft die Basis für die Auswahl der geeigneten Kontaktlinse sein. Voraussetzung für beide Varianten ist die Angabe zusätzlicher Parameter seitens der KL-Hersteller, sowie die Anschaffung der geeigneten Messtechnik: Geräte, die die corneosklerale Topographie im Auflagebereich einer weichen KL erfassen. Auch wenn noch keine Einigkeit darüber besteht, wie in Zukunft weiche Kontaktlinsen angepasst werden, so sind Scheiteltiefe und Randdehnung doch vielversprechende Ansätze und zumindest ein Schritt nach vorn. Forschung in dieser Richtung ist im Interesse der Kontaktlinsenkunden, der Kontaktlinsenanpasser, der Kontaktlinsenindustrie und der Geräteindustrie. Vielleicht gelingt es ja, dass alle an einem Strang ziehen für eine win-win-win-win-situation. Scheiteltiefe, Randdehnung, oder andere Ansätze; OCT, Scheimpflug, oder andere Messsysteme: man darf auf jeden Fall gespannt sein, in welche Richtung die Reise geht. Prof. Dr. Christian Kempgens arbeitete bis 2005 als Kontaktlinsenanpasser in Bremen. Nach seiner Promotion in Schottland unterrichtete er an der Fielmann Akademie Schloss Plön und ist seit Herbst 2016 Professor für Kontaktoptik an der Beuth Hochschule für Technik Berlin. Der Autor Prof. Dr. Dipl.-Ing. (FH) Christian Kempgens Beuth Hochschule für Technik Berlin Fachbereich VII Augenoptik/Optometrie Kurfürstenstraße 141 10785 Berlin christian.kempgens@beuth-hochschule.de Literatur 1 van der Worp E., Mertz C. (2015) Sagittal height differences of frequent replacement silicone hydrogel contact lenses. Contact Lens and Anterior Eye. 38 (3):157-162. 2 Young G. (2014) Mathematical Model for Evaluating Soft Contact Lens Fit. Optometry & Vision Science. 91 (7):e167 - e176. 3 Benz B., Lesjak G., Seira P. (2008) Messung der Gesamtscheiteltiefe von Austausch-Kontaktlinsen Teil 3, Schluss. Deutsche Optiker Zeitung. 2008 (5):92 95. 4 Young G., Hall L., Sulley A., et al. (2017) Inter-relationship of Soft Contact Lens Diameter, Base Curve Radius, and Fit. Optometry & Vision Science. 94 (in press). 5 Young G. (1992) Ocular sagittal height and soft contact lens fit. The Journal of the British Contact Lens Association. 15 (1):45-49. 6 Müller-Treiber A. Kontaktlinsen Know-how. Heidelberg: DOZ- Verlag Optische Fachveröffentlichung GmbH; 2009. S. 276-289. 7 Hall L. A., Young G., Wolffsohn J. S., et al. (2011) The Influence of Corneoscleral Topography on Soft Contact Lens Fit. Investigative Ophthalmology & Visual Science. 52 (9):6801-6806. 8 Institut für Optometrie FHNW Kontaktlinsenkatalog. https://blogs.fhnw.ch/io/klk/. Abgerufen 07.03.2017 9 van der Worp E., Molkenboer V. (2014) Backstage Part 2 Do we know what is happening behind a soft lens? Global Contact. 2014 (2):20-24. 10 van der Worp E., Hulscher J. (2015) Speed Date CL-SAG mmets OC-SAG: Observations and findings from the Groenhof-Study Part 1/2. Global Contact. 2015 (2):22-24. die KONTAKTLINSE 4/2017 11