Brandbekämpfung in staubexplosionsgefährdeten Bereichen am Beispiel der Inertisierung eines Silobrandes Dipl.-Ing. Jörg Krümpelmann DMT GmbH & Co. KG, Zentrum für Brand- und Explosionsschutz, Tremoniastraße 13, 44137 Dortmund, Deutschland, joerg.kruempelmann@dmt-group.com Kurzfassung: Insbesondere öffentliche Feuerwehren sind im Hinblick auf die Bekämpfung von Bränden in staubführenden Anlagen nicht immer optimal ausgebildet und besitzen oftmals nur wenig Erfahrung bei derartigen Einsatzlagen. Die Kenntnis über die generellen Verhaltensweisen sowie auch über spezielle Vorgehensweisen ist bei den öffentlichen Feuerwehren eher rudimentär. Der Vortrag beschäftigt sich einleitend mit Schadensereignissen sowie kurz mit den physikalischen Grundlagen. Schwerpunkte setzt der Vortrag in der Erläuterung der generellen Verhaltensweisen und der speziellen Vorgehensweisen am Beispiel der Brandbekämpfung bei Siloanlagen. 1. Einleitung Aus der Statistik von Schadensereignissen ist zu entnehmen, dass Silos und Bunker zu den Anlagengruppen gehören, die sehr häufig von Bränden und Staubexplosionen betroffen sind. Durch falsche Taktik bei der Brandbekämpfung in solchen Anlagen sind wiederholt Staubexplosionen ausgelöst worden, die zu erheblichen Personen- und Sachschäden führten. 2 5 % 2 0 2 0 1 8, 8 1 5 1 2, 3 1 2, 7 1 0 1 0, 9 7, 1 5 5 4, 4 4 3 0 Silos / Bunker Entstaubungsanlagen Mahl- u. Zerkleinerungsanlagen Förderanlagen Trockner Feuerungsanlagen Mischanlagen Schleif-, Polier- u. Mattiermaschinen 0, 8 Siebanlagen (Sichter) Pulverrückgewinnungs - anlagen Wiegeanlagen Abb. 1: Statistik - Anteil einzelner Anlagengruppen an Staubexplosionen 0, 4 0, 4 0, 2 Walzen Spritzkabinen Sonstige Insbesondere öffentliche Feuerwehren sind im Hinblick auf die Bekämpfung von Bränden in staubführenden Anlagen nicht immer optimal ausgebildet und besitzen oftmals nur wenig Erfahrung bei derartigen Einsatzlagen. Am Beispiel von Silobränden werden in dem
Zusammenhang im Folgenden die zu berücksichtigenden besonderen Gefahren und Maßnahmen im Brandfall aufgeführt. Zum Beispiel kam es bei einem Brand eines Getreidesilos im thüringischen Niederpöllnitz während der Löscharbeiten zu einer Staubexplosion. Die Decke des Silos stürzte ein und begrub fünf Feuerwehrleute. Nach stundenlangen Bergungsarbeiten gelang es den Rettungskräften drei Verschüttete schwer verletzt zu befreien. Zwei Feuerwehrleute kamen ums Leben. Abb. 2: Getreidesilo nach der Explosion Dieses Beispiel zeigt, dass insbesondere der Betreiber einer solchen Anlage im Rahmen seiner Betreiber-Verantwortung geeignete Vorkehrungen zur Brandvermeidung und Brandbekämpfung zu treffen hat. Diese können bzw. müssen sich dann auf die anerkannten Regeln der Technik beziehen. 2. Vorbereitende Maßnahmen zur Inertisierung von Silos Neben der Verhinderung einer Brandentstehung im Silo oder Bunker, in denen brennbare Produkte gelagert werden, müssen Maßnahmen zur Bekämpfung möglicher Brände getroffen werden. Diese werden in organisatorische Maßnahmen, bautechnische Maßnahmen und Maßnahmen im Brandfall unterschieden. Hinweise hierzu gibt es in Berufsgenossenschaftlichen Regelwerken wie z.b. Silos für Holzstaub und -späne, Bauliche Einrichtungen, Brand- und Explosionsschutz, Ausbildungsunterlagen der Feuerwehren wie z.b. Einsatzlehre Silobrände der Branddirektion Frankfurt am Main, Hinweisen der Sachversicherer z.b. Inertisierung von Silos im Brandfall des VdS-Schadenverhütung GmbH oder Sicherheitstechnische Fachinformation Brandschutz und Brandbekämpfung in Silo- und Bunkeranlagen der HDI-Gerling Sicherheitstechnik.
Abb. 3: Fachinformationen zum Brandschutz in Siloanlagen Abb. 4: Weitere Fachinformationen zum Brandschutz in Siloanlagen
Organisatorische Maßnahmen Zu den organisatorischen Maßnahmen zählen u.a.: der betriebliche Alarmplan mit Angaben zu Firmenleitung Feuerwehr Berufsgenossenschaft Gewerbeaufsicht Feuerversicherer Fachstellen und Firmen für die Silo-Inertisierung Plan für die Silo-Inertisierung der Plan für die Silo-Inertisierung mit Angaben zu Verfügbare Inertisierungsanlagen Inertgaslieferanten Verfügbare Messeinrichtungen für o Inertgasdruck und -menge o Sauerstoff und Kohlenmonoxid o Temperatur Aufstellungsort der Inertisierungsanlage Hinweise zur Durchführung der Inertisierung. Der Feuerwehrplan sollte Angaben und Informationen zu Explosionsschutzzonen beinhalten Abb. 5: Feuerwehrplan mit Explosionsschutzzonen Bautechnische Maßnahmen Zu den bautechnischen Maßnahmen zählen u.a. die vorbereiteten Anschlüsse für die Aufgabe von Inertgas, Öffnungen für Messsonden und den Notaustrag sowie ggf. eine Vorbereitung des möglichen Aufstellplatzes für die Inertisierungsanlage mit den notwendigen Energieversorgungseinrichtungen. Die Abbildung 6 zeigt die Anordnung der vorzubereitenden bautechnischen Maßnahmen am Silo.
1 Inertgasanschluss 2 Öffnung für Messsonden 3 Revisionsklappe 4 Notaustragsöffnung 5 Siloeinlauf Abb. 6: Bautechnische Maßnahmen 3. Angewandte Vorgehensweise bei Silobränden Nach Feststellung eines Brandes in einem Silo werden i.d.r. der Silofuß und der Silokopf abgedichtet, um den Sauerstoffzustrom zu verringern. Sofern nicht mit Sicherheit eine mögliche Explosionsgefahr ausgeschlossen werden kann, ist die betroffene Silozelle durch Inertgasaufgabe in den Kopfraum derart zu inertisieren, dass die Sauerstoffgrenzkonzentration des explosionsfähigen Stoffes sicher unterschritten wird. Im zweiten Schritt wird dann von unten Inertgas aufgegeben, so dass der Sauerstoffgehalt im eingelagerten Produkt möglichst auf Gehalte < 2 Vol.% abgesenkt wird. Über die messtechnische e Überwachung kann die Inertgasaufgabemenge gesteuert ert und der Inertisierungserfolg erkannt werden. Üblicherweise werden erst nach Aufbau einer ausreichenden Inertgasatmosphäre weitere Löschmittel aufgegeben. 4. Beispiel einer Siloinertisierung Am Beispiel einer Siloinertisierung isierung soll die Vorgehensweise bei der Bekämpfung eines Silobrandes veranschaulicht werden. In einem aus 4 Silos bestehenden Silokomplex kam es aufgrund von Absatzschwierigkeiten in einem Holzpelletsilo zu einem Brand. Das betroffene Silo mit einem Volumen von 3.000 m³ und einem Inhalt von rd. 1.7000 t Holzpellets war nahezu vollständig gefüllt. Nach der Branderkennung durch das Betriebspersonal, ebspersonal, diese stellten Rauch- und Flammenerscheinungen im Kopfbereich des Silos fest, wurde die benachbarte Werkfeuerwehr alarmiert. Der erste Löschversuch mit Wasser brachte keinen nachhaltigen Löscherfolg. Nach 3 Tagen wurde die DMT GmbH & Co. KG zur Beratung hinzugezogen. Zur Brandbekämpfung wurde im Folgenden auf eine Inertisierung mit CO 2 umgestellt. U.a. wurden folgende Maßnahmen ergriffen:
Brandlokalisation mittels Thermographiekamera Aufbau einer Verdampferanlage mit einer Verdampferleistung von bis zu 350 m³/h Aufbau einer Gasmessstrecke für CO, O 2 und CO 2 Inertisierung des Kopfvolumens zur Vermeidung einer Explosionsgefahr auf O 2 - Gehalte von < 8 Vol.% Abdichtung des betroffenen Silos nach Aufnahme der Inertisierung Inertisierung des Schüttvolumens zur Bekämpfung von Schwelbränden in der Schüttung auf O 2 -Gehalte von < 2 Vol.% Ausräumen des betroffenen Silos Kühlung der Nachbarsilos mit Wasser Leerfahren der Nachbarsilos zur Vermeidung einer Brandübertragung und Brandausbreitung Sicherung der durch CO 2 gefährdeten Bereiche durch Absperrung Die Abbildungen 7 bis 12 zeigen die ergriffenen Maßnahmen. Abb. 7: Siloanlage Abb. 8: Brandlokalisation durch Thermographie Abb. 9: Inertisierungsanlage Abb. 10: Inertisierungsanlage
Abb. 11: Abdichten der Silozelle Abb. 12: Austrag des Silogutes Der Verlauf des Inertisierungserfolges serfolges kann anhand der Abbildungen 13 bis 16 nachvollzogen werden. Mit der Aufnahme der Inertisierung I um 13:30 Uhr am 1. Tag der Inertisierung sank der O2-Gehalt langsam und kontinuierlich kontinuierli bis auf einen Wert von ca. 1 Vol.% am 2. Tag gegen 20:00 Uhr ab. Abb. 13: Verlaufskurven der CO-, CO CO2- und O2-Konzentrationen am 1. Tag
Abb. 14: Verlaufskurven der CO-, CO 2 - und O 2 -Konzentrationen am 2. Tag Der niedrige O 2 -Gehalt konnte dank der Abdichtung des Silos über den gesamten Zeitraum der Inertisierung auf diesemem Niveau gehalten werden. In dieser Zeit nahmen das Brandgeschehen und damit auch der CO-Gehalt kontinuierlich ab, so dass am 10. Tag nach Aufnahme der Inertisierung mit dem Austrag des Materials in dem vom Brand betroffenen Silo begonnen werden konnte. Abb. 15: Verlaufskurven der CO-, CO 2 - und O 2 -Konzentrationen am 9. Tag
Abb. 16: Verlaufskurven der CO-, CO 2 - und O 2 -Konzentrationen am 24. Tag Hinsichtlich des Produktaustrages wurden die Optionen Öffnen des Silokopfes und ausbaggern, schaffen einer Zugangsöffnung an der Siloaußenseite und der Einbau einer Schnecke und Austrag über normalen Förderweg erwogen. Letztendlich entschied die Einsatzleitung die Umsetzung der Option 3, da diese als sicherstes und sinnvollstes Vorgehen erachtet wurde. Zusätzlich musste bei der Entleerung des Silos die Explosionsgefahr durch Aufrechterhaltung der Inertisierung unterbunden werden. Hierzu war die ständige messtechnische Überwachung im Silo erforderlich. Zusätzlich musste der Arbeitsbereich auf gefährliche Ansammlungen des Inertgases CO 2 kontrolliert werden. Insbesondere tiefer gelegene Bereiche wie der Silokeller oder die Kanalisation wurden in die Überwachung einbezogen. Zusammenfassend lässt ist festzustellen, dass auch bei diesem Brand die Brandbekämpfung incl. Leerräumen mehrere Wochen in Anspruch genommen hatte. Die Dauer der Inertisierung betrug 24 Tage und es wurden insgesamt 207.000 m³ CO 2 aufgegeben. en. Dank der Inertisierung konnte die Explosionsgefahr während der gesamten Zeit der Brandbekämpfung und des Siloaustrages weitestgehend ausgeschlossen werden. Die Zusammenarbeit zwischen Betreiber, Werkfeuerwehr und DMT verlief durch die frühe Abstimmung der Vorgehensweise gut. Auch dieser Fall zeigte die Wichtigkeit der Planung von vorbeugenden, organisatorischen, anlagentechnischen und abwehrenden Brandschutz im Vorfeld eines Brandereignisses.
5. Schlussfolgerungen - Verbesserung der Sicherheit bei der Silobrandbekämpfung Die folgenden Sachverhalte verbessern die Sicherheit bei der Silobrandbekämpfung. Betreiber Offenheit über den Anlagenzustand gegenüber der Feuerwehr Nutzung des Explosionsschutzdokuments als Informationsquelle o Reinigungszustand o Zonenpläne Bei Bedarf frühzeitige Beteiligung externe Berater in Abstimmung mit der Feuerwehr Im Zweifelsfall: ERST INERTISIEREN - DANN LÖSCHEN Feuerwehr Bewusstsein über die Problematik von Bränden in staubexplosionsgefährdeten Bereichen entwickeln und schulen o Erkennen des Gefahrenpotentials o Erarbeiten von Einsatzprinzipien Kenntnis der betroffenen Anlagen im Einsatzgebiet (Begehungen, Übungen, etc.) Keine Scheu den Betreiber oder Berater mit Spezialkenntnissen hinzuzuziehen o Niemand muss alles können oder wissen Nutzung des Explosionsschutzdokuments als Informationsquelle Im Zweifelsfall: ERST INERTISIEREN - DANN LÖSCHEN Fragen die / denen man sich vorher stellen sollte (Auszug) Wissen Sie wirklich sicher wie man eine (unmittelbare) Explosionsgefahr erkennt? Kennen Sie Ex-Anlagen in Ihrem Ausrücke-Bereich? Liefern Ihre F-Pläne und FE-Pläne ausreichend Informationen zu Ex-Gefahren? Achten Sie bei der Fahrzeugaufstellung auf die Lage von Explosionsdruckentlastungseinrichtungen? Achten Sie beim Einsatz von Hochleistungslüftern auch auf allfällig vorhandene Staubablagerungen? Ihr Ansprechpartner: Dipl.-Ing. Jörg Krümpelmann DMT GmbH & Co. KG Zentrum für Brand- und Explosionsschutz Tremoniastraße 13 44137 Dortmund, Deutschland Telefon +49 231 5333-239 Telefax +49 231 5333-299 joerg.kruempelmann@dmt-group.com TÜV NORD GROUP DMT Notrufnummer für Sonderbrandbekämpfung (z.b. Silobrände) +49 231-5333-237