Am Sabbat heil werden (Johannes 5,1-16; 19. n. Trin. V)

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Transkript:

Am Sabbat heil werden (Johannes 5,1-16; 19. n. Trin. V) Eine Predigt von Bernhard Kaiser 1 Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. 2 Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; 3 in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. Sie warteten darauf, daß sich das Wasser bewegte. 4 Denn der Engel des Herrn fuhr von Zeit zu Zeit herab in den Teich und bewegte das Wasser. Wer nun zuerst hineinstieg, nachdem sich das Wasser bewegt hatte, der wurde gesund, an welcher Krankheit er auch litt. 5 Es war aber dort ein Mensch, der lag achtunddreißig Jahre krank. 6 Als Jesus den liegen sah und vernahm, daß er schon so lange gelegen hatte, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? 7 Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. 8 Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! 9 Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. Es war aber an dem Tag Sabbat. 10 Da sprachen die Juden zu dem, der gesund geworden war: Es ist heute Sabbat; du darfst dein Bett nicht tragen. 11 Er antwortete ihnen: Der mich gesund gemacht hat, sprach zu mir: Nimm dein Bett und geh hin! 12 Da fragten sie ihn: Wer ist der Mensch, der zu dir gesagt hat: Nimm dein Bett und geh hin? 13 Der aber gesund geworden war, wußte nicht, wer es war; denn Jesus war entwichen, da so viel Volk an dem Ort war. 14 Danach fand ihn Jesus im Tempel und sprach zu ihm: Siehe, du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr, daß dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre. 15 Der Mensch ging hin und berichtete den Juden, es sei Jesus, der ihn gesund gemacht habe. 16 Darum verfolgten die Juden Jesus, weil er dies am Sabbat getan hatte. Zur Einführung Jesus befindet sich in Jerusalem, der Hauptstadt der jüdischen Religion, dem Ort des von Herodes neu erbauten Tempels, der Zentrale des pharisäischen Judentums. Hier wird er auf Schritt und Tritt beobachtet. Hier kommentieren die religiösen Führer seine Worte und Taten, nirgendwo mehr als hier findet die Konfrontation mit den Juden statt. Hier sollte Jesus auch den Prozeß gemacht bekommen und sterben. An der Nordmauer in der Nähe des Schaftores stand ein größeres Gebäude, das zwei Teiche umschloß und von Säulenhallen umgeben war; eine Säulenhalle teilte auch die beiden Teiche voneinander. Man hat diese Gebäude vor längerer Zeit schon ausgegraben und der Beschreibung nach ist dies offenbar der Ort, der hier mit dem Namen Bethesda bezeichnet wird. Zur Zeit Jesu war das ein Ort des Elends, weil sich hier praktisch nur Kranke einfanden, die auf Heilung hofften. Bestenfalls kam noch jemand mit einem Kranken, um diesem ins Wasser zu helfen, wenn es denn wieder einmal so weit war, daß es sich bewegte und Hoffnung auf Heilung bestand. Jesus tut hier ein Wunder: 1. Das Wunder der Heilung Jesus besucht diesen Ort des Elends. Man muß sich das vorstellen: Es war ja eine Zeit, in der es all die Möglichkeiten der modernen Medizin noch nicht gab keine wissenschaftlich begründete Arzneimittelkunde, keine Apotheken, keine wissenschaftlich geschulten Ärzte, keine Krankenhäuser mit der heutigen technischen Ausstattung, um Krankheiten zu erkennen und zu behandeln. Die Heilkunde bestand damals aus dem ungenauen Erfahrungswissen und dem Wissen, welches Kraut man gegen welche Krank-

Kaiser: Am Sabbat heil werden, Seite 2 heit verabreichen mußte. Natürlich gehörte auch so manches, was heute ein Physiotherapeut oder ein Chiropraktiker tut, zur damaligen Heilkunst. Alle diese Methoden waren wohl einigermaßen sanft, aber ihre Wirkung war oft fraglich. So blieben viele Menschen krank und hofften auf ein Wunder ein Eingreifen Gottes. Dafür war der Teich Bethesda da. Bethesda heißt ja Haus der Gnade, und hier geschah es, daß sich das Wasser bewegte und wohl heilende Kräfte in sich barg. Wir können heute kaum sagen, mit was für einem Phänomen wir es dabei aus wissenschaftlicher Sicht zu tun haben. Vielleicht war es eine Heilquelle, wie wir sie kennen, aber nach allem, was wir lesen wohl eher nicht, sondern ein Ort, an dem Wunder der Heilung geschahen. Gott wäre dann seinem Volk Israel an diesem Teich und in diesen Hallen im Zuge seiner Offenbarung begegnet und hätte kostenlose Heilung von allerlei körperlichen Leiden angeboten. Nun kam Jesus an diesen Ort der Krankheit, des Siechtums und der Erwartung auf Heilung. Dabei begegnet er einem Mann, der schon achtunddreißig Jahre lang krank darniederlag. Offenbar erkundigte er sich nach ihm und erfuhr, daß er schon so lange gelegen hatte. Achtunddreißig Jahre lang krank das war eine chronische Krankheit und man kann sich lebhaft vorstellen, daß dieser Mann kaum noch Hoffnung auf Besserung besaß. Offenbar war es ihm nicht möglich, rechtzeitig ins Wasser zu steigen, weil immer jemand anders schneller war als er und weil er niemanden hatte, der ihm hätte ins Wasser helfen können. Wir lesen nun: Als Jesus den liegen sah und vernahm, daß er schon so lange gelegen hatte, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. Man darf aus der Frage Jesu, Willst du gesund werden nicht ableiten, daß Jesus seine Wunder nur dort tut, wo ihm die Menschen erst ihre Zustimmung erteilt haben. Auch darf man daraus nicht schließen, wenn ein Mensch gerettet werde, dann liege es an seinem Willen oder seiner Zustimmung. Auf diese Weise wäre der Apostel Paulus niemals Christ geworden. Nein, Jesus bringt mit dieser Frage die Ausweglosigkeit des Mannes zum Bewußtsein, wie denn auch dessen Antwort zeigt. Er würde schon gerne geheilt werden, aber er hat niemanden, der ihm ins Wasser hilft. Der kranke Mann dachte eben ganz realistisch im Rahmen der Möglichkeiten, die er hatte, und diese waren gleich null. Das bringt er mit seiner Antwort zum Ausdruck. Doch daraufhin nimmt Jesus das Schicksal dieses Mannes in seine Hand und sagt zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Also: kein Wasser, kein Abwarten mehr, bis sich das Wasser bewegt, auch sonst kein äußeres Zeichen wie etwa bei der Heilung des Blindgeborenen (Joh 9,1-17), bei dem Jesus einen Brei machte und ihn ihm auf die Augen strich. Jesus spricht nur ein Wort: Steh auf, nimmt dein Bett und geh hin! Der Kranke mußte sicher erst registrieren, was ihm da auf einmal gesagt wurde: Aufstehen, die Matte nehmen und fortgehen das konnte er doch gar nicht, jedenfalls bis jetzt nicht. Aber das Wort Jesu war Verheißung und Aufforderung zugleich. Er merkte: Ich kann meine kranken Knochen wieder bewegen, ich kann aufstehen, ich kann etwas tragen und muß nicht länger getragen werden! Mit dieser Neuausstattung ließ er es sich nicht zweimal sagen. Wir lesen: Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. Endlich war das dumpfe Schicksal des endlosen Wartens auf Heilung vorbei. Endlich konnte er sein Leben wieder in die Hand nehmen, arbeiten, seinen Lebensunterhalt verdienen, für andere Menschen sorgen einfach gesund sein und sich wieder am Leben freuen. Achtunddreißig lange Jahre des Siechtums, der Ausgrenzung, der regelmäßig enttäuschten Hoffnungen und des Wartens waren vorbei. Wie wenn das alles nur ge-

Kaiser: Am Sabbat heil werden, Seite 3 schehen wäre, damit deutlich würde: Jesus ist derjenige, der einen Menschen heilen kann. 2. Der Streit mit den Juden Jesus hatte in den Augen der jüdischen Vordenker bei diesem Vorgang einen gravierenden Fehler gemacht. Er hatte an einem Sabbat geheilt. Das aber war doch von Gott verboten. Pech also, daß das Gute am Sabbat geschah. Doch zunächst galt ihr Tadel dem Geheilten. Es wird ihm wohl mehr als recht gewesen sein, daß er geheilt worden war und daß sein Siechtum nun ein Ende gefunden hatte. Warum eigentlich nicht am Sabbat? Jedenfalls trug er am Sabbat voller Freude und Dankbarkeit seine Matte nach Hause. Doch die Juden bemerkten das und stellten ihn zur Rede: Es ist heute Sabbat; du darfst dein Bett nicht tragen. Da war sie wieder, die Polizistenmentalität, die nur darauf wartet, daß jemand etwas falsch macht, um ihn dann zurechtweisen zu können. Immerhin konnten die Juden das alttestamentliche Gesetz für sich beanspruchen, das ja klipp und klar gebot: Du sollst den Sabbattag heiligen! Jeremia sagt zur Erklärung: So spricht der HERR: Hütet euch und tragt keine Last am Sabbattag durch die Tore Jerusalems und tragt keine Last am Sabbattag aus euren Häusern und tut keine Arbeit, sondern heiligt den Sabbattag, wie ich euren Vätern geboten habe (Jer 17,21-22). Das war doch wohl eindeutig. Ja, das war es, und wahrscheinlich hat das der Geheilte auch gewußt. Aber Jesus hatte ihm nun mal gesagt, er solle sein Bett nehmen und fortgehen, und genau das tat er und das sagte er auch den Juden. Allerdings war ihm immer noch unklar, daß es Jesus war, der ihn gesund gemacht hatte, und in der Menge der Menschen war Jesus nicht aufzufinden. Er konnte nur darauf verweisen: Der mich gesund gemacht hat, sprach zu mir: Nimm dein Bett und geh hin! Der Geheilte ging noch am selben Tag in den Tempel. Vielleicht wollte er Gott dort für seine Heilung danken oder gar ein Opfer bringen. Dort traf Jesus ihn erneut und sagte ihm: Siehe, du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr, daß dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre. Nun wurde es dem Geheilten klar, wer ihn geheilt hatte: es war Jesus. Dies sagt er denn den Juden ganz offen. Den Juden und insbesondere ihren geistlichen Oberhäuptern war der ganze Vorgang ein Dorn im Auge. Für sie war klar: Wer so offen gegen das Sabbatgebot verstößt, der kann nicht von Gott sein. Sie waren mit dieser Ansicht sogar total bibeltreu, denn sie nahmen die Bibel beim Wort. Das Resultat wird uns am Ende unseres Predigttextes berichtet: Darum verfolgten die Juden Jesus, weil er dies am Sabbat getan hatte. So weit kann einen eine formal-äußerliche Bibeltreue führen: man verfolgt Jesus. Obwohl das alttestamentliche Gesetz klar in Aussicht gestellt hatte, daß der große Prophet noch kommen würde, verkannten ihn die Juden. Es mußte sie stören, was er sagte und tat; stören, weil er ihre Frömmigkeit als Heuchelei brandmarkte und ihnen die Gerechtigkeit absprach, obwohl sie sich für gerecht hielten. Sie beschlossen, ihn zu beseitigen, was ihnen schlußendlich auch gelang. Die Tatsache, daß Jesus sich über das Sabbatgebot hinwegsetzt, macht deutlich, daß er sowohl über dem Gebot als auch über dem Sabbat steht. Die Sabbatvorschriften gehören zum Sinaibund, und in diesem geht Gott mit seinem Volk wie mit Kindern um. Das jüdische Volk mußte im sinaitischen Bund Dinge tun, die in der Substanz nicht zum Verhältnis zu Gott gehören, sondern vorübergehende Anordnungen darstellen. So wie man seinen Kindern das eine verbietet und das andere gebietet, aber dann, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben, es eben nicht mehr tut, so ähnlich machte es Gott auch mit seinem Volk. An dem alttestamentlichen Israel exerzierte er bestimmte Dinge durch. Sie sollten auf den Sabbat achthaben, aber nicht weil das Einhalten der Sabbatgebote für den Gottesdienst essentiell notwendig wäre, sondern weil der Sabbat einen

Kaiser: Am Sabbat heil werden, Seite 4 Sachverhalt darstellt, der in Jesus Christus zu seiner Erfüllung gekommen ist: Das Abstandnehmen von aller Werkgerechtigkeit, weil Gott es ist, der alle Dinge schafft und tut. Gott ist es auch, der in Jesus die Menschen rettet eben weil sie sich selbst nicht retten können. Darauf weist das Sabbatgebot. Nun kommt Jesus und bringt mit seiner Person und seinem Werk das Sabbatgebot zur eigentlichen Erfüllung. Er heilt am Sabbat und macht damit deutlich: Er, Jesus, ist mehr als der irdische, wöchentliche Sabbat. Er ist derjenige, in dem Gott die Schöpfung wirklich zum Heil bringt und damit zur Ruhe. Er ist derjenige, in dem Gott die Schöpfung rettet. Das wurde auch mit der Heilung des Kranken erkennbar und mußte erst recht Aufsehen erregen, da die Heilung am Sabbat geschah. Wer Jesus hat, der ist vor Gott zur Ruhe gekommen. So weist denn das ganze Geschehen dort am Teiche Bethesda auf Jesus selbst. 3. Jesus der offenbare Gott Das Wunder der Heilung dieses Mannes am Teiche Bethesda gehört, wie alle anderen Zeichen und Wunder Jesu auch, zur Selbstoffenbarung Jesu. Es ist unwiederholbar. Es gehört zum Ausweis Jesu. Wir sollen an diesem Geschehen Jesus erkennen, wie auch an den vielen anderen Zeichen und Wundern, die uns in der Bibel berichtet werden. Wir dürfen es nicht als Hinweis verstehen, daß Jesus alle unsere Krankheiten heilen würde, wenn wir es nur wollten. Auch dürfen wir diese Begebenheit nicht als formales Schema verstehen, wie wir Jesus zu begegnen hätten oder wie Jesus uns begegnet. Jesus begegnet uns heute, indem er uns sein Wort verkündigen läßt. Anhand dessen, was sein Wort, die heilige Schrift, von ihm sagt, sollen wir erkennen, wer er ist. Das aber wird auch an dieser Begebenheit erkennbar: Er ist der gnädige Gott, der sich einem hilflosen Menschen in seiner ganzen Freundlichkeit zuwendet. Der Kranke am Teich Bethesda hatte niemanden, der ihm ins Wasser half. Jesus aber heilt ihn. Er überholt damit den Mangel an Helfern. Doch Jesus setzt sich nicht zu dem Kranken und wartet, bis sich das Wasser wieder bewegt, um ihn dann ins Wasser zu begleiten. Er überholt sogar das heilende Wasser selbst. Er heilt ihn unmittelbar und auf der Stelle durch sein schöpferisches Wort. Er macht damit dem kranken Mann deutlich: Alle Kraft Gottes, auch alles was Du an Gnade im Haus der Gnade suchst Du hast es in mir. Noch ein weiteres wollen wir erkennen: Johannes berichtet, daß Jesus im Anschluß an diese Begebenheit gesagt hat: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn. Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er tut, und wird ihm noch größere Werke zeigen, so daß ihr euch verwundern werdet (Joh 5,19-20). Das bedeutet: Jesus hat diese Heilung nicht von langer Hand geplant und in Szene gesetzt, sondern er hat sie vorgenommen, als er erkannte: Dies ist es, was mir der Vater im Himmel zu tun vor die Füße legt. Im Blick auf Jesus bedeutete dies: Er erreicht mit dieser Heilung nicht eine neue Sprosse auf seiner Karriereleiter, sondern er geht hinter Gott, dem Vater her. Was der Vater ihm in seiner Liebe gibt, das nimmt er sich vor. Er lebt und handelt vollständig im Einklang mit dem Willen Gottes. Zwischen Gott und ihm gibt es keinen Unterschied. Indem Jesus Gott als seinen Vater bezeichnete, machte er sich ja Gott gleich. Das störte die Juden nun noch mehr, denn damit erhob er ja den Anspruch: Wer es mit mir zu tun hat, der hat es mit Gott zu tun. Gott das bin ich. Ein Mensch soll Gott sein? Das ist doch eine Zumutung. Aber genau das möchte Jesus deutlich machen: Mein Werk ist Gottes Werk. Was ich tue, das tut Gott. Wer Gott erkennen möchte, der muß auf mich sehen.

Kaiser: Am Sabbat heil werden, Seite 5 Noch etwas sehen wir hier. In dem Haus lagen viele Kranke. Ob Jesus noch andere geheilt hat, wird uns nicht berichtet. Jedenfalls hat Jesus aus seinem Auftritt dort keine Heilungsveranstaltung gemacht. Seine Zuwendung traf eben diesen einen kranken Mann, und das scheinbar ganz zufällig, aber nach dem gnädigen Willen Gottes. So ist diese Begebenheit wie ein Schlaglicht, durch das Jesus Gott in einer ganz bestimmten Weise offenbar macht. Sie macht deutlich, daß Gott sich einem Menschen in seiner freien Gnade zuwendet. Die Zuwendung ist unverdient. Der Mensch wird nicht nach seiner Vorleistung gefragt, sondern allenfalls nach dem Eingeständnis seines Unvermögens. Jesus heilt ihn ohne großes Zeremoniell, einfach indem er ihm befiehlt: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Frei und umsonst macht er ihn gesund, und alles geschieht zum Lob der Gnade Gottes. Zum Schluß: Was lernen wir aus dieser Begebenheit? Gott erkennen wir nur richtig in Jesus. Man kann sich viele Vorstellungen von Gott machen. Das können philosophische Gottesvorstellungen sein von einem höchsten Wesen oder einem höchsten Gut, von einem mächtigen, schöpferischen Willen oder einem Urgrund allen Seins. Es können auch biblische Vorstellungen sein von einem Gott, der in einem Licht wohnt, in das niemand kommen kann, einem Gott, der im Himmel auf einem Thron sitzt und so heilig ist, daß kein Sünder zu diesem Thron Zutritt findet. An allen diesen Vorstellungen ist etwas Wahres dran, aber sie treffen den Gott der Bibel nicht oder nur teilweise. In Jesus wird ein Gott offenbar, der ein ganz menschliches Angesicht hat, ein Gott, vor dem man nicht erschrecken muß. Hier finden wir einen Gott, der sich dem Menschen in freier Liebe zuwendet, ein Gott, der in die Siechenhäuser dieser Welt geht und einen Kranken anspricht und heilt. Das ist ein Gott, bei dem man schwach und hilflos sein kann, ein Gott, bei dem man nicht den starken Mann oder den Mann mit der weißen Weste schauspielern muß. In Jesus wird ein Gott offenbar, der den Sünder in seinem ganzen Elend sieht, und ihm gerade deswegen gnädig ist. Wenn Sie erkennen, daß Ihre Situation vor Gott so ist wie die des Kranken, dann sollten Sie hören, was Jesus sagt. Damals sagte Jesus zu dem Kranken: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Heute, nachdem Jesus sein Heilswerk in seinem Tod und seiner Auferstehung vollbracht hat, heißt das: Glaub mir, daß Gott dir um meinetwillen gnädig ist und dir deine Sünden vergibt, und mach dir keine Mühe, mit anderen Mitteln deine Lebensführung zu beschönigen. Laß deine vergeblichen Anstrengungen, besser sein zu wollen als andere, fahren. Steh auf aus der Lethargie des Unglaubens, vertraue auf die Zusagen, die ich dir mit dem Evangelium gebe! Halte den Sabbat, die Gottesruhe, in meinem Werk, in dem, was ich für dich getan habe. Amen. Sie brauchen das IRT das IRT braucht Ihre Unterstützung: Deutschland: Volksbank Mittelhessen, BLZ 513 900 00; Konto Nr. 45632601 Schweiz: Raiffeisenbank Schaffhausen, BC 81344; Konto Nr. 9210771 (EUR) oder 9210778 (CHF)