Judika 2017 AD in Bargum/Lütjenholm (Gen 22:1-13) Wenn wir zu unseren Gottesdiensten mit Kinoplakaten einladen würden, dann hätte vielleicht auf dem heutigen Plakat stehen müssen: Freigegeben ab 16 Jahren oder Freigegeben ab 18 Jahren. Denn in einem Artikel, den ich als Vorbereitung für die Predigt heute gelesen habe, das stand, dass man aufpassen müsse, ob Kinder im Gottesdienst seien und wenn ja, dass man lieber auf die Geschichte aus dem Alten Testament verzichten sollte. Denn in dieser Geschichte haben wir ja gehört, wie Abraham seinen Sohn Isaak opfern soll und wie er erst in letzter Sekunde von einem Engel davon zurückgehalten wird. Und in den Zeilen, die ich dazu gelesen habe, stand, dass das für Kinder zu grausam und beängstigend sein könnte und für sie nicht gut wäre. Ich muss sagen, dass mir diese Geschichte als Kind allerdings gar nichts ausgemacht hat. Ich erinnere mich, wie diese Geschichte immer mal wieder im Kindergottesdienst ran kam, und ich mochte sie sehr gerne. Denn die Geschichte geht ja gut aus, Gott verhindert ja gerade noch rechtzeitig das Opfer. Und vielleicht, so genau weiß ich das nicht mehr, aber womöglich war mir als Kind klar: Gott passt schon auf, dass nichts passiert; Gott hat die Kinder doch viel zu lieb, als dass er ihnen etwas Böses antun wollte. Ich würde im Gegenteil sagen, dass diese Geschichte nicht für Kinder hart ist, sondern für Eltern. Jedenfalls geht es mir so, dass, seit ich selber Kinder habe, ich es als viel härter, viel unerträglicher und viel unzumutbarer und viel grausamer empfunden habe, was Abraham hier zugemutet wird. So müsste hier eigentlich nicht das Jugendschutzgesetz, sondern das Elternschutzgesetz greifen; und wenn es ein Gottesdienstplakat gäbe, so könnte da drauf stehen: Nicht für Eltern geeignet. Aber trotzdem soll es
in dieser Predigt nun um diese Geschichte gehen, denn wir können uns nicht nur die soften und lieben Geschichten aus der Bibel rauspicken, sondern müssen uns auch mit den harten und schweren Geschichten abmühen, wenn wir zur Wahrheit kommen wollen und Gott besser kennenlernen wollen. Also, in dieser Geschichte hören wir, wie Gott zu Abraham sagt: Ziellos und opfere Deinen Sohn Isaak! Und dann gehen Isaak und Abraham los. Ohne es zu wissen, trägt Isaak das Holz für seine eigene Opferung wie Jesus, der sein eigenes Kreuz zu seiner Hinrichtung tragen muss. Und Abraham? Über das, was in ihm vorgeht, erfahren wir nichts. Dabei hat Gottesgebot oder Gottes Auftrag an ihn ja besondere Schärfe: Es ist ja nicht nur einfach sein Sohn, der ihm genommen werden soll, sondern Gottes Verheißung gleich mit. Denn es war ja so gewesen, dass Abraham und seine Frau Sarah bis ins hohe Alter kinderlos geblieben waren und dass Gott trotzdem versprochen hatte, dass die beiden Nachkommen so viele wie Sterne am Himmel haben sollten und Abraham glaubte Gott. Und dann hatten Abraham und Sarah schließlich und endlich, als sie eigentlich biologisch gesehen viel zu alt dafür gewesen waren, doch noch einen Sohn gekriegt; Gott hatte sein Versprechen, seine Verheißung doch wahr gemacht. Und dieser Sohn war Isaak, und aus diesem einen Sohn Isaak sollten die vielen Nachkommen hervorgehen. Und genau diesen seinen Sohn soll Abraham nun wieder dahingeben und opfern? Ist das nicht widersinnig? Macht Gott sich damit nicht unglaubwürdig? Kann man ihm denn vertrauen, wenn er heute hü und morgen hott sagt? Hat Gott seine Verheißung und sein Versprechen wieder zurückgenommen? Was ist das überhaupt für ein Gott, der so etwas verlangt? Mit Isaak steht und fällt Gottes Verheißung, mit Isaak steht und fällt Gottes Zuverlässigkeit so muss Abraham
es doch sehen. Und dann ja eben noch die natürliche Liebe eines Vaters zu seinem ersten und einzigen Sohn mit seiner Frau; es ist wirklich unmenschlich, was hier von Abraham verlangt wird und was ihm hier zugemutet wird. Wie bitter und unendlich traurig ist es, seine eigenen Kinder zu verlieren. Das geht doch gegen den natürlichen Ablauf, wo zuerst die Eltern und dann die Kinder sterben sollen. Der Schmerz und die Wunde hierüber, die heilen ein Leben lang nicht das habe ich ganz oft in Gesprächen mit Menschen erlebt, die ihr Kind verloren haben. Und wenn so etwas passiert, dann drängt sich automatisch die Frage auf: Wie kann Gott so etwas zulassen warum passt Gott nicht besser auf? Und hier bei Abraham ist es ja noch krasser, denn Isaak stirbt ja nicht einfach, sondern Abraham soll ihn ja sogar selber töten und opfern! Wie muss sich wohl Abrahams Herz zusammengezogen haben, als Isaak ihn auf dem Weg fragt: Vater! Ja, mein Sohn? Feuer und Holz haben wir, aber wo ist das Lamm für das Opfer? Aber was in Abraham vorgeht, wird auch hier nicht gesagt, ob und was für innere Qualen er gelitten haben mag. Abraham gehorcht einfach, er tut, was Gott sagt. Abraham flüchtet nicht, er weicht nicht aus; er hört und tut, was Gott sagt. Abraham, so scheint es jedenfalls, glaubt, dass selbst in diesem blutigen Befehl Gottes noch eine Verheißung oder einen Sinn drin stecken könnte. Und gerade so erfährt er, dass Gott gegen allen Augenschein zu seinem Wort steht. Denn im letzten Moment erscheint ja der Engel und zeigt Abraham den Widder, bzw. den Schafsbock, den er opfern soll. Im letzten Augenblick soll er ja doch nicht Isaak, sondern den Bock opfern. Es ist, als ob Gott Abraham seinen Sohn noch einmal neu schenkt, als ob er
ein zweites Mal geboren wird. Gott steht doch zu seinem Wort, dass Abraham Nachkommen haben soll. Und auch hier erfährt man nichts, was in Abraham vorgeht, keine Freudenschreie oder Freudentänze werden erzählt, keine Stoßseufzer der Erleichterung. Aber was man weiß ist dies: Seit jenem Tage waren in Israel keine Menschenopfer mehr erlaubt. Für uns scheint das selbstverständlich, aber damals war es ein ungeheurer Fortschritt, denn in allen anderen Völkern in der Gegend zu der damaligen Zeit waren Kinderopfer gang und gebe. Die heidnischen Religionen der damaligen Zeit werden heutzutage oft als so sanft und friedliebend dargestellt, und der Glaube an den einen Gott der Israeliten und dann auch der Christen als so grausam. Aber dieses Bild entspricht nicht der Realität, denn, wie gesagt, in fast allen heidnischen Religionen der damaligen Zeit waren Menschenopfer und gerade auch Kinderopfer an der Tagesordnung, um die Götter zu besänftigen. Aber für die Israeliten war seit dieser Geschichte mit Abraham und Isaak klar: Der Herr, unser Gott, will keine Menschenopfer und keine Kinderopfer! Und das bringt uns dann hin zu Gott. Bis hierher sind wir hauptsächlich bei Abraham, bei seinen Gefühlen und Gedanken, bei seinem Glauben geblieben. Aber was sagt uns denn diese Geschichte über Gott? Gott hatte ja Abraham und Sarah ihren Sohn Isaak geschenkt zu einem Zeitpunkt, als es eigentlich gar nicht mehr ging und als zumindest Sarah schon längst nicht mehr daran glaubte, noch jemals Mutter zu werden. So war es ganz eindeutig: Isaak war Gottes Geschenk gewesen. Will Gott mit dieser Geschichte Abraham auf die Probe stellen und herausfinden, ob Isaak immer noch Gabe und Geschenk geblieben ist oder ob in Abrahams Sicht schon zu seinem Eigentum geworden war? Es so zu sehen, hätte einiges für sich. Auch bei uns heutzutage sollen bei der Taufe nach Möglichkeit nicht die Eltern,
sondern die Paten das Kind in den Händen halten als Zeichen, dass dieses Kind den Eltern nicht gehört, als Zeichen, dass das Kind Gottes Geschenk und Gottes Eigentum ist und durch die Taufe noch ganz besonders zu Gott und Christus gehören soll. Wir alle besitzen einander nicht, wir besitzen nicht unsere Kinder, unsere Ehepartner, unsere Partner oder unsere Freunde, sondern wir können sie immer nur annehmen. Wir können sie nur annehmen als Gottes Geschenk und Gottes Gaben. Sie bleiben immer Gottes Eigentum. Kein Mensch soll und darf Eigentum eines anderen Menschen werden. Das können wir aus dieser Geschichte herauslesen, obwohl es natürlich eine harte und grausame Art und Weise ist, wie Gott Abraham das zeigt. Und noch etwas, wahrscheinlich das wichtigste, ist über Gott in dieser Geschichte zu sagen. Denn trotzdem können wir den Weg Gottes mit Abraham als zu hart und zu grausam ansehen, und vielleicht tun das auch einige von uns hier heute Morgen. Und auch wir kennen Menschen, denen Gott ein Geschenk wieder weggerissen hat. Wir alle kennen doch Menschen, denen Gott etwas Kostbares, oder sogar das Kostbarste, genommen hat, wo er nicht wie hier bei Abraham in letzter Sekunde noch mit seiner rettenden Hand eingegriffen hat. Das ist leider so, und das ist nicht schön zu reden. Aber auch wenn wir Gott darin nicht verstehen können, ist es, so sehe ich es jedenfalls, dennoch gut, wenn wir wie Abraham hier an Gottes Barmherzigkeit festhalten und ihm trauen auch gegen allen Augenschein. Denn, was Gott hier Abraham zugemutet hat, das hat er sich selbst auch zugemutet. Als Christen können wir diese Geschichte von Abraham und Isaak doch gar nicht hören oder lesen, ohne im Hintergrund die Kreuzigungsgeschichte mit zu hören.
So wie Abraham hier seinen Sohn dahin geben soll, so hat Gott seinen eigenen Sohn Jesus Christus auch dahingegeben. Und so wie Isaak nicht aufbegehrt hat, so hat auch Christus nicht aufbegehrt, sondern ist diesen Weg gegangen. Und anders als bei Isaak hat Gott bei sich selber im letzten Moment gerade nicht noch eingegriffen und Jesus nicht noch in letzter Sekunde vom Kreuz heruntergeholt, und Jesus ist nicht noch schnell heruntergesprungen. Was ist das für ein Opfer und für eine Hingabe Gottes! Und damit, so sehe ich das, hat er sich allen an die Seite gestellt, die auch alles verloren haben. Damit hat er sich all jenen solidarisch gezeigt, die auch unter Gottes Hand leiden. Wir können Gott nie ganz verstehen. Aber in Christus können wir erkennen, dass er trotz allem, was es an Bösem und Grausamen auf dieser Welt und in unserem Leben gibt, dass er trotz allem auf unserer Seite steht. An Christus können wir sehen und glauben lernen, dass Gott sich selber nicht schont, sondern sich ganz auf unsere Seite begibt. In Christus zeigt sich, dass Gott auch noch in den düstersten Tagen und dem größten Kummer bei uns ist und unser Schicksal teilt. Und wenn wir schon nicht solch ein Vertrauen und solch einen Glauben wie Abraham aufbringen können, so stärke er uns doch in diesem Vertrauen und in diesem Glauben. Und das ist dann für uns alle gut, Kinder und Erwachsene, Eltern und Nicht-Eltern. Darum hätte auf dem Gottesdienst Plakat dann doch stehen sollen: Freigegeben für alle!. Amen.