Bischöfliches Generalvikariat Münster Hauptabteilung Seelsorge Referat Kirchenmusik Bischöfliches Generalvikariat 48135 Münster Herrn Propst Hans-Bernd Serries Kirchstr. 4 48727 Billerbeck via E-Mail Hausanschrift Rosenstraße 16 48143 Münster Telefon 02 51-495 - 569 Durchwahl Telefax 02 51-495 - 7570 kirchenmusik@bistum-muenster.de www.bistum-muenster.de Ansprechpartner Ulrich Grimpe 29.01.2007 Orgel in St. Ludgerus Sehr geehrter Herr Propst Serries, am 17.1.07 habe ich die Orgel in St. Ludgerus untersucht. Sie wünschten eine Einschätzung zum gegenwärtigen Zustand der Orgel. Versuch einer Klangcharakterisierung der einzelnen Register: Hauptwerk: Bordun 16 Prinzipal 8 Gambe 8 Rohrflöte 8 Oktave 4 Spitzflöte 4 Quinte 2 2/3 Oktave 2 Cornett 3fach Mixturen Trompete 16 Trompete 8 sehr schwach, kaum Ton in der großen Oktave, ab c 1 dynamisch ansteigend, wenig tragfähig enge Mensur, erster Teilton kaum ausgeprägt, obertönig, nasal, besonders ab g 2 scharfer Klang mit Strich, reizvolle Farbe mild, weich, als tragende Flöte des HW zu schwach, wenig Zeichnungskraft hart und eng (ähnlich Geigenprinzipal), ab g 2 an Schärfe zunehmend reizvoll, leicht obertöniger, leuchtend flötiger Klang Prinzipalmensur sehr hell, scharf, zeichnend entwickelt eine kräftige Farbe in Verbindung mit Prinzipal 8 und Oktave 4, als Weitchor mit Rohrflöte und Spitzflöte weicher, aber wenig aufeinander abgestimmt und nicht homogen grell, überdeckt alles, stark kopflastig; mit Zimbel 3f. im Plenum verstärkt sich dieser Eindruck, das Klangfundament verschwindet, die hohen Frequenzen überlagern alles gute Tonansprache, zeichnend, sonor, dunkel, neuere Pfeifen schlechte Tonansprache, etwas heller, obertöniger, ab c 2 eng, blechern, dynamisch stark abfallend Positiv Sing. Gedackt 8 milde Fülle in der großen Oktave, leichte Voransprache, Spucken ausgeprägter ab c 2 Quintadena 8 typisch quintiger hohler Klang mit vielen unharmonischen Partialtönen (z. B. c 2 und kl. Oktave) knackige Ansprache mit leichtem Spucken Prinzipal 4 etwas grundtöniger als der Prinzipal 4 des HW, dadurch klanglich milder, präzise Ansprache Flauto dolce 4 weich, lyrisch, etwas dunkler als die Spitzflöte 4 HW Waldflöte 2 leuchtend, klar, gute Ansprache, elegant in Verbindung mit Gedackt und Flauto dolce Sifflöte 1 1/3 engere Mensur, schärfer Sesquialtera 2f. enge Mensur, stark, geringe Homogenität in Verbindung mit dem Flötenchor, aggressiv, beißend Dulcian 8 Tonansprache befriedigend, charakteristische Stimme, nasal, klar und ausgewogen Tremulant schwache Amplitude, starke Laufgeräusche, regulierbar Seite - 2 -
Seite - 2 - Schwellwerk Holzflöte 8 dunkel, wenig Oberton, ab c 3 enger, hinreichende Ansprache in der tiefen Lage Grobgedackt 8 kraftvoller Gedackt Gemshorn 8 streichend, unharmonische Vorläufertöne ( Zirpen ), besonders auffallend ab c 2 Schwebung weich, lyrisch, in Verbindung mit Gemshorn angenehm Prinzipal 4 der dunkelste 4 -Prinzipal in der Orgel, kraftvoll, Spucken in der Voransprache Querflöte 4 überblasend ab c, aber schlechte Tonansprache, unsauber, dunkel Nasard 2 2/3 charakteristische Farbe, dunkel, angenehm Schwiegel 2 spritzig und elegant, aber scharf Terz 1 1/3 in Verbindung mit Nasard und Holzflöte noch die angenehmste Terzfärbung der Orgel, ausgewogen Nachthorn 1 weit und klar zeichnend, fragil und unpräzise besonders in der eingestrichenen Oktave Oberton 3fach als Effektregister zu gebrauchen Fourniture 5f. runde, kräftige Mixtur, gut zu gebrauchen (beste Mixtur der Orgel) Basson 16 dunkler, etwas weicher als die Trompete 16 HW Oboe 8 sehr enge Mensur, deshalb stark obertönig, aber klangvoll, zufrieden stellende Tonansprache ab c 2 Tremulant schwache Amplitude, sehr starke Funktionsgeräusche, regulierbar Pedal Offenbass 16 erzeugt starke Vibrationen im Gehäuse (große Oktave), Tonansprache ausreichend Subbass 16 unausgeglichen, C sehr stark, große Oktave fülliger, sonst etwas schwach, Töne kommen spät Quintbass 2 2/3 kaum Grundton, quintiert stark, 32 -Wirkung kaum ausgeprägt wegen enger Mensur Prinzipalbass 8 ähnlich Prinzipal des HW, obertönig, wenig Fundament Gedacktbass 8 etwas weicher, milder, obertönig Choralbass 4 etwas derb, scharf, blechern Weitpfeife 2 hell, gute Tonansprache Hintersatz 5fach starke Pedalmixtur, die Grundstimmen übertönend Posaune 16 Tonansprache noch hinreichend, A kein Ton, in der großen Oktave sehr dunkel und zurückhaltend Trompete 8 schmetternd, schärfer Clairon 4 prägnant, gute Ansprache Zusammenfassend wird deutlich, dass insbesondere die Flötenstimmen zu den reizvollsten Registern der Orgel gehören. Sie klingen dunkel und warm und vielfach reizvoll leuchtend. Die Prinzipale hingegen sind klanglich stark obertönig, scharf, blechern und bilden kein Fundament. Flöten und Prinzipale bilden deshalb keine homogene Einheit. Der Bordun 16 des HW als einziger labialer 16 ist viel zu schwach. Die Mixturen dominieren das Plenum und überdecken alles, die Orgelklang ist kopflastig und schrill. Die Zungenstimmen sind uneinheitlich, einige sind recht brauchbar (Trompete 16 HW) im ganzen gesehen aber für die Raumfülle des Domes ohne Durchschlagskraft und zu brav. Die Oboe des SW ist neueren Datums, doch mit der engen Mensur kann dieses Register keine Tragfähigkeit entwickeln (z.b. im Fond d Orgue). Dies ist leider symptomatisch für viele Register: Die Qualität der Farben ist im einzelnen durchaus reizvoll und gut zu verwenden, angesichts des Kirchenraumes wirken sie jedoch matt und blass. Im Plenum ist der Orgelwind ausreichend und stabil (Ladenbälge). Weitere Beobachtungen: Das Spielgefühl am neuwertigen Spieltisch ist äußerst empfindlich, besonders im Pedal, hier müsste der Abreißpunkt der Tasten um ca. 1-2 mm tiefer angelegt werden. Die Walze ist schlecht reguliert, zwischen Position 20 und 30 falsch eingestellt, die Zungenstimmen kommen bei 21 dazu und gehen bei 22 weg; keine dynamische Erweiterung. Die elektrische Schwellwerksteuerung wurde erneuert, bei normaler Betätigung entstehen starke und störende Arbeitsgeräusche. Nur bei sehr behutsamer Betätigung funktioniert sie hinreichend leise. Die dynamische Wirkung des Schwellers ist kaum ausgeprägt. Seite - 3 -
Seite - 3 - Die Orgel ist insgesamt gesehen gegenwärtig leicht verschmutzt. Staubbelag ist auf den Windladen und Rasterbrettern anzutreffen, im Labienbereich der Pfeifen z.t. einzelne Schmutzpartikel (z.b. Pedal). In den Windladen ist die Verschmutzung sehr gering. Die Balgbelederung ist einwandfrei. Ausnahme: kleiner Riss im Ladenbalg des HW, Windverlust. Der Pfeifenbestand ist gepflegt und ordentlich, Zinkpfeifen sind nicht erkennbar. Das Pfeifenmaterial der Prinzipale ist Walzzinn (aus den 50er Jahren). Die Pfeifenmündungen befinden sich in einem guten Zustand, minimale Einkulbungen bei den kleinen Pfeifen, z. B. Scharf des Positivs. Historischen Pfeifen (z.b. Spitzflöte 4 ) sind im Bereich der Stimmvorrichtungen schadhaft. Viele alte Pfeifen wurden angelängt um 1 cm bis 2 cm. Die Holzpfeifen des Bourdun 16 HW haben einige kleinere Risse, die unfachgerecht mit Klebeband abgedichtet sind; Rissbildung auch im Gedacktbass 8 (Holz). Leichter (vermutlich inaktiver) Anobienbefall am Prospekt der Hauptwerksseite unterhalb des ersten Stummpfeifenprospektes. Die Tonansprache einiger Register wird konstruktionsbedingt durch ein Konduktenwirrwarr im Klein-Pedal erschwert. Auch können viele Pfeifen bedingt durch liegende oder enge Aufstellung nicht fachgerecht aussprechen. Der Motor ist in einer Kiste untergebracht, die Dämmung ist nicht ausreichend, es entstehen störende Laufgeräusche. Die elektrischen Magnete verursachen vielfach starke Funktionsgeräusche (besonders im SW). Im Pedal stößt eine Zugbefestigung am Ventil an eine Leiste an, was ebenfalls störendes Klappern verursacht. Die Schleifenzugmagnete arbeiten zuverlässig aber geräuschvoll. Zusammenfassung: Die technische Anlage der Orgel ist funktionsfähig und im Prinzip in einem guten Zustand. Konstruktionsbedingt weist das Instrument aber vielerlei Schwächen auf, z.b. die geräuschvolle Ventilsteuerung, Windzuführungen, Platzierung der Pfeifen. Am elektrischen Spieltisch wünscht man sich einen präzisen Kontaktpunkt, ein künstlerisches Spiel wird erschwert. Das uneinheitliche Pfeifenmaterial entspricht einem uneinheitlichen Klangbild. Historische Pfeifen sind z.t. leicht beschädigt, das Material aus den 50er Jahren ist aus Walzzinn, jüngere Register sind in einem guten Zustand, in der Mensur zwar an den Bestand angepasst, jedoch für den Raum nicht ausreichend. Die Pfeifenmensuren sind insgesamt gesehen zu eng gewählt bei niedrigen Winddrücken. Die Register wurden in der Vergangenheit weitestgehend ausintoniert, weitere Intonationsarbeiten werden die Klanglichkeit voraussichtlich nicht deutlich verbessern. Ich hoffe, mit dieser ersten Einschätzung Ihnen einen Überblick verschafft zu haben und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich in die weiteren Überlegungen einbeziehen. Mit freundlichen Grüßen i. A. gez. Ulrich Grimpe Anlage: Fotodokumentation Seite - 4 -
Seite - 4 - Prospektdetail rechts ältere und reichhaltige Auszierung des Gehäuses Seite - 5 -
Seite - 5 - Prospektdetail links jüngere und einfachere Auszierung Seite - 6 -
Seite - 6 - Prospekt links einfache Gestaltung Seite - 7 -
Seite - 7 - Prospektdetail rechts reichhaltige Auszierung Seite - 8 -
Seite - 8 - Windladen offen leichte Verschmutzungen defekte Balgmanschette HW Seite - 9 -
Seite - 9 - vereinzelt leicht deformierte Pfeifenmündungen Seite - 10 -
Seite - 10 - vermutlich inaktiver Anobienbefall Konduktenzuführungen im Kleinpedal - Tonansprache leidet, liegende Pfeifen - schlechter Klangaustritt Seite - 11 -
Seite - 11 - Fensterausschnitt Empore: Hl. Cäcilia mit musizierenden Engeln.