10 Kolumnen von Elsi Reimann Veröffentlicht in der Berner Zeitung, 8.9. 10.11.2010



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Transkript:

10 Kolumnen von Elsi Reimann Veröffentlicht in der Berner Zeitung, 8.9. 10.11.2010 Geld regiert die Welt Geld regiert die Welt! Sagen wir verzweifelt oder resigniert. Aber wer regiert denn das Geld? Wer vermehrt das Geld und wer bestimmt, ob Geld zirkuliert oder überall fehlt? Fragen Sie sich das auch? Oder denken Sie lieber nicht darüber nach? Das Glück hängt nicht allein vom Geld ab. Das sehen wir, wenn wir Länder besuchen, in denen die Menschen in Armut leben. Wir sehen strahlende Kinder, die Stunden lang mit Steinen oder einer Kartonschachtel spielen, Männer, die plaudern und sitzen. Sie freuen sich an der Sonne und am Leben, ohne dem Geld nachzuhetzen, wie wir uns gezwungen fühlen, dies gleich nach den Ferien wieder zu tun. Wir sehen aber auch unbeschreibliches Elend und vielleicht denken wir darüber nach, warum trotz Bemühungen vieler Hilfswerke die Armut immer grösser wird. Wie viel Elend richtet Geld an. Wie viele Abhängigkeiten entstehen in der Folge von Geldmangel. Da wir die grossen Zusammenhänge nicht durchschauen, denken wir vielleicht, es hat keinen Sinn, darüber nachzudenken. Das müssen wir den Ökonomen und Wirtschaftsexperten überlassen. Wir sehen uns Gespräche im Fernsehen an oder wir lesen in der Zeitung über die Wirtschaftskrise und sind je länger je mehr verwirrt, denn jeder Experte sieht andere Aspekte dieses komplexen Systems. Aber es kann doch nicht sein, dass wir rationalisieren, umstrukturieren, Produktionswege verbessern und dennoch jedes Jahr unter dem Strich weniger zur Verfügung haben! Da stimmt doch etwas nicht am System! Lass dein Geld arbeiten sagt mein Freund. Er hat Fr 500 000.- geerbt und legt dieses Geld für seinen neu geborenen Enkel an. Bei relativ sicheren Anlagen kann er mit durchschnittlich 5 % Rendite rechnen. Ich frage ihn, wie lange das geht, bis sein Enkel von den Zinsen leben kann. Mit 14 Jahren hat er 1 Million und das ergibt im Jahr einen Zins von Fr 50 000. Wenn mein Enkel sein Geld weiter für sich arbeiten lässt, hat er mit 28 Jahren 2 Millionen. Er kann für seine beiden Kinder wieder je Fr 500 000.- anlegen. Alles in allem werden er und seine Kinder nach weiteren 14 Jahren 4 Millionen besitzen. Mit 42 Jahren kann er sich zur Ruhe setzen. Er bekommt im Jahr Zinsen im Wert von Fr 100 000, seine Kinder je 50 000. Das will ich doch genauer wissen, daher frage ich meinen Freund, was die Bank mit dem Geld macht, damit es arbeitet. Er erklärt mir: Sie suchen Menschen oder Länder, die Kredite aufnehmen und Zinsen bezahlen für ihre Schulden. Einen Teil des Geldes legen sie in Aktien und anderen Wertpapieren an. Aha, sage ich, dann müssen sich alle 14 Jahre doppelt so viele Menschen verschulden und der Aktienmarkt muss sein Volumen alle 14 Jahre verdoppeln. Oder die Wirtschaft muss entsprechend wachsen, rationalisieren, umstrukturieren und Produktionswege verbessern erklärt er mir. Wenn das so ist, frage ich mich, warum der Staat nicht jedem Kind Fr. 500 000.- schenkt, dann hätten nach 14 Jahren alle ein schönes Grundeinkommen.

Krebsgeschwüre Ist Wachstum die Rettung aus der Wirtschaftskrise? - Jeder gesunde Wachstumsprozess hat Grenzen. Nur kranke Systeme, z. B. Krebszellen vermehren sich unendlich. Sie sterben erst, wenn der Körper in dem sie wuchern stirbt. Im frühen Christentum nannte man allen Zins Wucher. Zins nehmen war für Christen mehr als 1500 Jahre lang verboten und wenn Zins genommen wurde, gab es Regeln. Die Schulden mussten in bestimmten Abständen erlassen werden. Das Zinssystem wie es heute existiert, wurde erst nach der Reformation eingeführt. Seither ist es ungefähr alle 70 Jahre zusammen gebrochen, worauf jeweils Wirtschaftskrisen, Hungersnöte und Kriege folgten. Wenn ich heute meinem Enkel Fr 500 000.- mit 5 % Rendite anlege, und er das Geld für sich arbeiten lässt, kann sein Enkel in 70 Jahren 16 Millionen erben und in 84 Jahren sind es bereits 32 Millionen. Dies bedeutet, dass die Bank alle 14 Jahre doppelt so viel Geld anlegen muss. An den Devisenmärkten werden heute täglich 2 Billionen Dollar umgesetzt. Nur 2 % dieser Summe werden für den An- und Verkauf von Gütern genutzt. Der Rest ist Spekulation. Eine Steuer von nur einem Prozent auf Devisenspekulationen könnte so viel Geld generieren, dass wir den Welthunger aufheben könnten. Wenn an einem Wochenende die höchsten Politiker in der ganzen Welt beschliessen, 1000 Milliarden Dollar in ein kollabierendes Finanzsystem zu spritzen, warum ist es nicht möglich, eine Steuer für Devisenspekulationen ins Leben zu rufen? Schöpfungen Gott, so wurde es uns in der Sonntagsschule erzählt, hat in sieben Tagen die Welt erschaffen. Daher sind wir seine Geschöpfe. In der Physik hörten wir, das Universum sei nach dem Urknall mit dem Zufallsprinzip aus verschiedenen Gasen in einem Zeitraum von Milliarden Jahren entstanden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht mehr, was ich glauben sollte. Dies forderte mich heraus, eine eigene Meinung zu entwickeln. Um die Geldschöpfung herrscht eine ähnliche nebelhafte Verwirrung. Wer sind denn die Geldschöpfer? Muss ich auch an sie glauben, wenn ich Gläubiger bin? Bin ich schuldig, wenn ich Schuldner bin? Das Wort Kredit leitet sich ab von credo. Ich glaube. Das Vertrauen in unser Neoliberales Wirtschaftssystem muss wieder hergestellt werden, sonst kann die Wirtschaft nicht wachsen, lesen wir in der Zeitung. Mit anderen Worten, wir müssen glauben und konsumieren. Wenn ich einen Kredit aufnehme, will die Bank wissen, ob ich glaubwürdig bin. Sie will einen Sachwert als Pfand und es wird überprüft, ob ich die Zinsen bezahlen kann. Wenn ich die Zinsen nicht mehr bezahle, nimmt sie mein Haus, und ich verliere mein Dach über dem Kopf. Bringe ich mein Geld zur Bank, muss ich glauben, dass sie verantwortungsvoll damit umgeht. Wenn die Bank Konkurs geht, verliere ich mein Geld. Wie soll ich glauben, wenn ich weiss, dass die kleinen und mittleren Anleger alle 70 Jahre ihr Geld verloren haben? Unser Währungssystem ist 65 Jahre alt. Wie lange glauben wir noch?

Es werde Geld Lange Zeit haben die Menschen auf dem Markt ihre Waren getauscht. Es gab Geldsysteme, die über Jahrhunderte Reichtum geschenkt haben. Zum Beispiel in Ägypten. Dieses Geld war an eine bestimmte Menge Getreide gebunden. Weil Getreide aber von den Mäusen gefressen wurde oder verschimmelte, nahm der Wert des Geldes innerhalb eines Jahres um etwa 10 % ab. Das Land erlebte eine Hochkultur - bis die Römer kamen. Diese änderten das Geldsystem, sie pressten Gold und Silber zu Münzen. Um das Jahr Tausend wurde Papiergeld eingeführt. Das Geld war an Gold gebunden. Präsident Nixon beendete 1971 die Golddeckung des Dollars. Seither ist unser Geld nur mit ca. 10 % Bankrücklagen bei der Nationalbank gedeckt. 15 % unseres Geldes existiert in Form von Noten oder Münzen. Sie werden unter Aufsicht der Nationalbank in Umlauf gebracht. 85 % des Geldes entsteht, wenn wir einen Kredit aufnehmen. Dieser existiert nur als eine Zahl, als Buchgeld. Wir glauben, dass jemand Geld gespart hat und die Geschäftsbank uns dieses Geld gibt. Sie kann aber 90 % mehr Geld aus dem Nichts machen, als ihr Einlagen zur Verfügung stehen. Alles Geld wird als Kredit aus dem Nichts geschöpft. Diese Kredite müssen unendlich wachsen, da wir für unsere Schulden ja auch Zins und Zinseszins bezahlen müssen. Wenn wir heute alle Schulden zurückbezahlen, gibt es morgen kein Geld mehr. Womit bezahlen wir Zins und Zinseszins? Mit mehr Schulden. Ist das einer der Gründe warum überall Geld fehlt? Verdeckte Zinsen. Die meisten Menschen glauben, nur dann zinspflichtig zu sein, wenn sie Kredite aufnehmen. Sie wissen nicht, dass in jedem Artikel mindestens 30 % verdeckte Zinsen enthalten sind. Wenn der Bauer Milch produziert, benötigt er Ställe, Häuser und Maschinen. Einen Teil seiner Aufwendungen lässt er durch Kredite einer Bank finanzieren. Er muss für die Milch so viel verlangen, dass er die Zinsen bezahlen kann. Die Maschinen, die er gekauft, und die Baufirmen die er beauftragt hat, haben in ihren Preisen die Kapitalkosten ebenfalls verrechnet. Die Molkerei, eine AG, hat ihrerseits Kredite aufgenommen. Damit die Aktionäre befriedigt und die Zinsen bezahlt werden können, rechnet sie ihre Kapitalkosten auf die Preise. Auch der Grossverteiler rechnet wie alle Anderen vor ihm die Zinsen dazu. Der Konsument bezahlt schlussendlich 30% bis 40 % Zinsen für jedes Glas Milch. Im Gegensatz zur Mehrwertsteuer sind diese Kosten verdeckt. Allein die Verzinsung der Staatsschulden beträgt in der Schweiz pro Person Fr. 1500.- im Jahr. Alles in allem profitieren nur 10 % Superreiche vom Zinssystem. Für weitere 10 % der Bevölkerung halten sich Zinseinnahmen und - ausgaben in etwa die Waage. 80 % der Bevölkerung bezahlt in ihrem Leben viel mehr Zinsen, als sie über die Altersvorsorge zurückbekommt. Mit anderen Worten, wir arbeiten 4 Monate im Jahr, um die Superreichen reicher zu machen. Kein Wunder, wenn wir alle überfordert sind und keine Zeit mehr haben, das Leben zu geniessen. Sündenböcke Im Alten Testament finden wir die Geschichte vom Sündenbock. Moses rief die Menschen auf, ihre Sünden in den Kopf eines Ziegenböckleins zu sprechen. Das Böcklein wurde in die Wüste geschickt, damit es von den Wölfen gefressen, und die Schuld erlöst werde. So ist es immer noch. In jeder Gruppe findet sich ein Sündenbock: Das ADHS- Kind, die Ausländer, die gierigen Banker, Länder und Völker werden zu Sündenböcken gestempelt. Invalide und schwierige Kinder sühnen oft, wie sich in der Systemischen Therapie zeigt, für ihre Familien. Ausländer wurden angeworben, um für

uns Arbeiten zu erledigen, die niemand machen wollte. Die christlichen Völker haben die Länder Afrikas geplündert und ihrer Kultur beraubt und wundern sich jetzt, wenn die Menschen in ihrer Not bei uns Unterschlupf suchen. Wir alle wünschen uns gute Profite für unsere Anlagen, und die gibt es immer dort, wo Menschen oder die Natur ausgebeutet werden. Wir könnten unsere Verbrechen eingestehen und uns entschuldigen bei diesen Völkern. Doch es ist einfacher, die Opfer in unseren Köpfen zu Tätern zu machen. In der Wirtschaft werden die Chefetagen ausgewechselt, wenn etwas schief läuft. So kann man im gleichen Stil weiterfahren. Das ist einfacher, als sich einzugestehen, dass unser Wirtschaftssystem nicht funktioniert, in dem 400 Familien die Hälfte der Erde besitzen, gleichzeitig eine Milliarde Menschen hungert und die Erde ausgeplündert wird. Grundlegende Überlegungen und Veränderungen sind gefragt. Geben und Nehmen Jedes Jahr verschenkt uns Mutter Erde ihre Nahrung in unglaublicher Fülle. In alten Kulturen wurden im Herbst Dankbarkeitsfeste gefeiert. Heute entreissen wir der Erde ihre Schätze in massloser Arroganz wie keine Kultur vor uns. Wir glauben, die Universellen Gesetze aushebeln zu können und fordern immer mehr Wachstum auf einer Erde mit begrenzten Ressourcen. Früher hat die Religion die Grenzen der Menschen abgesteckt und den Gesetzen der Ethik Gehör verschafft. Heute brechen Traditionen zusammen. Jeder erarbeitet sich eine eigene Lebensphilosophie. Einige entscheiden sich mehr in die Richtung: Was mir nützt, ist recht und Andere entscheiden sich für den Satz: Was Allen nützt, ist recht. Beides ist richtig. Wenn wir lernen, beides in uns zu entwickeln, entsteht Reichtum. Wenn in Beziehungen oder in der Gesellschaft Geben und Nehmen nicht ausgeglichen sind, bekommen wir ein Problem. Wir werden wütend, machen uns gegenseitig Vorwürfe und manchmal schieben wir uns ein Leben lang gegenseitig die Schuld zu für unser Unvermögen. Oder wir trennen uns, um wieder das Gleiche zu tun. Es sei denn, wir werden uns bewusst, dass wir zu viel gegeben oder zu viel genommen haben, und wir schaffen den Ausgleich. Dies erreichen wir, wenn der Eine sagt: Ich stehe dazu, ich habe zu viel genommen und der andere sagt: Ich stehe dazu, ich habe es zugelassen. Damit kann der Ausgleich bewusst ergriffen werden. Dieses Wissen umzusetzen, schafft Reichtum in uns und in der Gesellschaft. (R)evolution In der Französischen Revolution wurde Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gefordert. Heute beansprucht die Wirtschaft die Freiheit für sich. Der freie Markt soll scheinbar Alles zum Wohle Aller selber regulieren, Gewinne werden privatisiert und Kosten der Allgemeinheit aufgebürdet. Die Tüchtigen haben ihren Wohlstand verdient und die Faulen und Dummen können schauen, wo sie bleiben. Die Politik lebt Brüderlichkeit, indem sie sich mit der Wirtschaftselite verbindet. Sie giesst neoliberale Postulate in Gesetze und droht uns mit Arbeitslosigkeit, wenn der Wachstumszwang der Wirtschaft angezweifelt wird. In der Bildung glauben wir Gleichheit schaffen zu müssen, damit alle am Segen des Konsums und der Arbeit teilhaben können. Wir reden uns ein, wenn wir eine Seifenkiste, einen Opel und einen Formel Eins Wagen mit Super Benzin füllen, könnte die Seifenkiste das Rennen gewinnen.

Es ist Zeit, die Forderungen der Französischen Revolution neu aufzugreifen. In der Wirtschaft wären Brüderlichkeit und Respekt der Erde und den Menschen gegenüber gefragt. Eine Politik, abgekoppelt von der Wirtschaft, würde Gesetze entwickeln, die es allen Menschen auf der ganzen Welt ermöglichen, in Frieden und Wohlstand zu leben. In Bildung, Kultur und Gesundheitswesen könnte Freiheit gesunde Menschen hervorbringen, denn dank ihren spezifischen Möglichkeiten bereiten eine Seifenkiste, ein Opel oder ein Formel Eins Wagen in verschiedenen Epochen unseres Lebens gleichermassen Freude. Reichtum Meine Grossmutter war eine reiche Frau. Sie war Vorsteherin eines Bauerhofes. An ihrem Tisch und in ihrem Herzen fanden Jung und Alt, Ausländer, Spinner und Behinderte einen Platz. Mit ihrem Reichtum verköstige sie oft 10 Personen an ihrem Tisch. Es wurde nicht nur gegessen, es wurden Geschichten erzählt und über Gott und die Welt diskutiert. Sie fand Zeit, zum zuhören und interessierte sich für Alles und Jeden. Sie sass in ihrem Sessel und erzählte uns immer wieder die gleichen Geschichten. Vom arroganten Löwen, der brüllend im Netz gefangen sass, und der kleinen Maus, die ihn befreite, indem sie mit den Zähnen sein Netz durchbiss. Nachdem der Löwe befreit war, schlossen die Beiden Freundschaft und jeden Sonntag, wenn die Bauern in der Kirche sassen, konnte die Maus mit ihren Jungen auf dem Rücken des Löwen reiten. Hat mir diese Geschichte Mut gemacht, mit 55 Jahren ein Wirtschaftsstudium zu beginnen? Ich wollte den Löwen kennen lernen und durchkaute manche Schnur an seinem Netz. Ich las Nächte lang vor Begeisterung, weil ich endlich verstand, welch ungeheuerlicher Krimi täglich vor unseren Augen abgeht! Reichtum ist da, wo wir gwundrig werden und uns begeistern lassen. Reichtum ist da, wo wir den Löwen durchschauen und einen Überblick bekommen. Reichtum heisst nicht Geld anhäufen, Reichtum findet im Herzen statt. Ich hoffe, dass ich in meinen Lesern den Gwunder wecken konnte und danke ihnen, dass sie meinen Gedanken gefolgt sind und mich immer wieder gewählt haben.