Das Bürgerticket: Bus und Bahn solidarisch finanziert Ergebnisse eines Mobilitätsexperimentes in Wuppertal Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Tagung Stadtwandel als Chance Workshop D Stadt-Experimente: Simulationen und Versuche 28. November 2013 Wuppertal
Inhalt 1. Einführung Wozu ein Bürgerticket? 2. Das ÖPNV-Finanzierungsmodell Bürgerticket Prinzip Beispiel 3. Das Gruppen-SchnupperTicket Wieso ein Experiment? Versuchsaufbau und Durchführung Ergebnisse 4. Fazit und Diskussion
1. Einführung Wozu ein Bürgerticket? Klima 2 C-Ziel : -80 % CO2 bis 2050 (gegenüber 1990) CO2--Emissionen im Verkehrssektor ansteigend (in D) Anteil des Autoverkehrs an CO2-Emissionen: 70 % Stickoxide, Feinstäube, Ressourcenschutz, Flächenbedarf,... Demographie Weniger, älter, bunter Neue Anforderungen an ÖPNV Gegensatz Stadt Land Finanzierung Marode Verkehrsinfrastruktur Erneuerungsbedarf Kommunale Haushalte angespannt Kürzungen im ÖPNV-Angebot 55 % des ÖPNV finanzieren sich aus öffentlichen Mitteln 20. November 2013 Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Seite 3 / 15
2. Das ÖPNV-Finanzierungsmodell Bürgerticket Prinzip Ziele künftiger Finanzierung: Gesicherte Finanzierung für besseres Angebot ÖPNV ins Bewusstsein der Menschen bringen Keine tariflichen Zugangsbarrieren Bürgerticket: Alle zahlen, jeder darf fahren! Verpflichtender Monatsbeitrag! (Erwerbstätige, Haushalte, ) Zwangsverfügbarkeit oder: Ermöglichung der ÖPNV-Nutzung Volle Wahlfreiheit! Ich habe gezahlt, also will ich es auch nutzen Umlagefinanzierungen gibt es schon: Krankenversicherung Rundfunkbeitrag 20. November 2013 Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Seite 4 / 15
2. Das ÖPNV-Finanzierungsmodell Bürgerticket Beispiel: NRW-Semesterticket Alle eingeschriebenen Studierenden zahlen jedes Semester einen verpflichtenden Beitrag Alle dürfen den Nahverkehr in ganz NRW nutzen so oft man will so weit man will wohin man will gefühlt kostenlos Wirkung auf Verkehrsmittelwahlverhalten der Studierenden (Uni Bielefeld) 18 % fahren weniger Auto 6 % haben ihr Auto abgeschafft, 17 % überlegen es abzuschaffen, 25 % haben keines gekauft 28 % Mehrverkehr (tlw. zum Spaß ) Inwiefern ist dieses Verhalten verallgemeinerbar? 20. November 2013 Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Seite 5 / 15
3. Das Gruppen-SchnupperTicket Wieso ein Experiment? Bei Fragebogen: Hypothetical-Bias Klar will ich...!... aber zahlen soll jemand anders! Kognitive Überlastung Reine Absichtsbekundung ist kein tatsächliches Verhalten! Anforderungen an das Experiment Simulation einer Solidarfinanzierung echte Zahlung Simulation voller Wahlfreiheit Zwangsverfügbarkeit eines Tickets Simulation der Normalität kein enger Testzeitraum, keine Intervention Aber auch: Kostenneutralität für Verkehrsunternehmen Einbettung in bestehendes Tarifsystem 20. November 2013 Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Seite 6 / 15
Quelle: Quelle: Gregor Waluga 2012; mit Cliparts von opencliparts.org (Public Domain) 20. November 2013 Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Seite 7 / 15
3. Das Gruppen-SchnupperTicket Versuchsaufbau und Durchführung Akquise Alle im Internet gelisteten Vereine in Wuppertal wurden angeschrieben Artikel in der Wuppertaler Rundschau Zugang über Multiplikatoren Probanden 3 Gruppen: insgesamt 14 Personen 10 ÖPNV-Neulinge, davon 9 mit Pkw im Haushalt Erkenntnisinteresse Welche Wirkung hat es auf das Verkehrsmittelwahlverhalten? Ist die verpflichtende Zahlung ein Anreiz zur ÖPNV-Nutzung? Wie wird die Maßnahme Bürgerticket akzeptiert? Probanden wussten nicht, dass es um ein Bürgerticket geht! 20. November 2013 Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Seite 8 / 15
3. Das Gruppen-SchnupperTicket Versuchsaufbau und Durchführung April 2012 Juni 2012 September 2012 Quelle: Gregor Waluga 2013; mit Cliparts von opencliparts.org (Public Domain) 20. November 2013 Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Seite 9 / 15
3. Das Gruppen-SchnupperTicket Ergebnisse: Verkehrsmittelwahlverhalten Verkehrsmittelnutzung der Stichtagsbefragung nur ÖPNV-Neulinge 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Vorher-Befragung 73% 10% 41 Wege Nachher-Befragung 55% 34% 38 Wege Auto als Fahrer Auto als Beifahrer Bus und / oder Bahn Motorrad Fahrrad Zu Fuß Quelle: Gregor Waluga 2013 20. November 2013 Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Seite 10 / 15
3. Das Gruppen-SchnupperTicket Ergebnisse: Verkehrsmittelwahlverhalten ÖPNV-Nutzung bei Ticketbesitz Selbsteinschätzung der ÖPNV-Neulinge 0% 50% 100% 1 2 NMIV MIV gesamt gesamt n=7 n=30 n=37 n=13 1) Vorher-Befragung: Wenn Sie nicht ÖPNV gefahren sind: Hätten Sie diesen Weg mit dem ÖPNV zurückgelegt, wenn Sie ein ÖPNV-Abo gehabt hätten? 2) Nachher-Befragung: Wenn Sie mit dem ÖPNV gefahren sind: Hätten Sie diesen Weg mit dem ÖPNV zurückgelegt, wenn Sie kein ÖPNV-Abo gehabt hätten? NMIV: nichtmotorisierter Individualverkehr ja nein weiß nicht MIV: motorisierter Individualverkehr Quelle: Gregor Waluga 2013 Vermeidungspotential! 20. November 2013 Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Seite 11 / 15
3. Das Gruppen-SchnupperTicket Ergebnisse: Verkehrsmittelwahlverhalten Wirkung des Selbstdisziplinierungseffektes Vorher-Nachher-Vergleich (nur ÖPNV-Neulinge) 0% 50% 100% Ich werde versuchen das Ticket richtig auszunutzen Ich habe das Ticket richtig ausgenutzt n=10 n=10 Ich werde voraussichtlich mehr mit dem ÖPNV fahren Ich bin weniger oft mit dem ÖPNV gefahren, als ich es mir vorgenommen habe nur Nachher-Befragung auf die Frage Bereitschaft zur Teilnahme an einjährigem Feldversuch Wenn ich schon dafür zahlen muss, würde ich mehr mit dem ÖPNV fahren trifft voll zu trifft eher zu trifft weniger zu trifft nicht zu weiß nicht n=10 n=10 n=10 Quelle: Gregor Waluga 2013 20. November 2013 Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Seite 12 / 15
3. Das Gruppen-SchnupperTicket Ergebnisse: Bereitschaft für Bürgerticket Bereitschaft zur Teilnahme an einjährigem Feldversuch Vorher-Nachher-Vergleich (alle Probanden) Ich wäre damit einverstanden Ich wäre damit einverstanden Ich würde es als Zwang empfinden Ich würde es als Zwang empfinden ÖPNV sollte kostenlos sein 0% 50% 100% n=13 Ich würde das Ticket abnehmen, auch wenn ich den ÖPNV nicht immer nutze Ich würde das Ticket abnehmen, auch wenn ich den ÖPNV nicht jeden Tag nutze Ich fände es toll, wenn ich neben dem Auto auch den ÖPNV ohne Zusatzaufwand nutzen könnte Ich fände es toll, wenn ich neben dem Auto auch den ÖPNV ohne Zusatzaufwand nutzen könnte Ich hätte nichts dagegen, wenn ich ein ÖPNV-Ticket dauerhaft besitzen würde Ich hätte nichts dagegen, wenn ich ein ÖPNV-Ticket dauerhaft besitzen würde Ich würde mich erst beteiligen, wenn ich alle meine Ziele besser mit Bus und Bahn erreichen kann Ich würde mich erst beteiligen, wenn ich alle meine Ziele besser mit Bus und Bahn erreichen kann Auch wenn der ÖPNV ein verbessertes und günstigeres Angebot hätte, würde ich das Auto bevorzugen Auch wenn der ÖPNV ein verbessertes und günstigeres Angebot hätte, würde ich das Auto bevorzugen n=13 n=13 n=12 n=13 n=13 n=13 trifft voll zu trifft eher zu trifft weniger zu trifft nicht zu weiß nicht Probanden wussten nicht, dass es um ein Bürgerticket geht! Quelle: Gregor Waluga 2013 20. November 2013 Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Seite 13 / 15
4. Fazit und Diskussion Erkenntnisse Bürgerticket würde zur vermehrten ÖPNV-Nutzung und zu weniger Autonutzung führen; genaueres Potential schwer abschätzbar Verpflichtende Zahlung ist ein Anreiz zur ÖPNV-Nutzung, auch wenn eigene Nutzung überschätzt wird ÖPNV wird (wieder) als Alternative wahrgenommen! Bürgerticket wird begrüßt! Zahlung bis 40 EUR monatlich für Bürgerticket ist für Probanden akzeptabel Langfristeffekt: 3 von 10 ÖPNV-Neulingen kauften im Anschluss reguläres Ticket; einer will den Zweitwagen abschaffen Weiterer Forschungsbedarf! Zur Erforschung neuartiger Angebote, bei denen das Verhalten im Zentrum des Interesses steht, sollte für valide Ergebnisse vermehrt auf (Feld-)Experimente zurückgegriffen werden! 20. November 2013 Dipl.-Geogr. Gregor Waluga Seite 14 / 15
Vielen Dank! Fragen? Dipl.-Geogr. Gregor Waluga gregor.waluga@wupperinst.org Dissertation: Flexibilisierung des ÖPNV durch ein umlagefinanziertes Bürgerticket kommt 2014!