DR. rer.nat. MICHAEL BARSIG BAUMBIOLOGE Tegeler Str. 36, 13353 Berlin Tel. & Fax: 030-454 904 39 E-Netz: 0171-341 09 45 e-mail: MichaelBarsig@web.de Von der Industrie- u. Handelskammer Berlin öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für: Statik und Verkehrssicherheit von Bäumen; biotische und abiotische Schäden an Bäumen; Baumpflege Berlin, den 31.08.11 Baumgutachten Hänge-Weide (Salix sepulcralis notho var.chrysocoma (Dode) Meikle) Nr. LwK 2868 am Berliner Landwehrkanal (Baerwaldbrücke) Auftraggeber: Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin Ortstermin am 29.08.11 (im Beisein von Herrn Doering u. Herrn Neumann, WSA Berlin, SB2) 1. Fragestellung / Auftrag Die Ufermauer im Bereich der Baerwaldbrücke (Carl-Herz-Ufer) zeigt starke Schäden und ist nach Angaben des WSA Berlin dringend zu sanieren. In Nähe zur Mauerkante steht ei ne ältere Hänge-Weide (Nr.2868, vormals Schildnr.1954, LwK km 6,99), die auf mögliche Schadsymptome und ihre Erhaltungswürdigkeit untersucht werden sollte. Eine eingehende Untersuchung durch den Sachverständigen sollte einen genaueren Befund zur Bruch- und Standsicherheit liefern. Die Weide steht in einem Ensemble mit weiteren 2 Hänge-Weiden am Carl-Herz-Ufer, die jedoch in etwas größerem Abstand zur Ufermauer stehen. Die Verkehrssicherheitserwartung ist wegen der exponierten Lage am Baumstandort hoch. Abb.1: Standort der untersuchten Weide Nr.2868 am Ufer- und Brückenbauwerk.
2. Methoden: Die Baumuntersuchung erfolgte entsprechend des Leitfadens Baumkontrolle an Bun deswasserstraßen der BfG (2009) sowie anhand der VTA-Symptomkontrolle Visual Tree Assessment (MATTHECK 2007; MATTHECK & HÖTZEL 1997; KOMMUNALE BAUMKONTROLLE 2004; WÄLDCHEN 2003) einschließlich von Klopfhammeruntersuchungen am Holz. 3. Ergebnisse der Untersuchung Laut Kataster-Auszug (Fa. RMK, Aufnahmedatum 21.10.2010) soll es sich um eine 120jährige Salix alba-weide handeln (Stammumfang 293cm, Kronenüberhang über den Kanal 4m); tatsächlich ist der untersuchte Baum eine Hänge- oder Trauer-Weide, eine Hybride aus Silberweide und Echter Trauerweide, die ca. 60 Jahre alt ist (Beleg: aufgrund von fotografischen Aufnahmen, die dem WSA Berlin zur Verfügung stehen, war an diesem Standort nach Ende des 2. Weltkriegs noch keine Weide zu sehen). Nach den Kriterien des für die WSV gültigen LEITFADENS BAUMKONTROLLE AN BUNDESWASSERSTRAßEN han delt es sich dennoch um einen Baum in der Alterungsphase, weil diese bei der Baumart Weide früher einsetzt als z.b. bei Eichen. Bei der Baumkatastererstellung wurde ver mutlich das Alter auch deshalb überschätzt, weil sich die Weide in der Stammbasis in 2 Stämmlinge gabelt und dadurch einen größeren Stammumfang bildet. Zwischen dem Alter und der Verkehrssicherheit eines Baumes besteht kein unmittelbarer Zusammen hang. Abb.2a/b: Ansicht der untersuchten Hänge-Weide Nr.2868 unter Windlast am 29.08.11, rechts daneben ist eine weitere Weide sichtbar; die untersuchte Hänge-Weide zeigt einen zum Kanal orientierten Stämmling. Die Hänge-Weide zeigte zum Untersuchungszeitpunkt die folgenden Schadsymptome: Auf der W-Seite ist im Bereich der unteren Anbindung des zum Wasser orientierten Stämmlings ein frischer Pilzfruchtkörper des holzzersetzenden Pilzes Grauer (Gemeiner) Feuerschwamm (Phellinus igniarius) zu erkennen. Hier ist auch beim Anklopfen mit dem Schonhammer ein deutlicher Hohlklang zu hören, was auf eine ausgedehnte Holzfäule in diesem Bereich hindeutet. Ein schmaler Kerbriss im Bereich der Stämmlingsanbindung ist weiterhin auffällig. Auf der O-Seite befindet sich in gleicher Höhe eine lokale Morschung in der Stämmlingsanbindung. Am zum Kanal gewachsenen Stämmling findet sich außerdem ein weiterer Pilzfrucht körper des Feuerschwamms, oberhalb davon in der folgenden Hauptgabelung über der Wasserkante noch ein älterer größerer Pilzfruchtkörper (ebenfalls Phellinus igniarius), der mehrjährig ist. Dagegen sollen gemäß Baumkastaster keine Pilzfruchtkörper an der Weide zu sehen sein. 2
Nach dem Klopfbefund ist der zum Wasser geneigte Stämmling durch eine voran geschrittene, pilzbedingte Holzzersetzung betroffen. Eine weitere Diagnose mit dem Resistographen zur Bohrwiderstandsuntersuchung im Holz war deshalb nicht notwen dig. Der aufrechte Stämmling (vgl. Abb.2b) ist dagegen im unteren Stamm symptomfrei. Er zeigt allerdings in der oberen Krone einen größeren Starkastausbruch (relativ frisch) und zwei weitere Astausbrüche (ein loser Ast hängt in der Krone über dem Gehweg, ein Ast ist angebrochen). Hohlklang Hohlklang Abb.3a/b: Pilzfruchtkörper, Morschung und Hohlklang beim zum Wasser gewachsenen Stämmling. Abb.4a/b: Zwei unterschiedlich exponierte Pilzfruchtkörper des Grauen Feuerschwamms beim zum Kanal geneigten Stämmling (oberhalb der Wasserlinie). 3
Abb.5: Starkastausbruch in der Krone. 4. Diagnose und Empfehlungen für die Hänge-Weide LwK 2868 Beim zum Kanal geneigten Stämmling der Weide besteht aufgrund der vorangeschritte nen, pilzbedingten Holzzersetzung eine unmittelbare Bruchgefahr. Aus Verkehrssicherungsgründen sollte innerhalb von 14 Tagen eine Kappung die ses Stämmlings vorgenommen werden. Dadurch würde auch die Hebellast, die auf das gefährdete Mauerwerk einwirken kann, deutlich verringert werden. Entsprechend des Vermeidungsgebots nach LEITFADEN BAUMKONTROLLE der WSV ist nach den Standort bedingungen eine Kappung einer Fällung vorzuziehen. Weil der aufrechte Stämmling eine geringere Holzzersetzung aufweist, ist er zunächst erhaltenswert. Allerdings müssen Totholz und angebrochene Äste zur Herstellung der Verkehrssicherheit entfernt werden und ein Pflegschnitt an der Starkast-Ausbruchstelle erfolgen. Zudem wurde wegen der Vorschäden an diesem Stämmling mit dem WSA vereinbart, zeitgleich mit der empfohlenen Baumsicherungsmaßnahme eine weitere Inspektion der Krone durch den Sachverständigen durchführen zu lassen. Anschließend soll eine abschließende Prognose zum Erhalt der Weide erfolgen. Das Wurzelwerk sollte bis zur Sanierung der Ufermauer unangetastet bleiben; die Inaugenscheinnahme zeigte, dass die vor Ort festzustellenden Sackungen im Erdreich an der Mauerkante im Bereich des Wurzeltellers der untersuchten Weide fehlen. Dies ist ein Hinweis auf die bereits an anderer Stelle ermittelte Stabilisierungswirkung von Baum wurzeln an instabilen Ufern. Wegen fehlender Stammhöhlungen ist die Weide kein nach LEITFADEN BAUMKONTROLLE zu berücksichtigender Artenschutzbaum, sodass kein Artenschutzgutachten erforderlich ist. 4
5. Literaturnachweis Barsig, M., Kluge, B. & Hirschmann, M., 2008: Darstellung der Wurzelverläufe und bodenkundliche Feldansprache nahe der Ufermauer des Berliner Landwehrkanals. Im Auftrag der TU Berlin, Kooperations- und Beratungsstelle für Umweltfragen. Jahn, H.; Reinartz, H. & Schlag, M., 3 2005: Pilze an Bäumen. Lebensweise, Schadwirkung und Bestimmungsmerkmale der häufigsten Pilzarten in totem Holz und lebenden Bäumen. Patzer Verlag, Berlin/Hannover. Kommunale Baumkontrolle zur Verkehrssicherheit, 2004: Leitfaden für den Baumkontrolleur auf der Basis der Hamburger Baumkontrolle. Hg. v. Fachamt für Stadtgrün u. Erholung, Hamburg & Institut für Baumpflege, Hamburg. Thalacker Verlag, Braunschweig. Leitfaden Baumkontrolle an Bundeswasserstraßen 2009: Hg. v. Bundesministerium f. Verkehr, Bau u. Stadtentwicklung, bearb. v. Janssen, R.; Küpper, M.; Wahl, D. & Wegener, K., Bonn, 39S. Mattheck, C., 2007: Aktualisierte Feldanleitung für Baumkontrollen mit Visual Tree Assessment. Forschungszentrum Karlsruhe. Mattheck, C. & Hötzel, H.-J., 1997: Baumkontrolle mit VTA, Fachliche Anleitung und rechtliche Absicherung. Rombach Verlag, Freiburg. Schwarze, F.W.M.R. & Baum, S., 2000: Prognose der Fäuledynamik im lebenden Baum. Stadt und Grün 10, 687-693. Wäldchen, M., 2003: Anforderungen an die Baumkontrollen. In: Breloer, H., Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen aus rechtlicher und fachlicher Sicht. Reihe Bäume und Recht, Heft 2 (6. Auflage). Thalacker Verlag, Braunschweig. Weihs, U. & Vianden, M., 2010: Geophysikalische Untersuchungen am Berliner Landwehrkanal 2009. Vortrag am 17.05.2010, 22. Mediationsforum Zukunft Landwehrkanal im WSA Berlin. Mit freundlichen Grüßen 5