Strafvollzugskonkordat der Nordwest- und Innerschweiz 10.0 R I C H T L I N I E N für - die Verlegung in freier geführte Institutionen oder Abteilungen - die externe Beschäftigung - den Vollzug des Wohn- und/oder Arbeitsexternats im Strafund Massnahmenvollzug - die Anforderungen an durchführenden Institutionen (Externatsrichtlinien Straf- und Massnahmenvollzug) vom 3. November 2006 Gesetzliche Grundlagen Die Eingewiesenen geschlossener Anstalten können bei Bewährung und Wegfall der Flucht- oder Fortsetzungsgefahr in eine offene Anstalt oder eine offene Abteilung einer geschlossenen Anstalt verlegt werden (Art. 76 Abs. 2 StGB). Die Freiheitsstrafe wird in der Form des Arbeitsexternats vollzogen, wenn der Gefangene einen Teil der Freiheitsstrafe, in der Regel mindestens die Hälfte, verbüsst hat und nicht zu erwarten ist, dass er flieht oder weitere Straftaten begeht. Im Arbeitsexternat arbeitet der Gefangene ausserhalb der Anstalt und verbringt die Ruhe- und Freizeit in der Anstalt. Der Wechsel ins Arbeitsexternat erfolgt in der Regel nach einem Aufenthalt von angemessener Dauer in einer offenen Anstalt oder der offenen Abteilung einer geschlossenen Anstalt. Als Arbeiten ausserhalb der Anstalt gelten auch Hausarbeit und Kinderbetreuung (Art. 77a Abs. 1 und 2 StGB). Bewährt sich der Gefangene im Arbeitsexternat, so erfolgt der weitere Vollzug in Form des Wohn- und Arbeitsexternats. Dabei wohnt und arbeitet der Gefangene ausserhalb der Anstalt, untersteht aber weiterhin der Strafvollzugsbehörde (Art. 77a Abs. 3 StGB). Der Gefangene kann mit seiner Zustimmung bei einem privaten Arbeitgeber beschäftigt werden (Art. 81 Abs. 2 StGB). Massnahmen nach den Artikeln 59-61 und 64 können in der Form des Wohn- und Arbeitsexternates vollzogen werden, wenn begründete Aussicht besteht, dass dies entscheidend dazu beiträgt, den Zweck der Massnahme zu erreichen, und wenn keine Gefahr besteht, dass der Eingewiesene flieht oder weitere Straftaten begeht. Artikel 77a Absätze 2 und 3 gilt sinngemäss (Art. 90 Abs. 2bis StGB) c:\users\deborah\desktop\ssed bereinigt\10.0_richtlinie externate für den straf- und massnahmenvollzug (november 2006).doc
1. Verlegung in offene Anstalten oder offene Abteilungen geschlossener Anstalten (Art. 76 Abs. 2 StGB) Die Vollzugsbehörde entscheidet über die Verlegung in offene Anstalten oder offene Abteilungen geschlossener Anstalten. 2. Externe Beschäftigung (Art. 81 Abs. 2 StGB) 2.1 Die Eingewiesenen können von der Vollzugsinstitution aus einzeln oder in Gruppen extern, in öffentlichen oder privaten Betrieben beschäftigt werden. 2.2 Die Eingewiesenen unterstehen auch ausserhalb der Vollzugsinstitution dem Vollzugsregime, das heisst sie werden an der externen Beschäftigung betreut und kontrolliert. 2.3 Die Lohnzahlung erfolgt an die Vollzugsinstitution. Der Eingewiesene erhält ein erhöhtes Arbeitsentgelt. 2.4 Die extern beschäftigten Eingewiesenen können in freier geführten Anstaltsabteilungen untergebracht werden. 2.5 Die externe Beschäftigung wird von der Vollzugsinstitution nach Rücksprache und mit Einwilligung der Vollzugsbehörde gewährt. 3. Arbeitsexternat (Art. 77a Abs. 1 und 2 StGB) 3.1 Das Arbeitsexternat ist im progressiven Vollzug von Strafen und Massnahmen die Stufe nach dem stationären Vollzug in der Straf- oder Massnahmeanstalt und vor dem Wohn- und Arbeitsexternat oder der bedingten Entlassung. 3.2 Das Arbeitsexternat dient - wie das Wohnexternat - der schrittweisen Eingliederung von Erwachsenen und jungen Erwachsenen im Straf- und Massnahmenvollzug. Es wird im Strafvollzug gewährt, wenn die eingewiesene Person einen Teil der Freiheitsstrafe, in der Regel mindestens die Hälfte, verbüsst hat. Im Massnahmevollzug wird das Arbeitsexternat gewährt, wenn die eingewiesene Person sich bewährt hat und die Aussicht besteht, dass die Externatsphase entscheidend dazu beiträgt, den Zweck der Massnahme zu erreichen. Für die Gewährung einer Externatsphase wird sowohl im Straf- als auch im Massnahmevollzug die Erfüllung der Bedingungen gemäss Ziff. 5.1 vorausgesetzt. 3.3 Das Arbeitsexternat wird in den Konkordatsinstitutionen oder in von der Konkordatskonferenz anerkannten Institutionen vollzogen. Die Arbeit erfolgt in einem nicht zur Vollzugsinstitution gehörenden öffentlichen oder privaten Betrieb zu normalem Lohn. Die Betreuung wird durch die Organe der Vollzugsinstitution und/oder der Bewährungshilfe sichergestellt. 3.4 Das Arbeitsexternat kann in der Regel frühestens 3 Monate nach Straf- oder Massnahmeantritt gewährt werden und dauert in der Regel nicht länger als 12 Monate. Auf diesen Zeitpunkt erfolgt eine Versetzung ins Wohnexternat oder eine bedingte Entlassung. Bei Nichtbewährung wird die eingewiesene Person in die Vollzugsinstitution zurückversetzt. 2
3.5 Die Vollzugsbehörde entscheidet auf Antrag der Vollzugsinstitution über die Gewährung des Arbeitsexternats sowie über die Rückversetzung in die Vollzugsinstitution. Sie holt allenfalls einen Bericht der Bewährungshilfe ein. 3.6 Die Institutionen, in welchen das Arbeitsexternat vollzogen wird, bedürfen gemäss Art. 379 StGB einer entsprechenden kantonalen Bewilligung sowie der Anerkennung durch die Konkordatskonferenz (Anhang 1). 4. Wohnexternat (Art. 77a Abs. 3 StGB) 4.1 Das Wohnexternat ist im progressiven Vollzug von Strafen und Massnahmen die letzte Stufe vor der bedingten Entlassung. 4.2 Das Wohnexternat wird nach entsprechender Bewährung im Arbeitsexternat angeordnet. Die Bedingungen für das Arbeitsexternat müssen weiterhin erfüllt sein. Es wird nicht gewährt, wenn die eingewiesene Person durch die Gewährung vermehrter Freiheit und Verantwortung offensichtlich überfordert würde. 4.3 Das Wohnexternat dauert in der Regel drei bis zwölf Monate. Der Vollzug erfolgt in Heimen ohne Vollzugsregime, in Wohngemeinschaften, in Privathäusern oder in der Familie. 4.4 Die eingewiesene Person befindet sich im Rahmen des Wohnexternats nach wie vor im Strafoder Massnahmenvollzug, erhält aber zunehmend mehr Freiheit, Selbständigkeit und Verantwortung. Die Vollzugsbehörde sorgt für die erforderliche Betreuung und Kontrolle, nach Absprache und nach Massgabe der konkreten Verhältnisse durch die Institution (ggf. auch jene, in welcher das Arbeitsexternat vollzogen wurde), die Bewährungshilfe oder andere von der Vollzugsbehörde beigezogene Institutionen. 4.5 Die Vollzugsbehörde entscheidet über die Gewährung des Wohnexternats sowie über die Rückversetzung in das Arbeitsexternat oder die Vollzugsinstitution. Sie holt einen Bericht der Institution ein, in welcher das Wohnexternat vollzogen wurde. Die Bewährungshilfe kann beratend beigezogen werden. 5. Gemeinsame Bestimmungen 5.1 Die Beschäftigung bei einem privaten Arbeitgeber, das Arbeits- und das Wohnexternat werden gewährt, wenn die eingewiesene Person den Vollzugsplan eingehalten hat, sie sich aktiv um ihre Eingliederung bemüht, sie zuverlässig und vertragsfähig ist und angenommen werden kann, sie sei den Anforderungen der Vollzugslockerung gewachsen, nicht zu erwarten ist, dass sie flieht, nicht zu erwarten ist, dass sie weitere Straftaten begeht. 5.2 Bei Arbeits- und Wohnexternat müssen zusätzlich die erforderlichen Rahmenbedingungen (Arbeit/Tagesstruktur, Wohnmöglichkeit, ggf. weitere Auflagen) geregelt und eine volle Tagesstruktur sowie in der Regel eine Voll- oder Teilzeitbeschäftigung gewährleistet sein. 3
5.3 Die Bewilligung der externen Beschäftigung, des Arbeitsexternats oder des Wohnexternats kann mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden, insbesondere auch solchen betreffend Erfüllung finanzieller Verpflichtungen. 5.4 Im Vollzug an kranken, gebrechlichen und betagten Personen können die Erleichterungen gemäss diesen Richtlinien bereits vor den im einzelnen gültigen Mindestterminen (Art. 77a Abs. 1 StGB) gewährt werden. 5.5 Bei der Prüfung von Vollzugserleichterungen gegenüber Ausländern im Sinne der vorstehenden Ziffern 1 bis 4 sind zusätzlich die Richtlinien über Ausländerinnen und Ausländer im Vollzug zu berücksichtigen. 5.6 Eingewiesene, bei denen auch mittels geeigneter Auflagen der Gemeingefährlichkeit nicht genügend begegnet werden kann, dürfen nicht in eine offene Vollzugsinstitution oder eine offene Abteilung einer geschlossenen Vollzugsinstitution verlegt werden; ebensowenig kommen externe Beschäftigung, Arbeits- oder Wohnexternat in Frage. 5.7 Die Vollzugsinstitution gewährt der eingewiesenen Person im Rahmen des Vollzugsplans Urlaube. Die Anzahl und Dauer der Urlaube kann schrittweise erhöht werden. Pro Woche kann maximal ein Urlaub von längstens 48 Std. Dauer bewilligt werden. Bei zusammenhängenden Feiertagen können Urlaube bis maximal 96 Std. Dauer zusammengezogen werden. 5.8 Ferien sind während eines Arbeitsexternats, das nicht über 6 Monate dauert, nicht möglich. Die eingewiesene Person ist während Betriebsferien durch die Institution sinnvoll zu beschäftigen oder hat in ein Gefängnis oder eine Vollzugsinstitution einzutreten, sofern sie keine geeignete auswärtige Temporärarbeit findet. Bei einem Arbeits- und/oder Wohn- und Arbeitsexternat von insgesamt über 6 Monaten Dauer können ab Anfang des 7. Aufenthaltsmonats bei gutem Vollzugsverlauf Ferien im Umfang von 1 Tag pro Aufenthaltsmonat gewährt werden. Ferien sind in der Regel nicht in einzelnen Tagen zu gewähren. Nicht bezogene Ferien berechtigen nicht zu einer früheren Entlassung. 5.9 Die Kantone können von der Person im Arbeitsexternat und im Wohnexternat einen Beitrag an die Vollzugskosten verlangen. Das Konkordat legt in der Kostgeldliste den Beitragsrahmen fest. 5.10 Für eine weiter gehende Beteiligung der verurteilten Person an den Lebenshaltungs-, Unterbringungs- und Betreuungskosten ist das kantonale Recht der Vollzugsbehörde massgebend. 6. Anforderungen an die Institutionen 6.1 Arbeitsexternat 6.1.1 Das Arbeitsexternat wird in einer staatlichen oder privaten Institution vollzogen. Die Konkordatskonferenz anerkennt auf Gesuch hin eine Institution zum Vollzug des Arbeitsexternats, wenn a) sie den aktuellen Qualitätsstandards entspricht, b) eine klare Organisationsstruktur, ein schriftliches Vollzugskonzept und die notwendigen Reglemente (Hausordnung) bestehen, c) eine angemessene Betreuung sowie eine korrekte und konsequente Führung der eingewiesenen Person gewährleistet ist, d) der Betrieb durchgehend über 24 Stunden abgedeckt ist. 4
6.1.2 Institutionen ausserhalb des Konkordats gelten als anerkannt, wenn sie vom örtlich zuständigen Konkordat anerkannt sind. Die Kantone können im Bereich des Massnahmenvollzuges auch Institutionen zulassen, die über keine konkordatliche Anerkennung verfügen. Die unter Ziff. 6.1.1 aufgestellten Qualitätskriterien gelten auch für diese Institutionen sinngemäss. 6.1.3 Die Institution überwacht die Einhaltung des Vollzugsplans, der Hausordnung und allfälliger besonderer Anordnungen. Sie bestimmt aufgrund der Arbeitszeiten und der betrieblichen Rahmenbedingungen die Zeiten, während denen die eingewiesene Person die Institution verlassen darf. Sie überprüft, ob die eingewiesene Person regelmässig arbeitet und ihren Verpflichtungen nachkommt. 6.1.4 Sie legt mit der eingewiesenen Person ein Budget fest und berücksichtigt dabei insbesondere familiäre Unterhalts- oder Unterstützungspflichten sowie die Schuldensanierung. Sie verwaltet das von der Vollzugsinstitution überwiesene Arbeitsentgelt, den Lohn und allfällige weitere Einnahmen. 6.2 Wohnexternat 6.2.1 Während des Wohnexternats wohnt die eingewiesene Person ausserhalb der Vollzugsinstitution. 6.2.2 Die Betreuung und Kontrolle erfolgt durch die Vollzugsinstitution, die Bewährungshilfe oder andere von der Vollzugsbehörde beigezogene Institutionen. Diese sorgen dafür, dass die eingewiesene Person ihren Verpflichtungen nachkommt und die Anordnungen einhält. 6.3 Gemeinsame Bestimmungen betreffend die Institutionen 6.3.1 Die Vollzugsinstitution trifft die für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung erforderlichen Anordnungen und übt im Rahmen der Hausordnung die Disziplinargewalt aus. 6.3.2 Die Vollzugsinstitution bzw. die Betreuungs- und Kontrollinstanz meldet der Vollzugsbehörde unverzüglich allfällige besondere Vorkommnisse, insbesondere wenn die eingewiesene Person der Arbeit unberechtigterweise fernbleibt oder schwerwiegend oder wiederholt gegen den Vollzugsplan, die Hausordnung oder besondere Anordnungen verstösst. Die Vollzugsbehörde entscheidet über die Rückversetzung in den Normalvollzug. 6.3.3 Gegen Entscheide der Vollzugsinstitution bzw. die Betreuungs- und Kontrollinstanz kann bei der kantonalen Aufsichtsinstanz (Art. 379 StGB) Beschwerde erhoben werden. 6.3.4 Die Vollzugsbehörde leistet der Vollzugsinstitution ein Kostgeld. Die Vollzugsinstitution zieht den Kostenbeitrag der eingewiesenen Person direkt ein. Über eine Reduktion oder einen Erlass des Kostenbeitrags entscheidet die Vollzugsbehörde. 5
7. Beschlussfassung, Inkraftsetzung 7.1 Die vorliegenden Richtlinien sind an der Konkordatskonferenz vom 3. November 2006 beschlossen worden. Sie treten am 1. Januar 2007 in Kraft. 7.2 Die Richtlinien vom 3. Juni 2003 über die Verlegung in freier geführte Anstalten, die externe Beschäftigung und den Vollzug der Halbfreiheit und des Wohn- und/oder Arbeitsexternates sowie die Richtlinien vom 22. April 1988 für Institutionen zum Vollzug von Halbfreiheiten werden auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinien aufgehoben. Aarau/Wohlen, 15. November 2006 6