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Na, nicht schlank, aber auch nicht fett, denken Sie sich Ihren Teil! Haare dunkelblond, lockig, schulterlang. Körbchengröße? Pia, die Frau ist von oben bis unten aufgeschlitzt worden! Kein sehr schöner Anblick! Und außerdem hatte ich noch kein Frühstück! Ist ja gut, ich seh mal nach, sagte Pia und legte auf. Kann man schon sagen, woran sie gestorben ist?, fragte Lars in die Runde. Wolfgang hob die Schultern. Bis auf die klaffende Wunde hab ich nichts gesehen. Ich vermute, sie ist daran gestorben. Na, hoffentlich ging es schnell, murmelte der Hauptkommissar. Hat jemand die Adresse von dem Typen, der sie gefunden hat? Wolfgang nickte in Richtung der Streifenpolizisten. Lars hob die Hand zum Abschied. Ruf mich an, solltest du was finden! Ich geh mal den Jungen besuchen. Der andere grüßte freundlich zurück und machte sich wieder an die Arbeit. Und wir?, fragte Uhlmann. Lars blickte ihn missmutig an. Ihr sucht nach Spuren! Und passt auf, dass die Streifenhörnchen alles großräumig absperren, bis nach oben zu der Mauer! Das hättest du eigentlich gleich veranlassen sollen. Ich habe doch, wollte Uhlmann sich verteidigen, doch Lars ließ ihn erneut stehen. Der ist jetzt aber nicht zu Hause, sondern auf Arbeit, erklärte der Polizist. Lars, der sich gerade Namen und Adresse des Jungen notierte, seufzte. Und wo arbeitet er? In einem Copyshop auf dem Bischofsweg. Gibt s da viele oder bloß einen? Der Polizist hob die Schultern. So viele wird es nicht geben. Der Kerl ist auch leicht zu erkennen. Er hatte Piercings in den Augenbrauen und in der Unterlippe. Und lange Haare. 16
Lars seufzte wieder. Wir reden doch vom Bischofsweg in der Neustadt, nicht wahr? Der Polizist nickte. Da sieht jeder Dritte so aus, Sie Genie! 2 Hauptkommissar Pulster von der Mordkommission. Sind Sie Marcel Bütig? Der Mann hinter dem Tresen blickte auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Der bin ich. Ist noch was?, fragte er leicht verunsichert. Was hat er?, überlegte Lars. Angst? Ich will Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Da hat man gar nichts gemacht und trotzdem einen Haufen Stress!, beschwerte sich der junge Mann und deutete dann hinter sich. Gehen wir nach hinten! Lars folgte ihm in ein Zimmer, in dem sich Papierkartons stapelten. Also, was wollen Sie wissen? Sind Sie oft da unten an der Elbe? Jeden Tag. Genau dort? Genau dort. Und ist Ihr Hund zum Fundort der Leiche gerannt, weil er es immer tut oder weil er etwas gerochen hat? Was sind denn das für Fragen? Er rennt immer da rum. Aber diesmal hat er gebellt wie verrückt und da hab ich nachgesehen. Sie denken doch nicht, dass ich etwas damit zu tun habe? Lars wiegte den Kopf. Nun, ich frage mich, wieso Sie zuerst Ihre Kumpels angerufen haben und nicht die Polizei. Sie haben die gesamte Umgebung zertrampelt. Ich war ein bisschen durcheinander, man findet ja nicht jeden Tag eine Leiche. Und außerdem hätten die mir nie geglaubt, wenn ich denen das nur erzählt hätte. 17
Schon mal was von Behinderung polizeilicher Ermittlungen gehört? Das ist strafbar. Der Mann zuckte zusammen. Ist recht. Soll er Angst haben! Außerdem der richtige Zeitpunkt, drohend zum Du zu wechseln. Ihr habt mögliche Spuren zertreten! Und hoffentlich habt ihr nicht auch noch die Tote angefasst! Denn sollte man Spuren von dir an der Leiche finden, wärst du vorerst der Hauptverdächtige! Um Gottes willen, ich fass doch keine Leiche an!, keuchte Marcel und strich sich wieder nervös durchs Haar. Was ist bloß los mit ihm?, fragte sich Lars. Hat er was zu verbergen? Okay. Dann werden wir jetzt mal konkret! Marcel wusste nicht, was er mit diesem Satz anfangen sollte, und hob die Schultern. Hast du irgendetwas gesehen? Einen Mann? Eine Frau? Auffällige Bewegungen? Ist jemand weggelaufen?, fragte der Hauptkommissar, doch der Junge schüttelte ein ums andere Mal den Kopf. Wäre auch ein Wunder gewesen. So wie die Leiche aussah, hat sie schon Stunden im Wasser gelegen. Aber fragen kann man ja mal Vielleicht ein Auto? Ein Moped mit Anhänger? Nein, nichts. Tut mir leid, sagte Marcel und sah so aus, als wünschte er, etwas sagen zu können, um den bösen Bullen milde zu stimmen. Lars nickte und griff in seine Jackeninnentasche. Hier ist meine Karte. Wenn dir noch etwas einfallen sollte, rufst du mich an! 3 Sie glauben gar nicht, wie viele Vermisste es gibt!, rief Pia, kaum dass der Hauptkommissar die Bürotür geöffnet hatte. Doch, glaub ich. Ich hab mal ein paar Jahre lang versucht, vermisste Kinder zu finden, erwiderte er missmutig. Der Rückweg 18
ins Büro war schlecht verlaufen. Sein Chef hatte angerufen und wollte wissen, wie lange er wohl zur Lösung des Falles brauchte. Was sollte man dazu sagen? Gerade erst eine Leiche gefunden und schon sollte man fertig sein!,wir wissen ja noch nicht mal, wer sie ist, hatte Lars wahrheitsgemäß geantwortet. Was sollte das Ganze? Der Chef war doch nicht blöd, war selbst Polizist und wusste doch eigentlich, wie es lief. Bestimmt konnte er gar nichts dafür und irgendwelche Wichtigtuer aus dem Rathaus setzten ihn unter Druck. Ich hab hier zwölf Frauen!, rief Pia. Ich hab nur eine und die mault ständig rum, dachte Lars griesgrämig. Er trat zu Pia ins Büro und warf einen Blick auf den Monitor. Nach zwei Minuten schüttelte er den Kopf. Nichts dabei. Seine Schreibkraft sah ihn an. Sind Sie sicher? Ich meine die Frau hat immerhin im Wasser gelegen Ja, ich bin mir sicher. Ich kann mir Gesichter merken und die Frau war nicht dabei. Außerdem kommen die meisten nicht einmal aus Sachsen, warum sollten sie tot in Dresden liegen? Bestimmt haben Sie recht, sagte Pia und schloss die Vermisstendatenbank mit einem Mausklick. Bestimmt haben Sie recht, wiederholte Lars in Gedanken und biss sich wütend auf die Unterlippe. Außerdem muss sie ja noch gar nicht als vermisst gelten, wenn sie erst heute Nacht ermordet wurde Natürlich. Es war ja auch nur ein erster Gedanke. Vielleicht wird heute noch eine Meldung kommen. Ich werde gleich mal in der Zentrale anrufen und denen sagen, dass sie sofort Bescheid geben sollen. Dann müssen Sie Ihr Handy aber den ganzen Tag anlassen, zwitscherte Pia frech. Das reichte Lars. Mit großen Schritten marschierte er in sein Büro und schloss die Zwischentür hinter sich. Doch kaum hatte er sich an seinen Schreibtisch gesetzt, klingelte das blöde Ding tatsächlich. Pulster! 19
Pulstern Sie sich mal nicht so auf! Ha, ha, ha! Doktor Steinel! Was gibt s? Lars schnaufte leise. Dieser Dummschwätzer machte immer den gleichen Witz. Na ja, wir haben uns lange nicht mehr gesehen und gerade heute hab ich an Sie gedacht. Sie haben die Tote vor sich und wollen, dass ich vorbeikomme, vermutete der Hauptkommissar. Genau so ist es!, lachte Steinel. Ich komme, sagte Lars und legte schnell auf. Dann rieb er sich die Schläfen. Langsam machten sich Kopfschmerzen bemerkbar. Warum musste ausgerechnet dieser Kerl heute Dienst haben? Der war immer erst zufrieden, wenn andere sich bei seinen Ausführungen übergaben. Sei s drum!, murmelte Lars und erhob sich. Die Zwischentür ging auf. Soll ich heute länger machen?, fragte Pia. Warum? Solange wir nichts weiter wissen Hat eigentlich jemand die Presse informiert? Vorhin war ein Fernsehteam an der Elbe. Die haben aber bloß ein bisschen das Gebüsch gefilmt. War ja schon alles aufgeräumt. Woher wissen Sie das denn?, fragte Lars erstaunt. Pia hob die Schultern. Ich hab da so meine Kontakte, erklärte sie ungenau. Pfff, Kontakte!, grunzte er. Seine Schreibkraft seufzte. Herr Uhlmann hat es mir gesagt. Herr Risiger und er müssten eigentlich auch gleich hier sein. Ich fahr in die Pathologie, falls sie fragen. Bringen Sie mir was mit? Pia grinste und erreichte damit, dass auch über Lars Gesicht ein Lächeln huschte. Sagen Sie ihnen einen schönen Gruß von mir, sie sollen die Vermisstenakten studieren und dann sollen sie nachforschen, ob es in anderen Bundesländern schon einmal solche oder ähnliche Fälle gegeben hat. 20