Augenärzte informieren: Glaukom (grüner Star) Berufsverband der Augenärzte Deutsche Ophthalmologische Deutschlands e.v. (BVA) Gesellschaft (DOG)



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Transkript:

Augenärzte informieren: Glaukom (grüner Star) Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.v. (BVA) Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG)

Was ist das: ein Glaukom? Oder, besser gesagt, was sind Glaukome? Was unterscheidet den Grünen Star (Glaukom) vom Grauen Star (Katarakt)? 2 Als Glaukome bezeichnet man eine Vielzahl von Augenkrankheiten, die zu einem gemeinsamen und höchst traurigen Resultat führen, wenn sie denn nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden: Sie zerstören den Sehnerv. Der Einfachheit halber soll im Folgenden von "dem Glaukom" gesprochen werden; auch die überkommene Bezeichnung für diese Krankheit ließ an eine Einheitlichkeit des Leidens denken. Früher nämlich nannte man das Glaukom den "Grünen Star", ein Begriff, der auch deshalb nicht mehr benutzt werden sollte, weil er zu Verwechslungen mit dem "Grauen Star" geradezu einlädt. Dieser ist eine Trübung der Augenlinse, wird in der medizinischen Terminologie Katarakt genannt und ist mit einer Operation gut zu behandeln. Wenn man die Unterschiede zum Grauen Star herausstellt, wird indes besonders eindringlich deutlich, wie gefährlich das Glaukom ist. # Beim Grauen Star merkt der Patient aufgrund einer fortschreitenden Sehverschlechterung selbst, dass mit seinen Augen etwas nicht in Ordnung ist. Das Glaukom hingegen verläuft oft ohne Symptome. Wenn dem Betroffenen ein Verlust der Sehfunktion bewusst wird, ist die Schädigung des Sehnervs schon weit fortgeschritten.

# Ein Patient mit Grauem Star geht von sich aus wegen der Sehverschlechterung zum Augenarzt. Da im Prinzip jeder Gefahr läuft, an einem Glaukom zu erkranken, ohne dies rechtzeitig zu bemerken, muss die Öffentlichkeit durch Aufklärung auf diese Gefahr aufmerksam gemacht werden und darauf, dass der Verlust des Sehvermögens im Falle eines Glaukoms nur durch Früherkennungsuntersuchungen beim Augenarzt vermieden werden kann. # Nach einer Katarakt-Operation kann der Patient oft wieder erstaunlich gut sehen. Ein durch Glaukom verursachter Schaden hingegen lässt sich so gut wie nie wieder rückgängig machen. Beim Glaukom kann man nur versuchen, das noch verbliebene Sehvermögen zu erhalten und die Blindheit zu verhindern. Glaskörper Linse Sehnerv Hornhaut Iris Blutgefäße Netzhaut Abb.1: Anatomisches Schema Das Auge ist Ihr wertvollstes Sinnesorgan. Kein anderes kann Ihnen so viele Eindrücke vermitteln. Das Auge ist ein kompliziertes Organ. Viele Komponenten müssen zusammenwirken, damit es seine Aufgabe erfüllen kann. Im Zusammenhang mit dem Glaukom ist das Kammerwasser besonders wichtig. 3

4 Am häufigsten tritt das Offenwinkelglaukom auf _ die Mehrheit aller Glaukompatienten leidet an dieser Krankheitsform. Eine erst in den letzten Jahren zunehmend erforschte Variante ist das Normaldruckglaukom, bei dem die Zusammenarbeit von Augenarzt und Hausarzt besonders wichtig ist. Wesentlich seltener ist u.a. das Winkelblockglaukom, bei dem der Augeninnendruck massiv ansteigen kann. Dieses Ereignis verursacht neben einer Rötung heftige Schmerzen _ und das ist untypisch für die Glaukome, die sonst, wie gesagt, sehr schleichend verlaufen und kaum Beschwerden verursachen. Anatomische Fehlentwicklungen während der Embryonalzeit können zum seltenen angeborenen Glaukom führen. Bei schweren Entzündungen des Auges, durch Verletzungen, durch Gefäßverschlüsse am Auge oder ausgeprägte diabetische Veränderungen kann ein Sekundärglaukom auftreten. Im Folgenden geht es um das Offenwinkelglaukom und das Normaldruckglaukom. Diese beiden Krankheiten, die zusammen weit über 90 Prozent aller Glaukome ausmachen, sind tückisch und rauben das Sehvermögen wie ein "Dieb in der Nacht". Es sind diese beiden Glaukome, für deren Entdeckung der Patient bzw. der Mitbürger seinen Augenarzt aufsuchen, sich der Früherkennung regelrecht anbieten muss. Und dies geht nur, wenn man über das Leiden und seine Gefahren informiert ist _ und über die Chancen der Früherkennung.

5 Was passiert im Auge beim Glaukom? Noch ist nicht bis in letzte Einzelheiten erforscht, warum manche Menschen an Glaukom erkranken und andere nicht. Beim Glaukom gehen die Nervenfasern in Sehnerv und Netzhaut zu Grunde. Diese Fasern haben die Aufgabe, die von den Rezeptorzellen der Netzhaut aufgenommenen Seheindrücke zu bündeln und über den Sehnerv zum Sehzentrum im Gehirn weiterzuleiten. Abb.2: Kammerwasser- Kreislauf Der Glaskörper befindet sich hinter der Linse. Er besteht aus einer gelartigen, elastischen Masse, die die Netzhaut schützt und den Augapfel stabil hält. Vor der Linse strömt das dünnflüssige Kammerwasser. Es liefert die Nährstoffe für Hornhaut und Linse. Wie bei einem See besteht im gesunden Auge ein Gleichgewicht zwischen Zufluss und Abfluss des Kammerwassers. Dadurch bleibt der Druck im Augeninneren konstant. Beim Glaukom ist oft _ aber nicht immer _ der Abfluss behindert und als Folge steigt häufig der Augeninnendruck an.

6 Abb.3: Druck auf den Sehnerv Mit der Zeit kann der erhöhte Augeninnendruck den Sehnerv schädigen und dadurch das Gesichtsfeld beeinträchtigen. Wird der erhöhte Augeninnendruck nicht behandelt, kann dies letztlich sogar bis zur Erblindung führen. Es gibt mehrere Faktoren, die zum Untergang dieser Zellen führen. Die beiden wichtigsten sind ein erhöhter Augeninnendruck und eine unzureichende Blutversorgung dieser empfindlichen Zellen. Lange Jahre galt ein erhöhter, also jenseits der Grenze von 22 mmhg liegender Augeninnendruck als Synonym für das Glaukom. Heute wissen wir, dass die Wahrscheinlichkeit eines Sehnervenschadens zwar umso größer wird, je mehr diese Grenze überschritten wird. Ein Patient mit einem Augeninnendruck von 35 mmhg wird mit mehr als fünffach erhöhter Wahrscheinlichkeit an Glaukom erkranken als ein Mensch mit 23 oder 24 mmhg.

7 Doch eine Entscheidung darüber, ob jemand an Glaukom erkrankt ist oder nicht, ist aufgrund der Messung des Augeninnendrucks allein nicht zu treffen. Wenn nur der Augendruck als Glaukomscreening gemessen wird, wird die Hälfte aller Glaukome übersehen! Entscheidend ist die Beurteilung des Sehnervs durch den Augenarzt. Wenn eine Schädigung dieser wichtigen Struktur vorliegt, erkennt der Augenarzt bei der Augenhintergrunduntersuchung mit dem Mikroskop und Speziallupen eine Eindellung des Sehnervs als Ausdruck des Verlustes an Nervenfasern. 1. Normales Gesichtsfeld 2. Deutlicher Gesichtsfeldschaden Abb.4: Gesichtsfeldschäden Der gleiche Sehnervenschaden kann bei einem Augeninnendruck auftreten, dessen Wert zwar innerhalb der statistischen Norm liegt, der aber für eben diesen Sehnerv zu hoch ist. Ein Drittel aller Offenwinkelglaukome sind so genannte Normaldruckglaukome. Daher ist die augenärztliche Untersuchung des Sehnervs entscheidend für die Früherkennung und die Verlaufskontrolle des Glaukoms.

8 Die dritte Komponente in der klassischen Glaukomdiagnostik ist neben der Augeninnendruckmessung und dem Sehnerv-Check die Gesichtsfelduntersuchung (Perimetrie). Hierbei kann man jenen für das Glaukom so typischen Schädigungen auf die Spur kommen: den zunächst noch kleinen Ausfällen im Gesichtsfeld, die außerhalb des Zentrums liegen und deshalb vom Betroffenen gar nicht bemerkt werden oder erst später, wenn bereits große Segmente der Gesichtsfeldwahrnehmung verloren gegangen sind. Nicht vergessen werden darf jedoch: Der Schaden an der Papille tritt meist viele Jahre vor den ersten perimetrisch nachweisbaren Gesichtsfeldausfällen ein _ die Untersuchung der Papille (Sehnerv- Check) ist somit für die Früherkennung entscheidender als die Bestimmung des Gesichtsfeldes. Eine Reihe innovativer diagnostischer Methoden erlauben darüber hinaus eine genaue Analyse des Sehnervenkopfes und der möglicherweise bestehenden glaukomatösen Schädigungen. So wird z.b. bei der Laser Scanning Tomographie mit dem Heidelberg Retina Tomografen (HRT) ein dreidimensionales Bild der Papille erstellt und von einem Computer ausgewertet. Diese Analyse gibt wesentlich genauer Aufschluss über das Ausmaß eines Glaukomschadens, als es noch bis vor kurzem mit der Untersuchung des Augenhintergrundes allein möglich war. Auch diese Untersuchung dauert nur wenige Minuten und ist _ wie die gesamte Glaukom- Vorsorge _ absolut schmerzfrei.

9 Was ist das Normaldruckglaukom? Der neben dem erhöhten Augeninnendruck zweite wichtige Risikofaktor ist eine nicht ausreichende Blutversorgung der Nervenfaserzellen. Dieser liegen meist so genannte vaskuläre Dysregulationen zu Grunde. Hierunter versteht man das Unvermögen des Gefäßsystems, sich adäquat an wechselnde Anforderungen bei der Sauerstoffund Nährstoffversorgung anzupassen. Derartige vaskuläre Dysregulationen sind ein ganz charakteristisches Merkmal bei einer Form des Glaukoms, die nach dem ursprünglichen Verständnis dieser Augenkrankheit ein Widerspruch in sich wäre: dem Normaldruckglaukom. Auf den ersten Blick scheint es paradox, dass der Augeninnendruck bei den Betroffenen unter 20 oder 22 mmhg liegt, eigentlich also "gesund" wäre, während das wichtigste klinische Merkmal des Glaukoms, der Verlust von Nervenfasern in Netzhaut und Sehnervenkopf und damit die deutlich sichtbare Aushöhlung desselben (Exkavation) fortschreitet _ mit fatalen Folgen für das Sehvermögen, das beim Glaukom infolge sich ausdehnender Gesichtsfeldausfälle unbehandelt zu Grunde gehen kann. Krank ist nach gegenwärtigem Forschungsstand bei Menschen mit Normaldruckglaukom nicht nur das Auge, sondern möglicherweise das Gefäßsystem des Körpers im Allgemeinen. Normaldruckglaukompatienten nämlich weisen im Vergleich zur Normalbevölkerung in

10 deutlich erhöhtem Maße Durchblutungsstörungen in der Peripherie auf, z.b. in den Händen. Patienten mit Glaukomschaden haben ferner häufiger als Gesunde Hörstörungen oder Tinnitus, recht oft stumme, an Mini-Herzinfarkte erinnernde Veränderungen im EKG und gelegentlich auch minderdurchblutete Areale im Gehirn. Wie viele Menschen sind vom Glaukom betroffen? Das Glaukom ist eine Volkskrankheit. In Deutschland haben etwa 3 Millionen Menschen einen zu hohen Augeninnendruck (Vorstufe des Glaukoms) und rund 800.000 Menschen sind an einem Glaukom erkrankt. Die Häufigkeit des Glaukoms steigt mit zunehmendem Lebensalter. Es tritt einschließlich seiner Vorstufen bei gut 2,4 Prozent aller Personen ab dem 40. Lebensjahr auf. Jenseits des 75. Lebensjahres liegt die Häufigkeit bereits zwischen 7 und 8 Prozent. Das Lebensalter steht unter den allgemeinen Risikofaktoren also an erster Stelle. Neben einem erhöhten Augeninnendruck ist das Glaukomrisiko vermehrt bei: # familiärer Glaukombelastung in der Verwandtschaft ersten Grades # höherer Kurzsichtigkeit ab minus 5 Dioptrien # schwarzer Hautfarbe Lebensgewohnheiten, Beruf und Ernährung haben nach heutiger Kenntnis keinen Einfluss auf die Entstehung eines Glaukoms. Bei einem bereits vorhandenen Glaukom

stellt jede Form von Nikotin-Konsum eine zusätzliche Gefährdung dar. Vor maßvollem Alkoholgenuss braucht nicht gewarnt zu werden. Diabetiker haben kein erhöhtes Glaukomrisiko; es sei denn, ihre Augen weisen bereits erhebliche krankhafte diabetische Veränderungen auf, die dann ein Sekundärglaukom bewirken können. Wie kann ein Glaukom entdeckt werden? Gerade das komplexe Bild des Normaldruckglaukoms macht es deutlich: Eine Messung des Augeninnendrucks allein (wie sie von nicht-medizinischen Berufsgruppen angeboten wird) ist für die Früherkennung des Glaukoms völlig unzureichend. Die Diagnose kann nur durch eine eingehende augenärztliche Untersuchung gestellt werden, in deren Zentrum der Sehnerv-Check steht. Die Untersuchung ist schmerzfrei, belastet nicht und dauert nicht lange. Momentan werden die Kosten der Untersuchung nicht von den Krankenkassen übernommen. Die für Sehnerv-Check und Augendruckmessung erhobene Summe von ca. 16-20 Euro ist jedoch eine sinnvolle Investition in die Gesundheit Ihres wichtigsten Sinnesorgans. Wer sollte zur Früherkennungsuntersuchung zum Augenarzt gehen? Menschen jenseits des 40. Lebensjahres sind ebenso besonders glaukomgefährdet 11

12 wie jene, in deren Familie Fälle von Glaukom vorgekommen sind, bei denen also von einer familiären Belastung ausgegangen werden muss. Auch Kurzsichtige und Diabetiker mit fortgeschrittenen Augenveränderungen neigen eher dazu, an Glaukom zu erkranken als Gesunde. Normaldruckglaukompatienten leiden, wie erwähnt, häufig unter anderen Manifestationen einer Zirkulationsstörung der kleinsten Gefäße. Diese Patienten haben oft einen auffallend niedrigen Blutdruck. Der Augenarzt wird sie in Absprache mit dem Hausarzt oder Internisten behandeln. Früherkennung ist der erste Schritt zum Erhalt des Sehvermögens Wer zu einer Risikogruppe gehört, sollte sich regelmäßig beim Augenarzt einer Glaukom- Vorsorge unterziehen. Der Augenarzt nimmt eine gezielte Untersuchung des Sehnervs vor und bewertet sie zusammen mit der Messung des Augeninnendrucks. Dann kann er Ihnen eine der folgenden Auskünfte geben: #Ihre Augen sind nicht am Glaukom erkrankt. Die Glaukomvorsorge sollte in 3 Jahren wiederholt werden. Sind Sie älter als 65, sollte alle 1 2 Jahre kontrolliert werden. #Ihre Augen zeigen keine Anzeichen von Glaukom. Zur Sicherheit sind jedoch weiterführende diagnostische Maßnahmen oder auch kurzfristige Kontrollen angezeigt.

#Ein bisher unentdecktes Glaukom bzw. eine Frühform davon muss behandelt werden. Dies geschieht in der Regel medikamentös. Die Früherkennung ist eine große Chance für Ihr Sehvermögen. Nutzen Sie das Angebot Ihres Augenarztes, dem Glaukom rechtzeitig auf die Spur zu kommen! Wie werden die verschiedenen Glaukomformen behandelt? Den meisten Glaukompatienten kann mit Augentropfen (Antiglaukomatosa) geholfen werden. Die schon seit langem bewährten Betablocker wurden in den letzten Jahren durch innovative Medikamente ergänzt. So können Prostaglandine und Alpha-Agonisten sehr effektiv den Augeninnendruck senken. Eine weitere neue Substanzklasse, die lokalen Carboanhydrasehemmer, haben neben der Drucksenkung offenbar einen weiteren therapeutischen Effekt und können, wie Studien belegen, die beim Glaukompatienten beeinträchtigte Durchblutung der hinteren Augenabschnitte verbessern. Wenn die medikamentöse Behandlung nicht zum angestrebten Ziel führt, kommen operative bzw. laserchirurgische Maßnahmen in Betracht. Auch beim Winkelblockglaukom (akuter Glaukomanfall) pflegt man zunächst meist mit Medikamenten den Augeninnendruck zu senken. Danach wird durch eine Operation an der Regenbogenhaut der Druckausgleich zwischen Hinter- und Vorderkam- 13

14 mer des Auges ermöglicht und eine erneute Blockade des Kammerwasserabflusses verhindert. Angeborener Grüner Star und Glaukome im jugendlichen Alter sind selten und meist familiär bedingt. Frühzeichen sind Tränenträufeln, gesteigerte Lichtempfindlichkeit, krampfhaftes Zusammenkneifen der Lider wie eine vergrößerte oder auch getrübte Hornhaut. Die Diagnose wird vom Augenarzt in der Regel unter allgemeiner Narkose oder dämpfenden Medikamenten gestellt. Zur Senkung des krankhaft erhöhten Augeninnendrucks muss das Auge operiert werden. Die Behandlung der Sekundärglaukome umfasst neben der medikamentösen oder chirurgischen Senkung des Augeninnendrucks die Therapie der ursächlichen Grunderkrankung oder Verletzung bzw. der damit einhergehenden Komplikationen. Wie sind die Aussichten für das Sehvermögen? Ist durch ein Glaukom bereits eine Schädigung des Sehnervs oder eine Einbuße am Gesichtsfeld eingetreten, so ist _ von Ausnahmen abgesehen _ dieser Schaden nicht mehr rückgängig zu machen. Eine Behandlung kann nur bewahren, was an Sehvermögen zu Behandlungsbeginn noch vorhanden ist. Dabei sind die Aussichten um so besser, je früher die Therapie einsetzt. Eine rechtzeitige Behandlung hat daher zum Ziel, eine Abnahme oder den Verlust des Sehvermögens von vornherein zu verhindern.

Wie die Individualität der Menschen einzigartig ist, so manifestiert sich jedes Glaukom unterschiedlich und bedarf daher einer auf die Einzelerkrankung abgestimmten Behandlung und Verlaufskontrolle. Das ist die verantwortungsvolle Aufgabe Ihres Augenarztes, der Ihnen zur Beantwortung aller Fragen zur Verfügung steht, die über eine pauschale Information hinaus reichen. Auch wenn Sie keine Augenbeschwerden spüren, kann dennoch eine Glaukomerkrankung im Beginn vorhanden sein. Unterziehen Sie sich daher spätestens ab dem 40. Lebensjahr einer regelmäßigen augenärztlichen Glaukom-Vorsorge. Meist fällt dieser Zeitpunkt altersbedingt mit einer nachlassenden Lesefähigkeit im Nahbereich zusammen. Suchen Sie immer dann Ihren Augenarzt auf, wenn Sie im Auge Schmerzen haben, wenn eine Rötung auftritt oder wenn Sie eine Veränderung Ihrer Sehfähigkeit feststellen. Herausgeber: Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.v. (BVA) Postfach 30 01 55, 40401 Düsseldorf www.augeninfo.de Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) Platenstr. 1, 80336 München www.dog.org 2009 BVA + DOG 2004 CHIBRET (Abb.1-3) Druck und Distribution: CHIBRET Pharmazeutische GmbH 15