WS 2014/2015: Übung Grundlagen der GeoArchäologie & LandschaftsArchäologie für Archäologen 1. Sitzung am 28.10.2014 Grundlagen der Geoarchäologie & Landschaftsarchäologie für Archäologen Einführung in das Thema Dr. Stefan Dreibrodt & Dr. Robert Hofmann 1. Organisatorisches 2. Definition 3. Geographische Konzepte i. d. Archäologie 4. Fallbeispiel Visoko Becken, Central Bosnia (Foto: Sara Jagiola
Kursziele Grundwissen in Landschaftsgeschichte - natürliche Gegebenheiten von Ausgrabungsstätten & ihrem Umfeld - Veränderungen durch den siedelnden Menschen - nachfolgende Prozesse - Grundbegriffe: geologisches Ausgangsmaterial, Böden, Sedimente, bodenbildende und sedimentologische Prozesse - Möglichkeiten und Grenzen numerischer Datierungen im geoarchäologischen Kontext Grundwissen in geographisch orientierter Siedlungs- und Landschaftsarchäologie - Begrifflichkeiten - Konzepte und Methoden zur Analyse von Siedlungen, Siedlungssystemen und Kulturlandschaften - Relation von archäologischen Denkmälern zu ihrer Umwelt - Rekonstruktion von Bevölkerungsgrößen und -trends Diskussion von Synergien durch Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen (speziell Siedlungs-/Landschaftsarchäologie und Geoarchäologie)
Anforderungen für Scheinerwerb/Organisatorisches physische & geistige Anwesenheit (max. 2-maliges physisches Fehlen darf toleriert werden) Lesen einiger grundlegender Artikel (f. Sitzung am 04.11.2014) Referate (evtl. nicht für alle Teilnehmer oder Gruppenarbeit) praktischer Teil (Feld- und Laborpraktikum) Klausur kritische Nachfragen/Verbesserungsvorschläge und Diskussionen sind ausdrücklich erwünscht! Ordner mit PDF-Dateien auf Institutswebseite http://www.uni-kiel.de/ufg/dateien/dateien_studium/aktuell/2014_15_dreibrodt_hofmann Benutzername: Student Passwort: ufgkiel
Begrifflichkeiten (Abgrenzung) Geoarchäologie (geoarchaeology, environmental archaeology) Siedlungsarchäologie (settlement archaeology) Landschaftsarchäologie (landscape archaeology)
Siedlungsarchäologie / Settlement Archaeology geographisch orientierte Archäologie geographisch-karthographische Methode Wurzeln: - frühe Fundstelleninventare (Rudolf Virchow) - mittels Artefaktverteilungen Siedlungsraum bestimmter archäologischer Kulturen rekonstruieren, die ethnisch interpretiert werden (Kossinna) - stärker systematisiert von Horst Jankuhn 1971 klassische Themen: Klassifikation von Siedlungen Siedlungsdichten und -intensitäten Siedlungsprozesse Wirtschaftsgeographie Kriterien der Siedlungsplatzwahl (z. B. Böden, ursprüngliche Vegetation) naturwissenschaftliche Orientierung gerichtet auf Rekonstruktionen v. Ökonomie sehr starke Fokussierung auf Siedlungen, während die Bedeutung anderer Quellengattungen tendenziell unterbewertet wird
Landschaftsarchäologie / Landscape Archaeology Sehr diverse Definitionen im Umlauf (Vorsicht: Was ist gemeint?) Jens Lüning 1997; Andreas Zimmermann u. a. 2004: raumbezogenes Verhalten ur- und frühgeschichtlicher Gruppen besser zu erfassen, soweit es sich um Größenordnungen handelt, die über den einzelnen Lagerplatz oder Wohnort hinausgehen. von Zimmermann u. a. wird Demographie wird als ein Schlüsselfaktor definiert Alexander Gramsch 2003: Lebensraum des Menschen als etwas Geschaffenes begreifen, um Landschaft als Ganzes, als soziale und kulturspezifische Konstruktion begreifen ebenso wie als geographisch-ökologischen Raum Themen: Siedlungsarchäologie mittlerer Skalenebene, an Fragen der Umwelt orientiert (deutsche Tradition) Verkehrswege Sichtfeldanalysen Semantik der Landschaft Naturlandschaft Kulturlandschaft (sozio-politische Dimension)
Konzepte der Siedlungs- und Landschaftsarchäologie Müller 2004
Geoarchäologie / Environmental Archaeology von unterschiedlichen Disziplinen betrieben (z. B. Geowissenschaften, Biologie, Klimaforschung, Bodenkunde, Geomorphologie) ebenfalls sehr divers definiert (z. B. Umweltarchäologie, off site: Landschafts- Rekonstruktion, on site: Rekonstruktion von Siedlungsprozessen) strikt naturwissenschaftlich ausgerichtet untersucht Mensch-Umweltbeziehungen (Kultur und Umwelt werden in interrelationaler Weise betrachtet) Themen: Wie reagiert der Mensch auf Umweltveränderungen? Wie verändert der Mensch seine Umwelt? Rekonstruktion der Umwelt
Geographische Konzepte in der Archäologie Räumliche Skalenniveaus Zimmermann et al. 2004
Geographische Konzepte in der Archäologie Räumliche Skalenniveaus Nakoinz 2013 lokal (Siedlung) regional (Arbeitsgebiet mit einheitlich erschlossenen Quellen) überregional (Arbeitsgebiet mit nicht einheitlich erschlossenen Quellen)
Geographische Konzepte in der Archäologie Räumliche Skalenniveaus lokal (Siedlung) Okolište 7 ha kleinregional / Siedlungskammer (<100 km²) Region Visoko & Kakanj 60 km² regional (<1000 km²) Spätneolithische Butmir-Gruppe 400 km² überregional (>1000 km²) Westbalkan
Geographische Konzepte in der Archäologie Räumliche Skalenniveaus Archäologische Stichprobe (N=40) Ethnographische Stichprobe (Kriterien) - traditionelle Lebensweise - Ackerbau betreibend - größere Sprachgruppen & Gruppen mit kolonialer Ethnogenese ausgeschlossen Ethnographische Stichprobe (N=160) maximale Größe von Territorien ca. 6000 7000 km² meist kleiner als 1000 m² Wotzka 1997
Kartographie Verbreitungskarten (regional, überregional) Intra-site-Analysen von Fundverteilungen (site formation processes, Aktivitätszonen, soziale Unterschiede)
Siedlungsmuster und -intensitäten Verbreitungskarten Fundstellendichte/Siedlungsplatzdichte Territorien Zentralität (z. B. Christaller) Rang-Größenverteilungen (rank size distributions) Archäoprognose Demographische Rekonstruktionen
Umfeldanalysen dient der Analyse des Wirtschaftsraumes von Siedlungen, von Landnutzungsarten und -intensitäten bzw. zur Analyse der Standortfaktoren von archäologischen Fundstellen (z. B. Siedlungen) Umfeldanalysen (site catchment analyses) Archäoprognose (predictive modelling) Raumnutzung (z. B. Thünen-Ringe)
Landschaftsarchäologische Konzepte Sichtbarkeitsanalysen Weganalysen Kulturlandschaftsforschung
Methoden GIS-Analysen statistische Auswertungen Fernerkundung (remote sensing) Oberflächenabsammlungen (survey) / Ausgrabungen geophysikalische Prospektion (z. B. geomagnetische Prospektion) Modellierungen
DFG-Projekt Spätneolithische Siedlungsprozesse in Zentralbosnien Okolište Visoko Becken, Zentralbosnien (Foto: Sara Jagiola
Eckdaten Okolište-Projekt / Ziele und Fragestellungen des Projektes Eckdaten des Okolište-Projektes: Projektleiter: J. Müller (Kiel), Knut Rassmann (Frankfurt), Zilka Kujundžić-Vejzagić (Sarajevo) 2002 2009 Feld- und Museumsarbeiten Auswertungen bis 2013 und andauernd (1. + 2. Band der Abschlusspublikation) Wissenschaftler zahlreicher Institute und Länder Ziele des Projektes: Kulturpolitik (Nachkriegs-Generation von Archäologen) Erforschung einer neolithischen Gesellschaft auf der Ebene einer Siedlungskammer (Mikroregion) Visokobecken Ökonomische, soziale und demographische Dynamik in einem differenzierten Siedlungssystem mit Größenunterschieden von Orten rekonstruieren
Geographische Lage
Verbreitungsgebiet von Siedlungen mit Butmir Keramik und anderen spätneolithischen Gruppen (5200 4500 v. u. Z.) /Theiß Müller 1994
Neolithische Siedlungsstrukturen in Europa Müller 2005
Neolithische & frühäneolithische Siedlungen in Zentralbosnien erweitert nach Hofmann 2013 Engeres Arbeitsgebiet des Projektes
Okolište, Geomorphologie, Schichtmächtigkeiten 20-fach überhöht Hofmann 2013
Okolište, Ergebnis der geomagnetischen Prospektion und Lage der Grabungsflächen Hofmann u. a. 2006
Okolište, Entwicklung von Architektur und Siedlungsstrukturen
Vergleich lokaler (Okolište) und regionaler Siedlungsmuster Anzahl und summierte Fläche von Siedlungen Erweiterung des Siedlungsraumes (5700 4300 v. u. Z.) Größe der Siedlung Okolište a) 5200-5000 v. u. Z. 7 ha b) 5000-4850 v. u. Z. 5,6 ha c) 4850-4700 v. u. Z. 1,2 ha
Modell transhumante Viehhaltung
S. Dreibrodt, sdreibrodt@ecology.uni-kiel.de Example Bosnia Herzegowina 1 2 catchment area River Bosna 1 catchment area River Drina 2 Methods large exposures in the Holocene alluvial plains of Bosna and Drina and the adjacent archaeological excavations dating via OSL, radiocarbon, archaeological finds standard soil and geochemical analysis, charcoal analysis evaluation of archaeological record from the river catchments Okoliste Holocene alluvial and colluvial channel fill Donje Mostre Pleistocene gravel and alluvial overbank fines below the archaeosediments Okoliste Tertiary sediments, overlain by Pleistocene gravel and Holocene alluvial and colluvial channel fill Schroedter et al. 2010, Dreibrodt et al. 2013
S. Dreibrodt, sdreibrodt@ecology.uni-kiel.de Palaeoclimatic background data for the western Balkan region Example Bosnia Herzegowina 1 site Okoliste/ Dolnje Mostre 2 site Jagnilo slope activity river activity Bosna slope activity river activity Drina 2000 AD/BC 2000 4000 6000 8000 10000 Late Holocene overbank fines Mid Holocene channel fill Early Holocene overbank fines overbank fines Early Holocene sediments of a small tributary of the Drina River 2000 AD/BC 2000 4000 6000 8000 10000 Neolithic settlements at Okoliste, Donje Mostre and Jagnilo intensive slope erosion during Younger Dryas period Some Late Glacial and Early Holocene activity Major river activity after 2000 BC / 4000 BP. Schroedter et al., 2010, Dreibrodt et al., 2013
S. Dreibrodt, sdreibrodt@ecology.uni-kiel.de Example Bosnia Herzegowina 1 colluvial layer (medieval) Modern Times Medieval Times Iron Age Bronze Age Different geochemical signatures of the alluvial sediments at Okoliste/ Donje Mostre colluvial layers alluvial sediments Early Holocene overbank fines 2 Abies Picea and assemblage of embedded charcoal taxa at Jagnilo point to: alluvial layers colluvial layers alluvial layers the mountains surrounding the investigated river valleys are the source of the alluvial sediment deposited since Bronze Age. Schroedter et al., 2010, Dreibrodt et al., 2013
S. Dreibrodt, sdreibrodt@ecology.uni-kiel.de Palaeoclimatic background data for the western Balkan region Example Bosnia Herzegowina Climate as a driver? medium high low Number of lakes [n] Malo Jezero (Croatia) Drying Drying short open phase Mlaka (Slowenia) Drying Dry phase wet dry summary of palaeoclimate information (western Balkan region) 2000 AD/BC 2000 4000 6000 8000 10000 wet transition dry short dry and cold phase (8.2 event) Italian Adriatic palaeoclimate reconstructions Indication from pollen diagrams of the region Lake levels Balkan region Andric 2007, Magny et al. 2007, Harrison and Digerfeldt, 1993, Jahns and van den Bogaard, 1998
S. Dreibrodt, sdreibrodt@ecology.uni-kiel.de Palaeoclimatic background data for the western Balkan region Example Bosnia Herzegowina 1 site Okoliste/ Dolnje Mostre 2 2000 AD/BC 2000 4000 6000 8000 10000 slope activity river activity Bosna Late Holocene overbank fines Mid Holocene channel fill Early Holocene overbank fines slope activity site Jagnilo river activity Drina overbank fines Early Holocene sediments of a small tributary of the Drina River intensive slope erosion during Younger Dryas period summary of palaeoclimate information (western Balkan region) 2000 AD/BC 2000 4000 6000 8000 10000 wet transition dry short dry and cold phase (8.2 event) Some Late Glacial and Early Holocene activity is explained by wet climate but mid late Holocene alluvial activity? Schroedter et al., 2010, Dreibrodt et al., 2013
S. Dreibrodt, sdreibrodt@ecology.uni-kiel.de Example Bosnia Herzegowina Settlement history of the River Bosna basin (n = 357 sites and finds) 1 Variability of settlement intensity (number of sites) and elevation of the sites. Dreibrodt et al., 2013
S. Dreibrodt, sdreibrodt@ecology.uni-kiel.de Palaeoclimatic background data for the western Balkan region Example Bosnia Herzegowina 2000 AD/BC 2000 4000 6000 8000 10000 settlements Bosna catchment Roman 20 10 Iron A. Bronze A. 10 10 E. Neo. 10 Neo. 1 site Okoliste/ Dolnje Mostre 2 200 400 600 800 1000 1200 Elevation [m a.s.l] slope activity river activity Bosna settlements Drina catchment Roman 10 30 Iron A. Bronze A. 30 E. Neo. 5 5 Neo. 200 600 1000 1400 Elevation [m a.s.l] site Jagnilo slope activity river activity Drina summary of palaeoclimate information (western Balkan region) 2000 AD/BC 2000 4000 6000 8000 10000 wet transition dry short dry and cold phase (8.2 event) Late Glacial and Early Holocene river activity is explained by climatemid late Holocene is probably explained by forest clearances in the surrounding mountains. (+ persistence of river activity after abandonment of mountain sites...) the initial erosion of the soil cover in the mountains coincides with (/explains an?) enduring change of the hydrological system Schroedter et al., 2010, Dreibrodt et al., 2013, Hofmann et al., in prep.
Fahrplan des Kurses 24.10.14 Einführung in den Kurs/ Überblick 28.10.14 Grundlagen der Geoarchäologie 04.11.14 Grundlagen der Siedlungs und Landschaftsarchäologie 1 (Besprechung Artikel) 11.11.14 Feldmethoden am Bodenprofil/Bohrkern (Ökotechnikhalle, Olshausenstraße 100) 18.11.14 Basis Labormethoden (Ökotechnikhalle, Olshausenstraße 100) 25.11.14 Methoden der Siedlungs und Landschaftsarchäologie 2 02.12.14 Referate 09.12.14 Referate 16.12.14 Referate W E I H N A C H T S F E R I E N 13.01.15 Referate 20.01.15 Referate 27.01.15 Referate 03.02.15 Referate 10.02.15 Abschlussdiskussion Möglichkeiten, Grenzen und Perspektiven der Geoarchäologie und Landschaftsarchäologie 17.02.15 Klausur
Referats-Themen Datum Thema 02.12.14 Geochemische Signaturen als Indikatoren ehemaliger ökonomischer Aktivitäten (Multi Element Analysen, Rekonstruktion von Haus und Siedlungsfunktionen etc. aus dem geochemischen Befund) 02.12.14 Das Potential räumlicher Intra site Analysen von Fundstellen für die Beantwortung sozial und wirtschaftshistorischer Fragen 09.12.14 Radiokohlenstoffdaten, Kolluvien und Demographie (Was sagen überregional vergleichbare Daten über Demographie?) 09.12.14 Wie können mit archäologischen Methoden Bevölkerungsgrößen rekonstruiert werden? 16.12.14 Wie können aus Bevölkerungsrekonstruktionen Erkenntnisse zu Landnutzungsarten und intensitäten abgeleitet werden? (Ableitungen vom menschlichen Kalorienbedarf; Holzbedarf etc.)? 13.01.15 Bodenfruchtbarkeit und Landnutzung (Wege, die ehemalige Belastbarkeit gegebener Naturräume abzuleiten) 13.01.15 Wie gelangt man von der Analyse von Siedlungsumfeldern zu Erkenntnissen zu früheren Landnutzungsformen? 20.01.15 Paläoklima und gesellschaftlicher Wandel (z.b. Neolithisierung des Nahen Ostens und Südeuropas) 20.01.15 Naturkatastrophen und gesellschaftlicher Wandel (z. B. Thera/Santurini Eruption und die Europäische Bronzezeit) 27.01.15 Begrabene Böden und Befunde (Was können wir von unter holozänen Sediment begrabenen Befunden lernen?) 27.01.15 Herkunftsanalysen von Artefakten auf Basis ihrer geochemischen Zusammensetzung (Rekonstruktion alter Lagerstätten und Austauschsysteme) 03.02.15 Erkenntnispotentiale und praktische Durchführung von Surveys 03.02.15 Instrumente und Konzepte zur Analyse von Siedlungsmustern (z. B. Kartierungen, Rang Größenverteilungen, Siedlungshierarchien, Territorien nach Absprache!)