Mein Auslandssemester an der University of Tromsø (Norwegen) August-Dezember 2014 Studiengang Psychologie Von August bis Dezember 2014 habe ich ein Auslandssemester an der University of Tromsø im Norden von Norwegen gemacht. Im Folgenden werde ich meine Erfahrungen berichten. Es gab bei der Vorbereitung ein paar Schwierigkeiten, aber diese sollten niemanden abschrecken! Der Aufwand hat sich gelohnt und ich kann ein Auslandssemester an der Uni Tromsø sehr empfehlen!!! Warum Tromsø? Tromsø ist die achtgrößte Stadt in Norwegen, hat ca. 70000 Einwohner und liegt zum größten Teil auf einer Insel. Die Landschaft ist wunderschön, Tromsø ist perfekt um im Winter Polarlichter zu sehen und allgemein kann man sich dort sehr wohl fühlen. Die Uni Tromsø ist die nördlichste Universität der Welt und wirbt selbst mit der Bezeichnung Norwegens arktische Universität. Das Klima ist weniger rau als man es sich vielleicht vorstellen würde. Dank des warmen Golfstroms wird es im Winter selten kälter als -10 C und im Sommer kann es auch mal bis zu 20 C werden. Im Winter gibt sehr viel Schnee und die meisten Norweger lieben den Wintersport. Im Winter kann man auch gut mit Skiern zur Uni fahren. Spannend am Norden Norwegens ist außerdem, dass man hier Polartag und Polarnacht miterleben kann. Von Ende Mai bis Ende Juli ist die Sonne ständig über dem Horizont zu sehen, es wird also auch nachts nicht richtig dunkel. Von Ende November bis Ende Januar ist die Zeit der Polarnacht, tagsüber wird es also nur für einige Stunden dämmerig hell da die Sonne nicht über dem Horizont zu sehen ist. Viele Menschen haben dadurch mit Schlafstörungen zu kämpfen, es gibt aber Möglichkeiten, dies zu vermeiden und sich auch im Winter fit zu halten (Tagesroutinen, Vitamin-D Tabletten, ). 1
Blick über Tromsø Vorbereitung Ich hatte zum Zeitpunkt meines Auslandsaufenthalts mein 2. Semester im Masterstudium Psychologie abgeschlossen und habe mich für das ERASMUS-Programm über das Institut für Psychologie beworben. Die Bewerbung war relativ unkompliziert, meine Zusage habe ich im März bekommen und anschließend musste ich mich noch an der Uni Tromsø direkt bewerben (formale Angelegenheit, in der Regel werden alle Bewerber genommen). Hier muss man nochmals ein Formular ausfüllen, ein kurzes Motivationsschreiben in Englisch verfassen und ein Learning-Agreement einreichen. Zu diesem frühen Zeitpunkt ist das Vorlesungsverzeichnis im Internet noch nicht sehr aktuell. Das Learning-Agreement muss gegebenenfalls noch mehrmals aktualisiert werden, man sollte noch nicht zu viel Energie darauf verwenden. Die Lebenserhaltungskosten in Norwegen sind sehr hoch, davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen. Ich empfehle es sehr, sich für ein Auslandsstipendium (z.b. ERASMUS) und Auslandsbafög (man erhält bedeutend mehr Unterstützung als im Inland!) zu bewerben. Wohnen Eine Hürde besteht im Finden einer Wohnung. Norwegen ist generell sehr teuer und daher ist es sinnvoll, sich auf einen Wohnheimplatz zu bewerben, da dies in der Regel günstiger und unkomplizierter ist (es ist schwierig, auf dem privaten Markt etwas zu finden). Die Zusagen für die Wohnheimplätze kamen allerdings erst 4 Wochen vor Abreise und es haben auch nur ca. 50 % der internationalen Studenten einen Wohnheimplatz bekommen. Die Vergabe der 2
Wohnheimplätze fand dann aber wahrscheinlich nach Zufallsprinzip statt, jedenfalls spielte die Reihenfolge der Bewerbungen anscheinend keine Rolle und die angegebenen Prioritäten wurden häufig nicht berücksichtigt. Ich habe meinen Wohnheimplatz wahrscheinlich nur dadurch bekommen, dass ich per Mail nochmals nachgefragt hatte, kurz bevor die E-Mail an alle versendet wurde, dass nun keine Wohnheimplätze mehr verfügbar sind. Ich habe dann in Breivika gewohnt, einem Wohnheim direkt an der Uni mit einem 10m² großen Zimmer, einem kleinen eigenen Bad und zwei Küchen für insgesamt 44 Leute. Ich habe dafür umgerechnet knapp 500 Euro pro Monat bezahlt, es war das teuerste Wohnheim in Tromsø. Der Vorteil an Breivika ist, dass man in kurzer Zeit sehr viele Leute kennenlernt, allein dadurch, dass man sich Küche und Aufenthaltsraum mit 22 anderen Studenten teilt. Sauberkeit und Ordnung sind da teilweise ein schwieriges Thema, aber mit ein wenig Toleranz ist es erträglich und es war eine interessante Erfahrung. Ich habe mich schließlich in meinem Wohnheim sehr wohl gefühlt, es war relativ neu und gut ausgerüstet und ich hatte ständig nette Leute um mich herum. Andere Wohnheime haben kleinere Küchen für weniger Studierende. Das Wohnheim in Orndalen ist sehr zu empfehlen, hier wohnt man in einem kleinen norwegischen Häuschen mit ca. sechs Personen und teilt sich eine Küche und ca. zwei Bäder. Die Landschaft in Orndalen ist sehr schön, allerdings ist es etwas weiter von Uni und Stadtzentrum entfernt. Alle Wohnheime verfügen über Waschmaschinen und Trockner und in manchen Wohnheimen hat man zusätzlich noch eine Sauna. Mein Zimmer im Wohnheim Breivika 3
Küche/ Aufenthaltsraum Sprache In Norwegen spricht man Norwegisch, aber nur wenige Austauschstudenten besitzen (gute) Sprachkenntnisse wenn sie nach Norwegen kommen. Viele Erasmus-Studenten haben gar keine Vorkenntnisse, was aber kein großes Problem ist. Norweger sprechen sehr gut und sehr gerne Englisch, weshalb man dort super mit Englisch zurechtkommt. Die Uni Tromsø bietet Sprachkurse in drei Niveaustufe an, sodass man vor Ort die Sprache lernen kann. Bevor ich nach Norwegen gegangen bin, habe ich ein Semester lang Norwegisch über das Sprachenzentrum der Uni Jena gelernt und ich kann dies auch sehr weiterempfehlen. Außerdem sollte man im Alltag nicht faul werden und so oft wie möglich versuchen, Norwegisch zu sprechen, auch wenn man häufig eine englische Antwort bekommt. Generell ist die Norwegische Sprache der deutschen Sprache ähnlich, wodurch sie für uns leichter zu verstehen ist. Im Allgemeinen habe ich in Norwegen vor allem mein Englisch verbessert und ein wenig Norwegisch gelernt (leider nicht so viel, wie ich es mir erhofft hatte). Öffentliche Verkehrsmittel Um in Tromsø unterwegs zu sein, bietet es sich an, sich ein Fahrrad zu besorgen (die gibt es zum Teil sehr sehr günstig). Im Winter wird es mit dem Fahrrad schwieriger und spätestens dann ist man auf das Bussystem angewiesen. Busfahren ist in Tromsø sehr teuer, ein Einzelticket im Bus kostet knapp über 5 Euro. Besser ist es, sich ein Valueticket (aufladbare Karte mit Rabatt auf Einzelfahrten) oder eine 30-, 60- oder 90- Tage Karte zu kaufen (die 90- Tage Karte kostet ca. 150 Euro). Ein großes Problem in den Busen ist, dass es zwar digitale Anzeigen und Bildschirme gibt, diese aber einfach nicht genutzt werden-warum auch immer. 4
Dadurch weiß man zunächst nicht, wann man an der Zielhaltestelle angekommen ist, der Bus hält ja nur wenn man auf den Stop-Knopf drückt und es gibt keine Ansagen oder Anzeigen der nächsten Haltestellen. Bei kleineren Haltestellen kann man den Namen auch vom Bus aus nicht erkennen und wenn man die Busfahrer fragt, so kennen sie die kleineren Haltstellen häufig auch nicht und können nicht weiterhelfen. Man gewöhnt sich aber schnell daran und kennt schon bald die wichtigen Haltestellen. Das Studium Ich wurde als Psychologiestudentin im Master nach Tromsø geschickt und wusste schon zu Anfang, dass ich in Tromsø keine Veranstaltungen belegen kann, die ich mir für mein Studium anrechnen lassen kann (wegen mangelnder Norwegischkenntnisse). Es gibt viele Veranstaltungen auf Englisch, allerdings wurden für die Psychologie in dem Semester nur drei Veranstaltungen in Englisch angeboten. Dies waren Sozialpsychologie, eine sozialpsychologische Vorlesung zu Einstellungen und Pädagogische Psychologie. Alle drei Veranstaltungen habe ich in Deutschland schon im Bachelorstudium belegt, daher konnte ich mir nichts anrechnen lassen. Generell gibt es 10 CP pro Veranstaltung, 30 CP muss man als ERASMUS-Studierender pro Semester machen. Da ich Lust hatte, mir interessante Veranstaltungen aus anderen Bereichen anzuhören, war dies zunächst kein Problem für mich. Ich habe Attitudes belegt, um meine eine Pflichtveranstaltung abzudecken und zusätzlich das Modul Team Management von der Wirtschaftsfakultät (sehr empfehlenswert!). Gerne wollte ich noch eine weitere Wirtschaftsveranstaltung belegen, aber es war gar nicht so leicht eine passende Veranstaltung zu finden, da es zeitliche Überschneidungen gab oder der Zugang zu einer Veranstaltung eines fremden Faches schwierig war. Am Ende habe ich dann das Modul Dissertation in Economics belegt, dort muss man eine Bachelorarbeit schreiben, allerdings ohne praktischen Eigenanteil und sicherlich mit deutlich weniger Umfang, da ich ja Austauschstudentin war (kein zu großer Aufwand, eher wie eine normale Hausarbeit). Generell sollte sich bewusst sein, dass eine Anrechnung der in Tromsø erbrachten Leistungen (wenigstens in Psychologie) schwierig ist und dass man durch ein Auslandssemester in einem Land, deren Sprache man noch nicht so gut spricht, wohl eher auf der persönlichen Ebene profitiert als auf der Fachlichen. Allgemein habe ich das Semester in Tromsø als eher wenig arbeitsintensiv erlebt und ich konnte mich durch die Veranstaltungen der Wirtschaftsfakultät auch in nicht-psychologischen Bereichen weiterbilden, wofür im regulären Studium an der Heimatuni häufig die Zeit fehlt. 5
Administration building der Universität Links: Institut für Psychologie Studentenleben und Freizeit In Norwegen legt man Wert auf die Mitgliedschaft in Studentenvereinen. Dies ist die beste Möglichkeit um Norweger kennenzulernen und Freunde zu finden. Freiwilliges Engagement in Organisationen oder bei lokalen Festivals bringt weiterhin viele Vergünstigungen und Vorteile mit sich. Als Austauschstudent kann man beispielsweise als Freiwilliger in der von Studenten geleiteten Bar Driv mitarbeiten. Hier finden auch regelmäßig Konzerte und Partys statt. Im Cafe Bodega kann man sich ebenfalls engagieren und leckere norwegische Waffeln mit Marmelade und Braunkäse (norwegisch: brunost) backen. Das Cafe Bodega ist ein beliebter Treffpunkt für internationale Studenten. Weiterhin gibt es einige Chöre, Theatergruppen, ein Secondhand-Buchshop und andere Vereine, die sich beispielsweise für Umweltschutz engagieren. 6
ISU (International Students Union) ist die lokale Organisation internationaler Studierender, welche gelegentlich Freizeitaktivitäten für internationale Studenten anbietet (Grillen, Eislaufen, Klettern, ). Die Teilnahme an den Veranstaltungen ist meist kostenlos oder sehr sehr günstig. Das Fitnesscenter des Studentenwerks bietet viele Sportkurse und die Benutzung zahlreicher Kraftgeräte an. Zudem können internationale Studierende im Winter eine Ski-Ausrüstung ausleihen, was sehr begehrt ist. Um diese Angebote zu nutzen, kauft man am besten eine Semesterkarte. Umgerechnet kostet diese zwar etwas über 100 Euro pro Semester, man kann aber alle Angebote nutzen und das Sportangebot ist sehr vielseitig. Reisen Empfehlenswert ist es, die nähere Umgebung von Tromsø zu erkunden. Die Landschaften sind wunderschön und man sollte unbedingt auf ein paar Berge wandern. Weiterhin kann man mit den Hurtigruten (Kreuzfahrtschiff) zum Studentenpreis (ca. 40 Euro pro Fahrt) sehr günstig auf die Lofoten fahren, zum Nordkap oder zu weiteren interessanten Punkten. Auch das Mieten eines Autos ist empfehlenswert, z.b. um nach Finnland zu fahren. Die großen Städte im Süden von Norwegen (Oslo, Bergen, Trondheim) erreicht man am besten mit dem Flugzeug. Besonders Bergen ist sehr empfehlenswert. Tromsø im Spätherbst 7
Telegrafbukta (ein Strand in Tromsø) Norwegische Häuser auf den Lofoten Polarlichter 8
Rentiere Fazit Mein Auslandssemester an der University of Tromsø war ein ganz besonderes Erlebnis und eine Erfahrung, die mich vor allem persönlich geprägt hat. Ich denke, dass dies vor allem für mich als Psychologiestudentin eine Bereicherung war, denn ich habe ein Stück Lebenserfahrung gesammelt, bin sensibel und offen für andere Kulturen geworden und habe auch an Selbstbewusstsein dazugewonnen. Die Entscheidung, während des Studiums ins Ausland zu gehen, war für mich genau richtig und zu einem guten Zeitpunkt gewählt. Ich würde es immer wieder so machen. 9