Predigt zu Joh 1,14 29.12.2013 Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der kommen wird. Amen. I Dazwischen Liebe Gemeinde, die Zeit zwischen den Jahren ist eine besondere Zeit. In diesen Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr, bzw. zwischen Weihnachten und Epiphanias haben viele von uns noch Urlaub und sind zu Hause. Viele nehmen sich vor, diese Tage sinnvoll zu nutzen. All die Dinge zu erledigen, die in den letzten Wochen und Monaten liegen geblieben sind. Und die nicht unerledigt mit in das neue Jahr genommen werden sollen. Also noch schnell die Urlaubsfotos dieses Jahres eingeklebt, einen kleinen Jahresbericht für die Freunde verfasst, die Steuererklärung gemacht - oder den Kleiderschrank und Schreibtisch (vielleicht auch in umgekehrter Reihenfolge) aufgeräumt. Und natürlich den Umtausch der Weihnachtsgeschenke erledigen und vielleicht noch einen kleinen Gang über den Weihnachtsmarkt, denn die sind in vielen Städten immer noch da. Liebe Gemeinde, die Zeit zwischen den Jahren ist eine besondere Zeit. Irgendwie würde vermutlich jede und jeder dieser Aussage zustimmen können. 1
Aber was ist an dieser Zeit besonders? Was hat es mit diesen Tagen und Nächten zwischen den Jahren eigentlich auf sich? Und wie sollten sie denn sein, gestaltet sein, diese Tage und Nächte - wenn diese Zeit so besonders ist? II Historisches Tatsächlich geht es bei der Zeit zwischen den Jahren vor allem auch um die Nächte. Und die werden von alters her als besondere Nächte empfunden. Diese Nächte zwischen Weihnachten und Epiphanias sie werden auch Rauhnächte genannt. Woher der Name für diese Nächte zwischen Weihnachten und Epiphanias kommt, ist strittig. Erstens könnte der Name auf das mittelhochdeutsche Wort ruch (haarig) zurück gehen. Der Name bezieht sich dann auf haarige Dämonen, die in den Nächten dieser Zeit ihr Unwesen treiben. Eine andere Erklärung geht davon aus, dass der Name Rauhnacht mit dem traditionellen Beräuchern der Viehställe zu tun hat. Traditionell wurde die Zeit der Rauhnächte genutzt, um mit Hilfe von Weihrauch die bösen Geister zu vertreiben. - Ein Brauch der übrigens seid dem Mittelalter bis in unsere Zeit lebendig ist. Seinen Ursprung hat dieser Brauch vermutlich in der Zeitrechnung nach 2
einem Mondjahr. Das Mondjahr hat nur 354 Tagen und ist damit kürzer als das Sonnenjahr mit seinen 365 Tagen. Dem Mondkalender fehlen elf Tage oder zwölf Nächte bis zum astronomisch korrekten Sonnenumlauf. Diese 11 eingefügten Tage bzw. 12 eingefügten Nächte werden deshalb auch tote Tage genannt und sind offensichtlich auch so empfunden worden. Als tote Tage oder zeitlose Zeit. III Tage & Nächte wie diese In unserer christlichen Tradition ist die Zeit zwischen den Jahren zu einer dichten Zeit der christlichen Festtage geworden. Viele davon sind uns schon gar nicht mehr bewusst und werden von uns auch nicht gefeiert obwohl sie eine festen Platz in unseren Gottesdienstordnungen und liturgischen Festkalendern haben: 26. Dezember: Stephanustag. Dieser Tag erinnert ursprünglich an die ersten Märtyrer. Das Gedächtnis des Märtyrers Stefanus hat dabei eine ältere Tradition als unser Weihnachtsfest, ist aber durch dieses fast völlig aus unserem kirchlichen Gedächtnis verdrängt worden. 27. Dezember: Tag des Apostels und des Evangelisten Johannes. Auch dieser Festtag wird kaum noch begangen. Der 28. Dezember ist der Tag der unschuldigen Kinder. Ursprünglich erinnert er an den Kindermord zu Bethlehem. 3
Der 1. Januar wird ursprünglich als der Tag der Beschneidung und der Namensgebung Jesu gefeiert, er diente ursprünglich nicht der Feier des Neujahrs. Martin Luther hat sich immer wieder vehement gegen eine Feier des neuen Jahres und für eine Predigt zur ursprünglichen Bedeutung des Festes ausgesprochen. Neben diesen traditionellen Feier- und Gedenktagen, die - wie gesagt aus unserem kollektiven Gedächtnis fast verschwunden sind und kaum noch gefeiert werden, nimmt das Bedürfnis der Menschen, diese Zeit zwischen den Jahren religiös zu gestalten aber neue Formen an: Seit einigen Jahren entstehen neue liturgische Entwürfe zu Abendandachten an allen Abenden zwischen Weihnachten und Epiphanias. Neue religiöse Literatur zu den 12 Heiligen Nächten ist stapelweise zu dinden. Das populärste Buch stammt vermutlich von dem Theologen Jörg Zink (Zwölf Nächte. Was Weihnachten bedeutet). Und in dieser Entwicklung spiegelt sich meines Erachtens zweierlei wieder: Zum einen das große Bedürfnis der Menschen nach Innehalten, nach einer Möglichkeit zur Entschleunigung. Nach einer Zeit es Ruhigwerdens. Und zum anderen: Die theologische Notwendigkeit, solche Zeiten des Innehaltens zu gestalten. Die Botschaft von Weihnachten - Gott wird Mensch ist nicht in zwei Tagen zu erfassen. 4
Wenn es war werden soll, zutiefst in uns wahr werden soll, dass Gott durch seine Menschwerdung, uns Menschen erlöst und befreit aus allen menschlichen Zwängen und Bedrängungen, wenn es in uns zutiefst war werden soll, dass ein gnädiger Gott jetzt an unserer Seite ist, dann muss sich diese Botschaft Raum und Zeit nehmen dürfen. IV Heilige Zeiten Die zeitlose Zeit zwischen den Jahren - sie enthält eine große Einladung, eine große Chance: In dieser Zeit zwischen den Jahren darf Weihnachten nachklingen. In dieser Zeit darf sein, was in unserer Gesellschaft eigentlich kaum noch Raum hat: geheiligtes Ausruhen, einfach nur Sein. Bzw. Sein lassen. Im Grunde geht es in dieser Zeit ums sein lassen, ums nichts tun müssen. Weihnachten heißt doch: Gott kommt zu den Menschen. Er bringt den Frieden, er bringt das Heil. Wir sind Beschenkte. Was ist, liegt in Gottes Händen. Dort bleibt es, dort wird es gewandelt und von dort wird kommen, was das neue Jahr für uns bereit hält. Auch neue Kräfte und neue Ideen. Zeitlose Zeit Sein lassen, zwischen den Jahren, das ist die Chance das einzuüben, was uns Weihnachten zugesprochen ist. Christa Wolf hat einmal gesagt: Obwohl zum Innehalten die Zeit nicht ist, wird einmal keine Zeit mehr sein, wenn man jetzt nicht innehält. 5
Heilige Zeiten wird uns unsere völlig beschleunigte Leistungsgesellschaft nicht schenken. Aber - wissend um die Weihnachtsbotschaft, dürfen wir sie uns nehmen. Heilige Zeiten sind geschenkte Zeiten, Zeiten der Gnade, aber auch unser christliche Aufgabe. V Hanna und Simeon Zwei, die einen tiefen Sinn für Heilige Zeit haben, sind uns eben im Lesungstext (Lukas 2, 25-38) begegnet: Hanna und Simeon. Beide begegnen sie uns mit einer Haltung des Wartens, des Sein lassens. Simeon ist schon alt und tut nichts anderes mehr als Warten. Seine Art des Wartens ist eine geistliche Haltung. Im Warten vertut Simeon nicht seine Zeit. Nein, er heiligt sie, weil sein Warten Gottes zu Welt kommen Raum gibt. Auch Hanna, die Prophetin, lässt die Zeit einfach sein. Im Tempel ist sie zu dinden - Tag und Nacht. Ihr Leben besteht aus Gebet und Fasten. Auch sie heiligt die Zeit. Ihr Warten schafft Raum. Ihr Warten auf den Messias verändert Raum und Zeit. Sein lassen. Zeit einfach sein lassen. Nicht nutzen, nicht verbrauchen, - einfach sein. 6
Das ist die Chance dieser Tage und Nächte dazwischen. In dieser Zeit zwischen Weihnachten und Epiphanias. Gott ist zu uns Menschen gekommen, er ist uns nahe, er wird wieder kommen. Geben wir der Botschaft von Gottes gnädigem Sein bei uns Menschen einfach Raum und Zeit. Und der Friede Gottes... Amen. 7