auch ich begrüße Sie meinerseits ganz herzlich und freue mich, hier zu Ihnen zu sprechen und Sie alle kennenzulernen.



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Transkript:

Sehr verehrte Damen und Herren, auch ich begrüße Sie meinerseits ganz herzlich und freue mich, hier zu Ihnen zu sprechen und Sie alle kennenzulernen. Ich freue mich persönlich auch deshalb über die Einladung zu dieser Konferenz, weil sie in meinem Heimatkreis stattfindet. Hier in Constanta habe ich meine erste Ausbildung absolviert, nicht weit weg, etwas südlich von Constanta bin ich aufgewachsen. Mein Part ist es heute, Ihnen die Situation der rumänischen und bulgarischen Zuwandererinnen und Zuwanderer in München darzustellen. Durch meine Arbeit in dem Beratungsprojekt Infozentrum Migration und Arbeit, angesiedelt bei der Arbeiterwohlfahrt München (AWO), habe ich tagtäglich Kontakt zu dieser Zielgruppe, mit deren Problematik sich diese Tagung beschäftigt. Bevor ich mit dem Hauptteil meines Vortrags beginne, möchte ich Ihnen kurz meinen Arbeitsalltag schildern: 1. Ein junger rumänischer Mann, 25 J, kommt in die Beratung, damit ich ihm einen Job suche. Er hat keine berufliche Ausbildung, keine Berufserfahrung und spricht kein Deutsch. Seine Freundin hat sich von ihm getrennt und ihn aus der gemeinsamen Wohnung rausgeschmissen, sodass er jetzt auf der Straße lebt. Er ist psychisch angeschlagen, weint und erzählt, dass er Angst hat, auf der Straße zu leben. Er denkt, dass eine Arbeit für ihn die Lösung ist, denn nur so hat er Chancen, eine Wohnung zu finden. 2. Eine alleinerziehende Frau, 46 J, mit nicht brauchbarer Ausbildung und ohne berufliche Erfahrung arbeitet als selbständige Reinigungskraft mit Gewerbeschein, um ihre bei der Mutter in Rumänien lebenden Kinder zu versorgen und dem älteren Sohn das Studium zu finanzieren. Zudem hat sie in Rumänien einen Bankkredit mit einer Rate von 300 Euro im Monat, den sie dort nicht mehr finanzieren konnte. Sie bevorzugt die Arbeit als Selbständige, weil sie auf diese Weise alle zwei-drei Monate nach Rumänien zu den Kindern fahren kann. Sie benötigt Hilfe bei der Beantragung von Kindergeld und bei anderen behördlichen Unterlagen, weil sie nur wenig Deutsch kann. 3. Per Mail kommt eine Anfrage aus Rumänien: Familie mit zwei Kindern, beide Akademiker, Mitte 40, wollen auswandern damit sie den Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen. Finanziell geht der Familie gut, das Geld steht nicht im Vordergrund, sondern die generellen Rahmenbedingungen in Rumänien. Sie 4. 1

fragen nach den ersten Schritten, die sie machen müssen, um sich in Deutschland erfolgreich zu integrieren. Sie haben bereits mehrere Deutschkurse in Rumänien besucht und hoffen auf Unterstützung von der deutschen Arbeitsagentur, weil sie gehört haben, dass Deutschland Fachkräfte benötigt. 5. Per Telefon meldet sich ein rumänischer Bauarbeiter und erzählt, dass er und noch andere sieben rumänische Arbeitskollegen seit drei Monaten kein Geld bekommen haben. Jetzt können sie die Miete und das Essen nicht mehr zahlen. Ich vermittle sie sofort zu unserem Kooperationspartner Faire Mobilität, die die gesetzlichen Schritte einleitet, damit die Arbeiter ihr Geld und Essen bekommen. 6. Eine junge zierliche Frau, 38 J, mit geringen Deutschkenntnissen, vom Beruf Lehrerin, arbeitete im Hotel als Zimmermädchen bis sie krank geworden ist. Als sie dem Arbeitgeber den Krankenschein brachte, kündigte er sie fristlos. Sie versuchte danach erfolglos einen neuen Job zu bekommen. Zur Arbeitsagentur wollte sie nicht hingehen, weil sie sie nicht verstehen würde. Die Beispiele aus meinem Beratungsalltag zeigen deutlich, dass diese Menschen Hilfe in allen Lebenslagen benötigen, weil sie ohne Deutsch- und vor allem Systemkenntnisse nicht zurechtkommen. Welche Migrationsarten werden unterschieden? Wie ich in meiner Beratungstätigkeit beobachten konnte, gibt es bei Rumänen und Bulgaren zwei Migrationsarten, die ihren Zuzug nach Deutschland erklären: A. Mobilität oder Arbeitsmigration Die Rumänen und Bulgaren sind seit dem Beitritt in die EU im Jahr 2007 mobiler geworden, sie nutzen ihre volle Freizügigkeit (Die Einschränkung auf dem Arbeitsmarkt ist erst ab Januar 2014 gefallen). Die Gründe sind meist pekuniärer Natur: akute finanzielle Notlage, niedrige Löhne, Arbeitslosigkeit, unzureichende Beschäftigungsperspektive und hohe Krediten im Heimatland. Der Preis dieser Mobilität zeigt sich im sozialen Bereich: Familien leben getrennt, die Kinder werden oft bei den Großeltern, Verwandten, Nachbarn zurückgelassen. Die Beziehungen verändern sich, denn die Kommunikation verlagert sich ins Internet. Eine Mutter erzählte mir, dass ihre achtjährige Tochter, die bei der Oma in Rumänien lebt, nicht mehr mit ihr in Skype sprechen möchte. Wer hier bleiben kann und möchte, holt die Kinder nach, wenn sie sich einigermaßen finanziell arrangiert haben. Eine andere Variante ist, dass sie nur für kurze Zeit herkommen bzw. nur für einen bestimmten Zweck Geld verdienen wollen. Eine junge Frau wollte z.b. ihr Studium finanzieren, die alleinerziehende Frau aus meinem Beispiel am 2

Anfang finanziert mit ihrer Arbeit in der Reinigung das Studium ihres Sohnes, ein anderer Kunde möchte sein Haus fertig bauen, dafür schickt er regelmäßig Geld nach Hause, damit der Bau weiter geht; ein Familienvater sagte zu mir, dass er nun nach sechs Jahren Deutschland zurück nach Hause geht, weil sein Sohn jetzt mit der Uni fertig sei und selber Geld verdiene, für sich aber möchte er ein EU-Projekt in Rumänien starten, er habe viele Ideen und Informationen gesammelt und Kontakte geknüpft. B. Endgültige Emigration das Heimatland für immer verlassen. Diesen Schritt machen einige, um der Perspektivlosigkeit im eigenen Land zu entgehen, neue Arbeitsmöglichkeiten und einen Einkommenszuwachs zu eröffnen, eine bessere Zukunft für die Kinder zu ermöglichen. Zunächst kommt ein Elternteil, welcher mehr Chancen hat, einen Job zu bekommen, besorgt eine Wohnung für die Familie und erst dann kommen die Kinder und eventuell die Großeltern nach. Meist wird dieser Schritt geplant und durchdacht. Wie viele Rumänen und Bulgaren leben in München? Laut Statistik der Landeshauptstadt München waren Ende Mai 2015 17 014 offiziell angemeldete rumänische und 11 426 bulgarische Staatsbürger/innen. Es soll dennoch eine Dunkelziffer von ca. 30 000 Rumänen und über 20 000 Bulgaren geben, die insgesamt in München leben. Die Zahl der Anmeldungen ist seit 2012 (Projektbeginn) kontinuierlich gewachsen. Aktuell stellen die Rumänen die größte Zuwanderungsgruppe in München dar. Die Bulgaren belegen den zweiten Platz. Zur Situation der rumänischen und bulgarischen Zuwanderer in München? Der überwiegende Teil der in München lebenden rumänischen und bulgarischen Staatsangehörige ist in München gut angekommen und geht oftmals einer qualifizierten Erwerbstätigkeit nach. Menschen mit Schulabschluss und Ausbildung, Fachkräfte, Akademiker haben hier gute Chancen, einen Job entsprechend ihrer Qualifikation zu bekommen. Die Arbeitslosenquote für diese Migrantengruppe in München ist aus diesem Grund gering und unterliegt keinen großen Schwankungen. Getrennt betrachtet gibt es Unterschiede bei den Arbeitsmarktindikatoren zwischen Rumänen und Bulgaren. Laut Statistik des IAB im Juni 2015 waren in München 6,4 % der Rumänen ( 7,1% im Juni 2014) und 9,4% der Bulgaren ( 8,9% im Juni 2014) arbeitslos gemeldet. Bundesweit geht die Schere zwischen Bulgaren und Rumänen weiter auseinander. Während die Rumänen gemessen an Indikatoren wie Arbeitslosigkeit und Leistungsbezug zu den vergleichsweise gut in den Arbeitsmarkt integrierten Ausländergruppen in Deutschland gehören, liegen die Arbeitslosenquoten der 3

Bulgaren etwa im Durchschnitt der ausländischen Bevölkerung und die SGB-II- Leistungsbezieher-quoten (= Arbeitslosengeld II) über dem Durchschnitt der ausländischen Bevölkerung. So belief sich die Arbeitslosenquote der bulgarischen Bevölkerungsgruppe im Juni 2015 auf 15,8 Prozent, die der rumänischen dagegen nur auf 6,3 Prozent. Die SGB-II -Leistungsbezieherquote der Bulgaren lag im Mai 2015 bei 27,8 Prozent, die der Rumänen bei 11,5 %. Der erste Arbeitseinstieg: Der Tagelöhnermarkt Seit einigen Jahren hat sich in München im südlichen Bahnhofsviertel an der Straßenkreuzung Goethe-/Landwehrstraße ein Markt für Tagelöhner/innen etabliert, der stetig angewachsen ist, und in dessen Folge auch unser Projekt durch den Münchner Stadtrat ins Leben gerufen wurde. Die zumeist männlichen Tagelöhner stammen hauptsächlich aus Bulgarien und warten an der Kreuzung ab den frühen Morgenstunden auf Auftraggeber aus der Bau- und oder Gebäudereinigungsbranche, denen sie ihre Arbeitskraft zumeist unter unwürdigen Bedingungen anbieten. Aufgrund der stetig wachsenden Zahl der Arbeitsuchenden und der zunehmenden Konflikte mit ansässigen Geschäftsinhaber/innen und Passant/innen wurde der Fachaustausch Südliches Bahnhofsviertel ins Leben gerufen, der eine Entspannung der Lage herbeiführen soll. Langfristiges Ziel war die Schaffung eines Beratungscafés. An diesem zentralen Ort, an dem sich die Menschen ausruhen sowie Hilfe und Informationen beanspruchen können, soll durch Synergieeffekte mit anderen Beratungsstellen, die dort ebenfalls Beratungen zu spezialisierten Themen durchführen können (beispielsweise Arbeit, Arbeitsrecht, Gesundheit, Schwangerschaft, etc.), die derzeitige Situation entschärft werden. Dieses Beratungscafé wurde nun nach Jahren der Planung (es war sehr schwierig, hierfür Räumlichkeiten zu bekommen) vor ein paar Tagen am 1. Oktober 2015 in den frisch renovierten Räumlichkeiten in der Sonnenstr. 12 eröffnet und wird von uns betrieben und koordiniert. Die Tagelöhner/innen haben in der Regel weder eine Anmeldung, noch sind sie krankenversichert und verfügen auch nicht über Kenntnisse über den hiesigen Arbeitsmarkt und werden dadurch Opfer von Ausbeutung skrupelloser Arbeitgeber. Damit geraten sie oft in einen Teufelskreis, aus dem sie nur durch professionelle Hilfe zur Selbsthilfe und dem Erlernen der deutschen Sprache entfliehen können. Zwar bieten wir zwei kostenlose zweistündige Deutschkurse an, um die erste 4

sprachliche Hürde zu überwinden, das Angebot ist jedoch begrenzt und es ist auf Grund der prekären Situation der Menschen (Obdachlosigkeit, harte körperliche Arbeit, Krankheit) schwierig, diese zu einer regelmäßigen Teilnahme zu motivieren. Was macht das Infozentrum Migration und Arbeit? Ausgehend von dieser Situation hat das Referat für Arbeit und Wirtschaft in Abstimmung mit dem Sozialreferat und der Arbeiterwohlfahrt als Träger dieses Projekt etabliert. Es ist eine erste Anlauf- und Informationsstelle für rumänische und bulgarische Neuzuwanderer, die auf der Arbeitsuche sind und in prekäre Situation geraten sind. Im Rahmen des Projektes haben wir eine feste Kooperationsvereinbarung mit dem DGB-Projekt Faire Mobilität Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial, gerecht und aktiv, welches die Ratsuchenden in arbeitsrechtlichen Fragestellungen juristisch unterstützt und berät. Darüber hinaus sind wir eng vernetzt mit den Migrationsdiensten, mit den Dienststellen der Landeshauptstadt München insbesondere im Sozial- und Gesundheitsbereich, mit der Arbeitsagentur, den Generalkonsulaten von Rumänien und Bulgarien, dem Ausländerbeirat, den kirchlichen Trägern und den Migrantenvereinen. Innerhalb von drei Jahren haben wir ca. 1900 Ratsuchenden geholfen, wobei insgesamt knapp 9.000 Beratungsgespräche geführt worden sind. Im nächsten Jahr rechnen wir mit einer weiteren Erhöhung der Beratungszahlen, da sich der Zuwachs von Menschen aus Bulgarien und Rumänien kontinuierlich erhöht. Das Team besteht aus drei Hauptamtlichen (eine Vollzeit- und zwei Teilzeitstellen) sowie aus Ehrenamtlichen, die das Team stundenweise unterstützen. Was sind unsere Beratungsschwerpunkte? Arbeit/Arbeitsrecht Das Hauptthema in der Beratung ist die Arbeitsuche. Aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, Qualifikationsnachweise und Orientierung auf dem Arbeitsmarkt ergeben sich aber für viele Zugewanderte enorme Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche. Bei uns können sie mit einem/r Berater/in einen Lebenslauf erstellen, nach einer passenden Stelle im Internet recherchieren und Bewerbungsunterlagen erstellen. Viele wissen nicht, dass für eine Arbeit ein Lebenslauf und ein Bewerbungsanschreiben benötigt werden, geschweige denn wie 5

diese aussehen. In diesem Zusammenhang ist auch das Thema Zeugnisanerkennung relevant. Kernanliegen der Beratung ist auch ein bestehendes Arbeitsverhältnis nicht zu verlieren. Dazu gehört die Aufklärung über die Pflichten der Arbeitnehmer/innen, etwa die bürokratischen Maßnahmen im Falle einer Erkrankung, eines Urlaubsantrags, etc. Hier kontaktieren wir auch den jeweiligen Arbeitgeber, um strittige Sachverhalte zu klären. Unser Hauptanliegen ist, ihnen den Weg zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu zeigen. Obwohl die Münchner Arbeitslosenstatistik (9/2014) für Zugewanderte aus Bulgarien (9,1%) und Rumänien (6,5%) vergleichsweise geringe Werte aufweist, muss beachtet werden, dass sich viele Arbeitsuchende nicht als solche bei der Agentur für Arbeit registriert haben, beispielsweise Tagelöhner/innen und Wohnungslose. Diese können zum Teil keine Wohnadresse in München nachweisen. Andere Ratsuchende gehen aber bewusst nicht hin, damit sie sich den Papierkram ersparen und suchen alleine im Internet oder über uns. Dabei könnten sie in der Arbeitsagentur Bewerbungstrainings besuchen und nach Weiterbildungsmöglichkeiten fragen. Ich rate den arbeitsuchenden Fachkräften, die mich per Mail aus Rumänien kontaktieren, sich online bei der Arbeitsagentur als arbeitsuchend zu melden. Wenn sie noch nicht gut Deutsch verstehen, können sie es auch in Englisch ausfüllen. An die Beratungsstelle Faire Mobilität leiten wir die Menschen weiter, die Opfer von Lohnbetrug, Kündigung oder unzumutbaren Arbeitsverhältnissen geworden sind, überwiegend wegen ausstehender Löhne und Kündigung. Zudem erläutern wir ihnen ihre Rechte als Arbeitnehmer/innen (bei Urlaub, Krankheit, Schwangerschaft, etc.) und geben ihnen Infomaterial in ihrer Muttersprache, z.b. die Broschüre vom DGB- Projekt Faire Mobilität Wissen ist Schutz, die online in mehreren Sprachen erhältlich ist. Ein Wegweiser Willkommen in München in rumänischer Sprache wird demnächst erscheinen, der bulgarische Wegweiser ist bereits da. Schule und Ausbildung Viele zugewanderte Eltern benötigen Informationen über die adäquate Unterbringung ihres/r Kindes/r in einer Bildungseinrichtung (Kindertagesstätte, Schule, Ausbildung, etc.) In diesem Themenbereich bieten wir Beratung für Eltern in Bezug auf die Einschulung, in Fragen des regelmäßigen Schulbesuchs, Qualifizierungskurse für Migrant/innen mit dem Ziel zur Integration in den deutschen Arbeitsmarkt, Weitervermittlung an Fachstellen im Bildungs- und Ausbildungsbereich. 6

Sozialleistungen Eine hohe Anzahl der Ratsuchenden ist im Niedriglohnsektor beschäftigt. Deren Lohn reicht oft nicht aus, um die Lebenshaltungskosten in München aufzubringen. Insbesondere Familien mit Kindern sind davon betroffen. Hier unterstützen wir die Betroffenen bei der Klärung von Ansprüchen auf Sozialleistungen und informieren wir sie über die Gesetzeslage. Schulden, finanzielle Belastungen Ein großes Problem für unsere Ratsuchenden stellen Mobilfunk- und andere Verträge dar, da sie deren Inhalt nicht verstehen und oftmals durch falsche Informationen und vorsätzliche Irreführung unterschreiben. Auch sich häufende nicht entrichtete Krankenkassenbeiträge und Rundfunkgebühren führen zu akuten finanziellen Schwierigkeiten bei einer Vielzahl von Ratsuchenden. Wenn sie z.b. erst ein Jahr nach der Anmeldung eine Krankenversicherung abschließen, müssen sie die Beiträge rückwirkend ab dem Tag der Anmeldung zahlen, das kann ein dreistelliger Betrag bedeuten. Wir bieten Beratung zur Existenzsicherung und zu Verschuldungssituationen, unterstützen bei der Kommunikation mit (Inkasso-)Unternehmen und handeln im Auftrag der Kunden Ratenzahlungen aus, sodass den Ratsuchenden ein Gerichtsvollzieher erspart bleiben kann, sie weiterhin ihre Miete entrichten können und ihren Krankenversicherungsschutz aufrecht erhalten. Die schwierigen Fälle leiten wir an die Schuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt. Wohnen Gegenüber vielen Migrant/innen aus Bulgarien und Rumänien herrscht insbesondere auf dem angespannten Wohnungsmarkt eine ablehnende Haltung, welche sich bei Angehörigen ethnischer Minderheiten aus den Herkunftsländern (beispielsweise Roma oder der türkischen Minderheit) nochmals verschärft. Die Folge sind prekäre Wohnsituationen für die Betroffenen, die sich in existentielle Notsituationen begeben. Oft müssen sie hohe Maklergebühren zahlen, damit sie überhaupt eine Wohnung bekommen können. Gesundheit Wegen prekärer Beschäftigungsverhältnisse haben viele Ratsuchende oftmals keinen Krankenversicherungsschutz. Wir erklären ihnen, dass in Deutschland die Krankenversicherungspflicht besteht und wir beraten sie, wie man sich versichern lassen kann. Bei gesundheitlichen Problemen vermitteln wir sie an die Hilfsangebote der medizinischen Versorgung für Migrant/innen wie Ärzte der Welt oder den Malteser-Hilfsdienst. Für Schwangere gibt es Schwangerschaftsberatungsstellen anderer Einrichtungen. 7

Kurz zusammengefasst kann ich sagen, dass es für diejenigen aus Rumänien (oder Bulgarien), die planen nach Deutschland zu kommen und dort zu leben und zu arbeiten, von enormer Bedeutung ist, welche Informationen sie über die dortigen Bedingungen haben. Deutschland ist ein Land, das die Informationen objektiv jedem zur Verfügung stellt, man muss keine Beziehungen haben, es reicht die eigene aktive Suche nach Informationen. Weiterhin ist natürlich das Erlernen und Beherrschen der deutschen Sprache Grundvoraussetzung für den beruflichen Erfolg und die Integration in der deutschen Gesellschaft. Drittens und letztens ist es sehr hilfreich, in Deutschland eine Arbeit zu finden, wenn man schon in Rumänien eine Qualifikation erworben hat, egal in welcher Branche, d.h. wenn man sagen kann, man ist ein Fachmann in einer Tätigkeit. 8