Entwicklung eines Karst-Aquifersystems am Beispiel des Muschelkalks im nördlichen Baden-Württemberg

Ähnliche Dokumente
Spessart, Rhönvorland und Buntsandstein des Odenwalds

Nördlinger Ries. Bayerisches Landesamt für Umwelt. Hydrogeologischer Teilraum. 1 Definition. 2 Kennzeichen. 3 Charakter

Fränkische Alb. Bayerisches Landesamt für Umwelt. Hydrogeologischer Teilraum. 1 Definition. 2 Kennzeichen. 3 Charakter

Geologische und hydrogeologische Verhältnisse im Bereich des Bebauungsplans Haslacher Weg, Metterzimmern, Bietigheim-Bissingen

Ein Hydrogeologisches Modell für den Karst- und Mineralwasseraquifer Muschelkalk im Großraum Stuttgart. Wolfgang Ufrecht

Fluvioglaziale Schotter

Hydrothermale Reservoire im Oberrheingraben

Dr. sc. Dieter Feldhaus Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt

65. Deutsche Brunnenbauertage BAW-Baugrundkolloquium 07. bis 09. Mai 2014 Bau-ABC Rostrup / Bad Zwischenahn. Vom Aufschluss im Fels zum Baugrundmodell

H mm. H mm

Transnational Science and Policy Panel. Das Hydrogeologische Modell

Nördliche Kalkalpen. Bayerisches Landesamt für Umwelt. Hydrogeologischer Teilraum. 1 Definition. 2 Kennzeichen. 3 Charakter

Geologie und Hydrogeologie des Stuttgarter Talkessels - Ein konzeptionelles Systemmodell

MAGPlan. Sauberes Grundwasser für Stuttgart. Abschlussbericht WP1 (Kurzfassung) Stefan Spitzberg. BoSS Consult GmbH

Abschätzung der Auswirkungen einer möglichen Bebauung auf das Quell- und Brunnensystem im historischen Ortskern von Münchingen, Landkreis Ludwigsburg

Stockwerksbau - Aufbau geologischer Einheiten - Ingo Schäfer Geologischer Dienst NRW

Oberpfälzer-Bayerischer Wald

in einem städtischen Raum

Hydrogeologie des Oberrheingrabens (ORG)

Projekt MAGPlan. Ulrich Lang Ingenieurgesellschaft Prof. Kobus und Partner GmbH Wolfgang Schäfer, Steinbeis-Transferzentrum Grundwassermodellierung

Numerisches Strömungs- und Transportmodell Aufbau, Kalibrierung und Prognose

Geopotenzial Deutsche Nordsee Speicherpotenziale in der zentralen deutschen Nordsee

Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie Trinkwasserschutzgebiete

Geologische Rahmenbedingungen & Potenziale in Hessen

Prof Pr. Dr . Dr Christian W lk o er lk sdorfer Abriss der Hydrogeologie Abriss der Hydr W s ist ein Aquifer? V r Ve a r nstaltung

Das Versorgungsgebiet der ASG

Beweissicherung und Monitoring für einen oberflächennahen Grundwasserkörper bei Tiefbohrungen mit geplantem Fracking

im lösungsempfindlichen Baugrund

HANDLUNGSLEITFADEN. zur Nutzung der oberflächennahen Geothermie. in Ditzingen mit seinen Teilorten Heimerdingen, Schöckingen, Hirschlanden

WS 2013/2014. Vorlesung Strömungsmodellierung. Prof. Dr. Sabine Attinger

Studiengang Bauingenieurwesen (Master) Fachhochschule Augsburg Skriptum Abschnitt Grundwasser

Hydrogeologie Klausur vom

Auswirkungen des Klimawandels auf den Grundwasserhaushalt

Geopotenzial Deutsche Nordsee Lithofaziesmodell des Buntsandstein 1. Einführung

MAGPlan. Sauberes Grundwasser für Stuttgart

Vorgesehene Gliederung des Gutachtens: Teil A

Grundwasser in der Schweiz

Hydrogeologische Erkundung im Enzkreis

Geologie und Hydrogeologie in Hamburg

und anthropogenen Belastungen des Grundwassers ist das nutzbare Grundwasserdargebot

Nutzung der Geothermie in Stuttgart

Grundwasser der Trier-Bitburger Mulde

Die Kreidezeit in Deutschland

Abteilung 3: Hydrogeologie

Simulation regionaler Strömungs- und Transportvorgänge in Karstaquiferen mit Hilfe des Doppelkontinuum-Ansatzes: Methodenentwicklung und

Standortbeschreibung Gorleben

Fachliche Grundlagen zur Abgrenzung und Bemessung von Wasserschutzgebieten in Lockergesteinen. Hans Eckl

Aspekte der Angewandten Geologie

Um die Güte die EZMW Prognosen abzuschätzen, wurden 2 Datensätze verwendet:

2. Übung zur Vorlesung Statistik 2

Bericht 2005 Grundwasser Stand

Landkreis Gemeinde Gemarkung Flurstück. Rendsburg-Eckernförde Rade b. Rendsburg Rade b. Rendsburg, Flur 4 23/3

Grundwasserschutz im Karst

Ergebnisse neuer Forschungsbohrungen in Baden-Württemberg

Geologie von Wien im Überblick (1:50.000)

Übung 4, Lösung. Frage 7) In welcher Tiefe ab Geländeoberkante GOK treffen Sie bei der Bohrung auf die Schichtgrenze C-D?

Ermessensleitende Kriterien bei der Bearbeitung altlastbedingter Grundwassergefahren und -schäden

Prof Pr. Dr . Dr Christian W lk o er lk sdorfer Abriss der Hydrogeologie Abriss der Hydr W rum fließt Grundwasser? V r Ve a r nstaltung

ichten die A mtsbezeichnung Landesarbe von mehr als sechzig Reichsmark bis und von da ab für jede angefangene hunder tändig

Geologische GIS-Karte - Grundschicht

GAB 9./10. Juli 2013 in Regensburg

4 Grundwasservorkommen

Urbane Wärmeinseln im Untergrund. Peter Bayer Ingenieurgeologie, Department für Erdwissenschaften, ETH Zurich

Die Arbeitshilfe zur Sanierung von Grundwasserverunreinigungen

Kapitel 1 Beschreibende Statistik

Exploration Lehren aus der Praxis und aktueller Forschungsbedarf Rüdiger Schulz

Anwendung natürlicher Umweltisotope zur Validierung und Kalibrierung numerischer Grundwassermodelle

Diplomarbeit. Institut für Wasserbau Stuttgart. Institut für Geologie und Paläontologie Stuttgart

Oberflächennahe Geothermie und die Auswirkungen auf den Grundwasserhaushalt

Keywords: Wärmeversorgung, kommunale Infrastruktur, Massenkalk, Hydrogeothermie

Erdwärmenutzung in NRW

Grundwasserneubildung

Einführung in die Boden- und Felsmechanik

Schwierigkeiten und Probleme bei der Bestimmung physikalischer Laborwerte in der Felsmechanik

Rüdiger Schulz. Fündigkeitsrisiko. Definition. Quantifizierung. Beispiele aus Süddeutschland

Tiefengeothermie. 2. Geologische Voraussetzungen

Anlage 1. Übersichtskarte Modellgebiet und Verteilung der Bohraufschlüsse Maßstab 1 :

Beeinflusst der Klimawandel unseren regionalen Wasserhaushalt? Klimaveränderungen und Wasserhaushalt im Grundwasserkörper Wietze/Fuhse

Geothermische Nutzhorizonte im baden-württembergischen Teil des Oberrheingrabens

Erläuterungen. Geologischen Karte von Hessen 1: Blatt Nr Frankfurt a.m. West

3 Untersuchungsmethoden

Anwendung von Modellwerkzeugen bei der integralen Untersuchung von LCKW-Verunreinigungen in Stuttgart

Seminar im Fachbereich Wasserbau und Wasserwirtschaft SIWAWI Universität Kaiserslautern. Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinien

VORANSICHT. Ob Achalm, Ipf, Teck oder Zoller wer durch. Grundwissen Schichtstufenlandschaft Formen und Entstehung (Klasse 7 8)

Fluid-Migration im Untergrund

Hydrogeologisches Gutachten LRGB vom

Prof Pr. Dr . Dr Christian W lk o er lk sdorfer Abriss der Hydrogeologie Abriss der Hydr Gesättigte und ungesättigte Zone V r Ve a r nstaltung

6. Grundwasser und Aquifere 6.1 Grundwasser als Bestandteil des hydrologischen Kreislaufs

A. Janssen: Waldkalkung in Baden-Württemberg - Sachstand 1

Geologie von Baden Wü rttem berg

Risikomanagement von Spurenstoffen und Krankheitserregern in ländlichen Karsteinzugsgebieten

Modellierung der Interaktion zwischen Fluss und Grundwasser Zwei Beispiele aus der Region Zürich

Standortsuche für ein atomares Endlager in Baden-Württemberg und die Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums

Höhendifferenzierung der Teilgebiete im LARSIM WHM für die Schneemodellierung

Hydrothermale Reservoire im Oberrheingraben

Klimawandel in der Region Oberrhein Fakten und Szenarien

Präsentation. Sanierung einer LCKW-Verunreinigung in einem Wohngebiet mittels in-situ-chemischer Oxidation (ISCO) Dipl.-Geol.

10. Arbeitstreffen der Amtssachverständigen aus dem Bereich der Grundwasserwirtschaft. 22. und 23. Mai 2013

Das Stuttgarter Mineralwasser Herkunft und Entstehung

Hydrogeologie des Stuttgarter Mineralwassersystems

Transkript:

Entwicklung eines Karst-Aquifersystems am Beispiel des Muschelkalks im nördlichen Baden-Württemberg Randolf Rausch GTZ-International Services

Fragen: Warum ist der gleiche Schichtabschnitt des Muschelkalks bei gleicher Exposition gegenüber der Vorflut in einem Gebiet stark, in einem anderen kaum verkarstet? Warum treten in einem Gebiet überwiegend salinare Wässer auf, in einem anderen jedoch nicht? Sind Forschungsergebnisse durchweg von einem Gebiet auf das andere übertragbar?

Lithologie des Muschelkalks

Die Veränderung der Gesteine eines Aquifers dauert je nach Gesteinsart unterschiedlich lang. Im Muschelkalk sind von Bedeutung: - die Auslaugung der Salinargesteine und - die Verkarstung der Karbonatgesteine. Die Vorgänge sind abhängig von der Exposition, d.h. Nähe zur Landoberfläche.

Mächtigkeitsreduzierung des Mittleren Muschelkalks durch Steinsalz- und Sulfatgesteinsauslaugung

Konsequenz: 50 m Gesteinsverlust in relativ kurzer Zeit Zerbrechen von Gesteinen Intensivierung der Klüftung Beschleunigung der Verkarstung

Wie läuft die Auslaugung ab? Entscheidend ist die Exposition zur Erdoberfläche mit der Grundwasserführung. Die Exposition zur Erdoberfläche im süddeutschen Schichtstufenland ist abhängig von der Schichtstufenentwicklung.

Schichtstufenentwicklung im nördlichen Baden-Württemberg Lage der Schichtstufen und Vorfluter während des Oligozäns / Beginn Miozän

Schichtstufenentwicklung im nördlichen Baden-Württemberg Lage der Schichtstufen und der Vorfluter während des Obermiozäns

Schichtstufenentwicklung im nördlichen Baden-Württemberg Lage der Schichtstufen und der Vorfluter während des älteren Pleistozäns

Schichtstufenentwicklung im nördlichen Baden-Württemberg Entwicklung der Schichtstufen und Exposition des Muschelkalkaquifers vom Oligozän bis Quartär

Konsequenz Bereiche die heute räumlich in der Schichtstufenlandschaft nebeneinander liegen, sind zeitlich als Verkarstungsstadien nacheinander entstanden!

Aquifersysteme des Muschelkalks 1 bis 3: heutige Bereiche des Muschelkalkaquifers

Entwicklung der Verkarstung im Muschelkalk Bereich/ Entwicklungsstadium 1 2 3 Beginn der Verkarstung noch nicht begonnen Miozän Oligozän Salinar im Mittleren Muschelkalk nicht ausgelaugt Steinsalz weitgehend ausgelaugt, Sulfatgestein angelöst Steinsalz vollständig ausgelaugt, Sulfatgestein bis auf Reste ausgelaugt Erdfälle keine mo: sehr zahlreich mo: sehr zahlreich, aber plombiert mm + mu: keine mm + mu: vorhanden Ständig oberirdisch abflusslose Gebiete keine mo: viele mo + mm: wenige (Plombierung) mu: vorhanden Höhlen keine mo: viele mo: sehr selten (Plombierung) mm: keine mu: vorhanden Schwebende Schichtgrundwasserstockwerke keine mo: fast flächendeckend vorhanden mm + mu: keine mo: selten mu: vorhanden

Bereich 1: Entwicklung der Verkarstung im Muschelkalk Beginn der Verkarstung noch nicht begonnen Salinar im Mittleren Muschelkalk nicht ausgelaugt Erdfälle keine Ständig oberirdisch abflusslose Gebiete keine Höhlen keine Schwebende Schichtgrundwasserstockwerke keine

Aquifersystem: Bereich 1 Simulierte Piezometerhöhenverteilung im mo

Bereich 1: Hydrogeologische Eigenschaften Durchlässigkeit sehr gering, vertikale Anisotropie Fliessgeschwindigkeit nutzbares Hohlraumvolumen mittlere Quellschüttung mittlere Verweildauer Hydrochemie 1 m/a < 0,1 % keine Quellen mehrere 1000 Jahre stark sulfatisch, oft chloridisch

Bereich 2: Entwicklung der Verkarstung im Muschelkalk Beginn der Verkarstung Miozän Salinar im Mittleren Muschelkalk Erdfälle Steinsalz weitgehend ausgelaugt, Sulfatgestein in Auslaugung mo: sehr zahlreich mm + mu: keine Ständig oberirdisch abflusslose Gebiete mo: viele Höhlen mo: viele Schwebende Schichtgrundwasser -stockwerke mo: fast flächendeckend vorhanden mm + mu: keine

Aquifersystem: Bereich 2 Verkarstung im mo: Erdfälle

Aquifersystem: Bereich 2 Verkarstung im mo: Trockentäler und Bachschwinden

Aquifersystem: Bereich 2 Verkarstung im mo: schwebende Schichtgrundwasser - stockwerke

Aquifersystem: Bereich 2 Verkarstung im mo: grundwasserführende Karströhren

Aquifersystem: Bereich 2 Verkarstung im mo: Höhlen

Aquifersystem: Bereich 2 Verkarstung im mo: Markierungsversuche

Hydrogeologische Eigenschaften: Bereich 2 Durchlässigkeit Fliessgeschwindigkeit nutzbares Hohlraumvolumen mittlere Quellschüttung mittlere Verweildauer Hydrochemie mo: hoch mm: sehr gering; Sulfatkarst hoch mu: gering mo: bis 400 m/h mm: < 10 m/d; Sulfatkarst > 100 m/d mu: > 10 m/d mo: 1 2 % mm: < 0,5 %; Sulfatkarst > 2 % mu: < 0,5 % mo: bis 100 l/s mm: < 5 l/s mu: < 1 l/s mo: < 1 bis 3 a mm: bis mehrere Jahrzehnte; Sulfatkarst < 5 a mu: bis mehrere Jahrzehnte mo: hydrogenkarbonatisch mm: sulfatisch, chloridisch mu: hydrogenkarbonatisch, sulfatisch, chloridisch

Verteilung der Grundwasserneubildung für Unterkeuper und Oberen Muschelkalk

Grundwassergleichen im Oberen Muschelkalk

Grundwasserströmungsrichtung im Oberen Muschelkalk

Bereich 3: Entwicklung der Verkarstung im Muschelkalk Beginn der Verkarstung Oligozän Salinar im Mittleren Muschelkalk Erdfälle Steinsalz vollständig ausgelaugt, Sulfatgestein bis auf Reste ausgelaugt mo: sehr zahlreich, aber plombiert Ständig oberirdisch abflusslose Gebiete mm + mu: vorhanden mo + mm: wenige (Plombierung) mu: vorhanden Höhlen Schwebende Schichtgrundwasserstockwerke mo: Plombierung mm: keine mu: vorhanden mo: selten mu: vorhanden

Aquifersystem: Bereich 3 Verkarstung im mu: Höhlen

Aquifersystem: Bereich 3 Trockental im mu Plombierter Karst im mo Salzauslaugungsrückstände

Hydrogeologische Eigenschaften: Bereich 3 Durchlässigkeit Fliessgeschwindigkeit nutzbares Hohlraumvolumen mittlere Quellschüttung mittlere Verweildauer Hydrochemie mo + mm: mittel mu: hoch mo + mm: bis 50 m/h mu: bis 400 m/h mo + mm: 1% mu: 1-2 % mo: < 5 l/s mu: bis 70 l/s mo + mm + mu: > 1 bis 3 a mo: hydrogenkarbonatisch mm: hydrogenkarbonatisch, gel. sulfatisch mu: hydrogenkarbonatisch, gel. sulfatisch

Für was? Trink-/ Mineralwassererschliessung Grundwasserschutz Grundwasserschadensfälle Deponien Hydrogeologische Modelle

Umm Er Radhuma Karst-Aquifer-System

Botschaft: Bei der Beschreibung eines Grundwasserleiters ist auch dessen Genese zu berücksichtigen. Hierzu ist es erforderlich einen Grundwasserleiter nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit zu betrachten.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!