Unbekannte Spurenstoffe bei komplexen Verunreinigungen - Möglichkeiten der Non-target Analytik

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Zwischenbericht: Beratungsaufkommen 2014 Kurzvorstellung prägnanter Zahlen. Berlin, 28. Januar 2015

Transkript:

Unbekannte Spurenstoffe bei komplexen Verunreinigungen - Möglichkeiten der Non-target Analytik Thomas Ternes, Uwe Kunkel, Michael Schlüsener, Arne Wick Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), Koblenz, Germany

Verhalten von Spurenstoffen im urbanen Wasserkreislauf Pharmazeutika Grundwasser - kontaminanten Mensch Metabolismus Haushaltchemikalien Pharmazeutika, Pestizide, Wasserwerke z.b. Chlorung, Ozonung Spurenstoffe Kanalisation mikrobielle Prozesse biotisch abiotisch Uferfiltration Mikrobielle Prozesse TPs Oberflächenwasser Photoabbau Mikrobielle Prozesse Kommunale Kläranlagen mikrobielle Prozesse Thomas Ternes Industriekläranlagen, Landwirtschaft,

Target- und Non-Target-Analytik Target-Analytik Non-target-Analytik Vorauswahl an Substanzen (Targets) Referenzstandards (Kalibrierung, Methodenoptimierung) Keine Referenzstandards Vorauswahl der analytischen Methode Exakte Identifizierung und Quantifizierung Datenbank: Liste mit exakten Massen und Retentionszeiten

Der Rhein bei Koblenz Einzugsgebiet: 100,000 km 2 Kommunal gereinigtes Abwasser von mehr als 26 Millionen Menschen Bedeutende Einträge der chemischen Industrie

Non-target-Screening - Koblenz Tägliche Tagesmischprobe des Rheins (IKSR Messstelle; km 590,3) seit Anfang 2014 Analyse der Probe mittels HPLC- QToF-MS (SCIEX TripleTOF 5600/6600) Zugabe isotopen-markierter Standards Direktinjektion von Rheinwasser Möglichkeit der retrospektiven Datenanalyse Ziel: Erfassung von Features mit unterschiedlichen prägnanten Zeitverläufen

Non-target Screening: Rhein/Koblenz von Januar bis August 2014 Auftragung m/z gegen Retentionszeit

Koblenz Frankfurt Probennahmen entlang des Rheins um den Einleiter der Substanz mit Masse 291,1297 Da (C 20 H 20 P) zu finden. Mainz Darmstadt Worms Ludwigshafen

Ergebnisse: Zeitverläufe der Features im Rhein bei Koblenz Auswertung aller detektieren Signale (> 10000) Wiederkehrende Peaks erkennen Diskontinuierliche Einleitungen ermitteln

Wiederkehrende Belastungen im Rhein/Koblenz Carbamazepin

Quartäre Triphenylphosphonium-Verb. (QPV) Thomas Ternes Substanz Struktur m/z (Da) Methyltriphenylphosphoniumsalz (Me-Ph 3 P + )X C 19 H 18 P + H P + 3 C 277,1141 Ethyltriphenylphosphoniumsalz (Et-Ph 3 P + )X C 20 H 20 P + P + 291,1297 H 3 C Summenformel Methoxymethyltriphenylphosphoniumsalz (MeOMe-Ph 3 P + )X Butyltriphenylphosphoniumsalz (Bu-Ph 3 P + )X C 20 H 20 OP + P + 307,1246 C 22 H 24 P + P + 319,1616 H 3 C H 3 C O Tetraphenylphosphoniumsalz (Ph 4 P + )X C 24 H 20 P + 339,1297 P +

Verwendung der QPV: Wittig-Reaktion Nobelpreis in Chemie 1979 QPV a) Wittig-Reaktion: Synthese von Vitamin A, β-karotin, b) aber auch als Phasentransferkatalysator

Belastung im Rhein/Koblenz mit MeOMe-Ph 3 P + Analyse von Tagesmischproben Methoxymethyl-Triphenylphosphonium-Kation (MeOMe-Ph 3 P + ) H 3 C O P ~ 5,4 t in 2014 + Nov. 2015 0,8-0,9 µg/l über 10 Tage in Koblenz Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Thomas Ternes 2014 2015

Wo sind die Eintragsquellen der QPV? Kommunale Kläranlagen Probennahmetag Me-Ph 3 P + MeOMe-Ph 3 P + Et-Ph 3 P + Carbamazepin LOQ (µg/l) 0.015 0.01 0.01 0.020 320,000 PE 2015/04/23 1.3 275,000 PE 2015/04/22 2015/08/03 1,0 n.b. 80,000 PE 2015/06/17 1,1 30,000 PE 2015/04/22 2015/07/29 0.70 0.50 n.b. n.b. : nicht bestimmt Kein Nachweis von QPV in 20 weiteren (europäischen) kommunalen Kläranlagen

Nachweis und Eintragsquellen von QPV Stichproben 14.-16.6.15 0,56 µg/l 14.-16.06.2015

Nachweis und Emission von QPV im Hessischen Ried Stichproben 14.-16.6.15 Schwarzbach Schwarzbach Rhein Landgraben 2.6 µg/l Landgraben Scheidgraben

Sedimente / Schwebstoffe Thomas Ternes Rhein/Koblenz Substanz µg/kg Me-Ph 3 P + 80 MeOMe-Ph 3 P + 210 Et-Ph 3 P + 64 Rhein/Iffezheim Substanz µg/kg Me-Ph 3 P + MeOMe-Ph 3 P + Et-Ph 3 P + 12 Proben von 2015 Rhein/Koblenz Substanz µg/kg Me-Ph 3 P + 43 MeOMe-Ph 3 P + 750 Et-Ph 3 P + 86 Rhein/Bimmen-Lobith Substanz µg/kg Me-Ph 3 P + 19 MeOMe-Ph 3 P + 68 Et-Ph 3 P + 19 Main/Bischofsheim Substanz µg/kg Me-Ph 3 P + MeOMe-Ph 3 P + Et-Ph 3 P + Landgraben/Trebur Substanz µg/kg Me-Ph 3 P + 560 MeOMe-Ph 3 P + 1200 Et-Ph 3 P + 190 Rhein/Breisach Substanz µg/kg Me-Ph 3 P + MeOMe-Ph 3 P + Et-Ph 3 P + 85

Zeitreihen von QPV in Schwebstoffen bei Koblenz H 3 C O P + 6,5-facher Anstieg innerhalb von 7 Jahren p < 0,01 Fracht (kg/a) 2014 gelöst 5,4 t Thomas Ternes (Schwebstoffe der Umweltprobenbank des UBA, Schmallenberg)

Schlussfolgerungen Non-Target-Analytik ermöglicht die Identifizierung der Eintragsquellen von Spurenstoffen (Oberflächengewässer, Grund- und Trinkwasser). Non-Target-Analytik liefert eine Datenbank zur retrospektiven Identifizierung und Quantifizierung unbekannter Substanzen/TPs Quartäre Triphenylphosphoniumverbindungen (QPV) wurden als anthropogene Stoffe in der aquatischen Umwelt identifiziert. Konzentrationen von bis zu 2,4 µg/l (gelöst) bzw. 1,2 mg/kg (sorbiert) wurden im Hessischen Ried gemessen. Der Vulkanisationsbeschleuniger o-tolylbiguanid wurde in der Horloff aufgrund der erstellten Non-target-Datenbank identifiziert. Konzentrationsspitzen von 2 µg/l wurden gemessen. Die Non-Target-Analytik zeigt, dass in kommunalen Kläranlagen viele neue Transformationsprodukte (TPs) gebildet werden (ca. 50% der emittierten Stoffe) Eine umfassende (öko)toxikologische Bewertung aller vorkommenden Stoffe/TPs erscheint utopisch, aber der Mensch braucht Herausforderungen!

Dank Finanzierung: BMBF/Water JPI, BMUB, BMVI Arbeitsgruppe Ihnen für ihre Aufmerksamkeit Thomas Ternes