Die G20 und die 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung: kohärente Umsetzung und Rechenschaftslegung stärken Beisheim, Marianne

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www.ssoar.info Die G20 und die 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung: kohärente Umsetzung und Rechenschaftslegung stärken Beisheim, Marianne Veröffentlichungsversion / Published Version Arbeitspapier / working paper Zur Verfügung gestellt in Kooperation mit / provided in cooperation with: Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Beisheim, Marianne ; Stiftung Wissenschaft und Politik -SWP- Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit (Ed.): Die G20 und die 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung: kohärente Umsetzung und Rechenschaftslegung stärken. Berlin, 2017 (/2017). URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168- ssoar-52027-5 Nutzungsbedingungen: Dieser Text wird unter einer Deposit-Lizenz (Keine Weiterverbreitung - keine Bearbeitung) zur Verfügung gestellt. Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt. Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. Terms of use: This document is made available under Deposit Licence (No Redistribution - no modifications). We grant a non-exclusive, nontransferable, individual and limited right to using this document. This document is solely intended for your personal, noncommercial use. All of the copies of this documents must retain all copyright information and other information regarding legal protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform, distribute or otherwise use the document in public. By using this particular document, you accept the above-stated conditions of use.

Einleitung Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit SWP-Aktuell Die G20 und die 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung Kohärente Umsetzung und Rechenschaftslegung stärken Marianne Beisheim Der nächste G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs findet am 7./8. Juli 2017 in Hamburg statt. Unter chinesischer Präsidentschaft hat sich die G20 der 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (VN) samt der 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDGs) angenommen und beim 2016er Gipfel in Hangzhou einen entsprechenden Aktionsplan verabschiedet. Die deutsche Präsidentschaft plant nun ein»update«dieses Aktionsplans. Welche Art von Beiträgen der G20-Staaten würde die Umsetzung der ambitionierten 2030-Agenda voranbringen? Wie können die G20- und VN-Prozesse sinnvoll verzahnt werden, gerade auch hinsichtlich der Rechenschaftslegung? Die G20 bezeichnet sich selbst als das»zentrale Forum zur internationalen Zusammenarbeit in Finanz- und Wirtschaftsfragen«der»führenden Industrie- und Schwellenländer«. Forschungsbeiträge schreiben dieser Form von»club Governance«zu, schneller und effektiver agieren zu können. Denn verglichen mit multilateralen Organisationen wie den VN haben solche Clubs eine beschränkte Zahl an Mitgliedern, sind schwächer institutionalisiert und arbeiten zu spezifischen Themen. Insofern sollte die G20 Vorreiter sein können, vor allem mittels ambitionierter plurilateraler Selbstverpflichtungen. Auf diese Weise könnten sie dabei helfen, politische Lösungen zu finden, finanzielle Ressourcen zu mobilisieren und weitere Kapazitäten bereitzustellen. Der G20-Aktionsplan zu nachhaltiger Entwicklung In der Einleitung des 2016 beschlossenen Aktionsplans zur 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung erklären die G20-Staaten, dass sie ihre Arbeit zukünftig an den Zielen der 2030-Agenda ausrichten wollen. Fraglos sind die 19 wirtschaftsstärksten Industrie- und Schwellenländer und die EU wichtige Akteure, wenn es darum geht, eine nachhaltigere Entwicklung zu realisieren. Zusammen repräsentieren sie nicht nur fast zwei Drittel der Weltbevölkerung, sondern auch vier Fünftel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und drei Viertel des Welthandels, zudem verursachen sie rund 80 Prozent der globalen CO 2-Emissionen. Im Aktionsplan kündigt die G20 an, sie wolle vor allem dort Mehrwert produzieren, Dr. Marianne Beisheim ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen 1

wo sie dies als globales Forum für ökonomische Kooperation besonders gut könne, nämlich indem sie makroökonomische Politiken so anpassen hilft, dass sie nachhaltige Entwicklung ermöglichen (enabling environment). Diese Leitgedanken kommen im Rest des Aktionsplans leider noch nicht hinreichend zur Geltung. Zwar legen die G20 für 15 Sektoren (Sustainable Development Sectors) dar, welche Beiträge und Maßnahmen sie gemeinsam und individuell bereits leisten oder noch leisten wollen. Nicht immer wird jedoch deutlich, inwiefern die für die Sektoren aufgelisteten existierenden G20-Strategien und -Aktionspläne etwa zu Wachstum, Handel, Investitionen oder Infrastrukturentwicklung eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit befördern oder ob zumindest ein entsprechendes Umsteuern geplant ist. Zudem sollte es nicht mehr nur um die Entwicklungspolitik der G20 gehen, sondern auch um die Umsetzung der 2030- Agenda in den G20-Staaten selbst. Der unter chinesischer Federführung erarbeitete Aktionsplan setzt überdies vorwiegend auf Innovation, industrielle Revolution und technologische Lösungen. Tiefergehende strukturelle Reformen und politisches Umsteuern stehen bislang nicht im Fokus. Im Sinne der gemäß 2030-Agenda angestrebten Transformation wäre es jedoch notwendig, dass die G20 eine ordnungspolitische Governance etabliert, mittels derer Zielkonflikte zwischen der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension nachhaltiger Entwicklung ausgewogener bearbeitet werden als bisher. Politikkohärenz verbessern Positiv ist, dass der Aktionsplan als»living document«angelegt wurde, als Dokument, das jede Präsidentschaft bis 2030 weiterentwickeln kann und soll. Hinsichtlich der kollektiven G20-Beiträge sollte die deutsche Präsidentschaft darauf achten, dass alle G20-Strategien und -Vereinbarungen auf ihre Kohärenz mit der 2030-Agenda und den SDGs überprüft werden. Um dies zu erreichen, könnte jeder G20-Arbeitsprozess einen systematischen Nachhaltigkeitscheck in seine Abläufe integrieren. Zentral wäre vor allem eine nachhaltige Ausrichtung der Spielregeln für die Weltwirtschaft, sowohl für die Finanzmärkte als auch den internationalen Handel. Gerade weil die Vereinten Nationen in diesen Politikbereichen wenig handlungsfähig sind, könnten Aktivitäten der G20 an dieser Stelle echten Mehrwert generieren. Schließlich konstituieren diese Politiken entscheidende Rahmenbedingungen für fast alle SDGs. Notwendig wäre dazu beispielsweise eine Abstimmung mit der»g20 Framework Working Group«, die zum Thema Wachstum arbeitet, genauer gesagt zum»framework for Strong, Sustainable and Balanced Growth«. In deren 2016er»Accountability Assessment«wird allerdings nachhaltiges Wachstum (sustainable growth) mit anhaltendem Wachstum (sustained growth) gleichgesetzt. Allein das Prinzip Wachstum hochzuhalten und dazu Deregulierung und Privatsektor-Partizipation anzustreben, wird jedoch nicht zur gewünschten Transformation in Richtung nachhaltiger Entwicklung führen. Während die soziale Dimension der Nachhaltigkeit im Bericht wenigstens angesprochen wird (wenn auch nicht im Sinne menschenrechtlicher Verpflichtungen), kommt die ökologische Dimension nur in einem einzigen Satz vor, und dies lediglich als eine Option im Rahmen struktureller Reformen. Der G20-Rechenschaftsmechanismus 2010 vereinbarte die G20 ein entwicklungspolitisches Mandat und richtete die Development Working Group (DWG) ein. Seit 2012 diskutierte sie zudem ein Rechenschaftsrahmenwerk (Accountability Framework) für ihre entwicklungspolitischen Verpflichtungen, das sie 2014 formal beschloss: Alle drei Jahre soll die DWG einen umfassenderen Rechenschaftsbericht (Comprehensive Accountability Report) und in der Zwischenzeit jährliche Fortschrittsberichte (Annual Progress Report) verfassen. Die jährlichen Berichte werden an die Sherpas, die Haupt- 2

berichte auch an die Staats- und Regierungschefs übermittelt. Bislang sind zwei Fortschrittsberichte (2014, 2015) und zwei umfassende Berichte (2013, 2016) erschienen. Der Prozess wird seit 2013 von einem Steuerungskomitee (dem DWG Accountability Steering Committee, ASC) begleitet, das auch darüber berät, wie der Rechenschaftsmechanismus weiterentwickelt werden könnte. Das nächste Treffen des ASC findet Mitte statt. Zukünftig sollen sich nun die Rechenschaftsberichte über die kollektiven Anstrengungen der G20 nicht mehr allein auf die Entwicklungsverpflichtungen der G20 beziehen, sondern integrativ und kohärent alle Politikbereiche nachhaltiger Entwicklung berücksichtigen. Die Basis dafür sollen Rückmeldungen aus den relevanten G20- Prozessen und -Arbeitsgruppen sein. Notwendig wäre also, dass alle Sherpas und Arbeitsgruppen die Umsetzungs- und Zulieferrolle ernst nehmen, für die ihnen die Verantwortung übertragen wurde. Betrachtet man die Themen der G20-Arbeitsgruppen Landwirtschaft, Korruptionsbekämpfung, Entwicklung, Beschäftigung, Rahmen für Wachstum, finanzielle Teilhabe, ökologisches Finanzwesen, Gesundheit, internationale Finanzarchitektur, Nachhaltigkeit/ Energie und Klima, Handel und Investitionen, digitale Wirtschaft, so wird deutlich, dass mit dem neuen Bezug auf die 2030- Agenda alle gefragt sind, ihre inhaltliche Arbeit an der 2030-Agenda und ihren transformativen Zielen auszurichten. Das gilt nicht nur für die Arbeitsgruppen des Sherpa- Tracks, sondern auch für jene des Finanz- Tracks mit seinem Fokus auf Finanzen und Wachstum, Investitionen und Infrastruktur. Das in Annex A des Aktionsplans formulierte Mandat überträgt der DWG somit eine übergreifende Koordinierungsaufgabe, die weit über ihre bisherige Zuständigkeit hinausweist. Entsprechend mahnt die G20 in ihrem Aktionsplan und im 2016er»Hangzhou Comprehensive Accountability Report«eine effektive Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen G20-Prozessen an, inklusive einer»zwei-wege-kommunikation«. Sollen Taten folgen, müsste die G20 hierfür jedoch stärkere politische Anreize setzen. Neben der Schaffung effizienter Formate für die Zusammenarbeit wäre auch ein Neuzuschnitt der Arbeitsgruppen zu erwägen. So könnte die DWG in Anbetracht ihres erweiterten Mandats und ihrer neuen Koordinierungsrolle den Begriff Nachhaltigkeit aufnehmen und sich in SDWG umbenennen. Umsetzung in den G20-Staaten In Annex B des Aktionsplans sind Länderberichte gelistet, in denen die G20-Staaten freiwillig über ihre individuelle nationale Umsetzung der 2030-Agenda referieren. Sie fallen bislang sehr kurz aus, ihre Aussagekraft ist entsprechend beschränkt. Immerhin haben selbst jene Staaten geliefert, die eine Berichterstattung kritisch sehen. Ob und wie es mit den Länderberichten weitergehen soll, ist derzeit offen. Die bislang vorliegenden Länderberichte ermöglichen weder das beabsichtigte wechselseitige Lernen (mutual learning) noch eine gegenseitige Rechenschaftslegung (mutual accountability). Dazu müssten die Berichte mehr analytische Tiefe bieten. Es ist jedoch nicht sinnvoll, die bei den VN, genauer gesagt beim Hochrangigen Politischen Forum für nachhaltige Entwicklung (HLPF) angesiedelten freiwilligen Review- Prozesse (Voluntary National Reviews, VNRs) zur nationalen Umsetzung der 2030-Agenda zu doppeln. Stattdessen sollte sich die deutsche G20-Präsidentschaft dafür einsetzen, dass sich alle G20-Staaten bis 2018 aktiv an den HLPF-VNRs beteiligen und dies bis 2030 insgesamt möglichst dreimal tun. Angesichts der in dieser Hinsicht bislang wenig ambitionierten Haltung einiger G20-Mitglieder ist allerdings fraglich, ob es gelingen kann, eine solche Selbstverpflichtung in der Abschlusserklärung zu verankern, die im Konsens vereinbart werden muss. Sieben G20-Staaten haben sich bis jetzt noch nicht für die HLPF-VNRs gemeldet (Australien, Kanada, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Vereinigtes Königreich, USA). Dabei 3

Stiftung Wissenschaft und Politik, 2017 Alle Rechte vorbehalten Das Aktuell gibt die Auffassung der Autorin wieder SWP Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Ludwigkirchplatz 3 4 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 Fax +49 30 880 07-100 www.swp-berlin.org swp@swp-berlin.org ISSN 1611-6364 könnte eine lose Kopplung der G20- und VN-Prozesse helfen, nicht nur die Berichterstattung komplementär zu gestalten, sondern auch die 2030-Agenda kohärent zu verwirklichen. Die G20 sollte also auch zukünftig Länderberichte nutzen, um die Umsetzung der 2030-Agenda auf nationaler Ebene besser zu erfassen. Development Working Group und Accountability Steering Committee könnten entsprechende Leitlinien abstimmen. Diese sollten sicherstellen, dass die Berichte auf die G20-Kernthemen fokussieren. Makroökonomische Maßnahmen, die sowohl die ökonomische, ökologische als auch soziale Dimension der Nachhaltigkeit berücksichtigen, sollten im Mittelpunkt stehen. In den Leitlinien könnten die G20- Staaten zudem dazu aufgefordert werden, in ihren Berichten auch Zielkonflikte anzusprechen, gerade wenn sie für andere Länder ebenfalls relevant sein könnten. Grenzüberschreitende Auswirkungen nationaler Politiken sollten stets einbezogen werden. Keinesfalls sollten sich die Berichte allein auf die Entwicklungszusammenarbeit der G20-Länder konzentrieren. Mit Berichten arbeiten Schließlich ist es notwendig, dass die G20 mit ihren Berichten auch arbeitet und das kontinuierlich über die wechselnden Präsidentschaften hinweg. Eine Möglichkeit wären beispielsweise regelmäßige Peer-Dialoge zu den Ergebnissen der Berichte. Diese sollten auf Leitungsebene stattfinden, denn die Sherpas sind noch am ehesten in der Lage, auf Politikkohärenz zu achten. Für ausgewählte Themen wären eingehendere Peer Reviews denkbar. Vorbild könnte der Peer Review sein, den die G20 2013 mit dem Ziel etabliert hat, ineffiziente Subventionen für fossile Energieträger abzubauen. Als Erste haben sich die USA und China auf diesen gegenseitigen Peer Review eingelassen, andere Länder wollen folgen. Die von vielen Beobachtern gelobten Ergebnisse wurden auf dem 2016er G20- Gipfel diskutiert. Dem Mandat für die DWG und für den»comprehensive Accountability Report«folgend sollten im Rahmen solcher Peer- Dialoge und Reviews auch die Perspektiven von Nicht-G20-Ländern und weiteren Stakeholdern berücksichtigt werden. Schon jetzt sind nicht nur eine Reihe von Gästen, etwa Vertreter regionaler Bündnisse, sondern auch gesellschaftliche Repräsentanten über Dialog-Foren am Prozess der Vorbereitung des Gipfels beteiligt, so die Business20, Labour20, Civil20, Women20, Youth20, Science20 und Think20. Diese Formate wurden als Reaktion auf die Kritik an der eingeschränkten Partizipation, Transparenz und Legitimität der G20 eingerichtet. Die G20 könnte diesen Dialogen größere Bedeutung verleihen, wenn sie ihren Stakeholdern in diesem Rahmen zugestehen würde, auch ihre Rechenschaftsberichte kritisch zu kommentieren. So erstellt etwa die Universität von Toronto regelmäßige»compliance Reports«zu ausgewählten Maßnahmen, zu denen sich die G20-Staaten selbst verpflichtet haben. Diese und andere Schattenberichte könnten zur Diskussion gestellt werden. G20 first? Einige von realpolitischer Skepsis geleitete Fragen zum Schluss: Ist die G20 aktuell überhaupt in der Lage, als Vorreiter-Club zu agieren und ein ambitioniertes»update«des Aktionsplans zu liefern? Warum sollten Trump oder Putin, Modi oder Erdoğan bei den G20 progressivere Positionen vertreten als bei den VN? Ein Vorteil des G20-Clubs ist die größere Peer Pressure. Insofern könnte die deutsche Präsidentschaft im Rahmen einer Allianz der Willigen zumindest eines klarstellen: Es wird nicht möglich sein, mit Minimalkonsensen, die von nationalen Egoismen diktiert sind, jene Ziele zur»transformation unserer Welt«(so der Titel der 2030-Agenda) zu erreichen, die alle Staats- und Regierungschefs 2015 vereinbart haben. 4