so. ISLAM Das Kapern von bekannten Markenmotiven ist ein typisches Mittel von Extremisten. Sowohl unter Rechten als auch unter Salafisten wird der Wiedererkennungswert genutzt, um wie in diesem Fall eine Schockwirkung herzustellen. Das hier gezeigte Motiv haben sich deutsche Salafisten auf T-Shirts und Taschen drucken lassen. In Deutschland entsteht derzeit ein eigener Popdschihad. Wie Linksautonome und Neonazis haben die jungen Salafisten eigene Stars, Markenzeichen und einen eigenen Lifestyle. Die Ausrufung des Kalifats im Irak wird den Gruppen einen immensen Aufschwung geben. VON ANN-KATHRIN SEIDEL Montage: adi/funk
v V v v v v v einem Schüler, der ihm irgendwann vorwarf, kein echter Muslim zu sein. Kurz darauf habe ich ihn mit einer Gruppe in der Moschee gesehen, die ich für Radikalisierer halte, und dann war er auch schon in Syrien, sagt Heider. Viele seiner Schüler interessierten sich brennend für Syrien. Die Fragen, ob man zum Dschihad in das vom Bürgerkrieg erschütterte Land fahren sollte, kommen in fast jeder Unterrichtsstun Ferid Heider steht vor einem Foto eines toten Mannes. Schwarzer Kinnbart, die Augen geschlossen, der Mund leicht geöffnet. Abu Zaid al-almani starb am 12. August 2013 in der Nähe von Latakia an der Mittelmeerküste Syriens. Ich kannte ihn aus der Moschee, sagt Heider. Er ist ab und zu mit seinem Sohn zu meinem Koranunterricht gekommen. Heider ist Imam aus Berlin. Er predigt in zwei Neuköllner Moscheen und einer im Wedding. Er ist nach Bonn gekommen, um sich auf einer Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung über Salafismus zu informieren. Das Bild seines Bekannten hängt an einer Fotowand mit Propagandabildern aus dem syrischen Bürgerkrieg. Dass al-almani, diesen Namen hatte sich der gebürtige Albaner als Kampfnamen gegeben, nach Syrien wollte, habe er erst erfahren als das Foto seines Märtyrerbildes in den sozialen Medien zirkulierte, sagt Heider. Heider gilt als konservativ. Er trägt einen gut geschnittenen schwarzen Kinnbart, Arabisch hat er in Ägypten gelernt. Er plädiert für die Geschlechtertrennung, natürlich in der Moschee und auch in der Jugendarbeit. Für einige Jugendliche ist er dennoch nicht konservativ genug. Heider erzählt von DIE PREDIGER GEFEIERT, ABER WENIGER BELIEBT Der Stern von Prediger Pierre Vogel (Mitte) soll angeblich sinken. dpa
v v V v v v v Die Angst vor den Folgen des syrischen Kriegs für Deutschland konzentriert sich derzeit vor allem auf die Rückkeh de, die der Imam gibt. Sie sagen:,ich muss doch etwas tun für meine Umma, meine Gemeinschaft. Und deswegen ist Isis ihr neuer Star. KLEINE SALAFISTENLEHRE Derzeit schaut die Welt gebannt auf den Irak, in dem die kleine Armee von etwa mehr als 10 000 Dschihadisten ein Gebiet erobert hat, das so groß ist wie Jordanien, aber um ein Vielfaches reicher an Rohstoffen. Vor einer Woche hat ihr Anführer Abu Bakr al-baghdadi dort das Kalifat ausgerufen und sich selbst zum Kalifen aller Muslime zwischen Marokko und Indonesien gekürt. Für die deutschen Radikalislamisten hat diese Nachricht Signalwirkung. Was der Westen nicht versteht, ist, dass sich in Syrien gerade eine Prophezeiung erfüllt, sagt Marwan Abou-Taam, Islamwissenschaftler beim Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz. Sein Kollege Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik stimmt ihm zu: Die Gründung des Kalifats wird einen enormen Rekrutierungsschub in Deutschland bringen. BITTE SCROLLEN
v v v V v v v rer. 380 deutsche Abgänger sollen laut Verfassungsschutz in Syrien unterwegs sein. Kenner der Szene sprechen eher von 500. Etwa hundert sind bereits zurückgekehrt. Was außer Blick gerät: Auch für die Salafisten in Deutschland, so nennt sich die radikalislamische Richtung, der die meisten Kämpfer zuzurechnen sind, könnte das Kalifat zum Turbogang im Aufschwung werden. Seit Jahren steigen die Zahlen der stärksten Strömung, der politischen Salafisten: seit 2011 von 3800 auf mittlerweile etwa 6000 Radikale. Ihr Ziel ist die Gründung eines islamischen Staates auch in Deutschland ein Ziel, das eine kleine Gruppe unter ihnen, die Dschihadisten, mit Gewalt durchsetzen wollen. Die Zentren der Militanten in Deutschland sind Bonn, Dinslaken, Stuttgart, Wuppertal und Solingen. Alleine aus Bonn sollen 90 Muslime in den Dschihad nach Syrien gezogen sein. KORANVERTEILAKTIONEN NICHT KONTAKTSCHEU Die Salafisten wollen bekehren. Sie sprechen auch mit Nichtmuslimen. In jeder zehnten Mosche in Berlin kann ein Jugendlicher mit dem Salafismus in Berührung kommen, sagt Claudia Dantschke, Leiterin des Zentrums für Demokratische Kultur, kurz ZDK. Ähnliche Zahlen bestätigt die Polizei Nordrhein-Westfalen. In acht bis zehn Prozent der Gemeinden gäbe es Kontakte zum salafistischen Milieu, sagt Dirk Sauerborn, Kontaktbeamter für interkulturelle Angelegenheiten des LKA. Der Eindruck jedoch, dass die muslimischen Gemeinden vermeintliche Horte der Extremisten sind, ist falsch. Wenn aber wieder einmal der Kölner Verein Die wahre Religion Korane in Fußgängerzonen verteilt, halten das auch gemäßigte Muslime für gut. Diese Verteilaktionen sind angesehen bis in den deutschen Mainstreamislam hinein, sagt Islamwissenschaftlerin Dantschke. Wegen dpa
v v v V v v v ihres guten Renommees wenden sich viele an,die wahre Religion. In den Hinterzimmern wird ihnen dann eine ganz andere, eine militante Lesart des Islams nahegebracht. Claudia Dantschke gilt als eine der versiertesten Kennerinnen der Salafistenszene, die in Deutschland längst eine Parallelstruktur zu den Moscheegemeinden aufgebaut hat. Seit Jahren läuft das so: In Islamseminaren verbreiten die Prediger, von denen es etwa 50 in Deutschland gibt, ihre Ansichten, sagt Dantschke. Die Zusammentreffen sind für die Anhänger der Einstieg in die aktive Arbeit ins Missionieren auf der Straße, in der Schule und sogar in Jugendeinrichtungen wie kürzlich in Frankfurt-Gallus. Islamwissenschaftlerin Dantschke vergleicht die Strukturen der Salafisten mit denen der Rechtsextremen. Analog zur rechten hat sich die Salafistenszene in den letzten Jahren weiterentwickelt. Es sind autonome, im Untergrund arbeitende Gruppen entstanden. Ich vergleiche Vereine wie,die wahre Religion immer mit der NPD, und die Folgevereine mit den Kameradschaften. Diese treten wie die autonomen Nationalisten auf inklusive Jugendkultur und eigenem Lifestyle. PROVOKANTE BILDER KAMPF GEGEN DEN WEIHNACHTSMANN Ein Salafist schlägt die Kunstfigur des christlichen Westens. Bilder wie diese kursieren im Internet. In Deutschland wächst derzeit die Generation Popdschihad heran ein eigener, deutscher Dschihadismus mit eigenen Stars und Markenzeichen. Motoren sind Gruppen wie Millatu Ibrahim und Tauhid sowie Prediger wie der ehemalige Rapper Dennis Cuspert aka Deso Dogg, der in Syrien kämpft. In Echtzeit verfolgen die jungen Anhänger den syrischen Dschihad über Twitter und Facebook und adi
v v v v v V v rufen in eigenen Online-Anashid islamischen Liedern zum Kampf auf. Sie kapern Markenmotive wie das von Adidas für ihre Aktionen. So werden die drei Adidas-Streifen auf dem Popdschihad-Logo zu den einstürzenden Türmen des World-Trade-Centers. Der Onlineversandhandel www.muslim-outdoor.de verkauft T-Shirts und Hoodies mit Dschihadmotiven mit dem Prediger Pierre Vogel als Model. Für Babys gibt es passende Bodys, für Frauen Jutebeutel mit dem muslimischen Glaubensbekenntnis. Die jungen Salafisten sehen einfach aus wie eine Straßengang mit Bart, sagt Claudia Dantschke. DER STREETSTYLE MODERNER STREETSTYLE Die Salafisten kapern Marken und lassen T-Shirts bedrucken. Seit 2012 betreut Dantschke in der Beratungsstelle Hayat in Berlin Familien von jungen Radikalen und Aussteigern. Die Jugendlichen kommen aus allen Milieus. Das einzige, was sie gemeinsam haben: Sie sind im religiösen Sinne Analphabeten. Das sind Ramadan-Muslime und Weihnachtschristen, sagt sie. Da sei der junge Muslim, der erlebt, wie seine Eltern zu Hause gegen den deutschen Staat wettern, aber sich bei Diskriminierungserfahrungen auf der Straße nicht zu Wehr setzen. Da sei aber auch die Tochter aus der biodeutschen, vorgeblich supertoleranten Mittelstandsfamilie, die die elterliche Gleichgültigkeit aufrütteln will. Wenn du in der Schule mit einem salafistischen Flyer hantierst, dann kannst du dir der maximalen Aufmerksamkeit gewiss sein, sagt Dantschke. Auch SWP-Experte Guido Steinberg hält den Salafismus für die perfekte Protestideologie. Wenn es in Bonn cool ist, Salafist zu sein, ist es in Jena cool, Nazi zu sein, sagt er. adi
v v v v v v V 83 Fälle hat die Beratungsstelle Hayat bereits betreut. Sechs Ausstiege sind gelungen. 18 Fälle sind derzeit sicherheitsrelevant das heißt, dass Hayat Polizei und Verfassungsschutz miteinbeziehen muss, weil beispielsweise eine Ausreise nach Syrien bevorsteht. Zwei bis drei Jahre dauert der Prozess, einen jungen Menschen aus der Szene zu lösen, sagt Dantschke. Familien, Schulen, Moscheegemeinden und Sicherheitsbehörden müssen einbezogen werden. Bei Hayat hat man die Erfahrung gemacht, dass Eltern relativ gut beschreiben können, wie sich ihr Kind radikalisiert hat. Auch beim Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen habe man die Erfahrung gemacht, dass erste Anzeichen erkannt werden, sagt Leiter Burkhard Freier. Wir haben die Lebensläufe derer untersucht, die nach Syrien ausgereist sind, aber nicht, um zu kämpfen, sondern beispielsweise, um beim Transport von Hilfsgütern zu helfen, sagt Freier. Jeder dieser Männer hat vor seiner Abreise mehrmals um Hilfe gerufen, aber die Falschen haben ihn gehört. N HOCHGLANZGRAFIKEN SCHÖNE ANSICHTEN, SCHWIERIGE INHALTE Ein Salafist mit dem Namen Abu Zacharia betreibt das Abu-Z- Projekt. Er stellt hochprofessionelle Propagandabilder her. Abu-Z-Projekt