da Mittel zur Anschaffung von Büchern überhaupt nicht zur Verfügung stehen.

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DOI 10.1515/bfp-2013-0021 Bibliothek, Forschung und Praxis 37(2): 220 228 Sandra Butte, Stefan Wiederkehr da Mittel zur Anschaffung von Büchern überhaupt nicht zur Verfügung stehen. NS-Raubgut in der Berliner Akademiebibliothek. Ein Werkstattbericht Zusammenfassung: Die Berliner Akademiebibliothek führt seit 2012 systematische Recherchen nach NS-Raubgut in ihren Beständen durch. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Projektziele und vorläufige Ergebnisse. In der Akademiebibliothek, deren Bestände u. a. aufgrund fehlender Erwerbungsmittel bis 1945 nur langsam, ab 1950 aber sehr schnell anwuchsen, überwiegt sekundäres Raubgut. Bei 2.079 Zugängen bis zum Erwerbungsjahr 1956 besteht ein Raubgutverdacht im engeren Sinne. Schlüsselwörter: Akademiebibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften; NS-Raubgut; Provenienzforschung; Geschichte 1933 1956 as there are no funds in order to buy books. Nazi-looted Books in the Library of the Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities. Project Outline and Recent Findings Abstract: Since 2012, the Library of the Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities has systematically reviewed its collection in order to identify Nazi-looted books. This article gives an outline of the aims of the project and recent findings. The most important result so far is that Nazi-looted books usually did not come directly to the library, but rather were acquired from intermediaries such as antiquarian booksellers or other libraries. Keywords: Library of the Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities; Nazi-looted books; provenance research; history 1933 1956 Sandra Butte: butte@bbaw.de Dr. Stefan Wiederkehr: wiederkehr@bbaw.de 1 Einführung Die Akademiebibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) begann 2012 mit der systematischen Suche nach NS-Raubgut in ihren Beständen. Im vorliegenden Beitrag werden Ziele und erste Ergebnisse des durch Drittmittel geförderten Forschungsprojekts NS-Raubgut in der Berliner Akademiebibliothek Systematische Recherche im Monographienzugang bis 1956 und im Sonderbestand NS 1 dargestellt. Gegenstand dieses Berichts ist nur die Bearbeitung des Monographienzugangs bis 1956. Der Sonderbestand NS bleibt an dieser Stelle unberücksichtigt. Das Projekt der Akademiebibliothek fügt sich in die Reihe von Forschungsvorhaben, die in der Folge der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust (1998) und der ein Jahr später verabschiedeten Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz systematisch nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in den Beständen deutscher Bibliotheken suchen und die Ergebnisse transparent machen. 2 1 Das Projekt wird gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages (Laufzeit: 1.5.2012 30.4.2013). Im Rahmen der Drittmittelförderung sind Sandra Butte als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Katy Barthel als Diplombibliothekarin für das Projekt tätig. 2 Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg (Hrsg.): Beiträge öffentlicher Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland zum Umgang mit Kulturgütern aus ehemaligem jüdischen Besitz. Magdeburg 2001; Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg (Hrsg.): Entehrt, ausgeplündert, arisiert: Entrechtung und Enteignung der Juden. Magdeburg 2005; Conze, Eckart; Reifenberg, Bernd (Hrsg.): Displaced books: NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Marburg. Marburg 2006; Dehnel, Regine (Hrsg.): Jüdischer Buchbesitz als Raubgut: Zweites Hannoversches Symposium. Frankfurt am Main 2006; Reifenberg, Bernd (Hrsg.): Die Suche nach NS-Raubgut in Bibliotheken: Recherchestand, Probleme, Lösungswege. Marburg 2006; Dürr, Michael; Gerlach, Annette (Hrsg.): Raubgut in Berliner Bibliotheken. Berlin 2007; Alker, Stefan; Köstner, Christina; Stumpf, Markus (Hrsg.): Bibliotheken in der NS-Zeit: Provenienzforschung und Bibliotheksgeschichte. Göttingen 2008; Bödeker, Hans Erich; Bütte, Gerd-Josef (Hrsg.): NS-Raubgut, Reichstauschstelle und Preußische Staatsbibliothek: Vorträge des Berliner Symposiums am 3. und 4. Mai 2007. München 2008; Dehnel, Regine (Hrsg.): NS-Raubgut in Bibliotheken: Suche, Ergebnisse, Perspektiven: Drittes Hannoversches Symposium. Frankfurt am Main 2008; Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg (Hrsg.): Verantwortung wahrnehmen:

da Mittel zur Anschaffung von Büchern überhaupt nicht zur Verfügung stehen. 221 2 Ausgangslage und Projektziele NS-Raubkunst eine Herausforderung an Museen, Bibliotheken und Archive. Magdeburg 2009; Koordinierungsstelle Magdeburg (Hrsg.): Die Verantwortung dauert an: Beiträge deutscher Institutionen zum Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut. Magdeburg 2010; Provenienzprojekte in deutschen und österreichischen Bibliotheken. In: BIBLIOTHEK Forschung und Praxis 34 (2010) S. 47 99, 217 221; Reuß, Cordula (Hrsg.): NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Leipzig. Leipzig 2011; Bartels, Nicole u. a. (Hrsg.): Bücher unter Verdacht: NS-Raub- und Beutegut an der SUB Göttingen. Katalog der Ausstellung vom 13. Mai 10. Juli 2011. Göttingen 2011; Scheibe, Michaela: NS-Raubgut in der Erwerbungspolitik der Preußischen Staatsbibliothek nach 1933: Eine Zwischenbilanz. In: Krohn, Claus-Dieter; Winckler, Lutz (Hrsg.): Bibliotheken und Sammlungen im Exil. München 2011, S. 179 194; Dehnel, Regine (Hrsg.): NS-Raubgut in Museen, Bibliotheken und Archiven: Viertes Hannoversches Symposium. Frankfurt am Main 2012; Prölß, Peter; Borchardt, Peter: Projektbericht NS-Raubgut in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB). Ms. 14 S. Berlin 2013. Zur Einordnung des Themenkomplexes NS-verfolgungsbedingt entzogene Bücher in den größeren Zusammenhang des Kulturgüterraubs durch die Nationalsozialisten vgl. auch Welzbacher, Christian: Kunstschutz, Kunstraub, Restitution. Neue Forschungen zur Geschichte und Nachgeschichte des Nationalsozialismus, in: H-Soz-u-Kult, 13.12.2012. http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/2012-12-001. 3 Rex, Joachim: Die Berliner Akademiebibliothek: Die Entwicklung der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften in drei Jahrhunderten anhand der Quellen dargestellt. Wiesbaden 2002. Zum Altbestand siehe auch Wurst, Christel: Akademiebibliothek (AB) der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) Zentrale Bibliothek. In: Fabian, Bernhard (Hrsg.): Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa. Digitalisiert von Günter Kükenshöner. Hildesheim 2003. http://fabian.sub.unigoettingen.de/?akademie_der_wissenschaften_(bbaw). Die Akademiebibliothek wurde um 1700 gegründet und war stets der Berliner Akademie der Wissenschaften unter deren wechselnden Namen angegliedert. Die Geschichte der Akademiebibliothek und ihrer Altbestände ist, insbesondere dank der 2002 erschienenen Monographie ihres langjährigen Direktors Joachim Rex, insgesamt sehr gut erforscht. 3 Ihre Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus nimmt jedoch bei Rex nur geringen Raum ein und war auch sonst noch nicht Gegenstand einer vertieften Untersuchung. Veröffentlichte Ergebnisse zu Recherchen nach Raubgut in der Akademiebibliothek liegen nicht vor. Die Preußische Akademie der Wissenschaften, wie die Berliner Akademie nach 1918 hieß, hatte in der Zwischenkriegszeit eine eher marginale Position im Wissenschaftssystem Deutschlands inne und stand nicht zuletzt deshalb bis 1938 nicht im Fokus der wissenschaftspolitischen Reorganisationsbestrebungen der Nationalsozialisten. 4 Gleichwohl wäre es falsch, die Distanz zum Regime überzubewerten, denn die Akademie blieb ein exklusiver, staatsnaher Klub, in der [sic!] nach 1939 an der Parteiverbundenheit der Mitglieder kein Zweifel mehr bestand 5, und war während der Herrschaft des Nationalsozialismus jedenfalls in ihrer Außenwirkung in ein Instrument nationalsozialistischer Propaganda umfunktioniert worden 6. Eine Reihe von Gründen sprach zu Projektbeginn für die im Laufe der Arbeiten bestätigte Vermutung, dass NS-verfolgungsbedingt entzogene Bücher insbesondere Raubgut aus zweiter Hand Eingang in die Bestände der Akademiebibliothek gefunden haben. Zum einen verfügte die Bibliothek während der NS-Zeit bei gleichzeitiger Nähe der Akademie zum Regime nur über einen minimalen Erwerbungsetat und war zur Bestandserweiterung auf die kostenfreie Übernahme von Büchern angewiesen. Der Akademiebibliothek zum Kauf angebotene Bücher wurden zwischen 1933 und 1945 regelmäßig mit demselben Text abgelehnt: Auf Ihr Schreiben vom [ ] teile ich Ihnen ergebenst mit, daß die Preußische Akademie der Wissenschaften zu ihrem Bedauern auf den Ankauf [ ] verzichten muß, da Mittel zur Anschaffung von Büchern überhaupt nicht zur Verfügung stehen. 7 Zum anderen ist es eine grundlegende Erkenntnis der neueren Raubgutforschung, dass geraubte Bücher auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in deutsche Bibliotheken eingearbeitet wurden und daher in den Akzessionsjournalen erst in den späten 1940er Jahren oder noch später erschienen. 8 Gerade im Falle der Akademiebibliothek, deren Bestände im Zuge 4 Walther, Peter Th.: Arisierung, Nazifizierung und Militarisierung: Die Akademie im Dritten Reich. In: Fischer, Wolfram (Hrsg.): Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914 1945. Berlin 2000, S. 87 118, hier S. 89 f. 5 Walther (Anm. 4) S. 117. 6 Mommsen, Wolfgang J.: Wissenschaft, Krieg und die Berliner Akademie der Wissenschaften: Die Preußische Akademie der Wissenschaften in den beiden Weltkriegen. In: Fischer, Wolfram (Hrsg.): Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914 1945. Berlin 2000, S. 3 23, hier S. 21. 7 Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (im Folgenden: ABBAW), II-XV-28. 8 Gerlach, Annette: Die Recherche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut im Bestand der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Ein Werkstattbericht. In: Koordinierungsstelle Magdeburg (2010, Anm. 2) S. 75 90, hier S. 80; Reuß, Cordula: Restitution an der Universitätsbibliothek Leipzig in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In: Ebd., S. 243 257, hier S. 249. Am weitesten fortgeschritten in der Aufarbeitung des nach 1945 inventarisierten NS-Raubguts ist die Universitätsbibliothek Leipzig. Vgl. Weigand, Kathy: Die Suche nach NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Leipzig. In: Reuß (Anm. 2) S. 20 26, hier S. 24.

222 Sandra Butte, Stefan Wiederkehr der Sowjetisierung der Akademie 9 ab 1950 in einem vorher nie dagewesenen Tempo wuchsen, 10 mussten daher auch die Nachkriegsjahre einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Dies galt umso mehr, als bereits die kursorische Durchsicht der Akzessionsjournale der Nachkriegszeit Provenienzen wie herrenloses Gut zu Tage förderte, die für nach 1945 eingearbeitetes NS-Raubgut typisch sind. Bei der Durchsicht der umfangreichen Akzessionsjournale der Nachkriegszeit war ein weiteres zentrales Ergebnis der aktuellen Forschung zu berücksichtigen, nämlich die Bedeutung des Raubguts aus zweiter Hand. Da Raubgut häufig über Zwischenbesitzer wie Antiquare in Bibliotheken gelangte, kann sich auch hinter scheinbar unverdächtigen Einträgen Raubgut verbergen. 11 Eine 2005 intern durchgeführte, unveröffentlichte Kurzrecherche hatte nur deshalb zum Ergebnis kommen können, dass kein Raubgut in die Akademiebibliothek eingegangen sei, weil sich die damaligen Bearbeiter auf die Untersuchungen der Zugangsjahre 1933 bis 1945 beschränkt hatten und weil seinerzeit das Bewusstsein für die Existenz von Raubgut aus zweiter Hand noch fehlte. 9 Kocka, Jürgen (Hrsg.): Die Berliner Akademien der Wissenschaften im geteilten Deutschland 1945 1990. Berlin 2002. 10 Durchgängige Zahlenreihen, die Monographien, Zeitschriften und den Gesamtbestand über einen längeren Zeitraum auf dieselbe Weise erfassen, fehlen. In einem internen Bericht von 1962 heißt es Besaß sie [die Akademiebibliothek, Anm. der Verf.] 1944 noch 53.000 Bände, so waren es 1950 rund 55.000, 1952 58.350, 1954 bereits 67.774, 1957 85.158 und 1961 112.640 Bände. (ABBAW, VA 30044). In diesen Zahlen sind die Zeitschriftenbände enthalten. Der reine Monographienbestand von ca. 18.000 Bänden vor dem Zweiten Weltkrieg war als Folge der Kriegsverluste und einer Entnazifizierung der Bestände, deren Umfang freilich ungeklärt ist, bis 1953 auf 16.446 Bände geschrumpft und wuchs dann rasch an auf 20.623 Bände im Jahr 1955 und weiter auf ca. 25.000 Bände im Jahr 1957 (ABBAW, AKL Nr. 231; ABBAW, VA 227). 11 Albrink, Veronica; Babendreier, Jürgen; Reifenberg, Bernd (Bearb.): Leitfaden für die Ermittlung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in Bibliotheken. Stand: März 2005. O.O., S. 8. http:// staatsbibliothek-berlin.de/fileadmin/user_upload/zentrale_seiten/ historische_drucke/pdf/leitfaden.pdf; Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (Hrsg.): Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NSverfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999, vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007. 6., korr. Aufl. Bonn 2007, S. 11 f. http://www. lostart.de/cae/servlet/contentblob/5140/publicationfile/29/ Handreichung.pdf. 3 Quellen Die Quellenlage präsentiert sich uneinheitlich. Akzessionsjournale der Akademiebibliothek für die Zugangsart Kauf liegen für den gesamten Zeitraum 1933 bis 1956 vor. Für die Zugangsarten Tausch, Geschenk und Beleg hingegen wurden erst ab 1950 Akzessionsjournale geführt (Tab. 1). Die Angaben zur Provenienz umfassen in diesen Akzessionsjournalen den Namen des Lieferanten, das Datum des Zugangs sowie bei gekauften Bänden den Preis. Die Verzeichnisse der eingegangenen Druckschriften, die jährlich bis 1938/39 in den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie der Wissenschaften, danach bis 1943/44 im Jahrbuch der Preußischen Akademie der Wissenschaften abgedruckt wurden, decken den Zeitraum von 1933 bis zum 30. November 1943 ab. 12 Sie enthalten nach Herkunftsort geordnet die von den Tauschpartnern zugesandten Serienund Zeitschriftenbände mit detaillierten Angaben sowie in summarischer Form die im Tausch erhaltenen Monographien. Dazu kommen die von den Unternehmungen der Akademie und ihren Stiftungen herausgegebenen, die von der Akademie unterstützten Werke, Werke ihrer Mitglieder, Preisträger und Beamten sowie eine Liste der durch Ankauf erworbenen Werke, die in der Regel nicht mehr als eine Druckseite umfasst. Angaben zur Provenienz beschränken sich in diesen gedruckten Verzeichnissen auf einen geographischen Ort oder fehlen ganz. Diese in der Akademiebibliothek selbst vorliegenden Unterlagen werden ergänzt durch die im Akademiearchiv teilweise erhaltenen Schriftwechsel über Buchankauf, Schriftentausch und Geschenke an die Akademiebibliothek, Kontakte mit der Reichstauschstelle sowie die Abgaben an und Übernahmen von der Preußischen Staatsbibliothek, in deren Gebäude Unter den Linden sich die Akademiebibliothek im fraglichen Zeitraum befand. Das Akademiearchiv besitzt außerdem einen kleinen, für die Provenienzforschung leider wenig ergiebigen Nachlass von Eduard Sthamer, der die Akademiebibliothek von 1919 bis zu seinem Tod 1938 leitete. 13 12 Das nach dem Zweiten Weltkrieg als Nachfolgepublikation erschienene Jahrbuch der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin enthält keine derartigen Verzeichnisse mehr. 13 Persönliche Nachlässe von Helmuth Scheel, der von Sthamers Tod bis zum Kriegsende für die Bibliothek verantwortlich war, und Erna Hagemann, die als Bibliothekarin den laufenden Betrieb bis zu ihrem Tod bei einem Luftangriff 1945 aufrecht erhielt, sind im Akademiearchiv nicht vorhanden. Dasselbe gilt für das Leitungspersonal der Bibliothek und die wissenschaftlichen Bibliothekare von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis Ende der 1950er Jahre (Heinrich Roloff, Helmar Strauch, Franz Claus, Johannes Eichhorn, Otto Wenig, Brigitte Millik).

da Mittel zur Anschaffung von Büchern überhaupt nicht zur Verfügung stehen. 223 Originalbeschriftung Normierter Name Akzessionsart Projektrelevanter Zeitraum Verzeichnis der seit dem 1. Januar 1898 durch Kauf erworbenen Druckschriften 1950 (1800) Zugangsbuch für Kauf 1950 (1801) 1952 Kauf-Akzession 1953 195[5]* [im Zugangsbuch Kauf-Akzession 1953 1956 enthalten] Zugangsbuch Kauf 1898 1950 Zugangsbuch Kauf 1950 1952 Zugangsbuch Kauf 1953 1955 1956 B 1 2232 Zugangsbuch B-Signaturen 1956 Geschenk-Akzession 1.1.1950 31.12.1953 Geschenk-Accession 1954 1955 Kauf-Akzession 195[6]* [im Zugangsbuch Kauf-Akzession 1953 1956 enthalten] Zugangsbuch Alle Erwerbungsarten 1950 1953 Zugangsbuch Alle Erwerbungsarten 1954 1955 Zugangsbuch Alle Erwerbungsarten 1956 Anzahl Zugänge 30.01.1933 bis 31.12.1956** Kauf 1933 1950 635 Kauf 1950 1952 1.359 Kauf 1953 1955 1.886 Kauf/Tausch/Geschenk/ Pflicht (B-Signaturen) Kauf/Tausch/Geschenk/ Pflicht Kauf/Tausch/Geschenk/ Pflicht Kauf/Tausch/Geschenk/ Pflicht (Buchstabensignaturen) 1956 2.232 1950 1953 4.108 1954 1955 3.186 1956 1.331 Total 14.737 Tabelle 1: Akzessionsjournale 1933 1956 Die Katalogkarten der Akademiebibliothek enthalten weder Zugangsnummern noch sonstige Erwerbungsinformationen. Sie können daher nichts zur Auffindung verdächtiger Zugänge beitragen. Hingegen lassen sich über die Signaturen von Monographien chronologisch relevante Teilbestände eingrenzen. Nach der kriegsbedingten Auslagerung kehrten die Bestände 1946 mit Ausnahme von ca. 2.000 Bänden, die als quantitativ geringer, aber qualitativ bedeutsamer Kriegsverlust gelten müssen, vollständig nach Berlin zurück. 14 Bei der Wiederaufstellung, die bis 1950 dauerte, wurde der Altbestand an Monographien (ca. 18.000 Bände) neu katalogisiert 15 und mit sogenannten Buchstabensignaturen versehen. Dieses Signatursystem, dessen primäres Ordnungselement auf dem Haupteintrag im alphabetischen Katalog beruht, fand für Monographien * Bei Projektbeginn wurde das Zugangsbuch mit der Originalbeschriftung Kauf-Akzession 1953 1956 analytisch in die Perioden 1953 1955 und 1956 aufgeteilt. Erst im Projektverlauf stellte sich heraus, dass nicht die Erwerbungsart, sondern die zu vergebende Signatur (B-Signatur vs. Buchstabensignatur) das entscheidende Kriterium zur Eintragung der Zugänge des Jahres 1956 in diesem Zugangsbuch und nicht im Zugangsbuch 1956 B 1 2232 sind. ** In fast allen Zugangsbüchern wurden einige Zugangsnummern nicht, andere doppelt vergeben. Diese Fehler sind in den Summen bereinigt. 14 Rex (Anm. 3) S. 140 143. 15 ABBAW, AKL Nr. 227. bis 1956 Anwendung. 16 Im Laufe jenes Jahres wurde es durch ein neues Signatursystem (sogenannte B-Signaturen ) abgelöst, demgemäß sich Signaturen aus dem Jahr des Zugangs und einer laufenden Nummer zusammensetzen. 17 Das Signatursystem lässt somit eine Zuordnung der monographischen Zugänge zur Periode bis bzw. seit 1956 zu. Die Bestände mit B-Signaturen lassen sich ab 1956 jahrgangsweise auf verdächtige Zugänge mit Erscheinungsjahr vor 1946 durchsehen. Im laufenden Projekt wurde als Stichprobe der erste Jahrgang von B-Signaturen (1956 B 1 bis 1956 B 2232) bearbeitet, um abzuschätzen, ob sich die Untersuchung späterer Zugangsjahre lohnen wird. Für Zeitschriften und Serien liegen die Verhältnisse für die Provenienzforschung weniger günstig. Die sichere chronologische Zuordnung von Teilbeständen über das Signatursystem ist in diesen Fällen nicht möglich. Zeitschriften und als Serien aufgestellte Schriftenreihen wur- 16 Die Signatur setzt sich zusammen aus den ersten beiden Buchstaben des primären Ordnungselements im Alphabetischen Katalog gemäß Preußischen Instruktionen und einer springenden vier- oder fünfstelligen Zahl. Beispiel: Eine Publikation Adolf von Harnacks trägt die Signatur Ha 66135. 17 Beispiel: Das 23. im Jahr 1957 erworbene Buch trägt die Signatur 1957 B 23.

224 Sandra Butte, Stefan Wiederkehr den im Rahmen des aktuellen Projekts daher zurückgestellt. 18 Als Datierungskriterium können außerdem die wechselnden Besitzstempel der Akademiebibliothek 19 herangezogen werden. 4 Verdächtige Zugänge im Überblick Anhand der Akzessionsjournale wurden die Monographienzugänge der Jahre 1933 bis 1956 systematisch durchgesehen. Die Ergebnisse wurden in einer für mehrere Bearbeiter synchron zugänglichen, internen Arbeitsdatenbank auf dem Filemaker-Server der BBAW dokumentiert. 20 In einem ersten Schritt konnte für 11.078 von insgesamt 14.737 Zugängen dieses Zeitraums ein Raubgutverdacht definitiv ausgeräumt werden, zumeist weil die entsprechenden Titel bereits vor dem 30. Januar 1933 erworben wurden oder nach 1945 erschienen sind. Bei 714 Zugängen gab es plausible Gründe für die Annahme, dass es sich nicht um Raubgut handelt. In diese Kategorie fallen insbesondere Publikationen, die die Akademiebibliothek direkt vom Autor oder von der herausgebenden Institution als Geschenk erhielt, sowie Verlagspublikationen des Zeitraums 1933 bis 1945, die unmittelbar nach Erscheinen in die Akademiebibliothek gelangten. Weitere 846 Zugänge wurden als unspezifisch klassifiziert und vorläufig nicht weiterverfolgt. Aufgrund der Akzessionsjournale als verdächtig eingestuft und in der Folge nach Abzug von 22 Zugängen, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt ausgesondert worden waren im Magazin überprüft wurden 2.077 Zugänge. Von den geprüften Zugängen enthielten 1.310 keine Provenienzspuren, 88 waren nicht auffindbar. Bei 20 Zugängen ließ sich aufgrund von Autopsie oder Archivakten der Raubgutverdacht definitiv ausräumen. Die insgesamt 659 verdächtigen Zugänge, deren Bände Provenienzspuren enthalten, werden gemäß den Weimarer Empfehlungen zur 18 Bände mit Zeitschriften- und Seriensignaturen wurden dann geprüft, wenn sie in einem der in Tabelle 1 aufgelisteten Akzessionsjournale inventarisiert wurden. 19 Für Reproduktionen und Datierung der Stempel der Akademiebibliothek vgl. Jammers, Antonius (Hrsg.): Besitzstempel: Besitzvermerke von Bibliotheken in der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1998, S. 29 f. 20 Unser Dank gilt Markus Schnöpf (TELOTA-Initiative der BBAW) für die kompetente IT-Beratung und die Einrichtung der projektunterstützenden IT-Lösungen. Provenienzerschließung 21 im Gemeinsamen Bibliotheksverbund (GBV) erschlossen und auf diese Weise für die Öffentlichkeit transparent gemacht. Im OPAC der Akademiebibliothek 22 sind sie über eine Schlagwortsuche mit dem Begriff NS-Raubgut recherchierbar. Darüber hinaus wurde gemeinsam mit der Koordinierungsstelle Magdeburg der Nachweis verdächtiger und definitiv als Raubgut zu klassifizierender Bände in der Lost Art-Datenbank 23 und dessen regelmäßige Aktualisierung eingerichtet. Die Provenienzmerkmale der in Autopsie geprüften Bände werden eingescannt, in der internen Arbeitsdatenbank beschrieben und auf dem Bildserver der BBAW abgelegt. Die Durchsicht von 2.232 Zugängen des ersten Jahrgangs von B-Signaturen (1956) anhand des Zugangsbuchs förderte 133 verdächtige Zugänge zu Tage, was einem Anteil von fast 6 Prozent entspricht. Bei der anschließenden Magazinprüfung wurden in 51 dieser Zugänge das entspricht 78 Bänden Provenienzspuren entdeckt und öffentlich dokumentiert. Lediglich für vier ursprünglich als verdächtig klassifizierte Zugänge steht inzwischen zweifelsfrei fest, dass es sich nicht um Raubgut handelt. Dieser Befund führt deutlich vor Augen, dass die Einarbeitung von Raubgut aus zweiter Hand in der Akademiebibliothek Mitte der 1950er Jahre keineswegs endete. 5 Breite Streuung der Provenienzen Institutionen, Bibliotheken, Buchhandlungen, Vereine, Schulbibliotheken, Logen, Studenten, Ärzte, Schriftsteller und andere Privatpersonen hinterließen handschriftlich, mit Stempeln, Etiketten und Exlibris ihre Spuren in den Büchern, die sich heute in der Akademiebibliothek befinden. Nach den Recherchen anhand der Akzessionsjournale stand fest, dass die Akademiebibliothek vor allem sekundäres Raubgut besitzt. Das bedeutet, dass nach der Enteignung durch die Nationalsozialisten die Bände nicht direkt in die Bestände der Akademiebibliothek übergingen, sondern mindestens ein Zwischenbesitzer zu verzeichnen ist. Die verdächtigen Bände wurden hauptsächlich über den Antiquariatsbuchhandel bezogen. 24 Da bei der Sichtung 21 http://aad.gbv.de/empfehlung/aad_provenienz.pdf. 22 http://vzopc4.gbv.de/db=38/. 23 http://www.lostart.de/webs/de/datenbank/index.html. 24 Als größter Posten von Bibliotheken stammen 139 Zugangsnummern von der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek Berlin (ÖWB). Vgl. auch Anm. 31.

da Mittel zur Anschaffung von Büchern überhaupt nicht zur Verfügung stehen. 225 antiquarisch erworbener Bände zahlreiche Provenienzspuren entdeckt wurden, bedarf es auch einer Überprüfung der betreffenden Antiquariate hinsichtlich ihrer Verwicklung in den An- und Weiterverkauf von NS-Raubgut. 25 Beispielsweise stammen mehrere Bände mit der Provenienz einer jüdischen Persönlichkeit 26 aus dem Berliner Antiquariat Agnes Straub. Die Witwe des ehemaligen Mitinhabers kontaktierte Anfang der 1950er Jahre die Akademie und bot die Restbestände des Antiquariats zum Verkauf an. Nach Durchsicht und Rücksprache wurden insgesamt 11.000 Bände von der Witwe angekauft. Die Akademiebibliothek behielt lediglich 10 Prozent für ihren eigenen Bestand und organisierte die Weiterverteilung der übrigen Bände. Nachdem auch die Institutsbibliotheken der Akademie bedacht worden waren, wurden von den verbliebenen 75 Prozent auch an externe Institutionen größere Posten verkauft. Neben dem Institut für Marxismus-Leninismus-Stalinismus und den Staatlichen Museen handelte es sich vor allem um die Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek Berlin (ÖWB, früher Preußische Staatsbibliothek). Für die ÖWB wurde eine Titelliste erarbeitet, anhand derer die Auswahl stattfand. Genaue Bandzahlen lassen sich nicht verlässlich benennen, aber die Höhe der Kaufsumme (28.000 DM) belegt, dass es sich um einige Tausend Bände gehandelt haben muss. 27 Wie genau die Bände der jüdischen Persönlichkeit, bei denen es sich sehr wahrscheinlich um Raubgut handelt, in das Berliner Antiquariat gelangt sind, muss noch geklärt werden. Wurde der Vorbesitzer von den Nationalsozialisten gezwungen, seine Bibliothek zu verkaufen, möglicherweise unter Wert? Oder wurde seine Bibliothek nach der Deportation beschlagnahmt? Bei den Recherchen im Projekt tauchen immer wieder verdächtige Bände aus dem Antiquariat Agnes Straub auf. Handelt es sich dabei um Zufall oder profitierte dieses Antiquariat systematisch von den massenhaften Beschlagnahmungen und Enteignungen? Das Beispiel zeigt auf jeden Fall, dass der Transfer von NS-Raubgut nicht im Mai 1945 endete, sondern mit der 25 Eine monographische Studie zum deutschen Antiquariatsbuchhandel im Nationalsozialismus fehlt bis heute. Verschiedene Aufsätze berühren das Thema, vgl. zuletzt Sander, Torsten: Der Verein der Deutschen Antiquariats- und Exportbuchhändler e.v. (1918 1942). In: Aus dem Antiquariat N.F. 10 (2012) S. 157 165; Schroeder, Werner: Die Arisierung jüdischer Antiquariate 1933 1942. In: Ebd. N.F. 7 (2009) S. 295 320, 359 386. 26 Da die Suche nach den Erben noch am Anfang steht, bleiben die Daten anonym. Anfragen und Hinweise bezüglich der dargestellten Provenienz werden gerne entgegengenommen. 27 ABBAW, Abgabeverzeichnis IV 1308. Zwischenverteilung durch Antiquariate und andere Bibliotheken letztlich bis heute stattfindet. 28 Eine weitere Besonderheit in der Akademiebibliothek liegt in der hohen Anzahl der verschiedenen Provenienzen, die sich in den überprüften Bänden gefunden haben. So verteilen sich die in 649 verdächtigen Zugängen gefundenen Spuren von Vorbesitzern auf etwa 490 unterschiedliche Provenienzen. 29 Es muss hier aber deutlich gesagt werden, dass diese Zahl nicht mit NS-Raubgut gleichzusetzen ist. Die Provenienzen stammen insgesamt aus verschiedenen Epochen. Die Bände können daher durchaus auf legalem Weg in den Antiquariatsbuchhandel gelangt sein. Dennoch erfordert jede Provenienz eine Suche nach dem Vorbesitzer, um möglichst zweifelsfrei klären zu können, dass es sich nicht um NS-Raubgut handelt. Eine belastbare Prognose, wie viele Provenienzen letztlich NS- Raubgut sind, ist beim jetzigen Stand der Recherchen nicht möglich. In den besonders verdächtigen Bänden, deren Herkunftsangaben in den Akzessionsjournalen herrenloses Gut, gefunden im Keller, alter Bestand und unbekannt lauten, waren zumeist keine Provenienzmerkmale enthalten. Auch wenn deshalb die Zuordnung dieser Bände zu einem Vorbesitzer unmöglich ist, solange nicht neue Quellen auftauchen, bleibt der Raubgutverdacht bestehen. Die hohe Zahl der gefundenen Provenienzen deutet auf einen weiteren Befund hin: Lediglich einige wenige Provenienzen lassen sich in mehreren Bänden nachweisen. Die überwiegende Mehrheit der Merkmale findet sich nur in einem Band. Dabei halten sich Institutionen und Privatpersonen in etwa die Waage. 6 Ein Fallbeispiel: Die Gemischte Kommission für Oberschlesien Die Suche nach dem Vorbesitzer gestaltet sich bei dem Verdacht auf sekundäres Raubgut aufgrund der verschiedenen Zwischenstationen in der Regel sehr komplex. Welche Fragen und Probleme in solchen Fällen bei der Recherche auftauchen, soll hier anhand einer Provenienz exemplarisch dargestellt werden. Unter den verschiedenen Provenienzmerkmalen in Bänden der Akademiebibliothek findet sich die Provenienz Gemischte Kommission für Oberschlesien = Komisja Mie- 28 Mangei, Johannes: Zu wenig beachtet: NS-Raubgut und aktuelle antiquarische Erwerbung. In: Bibliotheksdienst 46 (2012) S. 608 617. 29 Die Zahl kann sich noch verändern, bis die Erschließung vollständig abgeschlossen ist.

226 Sandra Butte, Stefan Wiederkehr szana dla Górnego Śląska. Der Stempel (Abb. 1) konnte bislang lediglich in einem einzigen (zweibändigen) Werk 30 gefunden werden. Die Bände können daher auch als Beispiel dafür dienen, wie stark gestreut die in der Akademiebibliothek vorhandenen Provenienzen sind. Abbildung 1: Besitzstempel der Gemischten Kommission für Oberschlesien Die beiden Bände erhielt die Akademiebibliothek 1954 im Tausch mit der ÖWB. Ausgehend von den Angaben im Zugangsbuch wurde die Recherche begonnen. Die Quellen im Akademiearchiv erhellten die weitere Herkunft der Bände leider kaum. Es lässt sich zwar belegen, dass im Frühjahr 1954 insgesamt 15.000 Titel im Dublettentausch mit der ÖWB bezogen wurden. 31 Undatierte und unpaginierte Titellisten lieferten jedoch keine weiteren Erkenntnisse. 32 Eine Suche im Onlinekatalog der Staatsbibliothek zu Berlin unter dem Index Provenienzen brachte für die Gemischte Kommission für Oberschlesien keinen Treffer. 30 Augé, Claude (Hrsg.): Larousse universel en 2 volumes: Nouveau dictionnaire encyclopédique. Paris 1922 1923. Die beiden Bände sind unter einer Signatur (La 66200) und Zugangsnummer (1954/726) verzeichnet. 31 ABBAW, AKL Nr. 227. Nicht alle erhaltenen Bände der ÖWB stehen im Verdacht, NS-Raubgut zu sein. Lediglich 139 Zugangsnummern sind in der internen Arbeitsdatenbank als verdächtig markiert (siehe Anm. 24). Bei den übrigen Bänden konnte ein Raubgutverdacht bereits ausgeschlossen werden. Ein Großteil der übernommenen 15.000 Bände wurde aus unterschiedlichen Gründen nicht in die Bestände der Zentralen Akademiebibliothek eingearbeitet. 32 ABBAW, Abgabeverzeichnis IV 1310/1311, S 11. Ob sich in den Akten der Staatsbibliothek zu Berlin Hinweise darauf finden lassen, wie der Band in die ÖWB gelangte, muss die Fortsetzung der Recherchen zeigen. Anzumerken ist an dieser Stelle Folgendes: Bei Kriegsende 1945 lagerten im Keller des Hauses Unter den Linden 100.000 Bände der Reichstauschstelle, die nicht ausgelagert worden waren. 33 Die ÖWB übernahm diese Bände und gab sie trotz mehrfacher Versuche seitens der neuen Tauschstelle nicht an diese zurück. Die hier interessierenden Bände können folglich auch bereits vor 1945 über die Reichstauschstelle an die ÖWB gekommen sein. Um mögliche Verteilungswege zu verstehen, ist es nötig, sich eingehender mit dem Vorbesitzer zu beschäftigen. Die Gemischte Kommission für Oberschlesien entstand auf Beschluss des Völkerbundes und nahm am 15. Mai 1922 in Katowice ihre Arbeit auf. In Oberschlesien war es nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zu mehreren polnischen Aufständen gekommen, in denen es den Aufständischen darum ging, das bis dahin dem Deutschen Reich zugehörige Oberschlesien an die neue polnische Republik anzugliedern. In Oberschlesien sollten nach dem Versailler Vertrag Volksabstimmungen durchgeführt werden, um den weiteren Verbleib im Deutschen Reich zu klären. Da die Abstimmung 1921 kein eindeutiges Ergebnis zeitigte, wurde Oberschlesien geteilt, und Polen erhielt den zwar flächenmäßig kleineren, aber wirtschaftlich stärkeren Teil zuerkannt. Zur Einhaltung des Abkommens und zum Schutz der Minderheiten wurde die Gemischte Kommission für Oberschlesien gegründet. Die Kommission wurde von einem neutralen Präsidenten, dem Schweizer Felix Calonder, geleitet und bestand aus vier Mitgliedern, je zwei Deutschen und zwei Polen. Die Laufzeit der Kommission war auf 15 Jahre angelegt und endete automatisch am 15. Juli 1937. 34 33 Briel, Cornelia: Fortschaffung eurer Bücher wird vorbereitet stop örtliche Verhandlungen zwecklos : Zu den Bücherlagern der Reichstauschstelle 1943 bis 1946. In: Dehnel (2012, Anm. 2) S. 133 145, hier S. 145. 34 Vgl. zu Oberschlesien Lesiuk, Wiesław: Plebiszit und Aufstände in Oberschlesien. In: Wach auf, mein Herz, und denke : Zur Geschichte der Beziehungen zwischen Schlesien und Berlin-Brandenburg von 1740 bis heute = Przebudź się, serce moje, i pomyśl. Berlin 1995, S. 232 246; Struve, Kai: Oberschlesien nach dem Ersten Weltkrieg: Studien zum nationalen Konflikt und seiner Erinnerung. Marburg 2003; Haubold-Stolle, Juliane: Mythos Oberschlesien: Der Kampf um die Erinnerung in Deutschland und in Polen 1919 1956. Osnabrück 2008 sowie Ritter, Rüdiger: Die Geschichtsschreibung über Abstimmungskämpfe und Volksabstimmung in Oberschlesien (1918 1921): Eine Auswahlbibliographie. Frankfurt am Main 2009. Zur Kommission vgl. Komar, Stanisław: Das Genfer Oberschlesien-Abkommen zwischen Polen und Deutschland 1922 1937. Berlin 1937; Recke, Walther: Die historisch-politischen Grundlagen der Genfer Konvention

da Mittel zur Anschaffung von Büchern überhaupt nicht zur Verfügung stehen. 227 vom 15. Mai 1922. Marburg 1969; Rogowski, Stanisław: Komisja Mieszana dla Górnego Śląska 1922 1937. Opole 1977 sowie Stauffer, Paul: Polen Juden Schweizer: Felix Calonder (1921 1937), Exilpolens Berner Emissäre (1939 1945), Die Schweiz und Katyn (1943). Zürich 2004. 35 Stauffer (Anm. 34), S. 106 Endnote 74. 36 Vgl. dazu u. a. Mężyński, Andrzej: Kommando Paulsen: Organisierter Kunstraub in Polen 1942 1945. Köln 2000; Kater, Michael: Das Ahnenerbe der SS 1935 1945: Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches. München 2009 und zuletzt Cieślińska-Lobkowicz, Nawojka: Wer, was, woher, wohin: Geographie des NS-Kunstraubs in Polen und verschiedene Ausfuhrwege der konfiszierten Kulturgüter. In: Dehnel (2012, Anm. 2), S. 175 192. 37 Vgl. u. a. die Datenbank Displaced Books der UB Marburg (http:// avanti.uni-marburg.de/ub/ns-raubgut/), die Namensliste von Vorbesitzern der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) (http:// www.zlb.de/aktivitaeten/raubgut/namenliste.pdf) und die Dokumentation von NS-Raubgut an der UB Leipzig (http://nsraubgut.ub. uni-leipzig.de/content/below/index.xml). Die Akten der Kommission liegen heute im Archiv des Völkerbundes beim UNO-Sitz in Genf. 35 Die beiden Bände, die sich heute in der Akademiebibliothek befinden, tragen die handschriftlich eingetragenen Nummern 112 bzw. 112a. Dies legt nahe, dass es eine Bibliothek oder zumindest einen Handapparat an Büchern bei der Kommission gegeben haben muss. Diesbezügliche Recherchen blieben allerdings bisher erfolglos. Die Forschungsliteratur beschäftigt sich ausschließlich mit den politischen Auseinandersetzungen der 1920er und 1930er Jahre und gibt zwar Auskunft über die Mitglieder und den Präsidenten, aber nicht über weitere Beschäftigte oder Abteilungen. So verwundert es auch nicht, dass die Suche nach dem weiteren Verbleib der Bücher noch kein positives Resultat erbrachte. Verblieben die Bücher nach der Auflösung der Kommission Mitte 1937 bei einer regionalen Bibliothek vor Ort? Wurden sie im Zuge des Kulturraubes in den ersten Monaten des Zweiten Weltkriegs im Herbst 1939 36 nach Deutschland geschafft? Welche Stationen durchliefen die Bücher in Berlin? Wurden die Bände, die sich heute in der Akademiebibliothek befinden, vom ersten Empfänger als dublett angesehen und weiterverteilt? Letzteres legt die Tatsache nahe, dass die Bände keine weiteren Provenienzen tragen. Beim jetzigen Forschungsstand bleibt selbst der Weg der Bände nach Deutschland ein Rätsel. Anfragen bei anderen Provenienzforschern brachten bisher keine Hinweise und auch bei Lost Art und in anderen Datenbanken 37 blieb die Suche trefferlos. Fast mag man glauben, dass eine Bibliothek bei der Kommission nie existiert hat. Wären da nicht die beiden Bände in der Akademiebibliothek Da bisher jeglicher Hinweis selbst auf die bloße Existenz der Bibliothek fehlt, müssen die künftigen Recherchen in sehr verschiedene Richtungen erfolgen. Eine Reihe von Archiven kommt dafür in Frage. Das Beispiel der Gemischten Kommission für Oberschlesien illustriert, wie arbeitsintensiv sich die Provenienzforschung gestalten kann, handelt es sich in diesem Fall doch lediglich um eine einzige zu überprüfende Provenienz, die zudem nur in zwei Bänden der Akademiebibliothek enthalten ist. Da der Verdacht auf NS-Raubgut sich bis jetzt weder ausräumen noch erhärten lässt, gilt es, die Recherchen fortzusetzen und mehr Licht ins Dunkel zu bringen. 7 Fazit Die seit Mai 2012 durchgeführten Recherchen haben ergeben, dass sich im Monographienzugang der Berliner Akademiebibliothek von 1933 bis 1956 mindestens 3.639 Zugänge befinden, für die der Verdacht auf NS-Raubgut bisher nicht eindeutig ausgeräumt werden konnte. Bei 2.079 dieser Zugänge besteht ein Raubgutverdacht im engeren Sinne. Vergleicht man die bisherigen Forschungsresultate mit denjenigen von Raubgutprojekten in anderen deutschen Bibliotheken, ist auffällig, dass in der Akademiebibliothek die große Mehrheit der verdächtigen Zugänge in die Zeit nach 1945 fällt und dass Raubgut aus zweiter Hand deutlich überwiegt. Ausschlaggebend hierfür ist das rasante Wachstum der Akademiebibliothek ab 1950, das in einem deutlichen Kontrast zur gemächlichen Entwicklung bis 1945 steht, als die Akademiebibliothek über fast keine Erwerbungsmittel verfügte. Das rasche Bestandswachstum der Nachkriegszeit geht nicht zuletzt auf antiquarische Ankäufe, Tauschbeziehungen mit deutschen Bibliotheken, in deren Dubletten- und Tauschlager sich bei Kriegsende Raubgut befand, und die Einarbeitung von Bänden zurück, die in den Akzessionsjournalen mit verdächtigen Herkunftsangaben wie herrenloses Gut, alter Bestand, gefunden im Keller oder unbekannt firmieren. Der außerordentlich hohe Anteil an sekundärem Raubgut, das erst nach 1945 eingearbeitet wurde, und die damit einhergehende breite Streuung der Provenienzen nur eine geringe Zahl von Provenienzmerkmalen wiederholt sich stellen sowohl sachlich als auch zeitlich eine besondere Herausforderung für weiterführende Recherchen dar. In dieser Hinsicht betritt das Projekt der Akademiebibliothek Neuland. Die Vielzahl unterschiedlicher Provenienzen hat auch Konsequenzen für das Ziel der Restitution an die rechtmäßigen Besitzer. Während die Projektergebnisse so schnell wie möglich transparent und neu entdeckte Provenienzmerkmale laufend recherchierbar gemacht werden, wird

228 Sandra Butte, Stefan Wiederkehr die systematische Suche nach den rechtmäßigen Besitzern erst dann aufgenommen werden können, wenn die Provenienzerschließung der verdächtigen Monographienzugänge mit Buchstabensignaturen im GBV abgeschlossen ist. Erst zu diesem Zeitpunkt wird klar sein, welches die häufigsten Provenienzen sind, denen als Erstes nachgegangen werden muss. Mit dem Übergang zu einem neuen Signatursystem 1956 änderte sich auch die Art und Weise, wie die Akzessionsjournale der Akademiebibliothek geführt wurden. Der Anteil an verdächtigen Zugängen blieb jedoch auch in diesem Jahr signifikant hoch. Die chronologische Fortsetzung der Suche nach NS-Raubgut in der Akademiebibliothek und die Untersuchung der Neuerwerbungen der Jahre 1957 und folgende sind daher ein dringendes Desiderat. Sandra Butte Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt NS-Raubgut in der Berliner Akademiebibliothek Systematische Recherche im Monographienzugang bis 1956 und im Sonderbestand NS, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Jägerstraße 22/23 10117 Berlin butte@bbaw.de Dr. Stefan Wiederkehr Leiter der Akademiebibliothek Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Jägerstraße 22/23 10117 Berlin wiederkehr@bbaw.de