Hochschulgottesdienst am Pfarrer Michael Seibt

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Transkript:

Hochschulgottesdienst am 18.6.2017 Pfarrer Michael Seibt Im Geist und in der Wahrheit Orgel EG 444, 1-5 Die güldene Sonne Im Namen Gottes, durch Jesus Christus, im heiligen Geist. Amen. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Johannes 4,24 Herzlich willkommen zum Hochschulgottesdienst. Paul Vögler, Theologiestudent und Mitarbeiter in der ESG wird in diesem Gottesdienst mitwirken. Die Reihe steht unter dem Thema Heiliger Geist. Heute geht es um die Begegnung zwischen Jesus und einer Frau aus Samarien. Am Brunnen sprechen sie über spirituelle Fragen und aus diesem Gespräch stammen die Worte: Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Psalm 146, EG 757 Gebet: Des Menschen Geist muss davon, aber Gottes Geist bleibt. Wir werden wieder zu Erde, aber das Leben geht seinen Gang. So lass uns anwesend sein in diesem Leben. Erfülle uns mit Geist und Wahrheit, mit Bewusstheit und Respekt, mit Akzeptanz und Liebe. Weite unser eng gewordenes Herz, dass es sich löse von den Bindungen, frei werde von Sorge und Angst um sich selbst. Öffne unseren verzagten Geist, dass die Wahrheit uns frei macht. Lass uns nichts in dieser Welt fürchten und dich in allen Dingen ehren. Meister Eckhart lädt uns zur Stille ein mit den Worten: Geh in deinen Grund, denn inwendig, im Innersten deiner Seele, da ist dein Leben und da allein lebst du. Im Innersten der Seele, im Innersten der Welt wohnst du. Amen. Lesung: 1. Johannes 4,16b-21 EG 130, 1-3+7 O Heilger Geist, kehr bei uns ein Predigt Johannes 4,19-26 Liebe Gemeinde, das Gespräch am Brunnen zwischen Jesus und der Frau aus Samarien, das uns Johannes im 4. Kapitel erzählt, zählt für mich zu den schönsten und gehaltvollsten biblischen Texten. 1

Das Kapitel handelt von einer einfühlsamen und zugleich sehr herausfordernden Begegnung, wie man sie erleben kann, wenn ein fragendes und offenes Herz ein anderes trifft. Dabei beginnt diese Begegnung damit, dass erst einmal alles verschlossen zu sein scheint. Den Gegnern Jesu kommt zu Ohren, dass dieser noch mehr Anhänger gewinnt als Johannes. Das weckt ihre Missgunst. Die Atmosphäre wird abwehrend und feindselig. Darum verlässt Jesus Judäa, wo seine Gegner mächtig sind. Er kehrt zurück nach Galiläa, wo er herkommt. Auf dem Weg dorthin muss er durch Samarien reisen. Dazu muss man wissen, dass Samarien damals als Region der Ungläubigen gilt, jedenfalls von Jerusalem aus betrachtet. Die Verschlossenheit und Missgunst der einen gibt anderen die Chance, ihr Herz zu öffnen. Denn nun befindet sich Jesus im Land der Ungläubigen in Samarien. Der Reisende ist müde und setzt sich an einen Brunnen. Da kommt eine Frau, um Wasser zu schöpfen. Gib mir zu trinken, bittet Jesus. Die Frau entgegnet spitz, warum er sie um Wasser bittet, wo er doch Jude ist und sie aus Samarien kommt. Einander Wasser zu reichen, wäre ja eine Geste des Friedens. Das kommt nicht in Frage. Jesus ignoriert die Bemerkung. Er erkennt die Not, die hinter dem Streit zwischen den Menschen aus Judäa und Samarien zum Vorschein kommt. Unter Wasser versteht er nicht nur das, was den Durst des Körpers löscht. Er selbst lebt in Verbindung mit einem anderen Wasser. Das nennt er lebendiges Wasser, das in uns selber zur Quelle wird. Dieses Wasser muss man nicht am Brunnen schöpfen, es strömt in uns. Das Gespräch beginnt bei den realen Themen, der täglichen Wasserversorgung, und kommt auf eine existentielle oder sagen wir seelsorgerliche Ebene. Eigentlich dürstet die Menschen nach einem anderen Wasser. Frieden und Verbundenheit das ist es, wonach sie sich sehnen. Doch sie können es einander nicht zeigen. Zu groß sind die Verletzungen. Auch die Frau ist noch nicht so weit, dass sie vom lebendigen Wasser der Seele trinken will, deshalb fragt sie, womit Jesus denn Wasser schöpfen wolle, denn der Brunnen sei tief. Die Frau bleibt konkret auf die Situation am Brunnen ausgerichtet. Ob er denn mehr sei als die Vorfahren, die diesen Brunnen gegraben und daraus getrunken hatten. Was bitte schön, soll denn lebendiges Wasser sein, wenn nicht das Wasser aus diesem Brunnen? Man spürt förmlich den Widerstand ihrer verletzten Seele. Jesus dagegen bleibt bei seinem Thema. Das Wasser aus dem Brunnen stillt den Durst des Körpers solange, bis man erneut trinken muss. Das lebendige Wasser, das den Durst der Seele stillt, wird in einem selbst zu Quelle, die in das ewige Leben quillt. Trinkt man davon, hat die Seele nie mehr Durst. 2

Die Frau kommt nun auch auf den Geschmack und will von diesem Wasser trinken, damit sie keinen Durst mehr hat. Allerdings versteht sie es immer noch auf der körperlichen Ebene. Es wäre ihr sehr Recht, sie müsste nicht täglich Wasser vom Brunnen nach Hause schleppen. Damals kommt das Wasser ja nicht aus dem Hahn, den man bloß aufdrehen muss. Mühsam muss man schwere Krüge transportieren. Wasserschleppen war ihre tägliche Aufgabe als Hausfrau. Das lebendige Wasser des ewigen Lebens ist im Moment nicht ihre größte Sorge. So reden die beiden am Brunnen erst einmal aneinander vorbei. Dann aber geht der Durchreisende am Brunnen auf ihr Verständnis der Dinge ein und bittet sie, ihren Mann zu holen vielleicht in der Annahme, dass das Wasserschleppen eigentlich Männersache ist. Da berichtet die Frau, sie habe keinen Mann. Sie habe zwar schon mehrere gehabt, aber aktuell habe sie keinen, auch wenn sie in einer Beziehung lebt. Sie führt also ein ganz normales Frauenleben, mit - sagen wir ziemlich komplexen Männerbeziehungen. Offenbar fühlt sich die Frau jetzt von ihrem Gesprächspartner verstanden und nennt ihn einen Propheten. Nicht weil er etwas besser weiß. Sie spürt, dass sie offen reden kann. Jetzt ist so viel Vertrauen gewachsen, dass sie persönlicher sprechen kann. Sie stellt ihrem Gesprächspartner die Gretchenfrage 3 nach der Religion. Wie hältst du es damit? In Samarien, sagt sie, verehrt man Gott auf einem heiligen Berg. In Jerusalem betet man zu Gott im Tempel. Nun sag mir, wie man das verstehen soll. Wohnt Gott auf dem Berg oder im Tempel? Sie ist nur eine einfache Frau, aber sie hat ein offenes Herz und versteht die Religionsstreitigkeiten ihrer Zeit nicht. Man erlaube mir an dieser Stelle eine aktuelle Randnotiz: während man in der württembergischen Kirche der Meinung ist, dass Gott gleichgeschlechtlich liebende Paare nicht segnet, muss man nur über die Grenze nach Baden reisen. Dort stellt sich der Wille Gottes ganz anders dar. Da geht das. Liegen Judäa und Samarien heute in Württemberg und Baden? Nun steuert das Gespräch auf den Höhepunkt zu. Denn Jesus fegt die heiligen Berge Samariens und den heiligen Tempel in Jerusalem vom Tisch und meint, dass die Zeit kommt, wo man Gott weder hier noch dort verehrt. Hören wir, was Johannes schreibt, die Verse 19 bis 26: 19 Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. 20 Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll. 21 Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. 22 Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir aber wissen, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden.

23 Es kommt die Stunde und ist schon jetzt, dass die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. 24 Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. 25 Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen. 26 Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet. Im Geist und in der Wahrheit also. Beides ist nicht an Jerusalem oder an einen heiligen Berg gebunden. Beides ist ohne Zeit, Ort und Geschichte. Geist ist das Bewusstsein des gegenwärtigen Augenblicks. Wahrheit ist die Tatsache, dass sich Gott als die Wirklichkeit entfaltet, die wir vorfinden. Es geht also nicht um das höhere Vermögen des Menschen, das man manchmal Geist zu nennen pflegt. Es geht auch nicht um rationales oder logisches Denken, mit dem wir manchmal Wahrheit zu erfassen versuchen. Gott ist Geist, lässt Johannes Jesus sagen und liefert damit die Grundlage für ein spirituelles Verständnis der Bibel. Die Religionen sagen, Gott ist das, was wir verehren, sei es in Jerusalem o- der Samarien oder anderswo. Das spirituelle Verständnis sagt: Gott ist spirit, Geist oder die Übersetzung ist mir am liebsten: Bewusstheit. Es kommt nicht von ungefähr, dass wir heute viel von Spiritualität sprechen und der Religion gegenüber skeptisch geworden sind. Das geht auf Jesus zurück. Er sagt zur Frau am Brunnen, dass es nicht auf die Inhalte der Religion ankommt. Was man in Jerusalem, in Samarien, in Mekka, in Rom oder in Wittenberg über Gott und Glaube sagt, ist nicht wichtig. Das sind nur Gedanken. Entscheidend ist, in welcher Beziehung wir zu diesen Gedanken stehen. Sind wir uns ihrer bewusst oder sind mit ihnen identifiziert? Begegnen wir uns wirklich auf einer tieferen Ebene oder zeigen wir einander nur die Trophäen unserer religiösen Errungenschaften? Im Gespräch mit dieser Frau befreit Jesus die Religion von Zeiten, Orten und von der Geschichte. Man muss sich das klarmachen: in Jerusalem verehrt man einen Gott, der sich in der jüdischen Geschichte gezeigt hat. Der Jude Jesus spricht dagegen von Geist und Wahrheit, nicht von der Geschichte. Da wird deutlich, welche Sprengkraft in diesen Worten steckt. Nur an diesem Brunnen im religiösen Ausland, in Samarien, kann Jesus mit dieser Frau aus dem Volk so offen und so klar reden. Es ist, als ob Johannes sagen will, dass Jesus Judäa verlassen hat, damit er uns die Geschichte dieser Begegnung erzählen 4

kann. Denn so redet man nicht im Zentrum der Religion. In Jerusalem will das die religiöse Führung nicht hören. Die Menschen aber verstehen es und darum hat der Wanderprediger so viele Freundinnen und Freunde. Es ist Johannes hoch anzurechnen, dass er uns einen Einblick gibt in ein echtes spirituelles Gespräch mit Tiefgang und Herz und frei von jedem Rechthabertum. Es spielt keine Rolle, ob das Gespräch je so stattgefunden hat. Geist und Wahrheit sprechen für sich. Aber schauen wir noch einmal hin, was an diesem Gespräch so besonders ist. Ab einem bestimmten Punkt geht es nicht mehr um die oberflächlichen Geschichten des Alltags, die Sorgen, den Streit und das Unverständnis. Wenn die äußeren Ereignisse bis auf ihren Grund hin erlebt und durchfühlt sind, kann es still werden. Dann kann die innere Quelle des lebendigen Wassers erscheinen. Nachdem sie ihre Geschichte erzählt hat, spielt es keine Rolle mehr, wie viele Männer die Frau gehabt hat, ob sie eine Ehe nach Gottes Willen führt oder nicht, ob sie Gott auf dem Berg anbetet oder anderswo. Nun darf sie einfach ein Mensch sein, ohne Geschichte und ohne Vergangenheit. Geist, griechisch Pneuma, ist der Atem, der die Materie belebt. Das Lebendige ist durchgeistigte und durchatmete Materie. Und das ist die Frau hier und jetzt, wenn von ihr abfallen kann, was andere über sie denken und was sie von sich selber hält. Wahrheit ist das, was sie eigentlich ist, ihre wahre Natur, ihr eigentliches Selbst. Wir verehren Gott im Geist, das heißt in Bewusstheit und in Wahrheit, das heißt in Essenz. Darin gleichen wir Gott, denn wir sind unserem Wesen nach, was Gott ist: reines Bewusstsein und reine Essenz. Rein heißt: frei von den Einengungen des Egos, frei von den Konditionierungen und Mustern. Treten diese zurück, kann erscheinen, was ich eigentlich bin und das lebendige Wasser wird zur Quelle in mir. Am Ende des Gesprächs hofft die Frau auf bessere Zeiten und meint, wenn der Messias kommt, wird er ihr das alles einmal genauer erklären. Zu unglaublich erscheint es ihr, dass es jetzt schon so sein kann. Darauf sagt Jesus nur noch lapidar: Ich bin s der mit dir redet. Dieses Ich bin s hat dieses wunderbare spirituelle Gespräch zwischen dem Juden Jesus und der Frau aus Samarien am Brunnen geführt. Ich bin s - das ist auch die Wahrheit für diese Frau. Du bist die Liebe, die Vollkommenheit und der Friede. Dieses vierte Kapitel bei Johannes ist ein Juwel der spirituellen Literatur oder der Gottespoesie und mit dem Herzen gehört 5

und gelesen - verstehen es alle, jedenfalls im Geist und in der Wahrheit. Amen. EG 165, 1+5-7 Gott ist gegenwärtig Gebet-Vaterunser EG 262, 1-4 Sonne der Gerechtigkeit Ansagen Bitte um den Frieden: EG 262, 6+7 Segen Orgel 6