Gomphus flavipes (Charpentier) an der Unteren Havel

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Transkript:

Libellula 18 (1/2): 71-77 1999 Gomphus flavipes (Charpentier) an der Unteren Havel (Anisoptera: Gomphidae) Aime Krawutschke und Michael Kruse eingegangen: 14. September 1998 Summary Gomphus flavipes (Charpentier) at the Lower Havel (Anisoptera: Gomphidae) - In 1996 and 1997, the sp. was recorded along the river Havel between Pritzerbe and the mouth of the Alte Dosse. The species lives at sandy bights, eroded banks and shallow berths of fishing boats. Details on emergence and location of exuviae are given. Zusammenfassung In den Jahren 1996 und 1997 wurde im Rahmen einer Kartierung der Naturschutzgebiete "Untere Havel Nord" und "Untere Havel Süd" die Libellenfauna an der Unteren Havel untersucht. Dabei wurde festgestellt, daß G. flavipes im gesamten Gebiet bodenständig ist. Die Art besiedelt sandige Buchten, ausgekolkte Ufer und Kahnliegeplätze. Einleitung In den vergangenen zwei Jahren ist die in Westdeutschland ehemals als ausgestorben geltende Art Gomphus flavipes an vielen großen Strömen (Elbe. Rhein und Weser) neu- oder wiederentdeckt worden (Zörner 1996. Müller 1997. Niehuis & Schneider, 1997, Reder 1997). Im Gegensatz dazu sind die Restvorkommen in Ostdeutschland an Spree, Havel und Oder schon seit langem bekannt (z.b. Donath 1985, Feiler & Gottschalk 1989. Günther & Randow 1989. Müller 1989). In diesem Beitrag soll auf das Vorkommen von G. flavipes und die von der Art besiedelten Habitate an der Unteren Havel in Brandenburg im Vergleich zu den bereits beschriebenen Fundorten an anderen deutschen Flüssen eingegangen werden. Anne Krawutschke und Michael Kruse, Zoologisches Institut und Museum der Universität Hamburg, Arbeitsgruppe Prof. J. Parzefall, Naturschutz, Martin-Luther- King-Platz 3, D-20146 Hamburg E-Mail: fb7y082@public.uni-hamburg.de

72 Krawutschke & Kruse Untersuchungsgebiet Als Untere Havel wird der Flußabschnitt zwischen der Stadt Pritzerbe und der Mündung der Havel in die Elbe bei Havelberg bezeichnet. Die in dieser Arbeit untersuchten brandenburgischen Naturschutzgebiete "Untere Havel Süd" (von Pritzerbe bis Rathenow) und "Untere Havel Nord" (von Rathenow bis zur Mündung der Alten Dosse) umfassen eine Fläche von ca. 8700 ha und erstrecken sich über 55 Stromkilometer (Stromkilometer 79 bis 134). Diese Gebiete sind die Reste einer ehemals ausgedehnten Überschwemmungslandschaft mit Verlandungszonen und Feuchtwiesen sowie zahlreichen Gräben, kleineren Fließgewässem und Altarmen der Havel. So ist hier ein reiches Mosaik von Lebensräumen erhalten geblieben (z.b. Mühle et al. 1997). Die Havel ist in ihrem Lauf begradigt und staureguliert. Je nach Stromabschnitt ist die Uferlinie zu 60-90 % mit Deckwerk versehen. Zur Sicherung der Fahrrinnentiefe für die Berufsschiffahrt werden Baggerungen durchgeführt. Streckenweise weist die Havel jedoch ein noch natumahes. unverbautes Ufer mit kleinen, sandig-lehmigen Buchten und Sandstrände von 200-300 m Länge auf. Der Hauptstrom der Havel besaß im Naturschutzgebiet im Untersuchungszeitraum eine äußerst geringe Strömungsgeschwindigkeit von unter 0,2 m/s. Methoden Während der Sommer 1996 und 1997 wurde für jeweils drei Wochen in den Monaten Juli/August bzw. Juni/Juli die Libellenfauna der Naturschutzgebiete "Untere Havel Nord" und "Untere Havel Süd" untersucht. Auf der Suche nach sandigen Uferstellen wurden die an die Havel angrenzenden Flächen zum einen vom Land aus begangen, zum anderen wurden die Ufer der Stromhavel und ihrer Seitenarme mit einem Kahn angefahren, da viele Bereiche nicht von Land aus erreicht werden konnten. An fünf Tagen (07.- 09.08.1996 und 01. -02.07.1997) wurde die Havel und ihre Seitenarme im Naturschutzgebiet "Untere Havel Süd" (Stromkilometer 79 bis 103) mit einem Kahn abgefahren und die Lage der sandigen Uferbereiche in eine Topographische Karte (1: 10 000) eingezeichnet. Im NSG "Untere Havel Nord" konnten aus Zeitmangel nur einzelne Buchten von Land aus untersucht werden.

Gomphus ßavipes an der Unteren Havel 73 Zum Nachweis der Bodenständigkeit von Gomphus ßavipes wurden alle sandigen Buchten einmal nach Exuvien abgesucht. Die Exuviensuche wurde eingestellt, sobald mindestens zwei Exuvien gefunden worden waren, die noch am originalen Schlupfort hingen, d.h. nicht angespült worden waren. Die Schlupfhöhe an der jeweiligen Pflanze sowie die Entfernung der Exuvie von der Wasserkante wurden festgehalten. Die Buchten, an denen die Art nachgewiesen werden konnte, wurden nach ihrer Morphologie in die drei Tvpen "Sandstrand". "Auskolkung" und "Kahnliegeplatz" eingeteilt. Eine Sandbucht von 20 m Länge in der Nähe des Dorfes Parey (Stromldlometer 121,5) wurde über einen Zeitraum von 18 Tagen vom 21.06. bis zum 08.07.1997 regelmäßig alle zwei Tage nach Exuvien abgesucht, wobei die Schlupforte ebenfalls notiert wurden. Es wurden zwei von Phalaris arundinacea dominierte Mähwiesen (ca. 11.2 ha und 7,6 ha groß) jeweils an zwei Abenden für ca. 30 min. begangen. Hier konnte das abendliche Flugverhalten beobachtet werden. Durch ungerichtetes. zufälliges Betreten der Wiesen wurden zusätzlich die sich dort aufhaltenden Imagines von G. ßavipes aufgescheucht, um die Individuenzahl abschätzen zu können. Ergebnisse Exuvienfunde Gomphus ßavipes konnte an der gesamten Unteren Havel Brandenburgs nachgewiesen werden. Die Fundorte der G. flavipes-exmien lagen in folgenden Meßtischblatt-Quadranten: MTB 3540/1 und 2. MTB 3440/3 und 4. MTB 3439/2 und 4, MTB 3339/1. 2 und 4. MTB 3239/ 1 und 3. In dem vollständig erfaßten Naturschutzgebiet "Untere Havel Süd" (Stromkilometer 79 bis 103) lagen 60 Buchten, die sandigen bis lehmigen Untergrund aufwiesen. In 33 Buchten konnten Exuvien von G. ßavipes gefunden werden (Tab. 1), an den anderen 27 Uferstellen konnten keine Nachweise für die Bodenständigkeit der Art erbracht werden. Die sandigen, strandähnlichen Buchten, an denen wir Exuvien fanden, wurden von Röhricht begrenzt. Das Substrat bestand hier aus mittlerem bis grobem Sand, dessen sauerstoflreiche Schicht 0.5-5 cm mächtig war. Während schmale, abgelegene Buchten selten von Menschen aufgesucht wurden, dienten breitere Sandstrände in Ortsnähe häufig als Badestrand.

74 Krawutschke & Kruse Tab.l: Anzahl der verschiedenen Buchttypen im Havel-Verlauf innerhalb des Naturschutzgebietes "Untere Havel Süd" und ihre Besiedlung durch Gomphus ßavipes in den Jahren 1996 und 1997 Buchttyp gesamt mit Exuvien von Gomphus ßavipes Sandstrände 46 25 Auskolkungen 5 2 Kahnliegeplätze 3 2 andere (z.b. Kahnschleuse) 6 4 60 33 Die Auskolkungen, in denen G. ßavipes schlüpfte, waren durch das Abrutschen der Uferverbauung aus Steinen und den nachfolgenden Angriff des strömenden Wassers gebildet worden. Das Feinsediment der kleinen, ca. 1 m im Durchmesser betragenden Auskolkungen bestand aus Schlamm oder tonigem Lehm. Die Wassertiefe betrug hier nur 10-20 cm. abhängig von Wasserstandsschwankungen. Zur Havelmitte hin brach das Ufer nach etwa einem Meter steil ab. Auf den dazugehörigen Ufervorsprüngen war ein vorwiegend aus Phalaris arundinacea bestehendes Röhricht erhalten geblieben, die weiter landeinwärts liegenden Uferbereiche waren meist zu ruderalem Grünland degeneriert. Baumbestandene, sandige Uferbereiche, die als Kahnliegeplätze und Angelstellen genutzt wurden, ließen sich als ein dritter Buchttyp abgrenzen. Durch die Nutzung der Ufer wurde die Vegetation heruntergetreten, so daß sich vorwiegend widerstandsfähige Juncus-Arten durchsetzen konnten. Die kleinen sandigen Buchten boten nur noch am seitlichen Rand natumahes Röhricht. Als weiteres Schlüpfsubstrat standen den Larven von G. ßavipes die in das Wasser hineinragenden Wurzeln der Weiden und Erlen zur Verfügung. 77 % der 73 Exuvien. die in den sandigen Buchten während der Kahntour und den Begehungen von Land aus aufgesammelt wurden, befanden sich in einer Höhe von 5-1 5 cm über dem Wasserspiegel an vertikalen Pflanzenteilen der Ufervegetation, meist in einer Entfernung von 0-80 cm zur Wasserkante. Nur sechs Exuvien wurden horizontal in der Vegetation oder auf dem Sand liegend gefunden. Die weiteste Entfernung einer Exuvie von der Wasserlinie betrug 6,5 m. Die Larven von G. ßavipes schlüpften zu

Gomphus ßavipes an der Unteren Havel 75 57 % an Pflanzen, die einen stabilen, kräftigen Stengel besaßen, so z.b Phalaris arundinacea und Carex gracilis. Es konnte beobachtet werden, daß die an einer Schlupfstelle angekommenen Larven durch wiederholtes Hochschlagen des Abdomens prüften, ob sich über ihnen genügend freier Raum befand. In der Sandbucht bei Parey konnte 1997 innerhalb des Untersuchungszeitraumes von 18 Tagen der Schlupf von insgesamt 61 Tieren festgestellt werden. Von den Exuvien befanden sich 77 % in einer Höhe von 5-15 cm über dem Wasserspiegel. In dieser Bucht schlüpften 72 % der Tiere an Pflanzen mit einem stabilen Stengel. Außerdem wurden 15 Exuvien gefunden, die offenbar angespült worden waren. Beobachtungen an Imagines Die Imagines überquerten zum einen geradlinig fliegend die Wasserfläche breiterer Havel-Abschnitte, zum anderen wurden sie nahe des Flusses über feuchten Mähwiesen beobachtet, in denen Phalaris arundinacea dominierte. Hier zeigten die Tiere ca. 1 m über der Vegetation eine charakteristische. wellenförmige Flugbewegung. Die Mähwiesen waren auch Schlafplatz einiger Exemplare, die im Gras sehr gut getarnt saßen. Allein an einem Abend konnten ca. 10 Individuen auf einem ca. 5.5 ha großen Abschnitt einer Wiese beobachtet werden. Gegen Abend flogen bei absinkender Temperatur die im Gras sitzenden Tiere trotz Störung nicht mehr auf. Während der abendlichen Mahd einer Wiese wurden keine fliegenden Tiere mehr gesehen. Diskussion Die von Gomphus ßavipes genutzten Habitate an der Havel unterscheiden sich in ihrer Entstehung von den besiedelten Lebensräumen an Oder, Weser und Elbe. An der Oder und der Elbe leben die Larven in strömungsberuhigten Zwischenbuhnenbereichen (Müller 1995, Suhling & Müller 1996. Müller 1997), die zum Land hin in breite, nicht von Röhricht begrenzte Sandstrände übergehen. An der Havel, die mit durchschnittlich 80-90 m Flußbreite zu den kleineren schiffbaren Strömen gehört, wurden die Exuvien entweder an breiteren strandähnlichen Buchten oder an kleinen flachen Auskolkungen mit lehmigem Untergrund gefunden, die jeweils direkt von einem Röhrichtgürtel gesäumt wurden. Letzterer ist an den Auskolkungen nur noch auf den Landzungen vorhanden, landeinwärts hat

76 Krawutschke & Kruse sich ruderales Grünland ausgebildet. Für die Spree beschreibt Donath (1985) ähnliche Habitate, die von G. flm ipes besiedelt werden. Die Art bevorzugt dort als Schlupforte Uferausbuchtungen und Gleithangbereiche mit Ruhigwasserzonen. An den großen Strömen sind durch die Errichtung von Buhnen zur Regulierung und Sicherung des Fahrwassers Sekundärlebensräume für G. ßavipes geschaffen worden. An der Havel kann die Art dagegen heute noch an kleinräumigen, aber häufigen Abschnitten natumahe Ufer besiedeln. wie es sie in ähnlicher Ausprägung in den Strömen vor deren Regulierung und Kanalisierung gegeben hat. Die natürliche Dynamik der Havel kann noch in einigen Bereichen wirken, da die Ufer nicht vollständig verbaut sind. G. ßavipes ist an der Unteren Havel weit verbreitet und besiedelt wahrscheinlich jede sandige Uferstelle. Daß nicht an allen Buchten Exuvien gefünden wurden, ist mit der nur einmaligen Begehung zu erklären, die erst spät im Sommer stattfand. Die Art hat sich also trotz des Ausbaus der Havel zu einer Schiffahrtsstraße in noch verbliebenen natumahen Abschnitten erhalten können. Danksagung Wir danken dem Ehepaar Haase und den Mitarbeitern der Naturschutzstation Parey, die unsere Arbeit mit Informationen und Anregungen unterstützt haben. Literatur Donath, H. (1985): Zum Vorkommen der Flußjungfem (Odonata, Gomphidae) am Minelauf der Spree. Ent. Nachr. Ber. 29: 155-160 Feuer, M.& W. Gottschalk (1989): Funde der Asiatischen Keiljungfer (Gomphus flavipes) im Havelgebiet (Insecta, Odonata). Beitr. Tierw. Mark 11: 120-122 Günther, A. & F. Randow (1989): Zur Kenntnis der Libellenfauna der Unteren Havelniederung (Insecta, Odonata). Beitr. Tierw. Mark 11: 15-21 Mühle, R.-U., M Burkart & J. P ötsch (1997): Die Niederung der Unteren Havel - ein Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung. ZALF-Berichte 32: 251-256 M üller, J. (1997): Gomphus (Stylurus) flavipes (Charpentier) in der Elbe von Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie in der Weser bei Bremen (Anisoptera: Gomphidae). Libellula 16: 169-180

Gomphus ßavipes an der Unteren Havel 77 Müller, 0. (1989): Aktuelle Daten zur Verbreitung der Flußjungfem (Insecta, Odonata. Gomphidae) an der unteren Oder (Bezirk Frankfurt (Oder)). Beeskower naturwiss. Abh. 3: 61-63 MÜLLER, O. (1995): Ökologische Untersuchungen an Gomphiden (Odonata: Anisoptera) unter besonderer Berücksichtigung ihrer Larvenstadien. Cuvillier, Göttingen N iehuis, O. & E. Schneider (1997): Nachweis von Gomphus flavipes (Charpentier) in Hessen (Anisoptera: Gomphidae). Libellula 16: 203-205 Reder, G. (1997): Erster Nachweis von Gomphus flavipes (Charpentier) in Rheinland-Pfalz (Anisoptera: Gomphidae). Libellula 16: 199-202 Suhling, F. & O. M üller (1996): Die Flußjungfem Europas. Die Neue Brehm Bücherei 628, Westarp, Magdeburg & Spektrum, Heidelberg Zörner, M. (1996): Wiederfund von Gomphus flavipes (Charpentier) in Niedersachsen (Anisoptera: Gomphidae). Libellula 15:207-210