Präsidialdepartement des Kantons Basel-Stadt Abteilung Kultur Kunstkredit Basel-Stadt JURYBERICHT Kunst am Bau Brunnen beim Museum der Kulturen Basel Wettbewerb auf Einladung WETTBEWERB IMPRESSUM HERAUSGEBER Präsidialdepartement Basel-Stadt Abteilung Kultur Kunstkredit Basel-Stadt TEXT Nadine Wietlisbach November 2013 BEZUGSQUELLE (PDF-Dokument) kunstkreditbasel.ch Das Museum der Kulturen Basel wurde von 2009 bis 2010 saniert und erweitert. Im Zuge dieses Bauprojekts, durchgeführt vom Architekturbüro Herzog & de Meuron, wurde die gesamte Eingangssituation angepasst. Dabei trat die Fundamentplatte eines Brunnens zutage. Der ursprüngliche Brunnentrog selbst ist nicht erhalten. Dem Wunsche der Archäologischen Bodenforschung und der Denkmalpflege folgend, die Fundamentplatte vor Ort zu belassen, wurde entschieden, einen neuen Brunnen für den Hof zu planen. Dazu wurde ein Brunnenbecken angefertigt und auf die bestehende Fundamentplatte gesetzt. Als Ersatz für den Brunnenstock wurde ein Provisorium aus Armierungseisen gefertigt und aufgestellt. In den Ausmassen und in der Gliederung entspricht er dem ursprünglichen Brunnenstock. Für die Fertigung des definitiven Brunnenstocks sollte eine Künstlerin oder ein Künstler beauftragt werden. Dabei ging es nicht um eine Rekonstruktion des ursprünglichen Stocks in seiner Form oder Platzierung, sondern um seine künstlerische Ausformulierung bzw. Interpretation. Bedingung in der Projektausarbeitung war lediglich der gewährleistete Zugang zum Brunnwasser und ein kostengünstiger Unterhalt. Idealerweise sollte die Ausformulierung des Projektes Bezug nehmen auf die inhaltliche Ausrichtung des Museums. Das zeitgemässe Werk konnte die Begegnung der Kulturen als Metapher einbeziehen und die Architektur des Hofes ergänzen. JURY Kunstkreditkommission Basel-Stadt Arthur de Pury, Centre d Art Neuchâtel (auswärtiger Juror 2013) Dr. Anna Schmid, Museum der Kulturen Basel Bruno Chiavi, Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt Dr. Thomas Lutz, Denkmalpflege Basel-Stadt
BERNHARD BRETZ & MATTHIAS HOLLIGER DER GROSSE POTEMKIN Als Kontrast zu den historischen Überlagerungen unterschiedlicher architektonischer Elemente, die sich im Innenhof des Museums der Kulturen finden, entwerfen Bernhard Bretz und Matthias Holliger eine Brunnenskulptur in Form eines überdimensionierten Kopfes. Die nach hinten geöffnete Skulptur setzt sich aus einer Betonschale, einer Innenkonstruktion und Edelstahlstützen zusammen. Je nach Blickwinkel erscheint sie als kompaktes Gebilde oder löst sich in einzelne Stützen und Wände auf, die unterschiedliche Durchsichten und Einblicke erlauben. Ein QR-Code auf dem Brunnentrog leitet die Betrachtenden zu einer Audio-Collage und bringt den Kopf zum Sprechen. Diese narrative Komponente soll stets neue Begegnungen mit der Skulptur ermöglichen. Die Arbeit interessiert die Jury als künstlerische Setzung, die dem Hof mit ihrer Doppelbödigkeit ein polarisierendes Zentrum verleiht. Die Dominanz der Skulptur wird kontrovers diskutiert, zu massiv scheint der Eingriff. Kritisiert wird die auditive Ebene, die den Künstlern sehr wichtig ist, der Jury aber additiv und konzeptionell unklar erscheint. Der Brunnen als Wasserspender wird in seiner Funktionalität eingeschränkt. Kontrovers diskutiert werden die diversen Bezüge, die zwischen Werk und Museum entstehen.
PIA GISLER WASSERSTELLE BASEL BAGOUNDIÉ Pia Gisler formuliert ein kulturübergreifendes Brunnenprojekt zwischen Basel und Bagoundié in Nord-Mali: Der bestehende Brunnen im Innenhof des Museums wird um einen hybriden Brunnenstock ergänzt, der mit zwei Brunnenröhren als ständig fliessender Wasserspender und als Pumpe für eine beschränkte Wassermenge fungiert. Durch das Betätigen des Pumpschwengels wird das Wasser in die zweite Brunnenröhre umgeleitet. Das Wasser fliesst nun in ein separates kleineres, zehn Liter fassendes Becken. Die beiden Brunnenröhren thematisieren den unterschiedlichen Pro-Kopf-Wasserverbrauch in den beiden Städten, was auch auf einem Informationsschild vermittelt wird. Gleichzeitig soll mit einem Teil des Budgets eine Wasserstelle in Bagoundié ausgebaut und so verbessert werden, dass überlaufendes Brunnenwasser aufgefangen und für die Bewässerung von Schatten spendenden Bäumen genutzt werden kann. Die Jury findet den Ansatz, mit einem Brunnen einen Kulturaustausch anzuregen, bemerkenswert. Sie bemängelt aber, dass kein tatsächlicher Austausch auf Augenhöhe geplant ist. Die Jury bemängelt weiterhin, dass der Brunnenstock mit geplantem Pumparm aus vorgegebenen technischen Gründen keine Pumpfunktion aufweisen kann und so das Vorhaben einer Inszenierung gleichkommt. Dies wirft weitere Fragen bezüglich der Umsetzung des Anliegens auf. Kontrovers diskutiert wird zudem der didaktische Charakter des Projekts.
ERIKA MAACK UND TOBIAS LERCH GEBIRGSMASSIV Erika Maack und Tobias Lerch entwerfen einen Brunnenstock aus rotem Sandstein, ein Material, das historisch für Brunnenstöcke in Basel oft verwendet wurde. Geometrische, glatt geschliffene Oberflächen und brachial behauene Stellen wechseln sich ab und verleihen dem Objekt das Aussehen eines massiven Felsbrockens. Aufgrund der architektonischen Platzsituation ist der Brunnenstock aus der Achse heraus versetzt, über den Brunnenrand gestülpt und verwächst dort wie selbstverständlich mit dem Brunnentrog. Die Brunnenröhre wird im rechten Winkel von hinten durch eine Zylinderbohrung durch den Stein geführt. Auf der Spitze des Massivs befindet sich ein Observatorium mit einem Parabolspiegel, welches sich in Farbe und Oberflächenbeschaffenheit von der übrigen Skulptur abhebt. Ein kleiner Spiegel wirft bei Sonnenschein einen wandernden Lichtpunkt in die gegenüberliegenden Ausstellungsräume des Museums. Die historischen Bezüge, die formale Verbindung von Brunnenstock und Brunnentrog sowie die inhaltliche Referenz von wachsender und gerichteter Kultur werden von der Jury gewürdigt. Sie verleihen dem Vorschlag eine poetische Qualität. Die geplante Materialisierung des Observatoriums und die Verwendung des Spiegels werfen jedoch inhaltliche Fragen auf. Sie wecken bei der Jury Assoziationen zu Science-Fiction- und Spielzeugwelten, die sehr kontrovers diskutiert und bewertet werden.
KARIN SUTER (BLINDES AUGE, SCHLAFENDE PERLE) Karin Suter befasst sich in intensiven Recherchen mit der Bedeutung des Brunnenmotivs in Kunst und Literatur. Als Neuinterpretation des klassischen Muschelsymbols plant sie, eine leicht geöffnete Muschel in scheinbar labilem Gleichgewicht auf dem Brunnenrand zu platzieren. Die organisch geformte Marmorskulptur, deren weisser Stein aus dem Marmorbruch im Maggiatal stammt, verfügt über eine matte, glatte Oberfläche, die im Sonnenlicht zu glänzen beginnt. Als Wasserspender ragt eine kupferne Röhre aus der Muschel heraus. Karin Suter nimmt mit diesem Vorschlag Abstand von der ursprünglichen Position des Brunnenstocks, schafft eine offene Platzsituation und gewährleistet die Möglichkeit, um den Brunnen herumzugehen. Die Jury würdigt die feinfühlige und differenzierte Recherche der Künstlerin und den überraschend frischen Umgang mit der anspruchsvollen Platzsituation. An der geplanten Umsetzung befremdet die formale Verbindung von Muschel und Wasserrohr; sie provoziert irreführende Konnotationen.
TINA Z ROTZ LANGE LEITUNG Die von Tina Z Rotz vorgeschlagene Brunnenskulptur ist eine bronzene Röhre, die sich wild um den bestehenden Brunnentrog schlingt, diesen umgarnt und schliesslich Wasser in den Trog fliessen lässt. Spuren der handwerklichen Oberflächenbearbeitung des Wachspositivs wie Fingerabdrücke und Unebenheiten sind auf den Gussteilen sichtbar und verführen dazu, die einzelnen Abschnitte genauer zu erkunden, zu ertasten und am Brunnen zu verweilen. Die handwerkliche Fertigung soll Bezüge zu den Objekten im Museum und zur künstlerischen Arbeit an sich schaffen. Der Künstlerin ist es zudem ein Anliegen, den Umweg positiv zu thematisieren, dies auch im Hinblick auf eine dem Effizienzgebot entzogene Qualität des Zeiterlebens. Die Jury ist begeistert von der künstlerischen Qualität des Vorhabens und versteht die bronzene Wasserleitung als eine überzeugende Plastik, die den Brunnentrog selbst als Skulptur behandelt und so die Aufgabenstellung optimal löst. Auf kleinstem Raum vermag der Vorschlag eines zeichnerisch wirkenden Eingriffs zu überzeugen. Die Jury weist die Künstlerin auf technische Probleme in der Umsetzung hin und kritisiert, dass der Titel, sowohl in Relation zu ihrer eigenen Intention als auch im Kontext der Aufgabenstellung, die einen dialogischen Bezug zum Museum beinhaltet, sehr unglücklich gewählt ist. Das Projekt wird zur technischen Überprüfung und zur Überarbeitung im Hinblick auf eine Ausführung empfohlen. Dies beinhaltet neben der Abklärung der Machbarkeit der technischen Details auch eine neue Titelgebung. Das überarbeitete Projekt muss der Jury nochmals zur Prüfung vorgelegt und von dieser abschliessend beurteilt werden.