90 Jahre Posaunenchor der Ev. Kirchengemeinde Klingelbach

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Transkript:

90 Jahre Posaunenchor der Ev. Kirchengemeinde Klingelbach Im Herbst dieses Jahres feiert der Posaunenchor Klingelbach sein 90 - jähriges Jubiläum. Er ist damit die älteste ununterbrochen bestehende Gruppe der Kirchengemeinde. Seinen musikalischen Dienst, im Wesentlichen bestehend in der Mitgestaltung von Gottesdiensten, versieht er in Gemeinschaft mit etwa 120.000 Bläsern in den evangelischen Kirchen des deutschsprachigen Raumes. In dieser kleinen Festschrift wollen wir Ihnen einige Informationen zum Posaunenchor Klingelbach geben. Darüber hinaus geben wir einen Abriss über den kirchengeschichtlichen Hintergrund der Posaunenchorbewegung und die Beteiligung der Bläserei in der Kirchenmusik. Der Posaunenchor unserer Kirchengemeinde wurde im Jahr 1926 durch Pfarrer W. Künkel gegründet. Zu den ersten Proben versammelte man sich in der Waschküche des alten Pfarrhauses in Klingelbach. Über die Geschichte des Chores aus den Jahren nach der Gründung finden sich in den Kirchenbüchern nur wenige Eintragungen. So wird berichtet über die Mitwirkung des Bläserkorps bei Jugendsonntagen, beim 400 - jährigen Reformationsjubiläum 1927 im Saalbau Biehl und über das Auftreten eines Trompetenchors beim Kreiskirchentag 1928 in Nastätten. Aus der Zeit der Kriegsjahre finden sich in den Aufzeichnungen von Pfr. Künkel einige Hinweise auf die Bedrückung der Chormitglieder durch das Nazi - Regime. So wurden die damaligen Bläser von einem HJ - Ortsgruppenleiter einzeln vorgeladen und aufgefordert, sich zwischen Posaunenchor und HJ zu entscheiden. Nachdem Gründungsmitglied Heinrich Fischer, Ebertshausen, entgegnet hatte: Wir haben im Chor eine Gemeinschaft, die könnt ihr nicht kaputtmachen, blieben alle treu beim Posaunenchor. Ostern 1946 wurde die wegen der Kriegs- und Nachkriegswirren für einige Zeit eingestellte Probenarbeit wieder aufgenommen und bis heute ohne Unterbrechung fortgeführt. Die Quellenlage über die Mitgliederentwicklung ist schütter, was seine Ursache darin hat, dass der Posaunenchor Klingelbach keine Vereinsstruktur mit fest umrissenen Ämtern wie Vorstand, Kassierer und Schriftführer hat. Die vorhandene Chronik setzt erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts ein, ist nicht kontinuierlich geführt und erschöpft sich oft in Anekdoten. Erkennbar ist aber, dass die Chorstärke Schwankungen unterlag, die bis zur Frage gingen, ob eine Weiterarbeit überhaupt möglich sei. Durch Gottes Fügung musste diese Frage bis heute nie verneint werden. In diesem Zusammenhang ist besonders erwähnenswert, dass das Mitblasen im Posaunenchor, in Klingelbach wie überall, über hundert Jahre lang den Männern vorbehalten war. Erst nach und nach und mit innerer Reserve ließen die Posaunenchöre weibliche Mitwirkung zu. In Klingelbach gab der damalige Pfarrer Bamberger in den 1970er Jahren den Anstoß, Mädchen den Zugang zum Posaunenchor zu ermöglichen. Der entsprechende Vermerk in den Choraufzeichnungen atmet den Geist der Zeit und sei deshalb hier zitiert:

In den (1970er, J.M.) ging es im Posaunenchor durch Höhen und Tiefen, bis eines Tages der Fortbestand gefährdet war. Pfarrer E. Bamberger, der unseren Chor in allen Lagen unterstützte, fragte eines Tages, ob auch Mädchen im Chor mitspielen könnten. Er wird sich heute noch der erschrockenen Gesichter von uns erinnern. Von da an ging es schnell bergauf. Zeitweise hatten wir mehr Mädchen als Männer. (Zitatende) Mit Fug und Recht darf man sagen, dass ehemals Mädchen, jetzt Frauen, auf der Trompetenseite des Posaunenchors Klingelbach bis heute im positivsten Bläsersinn den Ton angeben. In der heutigen Stammbesetzung ist im Posaunenchor Klingelbach mit drei Bläserinnen und drei Bläsern das qualitativ und quantitativ gleichberechtigte Musizieren eine Selbstverständlichkeit und keiner weiteren Erwähnung wert. Kirchengeschichtlicher Hintergrund der Posaunenchorbewegung Als Pfarrer Künkel den Posaunenchor in Klingelbach gründete, folgte er einer Bewegung, die im Jahr 1926 immerhin schon gut 80 Jahre alt war. Etwa zeitgleich entstanden in den 40er Jahren des 19. Jahr hunderts in Minden - Ravensberg (Westfalen), im Hannoverschen, in Sachsen und im süddeutschen Raum im Zuge der Erweckungsbewegung erste Posaunenchöre. Die Erweckungsbewegung war eine Protestbewegung gegen die rationalistisch eingefärbten offiziellen evangelischen Landeskirchen; ihr Bestreben war die Rückführung der christlichen Gemeinde auf biblische Grundlagen. Ihre Gottesdienste feierte sie oftmals unter freiem Himmel, und dazu brauchte man eine lautstarke Führung des Gemeindegesangs. Nach Versuchen mit anderen Instrumenten kam man sehr schnell auf den Gedanken, Blechblasinstrumente zu verwenden. Die ausführenden Bläser waren Laien, weshalb man wegen der leichteren Erlernbarkeit auf Flügel-, Tenorhörner und Baritone zurückgriff. Die schwerer erlernbare Posaune war eher selten in den damaligen Chören, aber wegen ihrer Erwähnung in der Luther - Bibel (Posaunen von Jericho, Posaune des Jüngsten Gerichts) gaben sich die Bläservereinigungen den Namen Posaunenchor. Die von der Bauart und in der Intonation empfindlicheren Holzblasinstrumente Querflöte, Klarinette, Saxophon blieben von Anfang an außen vor, ebenso das Schlagwerk. Neben der Vermeidung zusätzlicher Stimmungsprobleme war es den Gründervätern wichtig, sich von der weltlichen und der Militärmusik abzusondern. Die hessen-nassauischen Posaunenchöre standen zur Zeit ihrer Gründung in der minden-ravensbergischen Traditionslinie, die geprägt ist von den Pfarrern Eduard und Johannes Kuhlo (Vater und

Sohn). Der Posaunenchorpraktiker Johannes Kuhlo (1856-1941), Pfarrer in Bethel, war Anhänger der damaligen musikalischen Restauration innerhalb der Romantik, die sich der Wiederentdeckung des ächten deutschen Kirchenlieds verschrieben hatte. Sein Klangideal und das seiner Zeitgenossen war der Klang der menschlichen Stimme im vierstimmigen gemischten Chor. Um diesem Ideal möglichst nahe zu kommen, setzte er sich in seinem Wirkungsbereich für folgende Vereinheitlichungen ein, die wegen ihrer praktischen Vorteile von den damaligen Bläserchören willig aufgenommen wurden und bis heute fortwirken: Benutzung eines einheitlich in B gestimmtes Horn - Instrumentariums: Flügelhörner, Tenorhörner, Baritone; als Tiefbaß vorzugsweise Helikone ( eine Tuba in runder Ausformung, die sich der Bläser umhängt ). Ziel war, den Klang der menschlichen Stimme möglichst genau nachahmen zu können und die Sauberkeit des Posaunenchorklangs zu erhöhen (Trompeten waren in den damaligen Chören wegen ihres scharfen Klanges als Sperlinge verpönt, das Flügelhorn war die Nachtigall ); Einführung von Partituren in klingender Notation ( Klavierschreibweise) im Gegensatz zu vorher gebräuchlichen Einzelstimmen - Ausgaben in transponierender Notation. Dadurch konnte auf die Literatur der gemischten Kirchenchöre zurückgegriffen werden, außerdem ließen sich die Druckkosten der Posaunenchor Neuausgaben senken; fast ausschließliche Verwendung von Choralsätzen für gemischten Chor, angefangen bei schlichten Kantionalsätzen vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis zu Chorsätzen aus Bach - Kantaten; alles transponiert in (laien-)bläserfreundliche B - Tonarten. Die Beschränkung auf kirchenliedbezogene Musik, deren Texte man damals als bekannt und dem Zuhörer präsent voraussetzen durfte, entsprang der Überzeugung, dass Musik ohne Text nur Gefühle auslösen kann, Musik mit Text aber heilige Willensentschlüsse bewirkt (Zitat Johannes Kuhlo). Dieses sehr griffige und praktikable Modell des blasenden Singchores wirkte bis in die zwanziger Jahre des 20.Jahrhunderts, wurde aber dann zunehmend in Frage gestellt. Indem sie immer nur musikalische Nachahmer waren ( Kuhlo forderte z.b. von seinen Bläsern, beim Blasen den Text ins Mundstück hineinzusprechen ), waren die Posaunenchöre in ihrer musikalischen Entwicklung an einem toten Punkt angelangt, von dem aus eine Weiterentwicklung nicht möglich war. Um die Posaunenchor-Bewegung nicht in lähmende Stagnation fallen zu lassen, musste den Chören, die bisher in Klang, Spielweise und Literatur ausschließlich nachahmende Sänger waren, neben dem sängerischen das bläserische Betätigungsfeld eröffnet werden. Die Beteiligung von Bläsern in der Kirchenmusik J. Kuhlo hatte in einem Aufsatz über Die Entwicklung der Posaunensache nach Bibelzeugnissen vom ersten offiziellen Posaunenchor, den König David um das Jahr 1000 v.chr. in Jerusalem erstellt hatte berichtet, und er fährt dort fort: Mit der Zerstörung Jerusalems um das Jahr 70 n.chr. wurde auch dieser Posaunenchor zerstört, bis im Jahr 1843 im Minden-Ravensberger Land wiederum ein christlicher Posaunenchor entstand. Die musikgeschichtliche Forschung zeigte aber auf, dass genau in diesem vermeintlichen Vakuum zwischen 70 und 1843 n.chr. die wichtigsten europäischen Blasereignisse stattgefunden hatten. Etwa ab der Reformationszeit (1517) bis ca. 1750 ( Sterbejahr J.S.Bachs) hatte die Bläserei in der Instrumentalmusik eine führende Rolle gespielt. Die damaligen Bläsergruppen waren die in Zünften organisierten, den jeweiligen Landesherren unterstehenden (und vorbehaltenen!) Trompeter und Paucker. Auf der bürgerlichen Seite gab es die städtischen Ratsmusikanten, Stadtpfeiffer und Thürmer, städtische Musiker also, die dem Stadtrat unterstanden. Neben ihren offiziellen landesherrlichen oder städtischen Dienstverpflichtungen (Repräsentation, aber z.b. auch Wachdienst auf den Stadttürmen!) wurden sie, so man figurieret (mehrstimmige Musik ausübt), immer wieder zur Kirchenmusik hinzugezogen; sowohl als reine Instrumentalgruppen als auch im Zusammenwirken mit den Vokal-Chören. Die Bauweise des damaligen Instrumentariums ließ die Verbindung mit den kleinbesetzten Chören (Berufssänger an Höfen, sehr gut geschulte Kantoreien in den Städten) mühelos zu. Die klangprächtigen frühbarocken Instrumentalcanzonen mit bis zu 22 Stimmen in 4 Chören (Giovanni Gabrieli), die vielstimmig besetzten Vespern von Claudio Monteverdi, die Psalmen Davids (Heinrich Schütz) mit Vokal- und Instrumentalchören, die unvergänglichen Kantaten und Oratorien von J.S.Bach (Weihnachtoratorium, h-moll-messe) und Händel (Messias) geben heute noch beredte Zeugnisse vom Rang der damaligen Bläserkunst. Die Anzahl der Tonaufzeichnungen dieser Musik, aufgenommen mit den damals üblichen Vokalbesetzungen, Nachbauten von Instrumenten aus dieser Zeit und aufgeführt nach den Regeln der zeitgemäßen Musizierpraxis, ist mittlerweile riesengroß.

Konsequenzen für die Posaunenchöre Von der großen Fülle der wiederaufgefundenen Literatur für (Berufs!)Bläser konnte einiges den (Laien) Posaunenchören zugänglich gemacht werden. Zur adäquaten Interpretation dieser alten Bläsermusiken war aber die Hereinnahme des zylindrischen Blechregisters, sprich: der Trompeten und der Posaunen, unerläßlich geworden, denn mit dem dumpfen, tutigen Klang der Bügelhörner war die originale Blechbläserliteratur, komponiert für ein duchhörbares, obertonreiches Klangbild, nur unzureichend darstellbar. Genauso wichtig wie die Wiedererlangung alter originaler Literatur, choralgebunden oder rein instrumental, war die Erkenntnis des bläsereigenen Satzes, dessen Eigenarten aus der Natur des Blechblasinstrumentes kommen: Bevorzugung der Grundtonklänge, lange Haltetöne, kurze Tonwiederholungen, Staccatostöße, Wechsel von hohen und tiefen Klangruppen, scharfe Modulationen und Rhythmisierungen. Mit diesem Handwerkszeug ausgerüstet, schreiben auch zeitgenössische Komponisten den Posaunenchören neue Literatur auf den Leib. Die Besinnung auf die Vergangenheit des geistlichen Blasens ermöglichte also erst die Verbindung zur musikalischen Gegenwart. Natürlich zog sich dieser Prozeß, der in den zwanziger Jahren des 20.Jahrhunderts ganz zaghaft begonnen hatte, über viele Jahre Jahre hin und ist bis heute nicht abgeschlossen. Interessanterweise kamen viele entscheidende Impulse von dem Musikwissenschaftler Wilhelm Ehmann, der als junger Mann im Kuhlo - Horn - Sextett mitgeblasen hatte. Johannes Kuhlo selbst sah sein Posaunenchorideal der Stimmnachahmung angegriffen und verschloß sich neuen Erkenntnissen. Posaunenchöre heute Trotz des großen stilistischen Wandels, den die Posaunenchöre von der Kuhlo-Zeit bis zur Gegenwart durchlaufen haben, sind ihnen elementare Dinge gemeinsam geblieben: Posaunenchorarbeit in der Kirchengemeinde ist Musizieren von Laien. Zentraler Gegenstand des Blasens ist das evangelische Kirchenlied, sei es aus der Reformationszeit oder vom Kirchentag 2015, mit der dazugehörigen Ergänzungsliteratur Das Blasen geschieht überwiegend im Zusammenhang mit dem Gottesdienst der evangelischen Gemeinde. Posaunenchorbläserinnen und -bläser kommen aus allen Lebenskreisen und Berufen und sind 8-80 Jahre alt. Der Posaunenchor der Ev. Kirchengemeinde Klingelbach im Jahr 2016 Im Posaunenchor Klingelbach blasen heute, wie oben schon erwähnt, die Bläserinnen Eva-Maria Müller (Sopran), Sylvia Schmittel und Anke Scheurer (beide Alt) die Trompeten; die Posaunen werden bedient von Jürgen Müller, Hans-Jörg Justi (beide Tenor) und Christoph Keiling (Bass).

Gemessen an den Mitgliederzahlen, die in den Choraufzeichnungen hier und da erwähnt sind, ist das deutlich weniger als noch vor dreißig Jahren, aber durch den gewachsenen Fertigkeitsgrad jedes Chormitglieds an seinem Instrument wird die gesunkene Mitgliederzahl ausgeglichen. Was die Mitwirkung in Gottesdiensten angeht, ist die aktuelle Chorstärke der Zahl der singenden Gemeindemitglieder angemessen. Nach wie vor sehen wir in der Mitwirkung an Gottesdiensten unsere Hauptaufgabe als Posaunenchor. Bei besonderen Gelegenheiten, wie z.b. dem Festgottesdienst zum diesjährigen Chorjubiläum, erhält die regelmäßige Probenarbeit Projektcharakter, wozu wir gerne musikbezogene Verstärkungen einladen. Bei Bedarf arbeiten wir mit Cantemus zusammen, um Kompositionen für Chor und Bläser erklingen zu lassen. Ein solches Projekt ist für die Reformationsfeier 2017 angedacht. Auch das Zusammengehen mit der Klingelbacher Orgel ist immer wieder reizvoll, wenn auch mit besonderem Aufwand für die Erstellung des Notenmaterials für den Organisten verbunden, da das historische Instrument einen Halbton über der Normalstimmung steht. Die aufgeführten Musiziermöglichkeiten lassen sich mit einem kleineren Posaunenchor leichter bewerkstelligen als mit einem 20-Personen-Klangkörper. Hiermit wäre die Lärmgrenze schnell erreicht. Wer im Raum Klingelbach schon ein Blechblasinstrument spielt und Interesse an den beschriebenen Aufgaben hat, ist herzlich willkommen, uns in unserer donnerstäglichen Chorprobe im Gemeindehaus der Kirchengemeinde zu besuchen. Die unterschiedliche Ausbildung in Griffschrift (z.b. Trp in B) stellt heutzutage keine unüberwindliche Schwierigkeit mehr dar. Nach wie vor bilden wir auch Nachwuchs an Trompete oder Posaune aus. Notenkenntnisse oder eigenes Instrument sind keine Voraussetzung; das Instrument stellt die Kirchengemeinde, die Notenkenntnisse erwirbt man bei der Ausbildung. Wichtig sind festsitzende zweite oder auch dritte Zähne und, wie beim Singen, ein gutes Gehör für unterschiedliche Tonhöhen. Es sei aber nicht verschwiegen, daß in der Anfangsphase der häusliche Übeaufwand ausschlaggebend ist. Dabei bedarf es wohlwollender Begleitung des familiären Umfelds. Ausbildungsziel ist es, die Choralsätze des Kirchengesangbuches unter Anleitung in einer Probe erarbeiten zu können. Wer Interesse hat, ruft den Chorleiter Jürgen Müller einfach an: 06430 927 270. Gemeinsam mit allen Posaunenchören steht unser Blasen heute wie damals unter dem bläserischen Leitwort von Psalm 150: Halleluja! Lobet Gott in seinem Heiligtum, lobet ihn in der Feste seiner Macht! Lobet ihn für seine Taten, lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit! Lobet ihn mit Posaunen, lobet ihn mit Psalter und Harfen! Lobet ihn mit Pauken und Reigen, lobet ihn mit Saiten und Pfeifen! Lobet ihn mit hellen Zimbeln, lobet ihn mit klingenden Zimbeln! Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Halleluja! Jürgen Müller 2016