Untersuchung der Kristallinität oberflächennaher Bereiche mikroporöser Materialien mittels NMR-Spektroskopie



Ähnliche Dokumente
Katalysatoren - Chemische Partnervermittlung im virtuellen Labor

EINE 2 H-NMR-UNTERSUCHUNG ZUR INTRAKRISTALLINEN DIFFUSION VON BENZOL, TOLUOL UND XYLOL IN DEN ZEOLITHEN NAX UND NAY. Diplomarbeit. von.

Allotrope Kohlenstoffmodifikationen. Ein Vortrag von Patrick Knicknie. Datum: Raum:112

Musterprüfung Chemie Klassen: MPL 09 Datum: April 2010

6. Tag: Chemisches Gleichgewicht und Reaktionskinetik

6. Reaktionsgleichungen 6.1 Chemisches Reaktionsschema Wortschema Reaktionsschema Beispiel 1: Kupfer und Schwefel Vorzahlen

2 Physikalische Eigenschaften von Fettsäuren: Löslichkeit, Dissoziationsverhalten, Phasenzustände

2.8 Grenzflächeneffekte

Thermodynamik. Basics. Dietmar Pflumm: KSR/MSE. April 2008

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Prüfungsfragenkatalog für Methoden der Chromatographie (Prof. Werner Seebacher)

Übungsblatt zu Säuren und Basen

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

Chemie Zusammenfassung KA 2

Festigkeit von FDM-3D-Druckteilen

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

MAGNESIUM. 1. Bei Verbrennungsreaktionen entstehen in der Regel (kreuze richtig an):

Organische Chemie I Chemie am Inhaltsverzeichnis Lewisformeln von Kohlenstoffverbindungen korrekt zeichnen!... 2

Optik. Optik. Optik. Optik. Optik

Crashkurs Säure-Base

Übungen zur VL Chemie für Biologen und Humanbiologen Lösung Übung 6

Zeichen bei Zahlen entschlüsseln

Atombau, Periodensystem der Elemente

Lernaufgabe: Richtigstellen von Reaktionsgleichungen

Instrumenten- Optik. Mikroskop

Einführung. KLASSE: 9TE NAME: Vorname: Datum: LTAM Naturwissenschaften 9e Chemische Gleichungen 1 -

Selbst-Test zur Vorab-Einschätzung zum Vorkurs Chemie für Mediziner

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

Kapitel 4: Chemische. Woher stammen die chemischen Symbole?

Europäisches Patentamt European Patent Office Veröffentlichungsnummer: Office europeen des brevets EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

Physik & Musik. Stimmgabeln. 1 Auftrag

Reaktionsgleichungen verstehen anhand der Verbrennung von Magnesium

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

4. Jeder Knoten hat höchstens zwei Kinder, ein linkes und ein rechtes.

10. Elektrische Logiksysteme mit

1.1 Auflösungsvermögen von Spektralapparaten

Überprüfung der Bildungsstandards in den Naturwissenschaften. Chemie Marcus Mössner

Lineare Funktionen. 1 Proportionale Funktionen Definition Eigenschaften Steigungsdreieck 3

Technische Thermodynamik

GRUNDWISSEN CHEMIE 9 - MuG erstellt von der Fachschaft Chemie

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Übungsbuch für den Grundkurs mit Tipps und Lösungen: Analysis

Modellbildungssysteme: Pädagogische und didaktische Ziele

B Chemisch Wissenwertes. Arrhénius gab 1887 Definitionen für Säuren und Laugen an, die seither öfter erneuert wurden.

GDOES-Treffen Berlin Sputterprozess und Kristallorientierung

6 Schulungsmodul: Probenahme im Betrieb

Endstoffe (Produkte) Aus dem Reaktionsgemisch entweichendes Gas, z. B. 2 Welche Informationen kann man einer Reaktionsgleichung entnehmen?

Stoff, Reinstoff, Gemisch, homogenes Gemisch, heterogenes Gemisch. Reinstoff, Element, Verbindung. Zweiatomige Elemente.

Chemie für Biologen. Vorlesung im. WS 2004/05 V2, Mi 10-12, S04 T01 A02. Paul Rademacher Institut für Organische Chemie der Universität Duisburg-Essen

Chemische Reaktionen

Lineare Gleichungssysteme

Kapitel 13: Laugen und Neutralisation

Lichtbrechung an Linsen

Prinzip der Zylinderdruckmessung mittels des piezoelektrischen Effektes

Protokoll des Versuches 7: Umwandlung von elektrischer Energie in Wärmeenergie

OECD Programme for International Student Assessment PISA Lösungen der Beispielaufgaben aus dem Mathematiktest. Deutschland

1 Mathematische Grundlagen

Die chemischen Grundgesetze

Christian-Ernst-Gymnasium

5.1. Kinetische Gastheorie. Ziel: Der Gasdruck: Kolben ohne Reibung, Gasatome im Volumen V Wie groß ist F auf den Kolben?

Hochdisperse Metalle

31-1. R.W. Pohl, Bd. III (Optik) Mayer-Kuckuck, Atomphysik Lasertechnik, eine Einführung (Physik-Bibliothek).

Name: Klasse: Datum:

EM-Wellen. david vajda 3. Februar Zu den Physikalischen Größen innerhalb der Elektrodynamik gehören:

2.9 Aufbau und Funktion eines Bunsenbrenners. Aufgabe. Wie ist der Bunsenbrenner aufgebaut?

Das große ElterngeldPlus 1x1. Alles über das ElterngeldPlus. Wer kann ElterngeldPlus beantragen? ElterngeldPlus verstehen ein paar einleitende Fakten

1) Welche Aussagen über die Hauptgruppenelemente im Periodensystem sind richtig?

Titel der Stunde: TELEFONIEREN, HÖFLICHKEIT

Kapiteltest 1.1. Kapiteltest 1.2

4. Wässrige Lösungen schwacher Säuren und Basen

Übungen zur VL Chemie für Biologen und Humanbiologen Lösung Übung 3

Abituraufgabe zur Stochastik, Hessen 2009, Grundkurs (TR)

Praktikum Physik. Protokoll zum Versuch: Geometrische Optik. Durchgeführt am

1 mm 20mm ) =2.86 Damit ist NA = sin α = α=arctan ( nm ) Berechnung eines beugungslimitierten Flecks

Ideale und Reale Gase. Was ist ein ideales Gas? einatomige Moleküle mit keinerlei gegenseitiger WW keinem Eigenvolumen (punktförmig)

Die Lernumgebung des Projekts Informationskompetenz

Zahlenoptimierung Herr Clever spielt optimierte Zahlen

Synthese und Charakterisierung von Zeolithen: Zeolith A (Norbert Stock) 1. Synthese und Charakterisierung von Zeolithen. Zeolith A

8.2 Thermodynamische Gleichgewichte, insbesondere Gleichgewichte in Mehrkomponentensystemen Mechanisches und thermisches Gleichgewicht

Mathematik. UND/ODER Verknüpfung. Ungleichungen. Betrag. Intervall. Umgebung

Oxidation und Reduktion Redoxreaktionen Blatt 1/5

Info zum Zusammenhang von Auflösung und Genauigkeit

Zählstatistik. Peter Appel. 31. Januar 2005

Technische Information Nr. 5 Seite 1

unterschiedliche Gruppen technischer Gläser, unterkühlte Schmelzen, kein fester Schmelzpunkt, Glas- (Netzwerk-)bildner, Glaswandler, oxidische

3.4. Leitungsmechanismen

Handbuch ECDL 2003 Basic Modul 5: Datenbank Grundlagen von relationalen Datenbanken

Was ist clevere Altersvorsorge?

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

14. Minimale Schichtdicken von PEEK und PPS im Schlauchreckprozeß und im Rheotensversuch

Protokoll des Versuches 5: Messungen der Thermospannung nach der Kompensationsmethode

Stellen Sie bitte den Cursor in die Spalte B2 und rufen die Funktion Sverweis auf. Es öffnet sich folgendes Dialogfenster

50. Mathematik-Olympiade 2. Stufe (Regionalrunde) Klasse Lösung 10 Punkte

Übung 5 : G = Wärmeflussdichte [Watt/m 2 ] c = spezifische Wärmekapazität k = Wärmeleitfähigkeit = *p*c = Wärmediffusität

Technische Universität Chemnitz Chemisches Grundpraktikum

1/6. Welche Antwort ist richtig: Wie entsteht aus organischen Kohlenstoffverbindungen das gasförmige Kohlendioxid?

DER SELBST-CHECK FÜR IHR PROJEKT

4. AUSSAGENLOGIK: SYNTAX. Der Unterschied zwischen Objektsprache und Metasprache lässt sich folgendermaßen charakterisieren:

A1.7: Entropie natürlicher Texte

Die Löslichkeit ist die Lösung. BELLAND alkalisch lösliche Polymere Applikationen und Handhabung

Berechnung der Erhöhung der Durchschnittsprämien

Transkript:

Untersuchung der Kristallinität oberflächennaher Bereiche mikroporöser Materialien mittels NMR-Spektroskopie Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften der Fakultät für Geowissenschaften der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Cristina Osterhoff Betreuer: Prof. Dr. Hermann Gies Bochum, im November 2000

Inhaltsverzeichnis i Inhalt 1. Theoretische Grundlagen 1 1.1 Zeolithe und zeolithartige Materialien 1 1.1.1 Einführung 1 1.1.2 Nomenklatur und Zeolith-Klassifikation 2 1.1.2.1 Clathrasile 7 1.1.2.1.1 Dodecasil 3C (MTN) 9 1.1.3 Zeolitheigenschaften und Anwendungen 12 1.1.4 Entstehung von natürlichen und synthetischen Zeolithen und zeolithartigen Materialien 15 1.1.4.1 Natürliche Zeolithe 15 1.1.4.2 Synthetische Zeolithe 16 1.2 Zeolithoberfläche und Reaktivität 21 1.2.1 Definition und Charakterisierung 21 1.2.2 Der Zusammenhang zwischen Oberfläche und katalytischer Aktivität 24 2. Ziel der Arbeit 27 3. Synthese und angewandte Methoden 29 3.1 Allgemeines über die Synthesedurchführung 29 3.2 Versuchsreihe I [SiO 2 :M(C 5 H 11 N):H 2 O = 1:1,5:55,5] 31 3.2.1 Syntheseplanung 31 3.2.2 Syntheseergebnisse der Versuchsreihe I 33 3.3 Versuchsreihe II [SiO 2 :M(C 5 H 11 N):H 2 O = 1:4:55,5] 35 3.3.1 Syntheseplanung und Synthesedurchführung 35 3.3.1.1 Variation der Syntheseparameter: Synthesetemperatur, chemische Zusammensetzung, Arbeitsweise, Synthesedauer, Füllhöhe 35 3.3.2 Syntheseergebnisse der Versuchsreihe II 37

Inhaltsverzeichnis ii 3.4 Zusätzliche Behandlungen, die an der ZSM-39 mikrokristallinen Probe durchgeführt worden sind 41 3.4.1 Calcinierung 41 3.4.2 Behandlung mit einer starken Base (NaOH) 42 3.4.3 Deuterierung 43 3.4.4 Fluorierung 43 3.5 Apparatives 45 3.5.1 Mikroskopische Methoden 45 3.5.1.1 Lichtmikroskopie 45 3.5.1.2 Rasterelektronenmikroskopie 45 3.5.2 Röntgenographische Methoden 46 3.5.2.1 Pulverdiffraktometrie 46 3.5.3 Spektroskopische Metoden 47 3.6 Zusammenfassung der Synthesedurchführung 48 4. Festkörper NMR-Spektroskopische Untersuchungen an externen Clathrasil-Oberflächen 49 4.1 Einführung in die Theorie 49 4.1.1 Das grundlegende Prinzip der NMR 50 4.1.2 Das Kreuzpolarisationsexperiment (CP MAS) 55 4.1.2.1 Der Einfluss der Probenrotation unter MAS auf die Hartmann-Hahn-Bedingung 59 4.2 Experimentelle Ergebnisse 61 4.2.1 1 H/ 29 Si CP MAS-Experimente, durchgeführt an grobkörnigen Dodecasil 3C-Substanzen mit einer mittleren Korngrösse zwischen 1 und 300 µm 61 4.2.2 1 H/ 29 Si CP MAS-Experimente, durchgeführt an feinkörnigen Dodecasil 3C-Substanzen mit einer mittleren Korngrösse zwischen 0,01 µm und 0,1 µm 65 4.2.2.1 Die as-synthesized Form 65 4.2.2.2 Die mit NaOH behandelte Form 69 4.2.2.3 Die calcinierte Form 70 4.2.2.4 Die deuterierte Form 72 4.2.3 NMR-Untersuchungen an fluorierten fein-körnigen Dodecasil 3C-Materialien 74

Inhaltsverzeichnis iii 4.2.3.1 19 F MAS NMR-Experimente, durchgeführt an einer mit Flusssäuere HF behandelte Dodecasil 3C-Probe (mittlere Korngrösse: 0,1 µm) 74 4.2.3.2 19 F/ 29 Si CP MAS NMR-Experimente, durchgeführt an einer mit HF beladene Dodecasil 3C-Probe (mittlere Korngrösse: 0,1 µm) 77 4.3 Zusammenfassung der Synthese-Experimente und der Kreuzpolarisations-Untersuchungen 1 H/ 29 Si CP MAS NMR und 19 F/ 29 Si CP MAS NMR 80 5. Zusätzliche NMR-Untersuchungen an externen Clathrasil-Oberflächen 82 5.1 Theoretische Betrachtung der Relaxationszeiten 82 5.1.1 Der Zusammenhang zwischen Blochschen Gleichungen und Relaxationszeiten 82 5.1.1.2 Der Zusammenhang zwischen der Kreuzpolarisationszeit und den heteronuklearen Abständen 86 5.2 Experimentelle Daten 88 5.2.1 Berechnung der Kreuzpolarisationszeiten 88 5.2.1.1 Kontaktzeitvariationsmessungen, durchgeführt an der as-syntheiszed Form des Dodecasil 3C, mit einer mittleren Korngrösse von 0,1 µm 88 5.2.1.2 Kontaktzeitvariationsmessungen, durchgeführt an der deuterierten Form des Dodecasil 3C, mit einer mittleren Korngrösse von 0,1 µm 92 5.2.1.3 Vergleich zwischen den Kontaktzeitvariationsdaten, erhalten aus der as-synthesized, der deuterierten, der calcinierten und der fluorierten Form des Dodecasil 3C, mit einer mittleren Korngrösse von 0,1 µm 97 5.2.2 Berechnung der Spin-Gitter T 1ρ - Relaxationszeiten und der Kreuzrelaxationszeiten T cp für die as-synthesized-, deuterierte-, calcinierteund fluorierte-form der feinkörnigen Dodecasil 3C-Proben 99 5.2.3 Relaxationszeitmessungen 101

Inhaltsverzeichnis iv 5.2.3.1 Berechnung der Spin-Gitter T 1 Relaxationszeiten und der Spin-Spin T 2 Relaxationszeiten für die as-synthesized Form des Dodecasil 3C (mittlere Korngrösse 0,1 µm) 101 5.3 Zusammenfassung der Relaxations- und Kontaktzeitvariationsmessungen 106 6. Untersuchungen an Quarzmehl 108 6.1 Klassierung durch die Fallgeschwindigkeit (Schlämmung) 108 6.1.1 Grundlagen und allgemeine Vorraussetzungen der Sedimentationsanalyse 108 6.1.2 Probenvorbereitung 110 6.1.3 Sedimentationsmethoden 110 6.1.3.1 Die Sedimentation im Atterberg-Zylinder 110 6.1.3.2 Die Zentrifugen-Methode 112 6.2 Experimentelle Untersuchungen an Quarzmehl 113 6.2.1 Zielsetzung 113 6.2.2 Probenvorbereitung und Durchführung des Trennverfahrens 114 6.2.3 Korngrössebestimmung durch Rasterelektronenmikroskopie 116 6.2.4 NMR-Untersuchungen an Quarzmehl 118 6.2.4.1 29 Si MAS NMR-Experimente 118 6.2.4.2 1 H/ 29 Si MAS NMR-Experimente 121 6.3 Zusammenfassung der Quarzmehl-Untersuchungen 123 7. Zusammenfassung 124 8. Literatur 129 9. Abkürzungen und Symbole 133

Inhaltsverzeichnis v Anhang Danksagung Erklärung Lebenslauf

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 1 1. Theoretische Grundlagen 1.1 Zeolithe und zeolithartige Materialien 1.1.1 Einführung Der Name Zeolith hat als Ursprung zwei griechische Wörter mit der Bedeutung siedende ( zeo ) Steine ( lithos ). Die Bezeichnung wurde 1756 von einem schwedischen Mineralogen namens Cronstedt einer neuen Klasse von silikatischen Mineralien zugewiesen. Cronstedts Entdeckung beruhte auf einem ungewöhnlichen physikalisch-chemischen Verhalten von verschiedenen Mineralien, die durch Erhitzen in der Lage waren, sehr leicht Wasser freizusetzen. Im klassischen Sinne gelten die Zeolithe als Einzigartig in ihrem strukturellen Aufbau mit [SiO 4 ] 4- -und/oder [AlO 4 ] 5 -Tetraedern, die über alle vier Ecken miteinander zu einer drei dimensionalen porösen Gerüststruktur verknüpft sind (Dyer, 1988). In Zeolithen sind diese Gerüststrukturen offen, so dass Kationen und Wassermoleküle in den Kavitäten und Kanälen angelagert werden und sich dabei noch frei bewegen können. Gegenwärtig gibt es 46 Strukturtypen, die als natürliche Minerale bekannt sind. Die Regelmässigkeit im strukturellen Aufbau und die genau definierten Porenöffnungen von Zeolithstrukturen verleiht ihnen besondere Eigenschaften und ermöglicht es, dadurch die industriellen und kommerziellen Anwendungen zu erweitern. Das ist der Grund, warum in den letzten Jahren eine Vielzahl von verwandten mikroporösen Materialien im Labor synthetisch hergestellt und strukturell charakterisiert worden sind. Die Entdeckung von zeolithartigen Materialien erforderte eine Erweiterung der klassischen Zeolith-Definition zu: Jede dreidimensionale Gerüststruktur aus tetraedrisch koordinierten T-Atomen (T = Si, Al, Fe, Co, P, Ga, B, Be, Zn u. a.), die über gemeinsame Sauerstoffatome miteinander verknüpft sind (Meier und Ohlson, 1992). Zu den zeolithartigen Materialien gehören sowohl reine SiO 2 -Modifikationen, wie z. B. Porosile, als auch Gallophosphate, Alumosilikate, Alumophosphate und Beryllophosphate.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 2 Die Structure Comission of the International Zeolite Association beschloss, jede neue Gerüststruktur, wie z. B. natürliche und synthetische zeolithartige Materialien, zu denen: - Silikatphasen mit einer Gerüststruktur ähnlich denen des natürlichen Minerals Melanophlogit und des synthetischen Dodecasils, - Materialien mit Gerüststrukturen, die OH-Spezies enthalten, z. B. Partheit Ca 8 [Al 16 Si 16 O 60 (OH) 8 ]. 16H 2 O, - strukturelle Varianten des Sodaliths und Cancriniths, wie z. B. Feldspatoide, gehören, in den Atlas of Zeolite Structure Types aufzunehmen. 1.1.2 Nomenklatur und Zeolith-Klassifikation Für die natürlichen Zeolithe und zeolithartigen Substanzen wurde eine einfache Nomenklatur, basierend auf der Topologie des Wirtsgerüstes, vorgeschlagen und von der IUPAC genehmigt. So werden die meisten synthetischen Zeolithe durch eine Kombination von drei Grossbuchstaben und Zahlen, dem s.g. Strukturtyp-Code bezeichnet. Die Buchstabenfestlegung für den Strukturtyp-Code einer neuen Gerüststrukturtopologie basiert im normalen Fall auf dem Namen, der für die erstmalige Beschreibung des Materials benutzt wurde. Während sich z. B. der Strukturtyp-Code VFI vom zeolithartigen hydratisierten Allumophosphat VPI-5 (Davies et al., 1988) ableitet, das am Virginia Polytechnic Institute als Nummer 5 synthetisiert worden ist, entspricht der Strukturtyp-Code RSN dem kationenausgetauschten Zinkosilikat RUB-17 (Röhrig und Gies, 1995a, b), das an der Ruhr- Universität Bochum als Nummer 17 hergestellt worden ist. Alle diese Strukturtypen mit ihrem Codenamen, ihrer Bezeichnung, der chemischen Zusammensetzung und der Raumgruppe, den Gitterparametern, Atompositionen und Referenzen wurden im Atlas of Zeolite Structure Types von Meier und Olson 1992 (Meier und Ohlson, 1992) zusammengefasst, und ausführlich charakterisiert. Zu den aufgeführten Strukturtypen zählen auch die unterbrochenen Gerüststrukturen ( interrupted frameworks ), wenn die Gerüststrukturatome (ausser Sauerstoff) zumindest in der calcinierten Form tetraedrisch koordiniert sind. Da so viele Zeolithe und zeolithartige Materialien existieren, hat sich die Klassifizierung nach dem Strukturtyp-Code als sehr nützlich erwiesen.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 3 In Abb. 1.1 wird gezeigt, wie die unterschiedlichen Verknüpfungen der T-Atome zur Ausbildung von kanalartigen-, käfigartigen-, bzw. einer Kombination von beiden Hohlräumen führen können. AEI AFI EMT DOH MFI LTA Abb. 1.1 Ausgewählte Beispiele zeolithischer Gerüststrukturtopologien mit den dazugehörigen Strukturtyp-Codes, wobei jeder Knotenpunkt ein T-Atom repräsentiert, während die O-Atome aus Übersichtsgründen nicht dargestellt sind. Es wurden mehrere Kriterien für die Klassifikation der Silikate im allgemeinen und der Zeolithe im besonderen benutzt. Eines davon basiert auf der Einteilung der Silikate nach der Zahl der Tetraeder pro 1000Å, der s.g. FD, framework density (Brunner und Meier, 1989). Die FD wurde als Äquivalent zu der Dichte eingeführt und beschreibt die Porosität der Materialien. Für die vorliegende Arbeit sind Substanzen mit einer FD niedriger als 21 von Bedeutung, die als poröse Materialien bezeichnet werden. Zu dieser Kategorie zählen die Porosile. Ein zweites Kriterium hat als Basis die Klassifizierung der Silikate nach der Kanal/Käfiggeometrie der Poren. So werden die Porosile nach Liebau et al. (Liebau et al., 1986) in zwei Kategorien eingeteilt: in Clathra-Verbindungen mit käfigartigen Hohlräumen und Zeo-Verbindungen mit kanalartigen Hohlräumen.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 4 Materialien mit einem Gitter, bestehend aus kleinen Käfigen, ermöglichen es Kationen bzw. organischen Molekülen, sich in den Hohlräumen anzulagern und werden in Clathrasile (Sihaltige Tektosilikate) und Clathralite (Si, Al-haltige Tektosilikate) eingeteilt. Andere Materialien, die grössere Hohlräume vorweisen, sind insb. für Ionenaustausch- oder Diffusionsprozesse von organischen Molekülen sehr geeignet und werden in Zeosile (Sihaltige) und Zeolithe (Si, Al-haltige) eingeteilt (Tab. 1.1). Die 3. Möglichkeit wäre die Einteilung der porösen Tektosilikate nach der chemischen Zusammensetzung des Gerüstes. So gibt es z. B. Porosile (Clathrasile, Zeosile) reine Sihaltige Silikate, Porolithe (Clathralithe, Zeolithe) Si, Al-haltige Silikate, Poroals (Clathrals, Zeoals) Al-haltige Silikate, Poroalpos (Clathralpos, Zeoalpos). Chemische Zusammensetzung Si-haltige Si, Al-haltige Al-haltige Al, P-haltige Art der Tektosilikate dichte Tektosilikate poröse Tektosilikate (FD 21) (FD<21) Pyknosile Porosile Clathrasile Zeosile Quarz Melanophlogit Silicalith I und II Cristobalit Dodecasil 1H Silica-ZSM-22 Coesit Dodecasil 3C Silica-ZSM-48 Nonasil Silica-Sodalith Pyknolithe Porolithe Clathralithe Zeolithe Feldspat Sodalith Thomsonit Nephelin Faujasit Chabasit Mordernit Pyknoals Poroals Clathrals Zeoals Alumo-Sodalith Pyknoalpos Poroalpos Clathralpos Zeoalpos Berlinith AlPO 4-20 AlPO 4-5 AlPO 4-17 Tab. 1.1 Eine einfache Klassifizierung der Tekto-Silikate nach der FD-Zahl und der chemischen Zusammensetzung, mit representativen Beispielen (Liebau et al., 1986).

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 5 Ein 4. Kriterium basiert auf der Grösse der Kanalöffnung. So sind z. B. kleine 8MR-Ringe (membered ring), bestehend aus 8 T-Atomen und 8 O-Atomen sowie mittelgrosse 10MR- und grosse 12MR-Ringe bekannt (McCuscer, 1991). Je nach Strukturtyp können die vorhandenen Kanäle ausschliesslich isoliert zueinander verlaufen oder sie können sich mit anderen Kanälen, die unterschiedliche Kanalrichtungen aufweisen, kreuzen, so dass insgesamt 1-, 2- oder 3-dimensionale Kanalsysteme möglich sind. Eine Unterklassifizierung der Porolithe mit bekannten Strukturen basiert auf dem Si/Al- Verhältnis und wurde von Liebau vorgeschlagen. So gibt es s.g. Si-arme -Silikate (Si/Al 2), intermediäre -Silikate (2<Si/Al 5), Si-reiche -Silikate(5<Si/Al< ) und SiO 2 -Materialien (Porosile). Eine tabellarische Darstellung der verschiedenen Silikatmaterialien wird in der Tabelle 1.2 ausführlich vorgestellt. Es wird dabei berücksichtigt, dass die porösen Tektosilikate natürlicher bzw. synthetischer Herkunft sind. Diese Klassifizierung, obwohl sie in der Literatur oft verwendet wird, ist ziemlich arbiträr und basiert auf der historischen Entwicklung von synthetischen Materialien. Poröses Si/Al,(T) (1) 2 2<Si/Al,(T) 5 5<Si/Al< Tektosilikat Si-arme- Intermediäre- Si-reiche- Porosile Silikate Silikate Silikate Mineral- ANA Analcim *BEA Tschernichit AFI SSZ-24 (B) - Zeolithe BIK Bikitait BOG Boggsit *BEA Beta CAN Cancrinit BRE Brewsterit EUO EU-1 EAB Bellbergit CHA Chabazit FAU Linde Y EDI Edingtonit -CHI Chiavennit (Be) FER ZSM-35 FAU Faujasit DAC Dachiardit LEV NU-3 GIS Amicit EPI Epistilbit MEL ZSM-11 GIS Gismondin FER Ferrierit MFI ZSM-5 GIS Gobbinsit GOO Goosecreekit MFS ZSM-57 GME Gmelinit HEU Clinoptilolit MOR Mordernit LAU Laumontit HEU Heulandit MTT ZSM-23 LEV Levyn LOV Lovdarit (Be) MTW ZSM-12 LTL Perlialit MAZ Mazit NES NU-87 NAT Natrolit MER Merlinoit TON theta-1 NAT Mesolit MON Montesommait CIT-1 (B) NAT Scolecit MOR Mordernit MCM-22 NAT Gonnardit -MOR Maricopait NU-86

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 6 -PAR Partheit OFF Offretit SUZ-4 PHI Philipsit PAU Paulingit ZSM-48 -RON Roggianit STI Stilbit THO Thomsonit YUG Yugawaralit Mineral- AFG Afghanit - - MEP Melanophlogit Clathralite LIO Liottit SOD Sodalith Synthestische ABW Li-A(BW) BPH Linde Typ Q - - Zeolithe EDI Na K-F CAS Cs-Alumosilikat FAU Linde X EMT EMC-2 GIS Na-P1 FAU Linde Y JBW NaJ KFI ZK-5 LTA Linde Typ A LTA LTL MEI ZK-4 Linde Typ L ZSM-18 Synthetische Clathralite LOS Losod LTN Linde Typ N VSV VPI-7 (Zn) SOD Sodalith RUT RUB-10 (B) AST Al-Octadecasil MTN ZSM-39 SOD hoch Si-Sodalith Synthetische Zeosile - - - AFI Si-SSZ-24 *BEA Si-Beta FAU FER MEL MFI MTT MTW Si-Faujasit Si-Ferrierit Si-ZSM-11 Si-ZSM-5 Si-ZSM-23 Si-ZSM-11 Synthetische Clathrasile TON Si-Theta-1 - - - AST Octadecasil DDR Dodecasil 3R DOH Dodeacsil 1H MEP Si-Melanophlogit MTN NON SGT SOD Dodecasil 3C Nonasil Sigma-2 Si-Sodalith Tab. 1.2 Beispiele von porösen Silikat-Materialien mit bekannten Strukturen, wobei mit (1) T-Atom Ringe bezeichnet werden (Higgins, 1994).

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 7 1.1.2.1 Clathrasile Die Clathrasile gehören zu der Klasse der porösen Tektosilikate. In ihrer as-synthesized Form bestehen die Clathrasilgitter aus Käfigen, die durch sogenannte Gastmoleküle besetzt sind (Gies und Marler, 1992). Die grossen Käfige enthalten meist organische Moleküle, während in den kleineren Käfigen Gase (z. B. F, N 2, CO 2, Ar, CH 4 ) angelagert sind. Die kleinsten Käfige sind in der Regel unbesetzt. Die Wirtsgerüste der Clathrasile sind elektrisch neutral und benötigen für ihre Synthese als Template neutrale Gastmoleküle. Zwischen den Gast-Molekülen und dem Wirt-System existieren schwache Van der Waals-Bindungen, die dazu führen, dass das Kristallgitter erhalten bleibt. In der Tabelle 1.3 werden die Clathrasile anhand von Nomenklatur, Strukturtyp-Code, kristallographischen Informationen und Käfigtyparten zusammengestellt. Die Basiskäfige werden benutzt, um die Struktur der Clathrasile zu beschreiben. Durch die Verknüpfung über Ecken, Kanten und/oder Flächen, via Sauerstoffatome, werden vollständige Gerüststrukturen gebildet (Gies, 1991). Die Clathrasile DDR, DOH, MEP, MTN haben z. B. als Basiskäfig ein Pentagondodecaeder, gekennzeichnet durch den polyhedralen Käfig [5 12 ], wie es aus der Tabelle 1.3 zu entnehmen ist. Um aus der as-synthesized Form der Materialien gastmolekülfreie Porosile zu erhalten, müssen die in den Käfigen angelagerten Templat-Moleküle durch die Calcinierung bei hohen Temperaturen in einer oxidativen Atmosphäre eliminiert werden. Die meisten polyhedralen Clathrasil-Käfige bestehen aus relativ engen Ringen mit 4 bis 8 T-Atomen, so dass für eine komplette Eliminierung der Templat-Moleküle eine lange Calcinierungszeit benötigt wird. In den calcinierten Clathrasilen ist die Zersetzung des Templates erforderlich, da nur die Templatreste durch die Porenöffnung nach aussen dringen können, um den Käfig bzw. Kanal für die Adsorption von anderen Molekülen freizugeben. Bei einer kurzen und partiellen Calcinierung von ein paar Stunden, kommt es zu einer partiellen Oxidation, so dass noch Reste von nichtoxidierten karbonhaltigen Materialien in den Käfigen übrig bleiben. Ein Teil der Bindungen in den organischen Molekülen werden gebrochen, aber die Kohlenwasserstoffe werden nicht vollständig zu CO 2 oxidiert. Nach einer langen und kompletten Calcinierung wird das Silikat-Gitter frei von Gastmolekülen sein, wobei die Kristallinität der Probe noch erhalten bleibt.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 8 Code Clathrasil Zusammensetzun g pro Elementarzelle Raumg ruppe Gitterparamete r der Elementarzelle (Å) AST Octadecasil. 20SiO 2 2M 6 2M 18 I4/m a=9,194 (2) c=13,396 (4) DDR Deca- 120SiO 2 a=13,860 (3) Dodecasil 3R. 6M 10 9M 12 3M 19 R3m c=40,891 (8) DOH Dodecasil 1H 34SiO 2 P6/mm. 3 M 12 2M 12 1M 20 m a=13,783 (4) c=11,190 (3) Polyhedra le Käfige [4 6 ]; [4 6 6 12 ] [4 3 5 6 6 1 ]; [5 12 ]; [4 3 5 12 6 1 8 3 ] [5 12 ]; [4 3 5 6 6 3 ]; [5 12 6 8 ] Pm3n C2/m a=19,402 (1) [5 12 ]; MEP Melanophlogit 46SiO 2 a=13,436 (3) [5 12 ];. 2M 12 6M 14 (200 C) (200 C) [5 12 6 2 ] MTN ZSM-39 136SiO 2 (Dodecasil 3C). 16M 12 8M 16 [5 12 6 4 ] 136 SiO 2 12M 20 Fd3m a=19,369 (6) [5 12 ]; [5 12 6 4 ] 68SiO 2 a=13,6620 (5) [5 12 ]; Fmmm a=22,232 (6) P2 1 /a a=13,112. 4M 5 (C 5 H 5 N) I42d c=19,5669 (7) [5 12 6 4 ] NON Nonasil 88 SiO 2 [4 1 5 8 ];. 8M 8 8M 9 4M 20 b=15,058 (4) [5 8 6 12 ]; c=13,627 (4) [5 4 6 4 ] RUT RUB-10 Si 32 B 4 O 72 [4 4 5 4 6 2 ];. 4(CH 3 ) 4 N + (7) b=12,903 [4 4 5 5 6 4 2 1 ] c=12,407 RTE RUB-3 24[SiO 2 ]. 2M 18 C2/m a=14,000 [4 6 5 4 6 6 8 2 ]; b=13,700 [4 6 5 4 6 2 ] c=7,400 (β=102,5 ) SGT Sigma-2 64[SiO 2 ] I4 1 /amd a=10,2 [4 3 5 6 ]. 8M 9 4M 20 c=34,4 [5 12 6 8 ] SOD Si-Sodalit 12SiO. 2 2M 14 Im3m a=8,830 (1) [4 6 6 8 ] Tab. 1.3 Strukturdaten und Eigenschaften von Clathrasilen. Übersicht bei (Gies und Marler, 1996).

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 9 Die Clathrasile sind, wie die ganze Familie der Porosile, bekannt für ihren hydrophoben Charakter. Im Gegensatz zu Quarz und anderen natürlichen Silikaten, zeigen Zeosile lipophile Eigenschaften und adsorbieren organische Moleküle sogar in einem wässrigen Medium. Im Gegensatz zu den Zeolithen, die als starke Säuren bekannt sind, zeigen die Clathrasile einen sehr schwach aziden Charakter, vergleichbar mit einer Brönstedt-Säure. 1.1.2.1.1 Dodecasil 3C (MTN) Die Vorsilbe Dodeca aus dem Namen Dodecasil 3C verweist erstens auf den Polyeder des Wirtsgitters, ein Dodecahedron, der als Basiskäfig ([5 12 ]-Käfig) des betrachteten Porosils dient. Die Endung sil stammt von Clathrasil, einem porösen Tektosilikat mit einer framework density FD unter 21. Die 3 gibt die Zahl der Schichten in der Elementarzelle an, während das c für die ideale Symetrie des Gerüstes (kubisch) steht. Dodecasil 3C (MTN) (hergestellt unabhängig voneinander von Gies, 1982 (Gies et al., 1982) und Schlenker, 1981 (Schlenker et al., 1981)) ist das bis jetzt am meisten untersuchte Clathrasil. Ein Modell der MTN-Struktur wurde erstmals von Schlenker et al. (Schlenker et al., 1981) vorgeschlagen. Dabei diente die bei 800 C eine halbe Stunde lang calcinierte MTN- Probe als Modell. [5 12 ]-Käfig [5 12 6 4 ]-Käfig Abb. 1.2 Schematische Darstellung der zwei verschiedenen Käfigtyparten: kleine [5 12 ]- und grosse [5 12 6 4 ]-Käfige, die in Dodecasil 3C vorkommen.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 10 Die MTN-Struktur besteht aus eckenverknüpften [SiO 4 ]-Tetraedern. Diese bilden eine Wirtstruktur, die aus flächenverknüpften Pentagondodecahedra (Schlenker et al., 1981), aufgebaut wird. Bei Verknüpfung solcher Schichten in der Reihenfolge ABC ergeben sich zwei Arten von käfigförmigen Hohlräumen, wiederum kleinere [5 12 ]- und grössere [5 12 6 4 ]- Käfige, in denen Gastmoleküle eingelagert werden können (Abb. 1.2). Der kleine [5 12 ]- Käfig hat ein Volumen von 0,080 nm 3, während der grosse [5 12 6 4 ]- Käfig 0,250 nm 3 gross ist. Aus der Tabelle 1.4 kann entnommen werden, welche Gase und organische Verbindungen in den unterschiedlich grossen Käfigen aufgenommen werden können. [5 12 6 4 ]-Käfig [5 12 ]-Käfig Symmetrie/Eigenschaften Kr Kr kubisch Xe Xe kubisch N(CH 3 ) 3 Trimethylamin, CO 2 N 2, CH 4, Ar kubisch C 4 H 8 O Tetrahydrofuran? optisch anisotrop C 4 H 8 S Tetrahydrothiophan? optisch anisotrop C 5 H 10 NH Piperidin optisch anisotrop Tab. 1.4 Käfiginhalt und Symmetrie der Dodecasil 3C-Materialien (Gies, 1987). Die Elementarzelle enthält 136 SiO. 2 nm-moleküle, wobei mit M das Templat-Molekül bezeichnet ist. MTN kristallisiert bei Raumtemperatur kubisch und besitzt die Symmetrie Fd3m (Gies et al., 1982). Durch Abkühlen ist eine Reihe von Phasenumwandlung zu beobachten (Knorr und Depmeier, 1998, Könnecke et al., 1992). So sind z. B. bei Dodecasil 3C tetragonale, orthorombische und monokline Symetrien bekannt, was gut unter dem Polarisationsmikroskop zu erkennen ist, anhand der Isotropie bzw. der Anisotropie der Kristalle. Abb. 1.3 Die Pentagondodecaeder-Grundschicht nach (111)-Richtung.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 11 200 µm grosse aluminiumfreie Einkristalle wurden von (Gies, 1987) gezüchtet. Das Silika- Endglied wird als Dodecasil 3C bezeichnet, um dadurch die Verwandtschaft zu den anderen Mitgliedern einer polytypen Reihe, die aus Dodecaeder-Schichten aufgebaut ist, zu zeigen. Gleichzeitig wurde von Gies et al. beobachtet, dass es durch Erhitzen der Probe bei 100-120 C zu einer displaziven Umwandlung der Probe in eine kubische Phase kommt. Durch Abkühlen findet bei ~ 95-105 C ein Phasenübergang statt Die Strukturverfeinerung des Trimethylamin-haltigen Materials lieferte Daten über die kurzen Si-O Abstände (1,566 Å), die grossen Si-O-Si Winkel (174,5 ) und die hohen Temperaturfaktoren für Sauerstoff. Daraus ergeben sich Informationen über die statische bzw. dynamische Unordnung des Silikatgitters. Es wurden auch 3-mm grosse Piperidin-haltige Dodecasil 3C-Einkristalle gezüchtet. Durch differential scanning calorimetry-messungen (DSC) wurden Phasenübergänge zwischen 46 C und 161 C beobachtet. Die hoch-temperaturform (161 C) weist eine kubische Symmetrie (I- 42d) auf, während bei der tief-temperaturform die Symmetrie noch nicht bestimmt worden ist. Es wurden auch andere Besonderheiten der MTN-Struktur beobachtet, wie z. B. die Strukturänderung, die durch die schnelle Aufheizung auf 700 C, gefolgt von einer Abkühlung auf ca. 159 C, zustande kommt. Der s.g memory effect wird dadurch neutralisiert, bleibt aber bei der tief-temperaturform erhalten. Könnecke et al. (Könnecke et al., 1992) calcinierte 150 µm grosse D3C Kristalle 48 Stunden lang bei 900 C, um aus den Käfigen das Pyrrolidin und die anderen noch existierenden Hilfsgase zu eliminieren. Durch diese partielle Calcinierung gelang es, eine schwarze Probe zu bekommen, in der noch Reste von kohlenstoffhaltigen Materialien vorhanden waren. Die DSC-Messungen zeigten einen Phasenübergang bei ca. 451 K. Durch die Strukturverfeinerung für den bei 523±15 K calcinierten Kristall wurde eine Gitterkonstante von a = 19,369(6) Å ermittelt. Die erhaltene Symmetrie war Fd3m. Die Verfeinerung des anisotropen Temperaturfaktors und die Fourier-Analyse zeigten aufgespaltene Positionen von drei von vier Sauerstoffatomen. Die kurzen Si-O-Abstände (1,581 Å) und die grossen Si-O- Si-Winkel (163,5 ) deuten aber auf eine ungeordnete Struktur mit einer mittleren Fd3m- Symmetrie des Käfigs hin. Die geringen Unterschiede der thermischen Parameter dieser Verfeinerung und einer anderen, die bei 623 K durchgeführt wurde, brachten die Autoren auf die Idee, dass die Unordnung in Dodecasil 3C statischer Natur sei.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 12 1.1.3 Zeolitheigenschaften und Anwendungen Zeolithe werden sowohl in der Industrie, als auch für den privaten Nutzen eingesetzt. Sie finden überwiegend Anwendungen als Ionenaustauscher (als Enthärtungsmittel oder für die Dekontaminierung flüssiger nuklearer Abwässer), in der Landwirtschaft und dem Gartenbau, als Trocknungsmittel, als Molekularsiebe und nicht zuletzt als formselektive Katalysatoren. Die Ionenaustauscheigenschaft von Zeolithen, wie z. B. Enthärtung von Waschwasser, basiert auf einem kontrollierten Kationen-Diffusionsprozess. Dabei werden Ca 2+ - und Mg 2+ - Kationen, durch Na + -Kationen der zugefügten Zeolithe ersetzt, so dass die Härte des Wasser erniedrigt wird. Daher werden umweltschädigende Phosphate, wie z.b. Na-Tripolyphosphate, die früher im Waschmittel zu finden waren, durch umweltverträgliche Zeolithe ersetzt. Zeolithe werden auch bei der Dekontaminierung flüssiger nuklearer Abwässer erfolgreich eingesetzt. Radioaktive Isotope, wie z. B. 137 Cs und 90 Sr, die in geringen Konzentrationen in nuklearen Abfällen zu finden sind, werden in den Hohlräumen von Zeolith-Gerüststrukturen aufgenommen. Die am meisten für die Radioisotopenkontrolle eingesetzte Zeolithe gehören zu der Gruppe der Clinoptilolithe und Mordernite, die nach der Tschernobyl-Katastrophe erfolgreich eingesetzt worden sind, um die Radioaktivität des Trink- und Waschwassers messen zu können (Dyer, 1995). Zur Tiernahrung von verschiedenen Tierarten (Schafe, Schweine, Rinder, Pferde) werden Zeolithe zugesetzt um den ph-wert kontrollieren zu können und dadurch eine Gewichtszunahme der Tiere und gleichzeitig eine Minderung der Krankheiten zu bewirken (Dyer, 1995). Im Gartenbau wird durch die Zufuhr von Zeolithen die Bodenqualität um 5-10% erhöht, so dass die Ernten verbessert werden. Der Prozess beruht auf der Dissoziation von H 2 O- Molekülen, die an der Zeolithoberfläche angelagert sind, in Protonen H + und Hydroxylionen OH -. Dabei werden H 3 O + -Ionen erzeugt, die danach selektiv von den Zeolithen aufgenommen werden. Das ermöglicht anderen Kationen wie z. B. NH + 4 die frei gewordenen Plätze zu besetzen. Der Zeolith übernimmt in diesem Fall die Rolle eines s. g. controlled-released fertilizer, kontrolliert-freigesetzter Dünger. Der am besten dafür geeignete natürliche Zeolith ist der Clinoptilolith (Dyer, 1995).

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 13 Der Erfolg, solche Materialien als molecular sieves (Molekularsiebe) einzusetzen, basiert auf der Fähigkeit eines Zeolithes andere flüssige oder gasförmige Moleküle aufgrund ihrer effektiven Molekülgrössen auszuschliessen, der starken Affinität des Wassers zur inneren Zeolithoberfläche, der leichten Regenerierung und dem langen Nutzungsleben. Alle diese Eigenschaften ermöglichen es, die Palette der Zeolith-Anwendungen zu erweitern. So werden sowohl synthetische, als auch natürliche Zeolithe, wie z. B. Chabasite, Mordernite, Clinoptilolite, für die: Reinigung von verschiedenen Gasströmen (CO 2, H 2 S und Stickoxide), Trennung der n-paraffine von iso-paraffinen, Gewinnung von Sauerstoff, durch die PSAs-Methode, aus dem englischen pressure Swing applications, wobei eine Luftsäuberung von toxischen Gasen stattfindet, Behandlung umweltschädlicher Chemikalien, wie z. B. Vulkanisierungsagentien, Einführung von CO 2 in kohlensäurehaltige Getränke, benutzt. Vor ca. 30 Jahren wurde entdeckt, dass synthetische Faujasite als formselektive Katalysatoren erfolgreich eingesetzt werden können. Seitdem gab es eine regelrechte Explosion von Patenten, Vorträgen und Publikationen über die Vielfalt von Reaktionen, bei denen die Zeolithe als Katalysatoren eingesetzt werden können. Das Cracken ( Knacken ) von Rohöl bei der Benzinherstellung, bei der langkettige Kohlenwasserstoffe in C 1 -C 6 -Fraktionen umgewandelt werden, ist eine der wichtigsten industriellen katalytischen Nutzungen der Zeolithe (Higgins, 1994). Die Zeolithe besitzen eine hohe katalytische Aktivität, da die Zeolith-Struktur einen grossen Anteil an s.g. aktiven Zentren ( active sites ) pro interner Oberflächeneinheit besitzt. Diese Zentren sind bekannt unter dem Namen Brönsted- bzw. Lewis-Zentren. Die Brönsted-Zentren entstehen durch die Bildung von Hydroxyl-Gruppen, was durch einen der drei folgenden Wege erfolgen kann: 1. Ammonium-Ionenaustausch (wie z. B. bei der Herstellung von USY): Na-Zeolith (s) + NH 4 + (aq) NH 4 -Zeolith (s) + Na + (aq) NH 4 -Zeolith (s) NH 3(g) + H-Zeolith (s) (calcinieren) 2. Polyvalenter-Ionenaustausch (wie z. B. in den ausgetauschten seltenen Erden Y-ReY):

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 14 nna-zeolith (s) + M(H 2 O) n+ (aq) M(H 2 O)-(Zeolith) n (s) + nna + (aq) M(H 2 O)-(Zeolith) n (s) M n+ (OH) -1 n (s) + (H-Zeolith) +1 (s) (calcinieren) 3. Direkter Ionenaustausch mit Mineralsäure (wie z. B. mit ZSM-5). 4. In allen diesen Fällen wird die H-Form des Zeolithes hergestellt. Brönsted-Zentren existieren auch an der Alumosilikatoberfläche und verlieren durch Erhitzen bei 550 C das Wasser, um Lewis-Zentren zu bilden. Aluminium (Al*) ist in diesem Fall dreifach koordiniert: Die Lewis-Zentren sind insbesondere in Anwesenheit von H 2 O instabil. Ein sog. Stearning- Prozess führt zu der Stabilisierung der Zeolith-Struktur, so dass durch die Eliminierung der Aluminium-Spezies aus der Gerüststruktur reelle Lewis-Zentren entstehen: + (AlO) O O O O O O O O O +H Si Al * Si + Al - 2 O Si Si Al - Si Al Sintern

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 15 1.1.4 Entstehung von natürlichen und synthetischen Zeolithen und zeolithartigen Materialien 1.1.4.1 Natürliche Zeolithe Lange Zeit wurde vermutet, dass Zeolithe vulkanischer Herkunft seien. Vor 30 Jahren wurden in Japan, Korea, Indonesien, Südafrika, Russland, Bulgarien, Ungarn, Slovakien, Italien, Kuba, USA Ablagerungen von reinen Zeolithen (>90%) in den Sediment- und den niedriggradigen metamorphen Gesteinen gefunden. Die Untersuchungen, die danach durchgeführt werden konnten, ergaben, dass Zeolithe durch unterschiedliche Bedingungen und über verschiedene Wege geformt werden können. Der erste Weg ist der sog. diagenetische Weg. Durch einen Verdampfungsprozess, der in relativ trockenen, basischen Erden stattfindet, wird Na 2 CO 3 produziert. Dieses reagiert mit den im Boden existierenden Tonmineralien und führt zu Bildung von Zeolithen. Durch diesen Weg sind z. B. die Analcim-Lager im San Joaquin Valley, Kalifornien (USA) entstanden (Garces, 1999). Zeolithe sind auch in hydrologisch offenen Systemen durch das Eindringen des Wassers in feste Bodenschichten zu bekommen, so dass Vertikalzonen entstehen. Die oberen Schichten enthalten Quarz und Tonmineralien, während in den unteren Schichten Clinoptilolithe, Philipsite, Chabasite, und Analcime zu finden sind. Dieses Phänomen wurde sowohl in den John Day Formationen in Oregon (USA), als auch in Oahü (Hawaii) beobachtet (Garces, 1999). In hydrologisch geschlossenen Systemen, wie z. B. in wasserarmen, geschlossenen Becken, kann es durch die Interaktion von basischem, salzhaltigem Wasser mit Silikaquellen zur Entstehung von Zeolithen kommen. Als Beispiele dafür können der Tecosa-See in Kalifornien (USA) und der Magadi-See (Kenia) erwähnt werden (Garces, 1999). Durch die Versenkungsdiagenese entstehen Zonen mit einem unterschiedlichen Gehalt an Zeolithen. Diese haben eine Struktur und eine Zusammensetzung ähnlich den Zeolithen, die

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 16 in den hydrologisch offenen Systemen entstanden sind. Der Hauptanteil der Prozesse, die dabei stattfinden sind niedriggradig metamorpher Natur. Die bekanntesten durch Diagenese entstandenen Zeolith-Lager sind diejenigen in Japan (Garces, 1999). Der zweite Weg ist der s.g. hydrothermale Weg. Es wurde beobachtet, dass durch die hydrothermale Zirkulation in den vulkanischen Aschen Zeolithe entstehen können. In den sog. kalten Aschen sind die Clinoptilolite und die Mordernite zu finden, während die wärmeren Aschen Analcime, Heulandite, Laumonite und Wairakite enthalten. Zu den frühhydrothermalen Pegmatitlagerungen zählen diejenigen aus Andreasburg (Deutschland) und Elba (Italien) (Dyer, 1988). Ein anderer Weg ist die sog. Genese in Geoautoklaven. Diese findet bei hoher Temperatur und hohem Dampfdruck statt. Sie kommt in porösen Gussgesteinen, wie z. B. Basalten, vor und führt zu einer Zeolisation, wie es in Italien, Bulgarien und Japan beobachtet worden ist (Garces, 1999). 1.1.4.2 Synthetische Zeolithe Die am meisten benutze Methode zur Herstellung synthetischer Zeolithe und zeolithartiger Materialien ist die s.g. hydrothermale Synthese, die in der Abbildung 1.5 schematisch dargestellt wird. In der hydrothermalen Synthese kommt es zu gegenseitigen Wechselwirkungen zwischen den Molekülen der Kationen-Quelle (Si, Al) und den Templat- Molekülen. Als Si-Quelle werden Substanzen wie z. B. Aerosil, Silikagel, Kieselsäure, Tetramethoxysilan (TMOS) etc. verwendet. Als Al-Quelle werden Substanzen wie z. B. Aluminiumhydroxid, Aluminiumoxid, Aluminate und Alkoxide eingesetzt. Diese Reagenzien sind für den Aufbau des Wirt-Systems verantwortlich. Als Template werden oft Moleküle eingesetzt, die einen amphiphilen Charakter besitzen. Diese Templat-Moleküle werden in den Wirt-Käfigen angedockt und wirken dadurch als Gast-Systeme. Zwischen Wirt- und Gast-System existieren sowohl ionische Bindungen als auch schwache van der Waals-Wechselwirkungen, Kräfte die dafür sorgen, dass das neu entstandene System elektrisch stabil ist. Zu bemerken ist, dass für eine gezielte Synthese die Bildung der Käfige von der Art, der Form und der Grösse der Templat-Moleküle abhängt. Die Template sind überwiegend organischer

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 17 Natur, elektrisch neutral und unter den gegebenen Synthesebedingungen, bezogen auf Temperatur, ph-wert und chemische Zusammensetzung, stabil. Gerüstbildner Si-, Al-, P-, Ga-, Ge-, B- Quellen Gel + H 2 O Amorphes Hydrogel Temperatur T 160-200 C Druck p autogen Zeit t Stunden bis Monate + Mineralisationsagentien (OH -, F - ) Strukturelle Baueinheiten Kristallwachstum + Templatagentien: 1) Anorganische Kationen, z. B. Na +, K +, Ba 2+ 2) Organische Kationen, z. B. TMA 3) Polymere 4) Nichtgeladene Moleküle, z. B. Amine Zeolithkristalle Abb. 1.5 Zeolithsynthese-Schema nach Dyer (Dyer, 1995). Aus der Tabelle 1.5 kann entnommen werden, welche Gastmoleküle in den Hexadekaeder- Käfigen des Dodecasil 3C eingelagert sein können. Die organischen Amine scheinen die am meisten mit Erfolg eingesetzten Templat-Moleküle zu sein. Der amphiphile Charakter macht sie zu den am besten geeigneten Molekülen, die in die Porosilkäfigen eingesetzt werden können.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 18 Anzahl der Strukturatom Azyklische Moleküle Zyklische Moleküle e der Gastmoleküle 1 Kr, Xe - 2 MeNH 2-3 EtNH 2-4 Me 2 CHNH 2, Me 3 N, Pr i SH - 5 Bu t NH 2, Et 2 NH, MeCH(NH 2 )CH 2 NH 2, Me 2 Net, MeCH(NH 2 )Et O S N S monozyklisch 6 Bu t CH 2 NH 2 O N H N NH 2 monozyklisch 7 SF 6-8 - bizyklisch Tabelle 1.5 Beispiele von Templat-Molekülen, die in die Hexadekaeder-Käfigen des Dodecasil 3C eingebaut werden können. Zwei Wege werden benutzt, um das Kristallwachstum von mikroporösen Zeolithen zu unterstützen. Der erste Weg führt über die Löslichkeit der (Si, Al)-Quelle, die so hoch wie möglich gehalten wird, indem der ph-wert der Syntheselösung in einen basischen Bereich gebracht wird (Abb. 1.6). So werden für die Synthese von Zeolithen überwiegend zyklische und azyklische Amine, wie z. B. Tetraalkylammoniumhydroxid, als OH - -Quelle benutzt und gegenüber den Alkali- oder Erdalkalihydroxiden bevorzugt.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 19 Abb. 1.6 Löslichkeit von amorphen SiO2 (Marler, 1985, Okamoto et al., 1957). Als zweite Möglichkeit wäre die sog. Fluorid-Methode einzusetzen. Diese Methode hat den Vorteil, dass Silicium einen löslichen Komplex mit F- bildet, einen Komplex der zusätzlich in einem aziden Medium stabil ist. Ausserdem kann für die Fluorid-Synthese eine Vielfalt von Templaten verwendet werden; die Kristalle wachsen schneller und es ist möglich in einem sauren Medium zu arbeiten. Die chemische Gleichung, die als Basis für die Fluorid-Methode dient, kann schematisch wie folgt dargestellt werden: SiO2 + 6HF [SiF6]2- + 2H3O+ Während der Züchtung von synthetischen Zeolithen wird in dem Fall, dass grosse Kristalle erwünscht sind, darauf geachtet, dass die Keimbildung im weiteren Verlauf des Wachstums unterdrückt wird, während das Kristallwachstum unterstützt wird. Für die Züchtung kleiner Kristalle ist der umgekehrte Weg vorzuziehen. Während des Wachstumsprozesses der Kristalle wurde beobachtet, dass: - die Geschwindigkeit, mit der ein Keim oder ein stabiler Kern sich bildet, mit der Ausbreitung der Übersättigung bzw. Unterkühlung steigt. Die Kristalle wachsen nur in einem sehr geringen Übersättigungs- oder Unterkühlungszustand. - unter den gegebenen, gleichen Bedingungen die verschiedenen Flächen eines Kristalls unterschiedlich schnell wachsen. So wachsen z. B. Hoch-Index Flächen viel schneller im

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 20 Vergleich zu den Niedrig-Index Flächen und streben nach einer Weile sogar zu verschwinden, wie es aus der Abb. 1.7 zu entnehmen ist. - wenn an der Oberfläche Defekte vorhanden sind, dann streben diese Oberflächen dazu, viel schneller zu wachsen, als die entsprechenden defektfreien Oberflächen. - die Zeit, die ein Keim braucht um zu kristallisieren, umgekehrt proportional zu der Wachstumsgeschwindgkeit der verschiedenen Flächen ist.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 21 1.2 Zeolithoberfläche und Reaktivität 1.2.1 Definition und Charakterisierung Die Grenzfläche wird nach Van Hove als eine Region im Raum, begrenzt durch eine geringe Zahl von Atomen, die sich auf jeder Seite der planaren Fläche befinden, definiert (Van Hove und Tong, 1979). Atkins versteht unter Grenzfläche eine Region, in der eine Phase endet und eine andere beginnt (Atkins, 1990). Nach dem Roempp Chemie Lexikon wird die Grenzfläche im allgemeinen Sinne als die Fläche bezeichnet, die zwei nichtmischbare Phasen voneinander trennt (Roempp, 1995). Im engeren Sinne ist unter Grenzfläche die trennende Fläche zwischen kondensierten Phasen (flüssig-fest, flüssig-flüssig, fest-fest) zu verstehen. Ist dagegen die eine Phase ein Gas und die angrenzenden Phasen sind entweder Flüssigkeiten oder Feste Stoffe, so werden üblicherweise die Grenzflächen Oberflächen genannt. Die beobachteten Gesetzmässigkeiten gelten prinzipiell nicht nur für kristalline, sondern auch für amorphe Festkörper, da im Nahbereich fast alle amorphen Stoffe eine ähnliche Ordnung wie ihre kristalline Modifikation zeigen. Nach dem aktuellen Wissen sind die in der Oberfläche kristalliner Stoffe befindlichen Atome und Ionen valenzmässig nicht abgesättigt. Die Existenz der Restvalenzen bewirkt, dass sich weitere Atome oder Ionen von der gleichen Art oder auch fremde Teilchen anlagern. Es werden Oberflächen von unterschiedlichen Dicken betrachtet, von weniger als einer Monolage bis zu ungefähr 8 Monolagen (~10 15 Atome/1 cm 2 ). In Bezug auf zeolithartige Materialien wird die äussere Oberfläche als die Phasengrenzfläche zwischen der einen Phase, Luft oder Flüssigkeit, und der anderen Phase, in dem gegebenen Fall Festkörper, definiert. Das deutet auf eine Diskontinuität der Struktur hin. Für die innerhalb eines geometrisch begrenzten Teilchens durch Hohlräume, Kapillaren, Käfige gebildeten Oberflächen, wird der Ausdruck innere Oberfläche verwendet. Die Atome sind in diesem Fall ladungsabgesättigt und mit der kontinuerlichen Struktur verankert. Im Falle feindisperser Silikate, die durch den Zerteilungsgrad eine bedingte grosse Oberfläche aufweisen, spielt die äussere Oberfläche eine bedeutende Rolle. Je mehr sich das Verhältnis

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 22 von Oberfläche zu Volumen verändert, wie dies bei höherem Zerteilungsgrad der Fall ist (s. Tabelle 1.6), um so ausgeprägter treten bestimmte Eigenschaften, wie z. B. Grenzflächenspannung, Adsorption und Grenzflächenpotentiale, auf. Kantenlänge des Würfels Anzahl der Teilchen Oberfläche [cm -3 ] 1 cm 1 6 cm 2 1 mm 10 3 60 cm 2 100 µm 10 6 600 cm 2 10 µm 10 9 6000 cm 2 1 µm 10 12 6 m 2 100 nm 10 15 60 m 2 10 nm 10 18 600 m 2 1 nm 10 21 6000 m 2 Tabelle 1.6 Zunahme der Oberfläche mit dem Zerteilungsgrad (Hinz, 1963). Die Charakterisierung der Kristalloberfläche erfolgt über drei verschiedene Detailniveaus. Das erste Niveau entspricht einer zweidimensionalen Oberflächenelementarzelle und kann aus einem Beugungsdiagramm (Röntgenbeugung mit streifendem Einfall) entnommen werden. Es werden dadurch Informationen über die An- oder die Abwesenheit der Ordnung an der Oberfläche geliefert. Ein zweites Niveau ist die chemische Zusammensetzung der Oberfläche, die sich von der des Bulkes deutlich unterscheidet und die durch die Adsorption von fremden Stoffen berechnet werden kann. In den letzten Jahren wurde eine Vielfalt von Methoden entwickelt und modernisiert, um mit deren Hilfe die Oberfläche besser untersuchen zu können. Die Beugungstechniken ermöglichen es z. B., das periodische Oberflächengitter zu charakterisieren und die Struktur der Oberfläche zu bestimmen. Zu dieser Kategorie zählen Methoden wie: LEED (low-energy electron diffraction) eine Methode zur Streuung von energiearmen Elektronen, die Informationen über die zweidimensionale Periodizität der Oberfläche liefert oder Röntgenbeugung, um unter einem flachen Einfallswinkel die Nah- und die Fernordnung an der Oberfläche zu beschreiben.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 23 Für die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung der Oberfläche werden Ionisationsmethoden eingesetzt. Ziel dabei ist es, die eventuellen Verunreinigungen, die an der Oberfläche angelagert werden können, nachzuweisen oder dünne Schichten, die im Verlaufe eines Experimentes adsorbiert wurden, zu analysieren (Atkins, 1990). Zu diesen Methoden zählen die Photoelektronen-Spektroskopie (XPS), Photoelektronen- Spektromikroskopie (PESM) und Auger-Spektroskopie (AES). Die Interferenztechniken (ARUPS angle-resolved ultraviolet photoelectron spectroscopy, ARXPD angle-resolved X-ray photoelectron difraction, NPD normal photoelectron difraction, NEXAFS near-edge X-ray absorption fine structure) werden eingesetzt, um strukturelle Informationen, wie z. B. molekulare Orientierung und Bindungslängen zu bekommen. Ausserdem werden Streuungstechniken, wie LEIS low energy ion-scattering verwendet, um Daten über die Geometrie der Oberfläche zu erhalten. Die mikroskopischen und topographischen Techniken (AFM atomic force microscopy, FIM field-ion microscopy, FEM field-emission microscopy, STM-scanning tunneling microscopy, SAM-scanning Auger microscopy, PEM-photoelectron microscopy, LEEMlow-energy electron microscopy) ermöglichen es, eine topographische Karte der Oberfläche zu erstellen und dadurch auch Informationen über die Zusammensetzung und Struktur der Oberfläche zu bekommen. Die am meisten benutzten Techniken sind die Vakuum- bzw. Ultrahochvakuum-Techniken und die mikroskopischen Techniken. Der Nachteil dabei ist, dass keine realistischen katalytischen Bedingungen erzeugt werden können. Alle diese Methoden ergeben ein mehr oder weniger vollständiges Bild der Oberfläche, deren Struktur, Geometrie und chemischer Zusammensetzung.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 24 1.2.2 Der Zusammenhang zwischen Oberfläche und katalytischer Aktivität Ostwalds Interpretation des Phänomens Katalyse entsprach bereits 1895 in wesentlichen Punkten der modernen Definition. Danach sind Katalysatoren Substanzen, die ohne selbst bei der Reaktion massgeblich verbraucht zu werden, die Bildungsgeschwindigkeit von Reaktionsprodukten erhöht (Ostwald, 1895). Die Wirkung des Katalysators beruht darauf, dass er einer chemischer Reaktion einen neuen Weg eröffnet, auf dem die Ausgangsstoffe leichter in die Endprodukte umgewandelt werden (s. Abb. 1.8). Zu bemerken ist, dass eine Reaktion, welche thermodynamisch nicht möglich ist, auch durch einen Katalysator nicht ausgelöst werden kann. Der Katalysator beeinflusst nur die Geschwindigkeit mit der sich ein chemisches Gleichgewicht einstellt. Die Erklärung liegt darin, dass die Aktivierungsenergie der Reaktion in Gegenwart des Katalysators (K) kleiner ist als die der unkatalysierten Reaktion (s. Abb. 1.8). + Kat. -Kat. A + B KA KAB AB Energie ohne Katalysator mit Katalysator Energiebarriere E A A + B + K KA E A, Kat. KAB Reaktionswärme AB + K Reaktionsweg Abb. 1.8 Energieprofile bei einer Reaktion mit und ohne Katalysator (Quadbeck-Seeger, 1998).

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 25 Der Unterschied zwischen einem homogenen und einem heterogenen Katalysator besteht darin, dass der homogene Katalysator der gleichen Phase angehört wie das Reaktionssystem, während der heterogene Katalysator und die Reaktanden (Flüssigkeiten oder Gase) sich einander berühren, jedoch verschiedene Phasen sind. Von grosser Wichtigkeit ist die heterogene Katalyse. Diese zeichnet sich durch die Reaktionen, die an der Oberfläche des Katalysators stattfinden, aus. Dabei werden Edukte bei der Adsorption an der Katalysatoroberfläche in einen aktiven Zustand versetzt. Die meisten technischen Katalysatoren sind Misch- oder Mehrstoffkatalysatoren, d. h. neben der kataytisch wirksamen Substanz enthalten sie noch weitere Zusätze (Promotoren). Diese Zusätze können auf einer katalytisch wirksame Schicht aufgebracht werden und dadurch als Trägerkatalysatoren dienen. Abb. 1.9 Ortep-Darstellung der externen Dodecasil 3C-Oberfläche mit kleineren [5 12 ]- und grösseren [5 12 6 4 ]- halbkäfigförmigen Hohlräumen.

1. Zeolithoberfläche und Reaktivität 26 Zu den wichtigsten Eigenschaften eines technischen Katalysators zählen, im zeitlichen Verlauf, neben der Aktivität und der Selektivität, die Form, die chemische und mechanische Stabilität. Dafür gibt es eine Vielzahl von wichtigen Faktoren, über die sich die Eigenschaften eines heterogenen Katalysators beeinflussen lassen. Als wichtige Einflussgrössen haben sich erwiesen: die Stabilität der aktiven Phase; die chemische Zusammensetzung des Festkörpers mit den katalytsich aktiven die Oberflächenzusammensetzung; die Porenstruktur des Katalysators; der Stoff- und Wärmetransport an einem Katalysator. Zu bemerken ist, dass bei Gas/Festkörper Reaktionen besonders die Porosität und damit auch die Oberflächen eine entscheidende Rolle spielen. Auch ein geometrischer Faktor ist von Bedeutung da ein Molekül, um leicht aktiviert zu werden, sich in geeigneter Weise an die Katalysatoroberfläche anpassen muss. Das Ergebnis ist eine erhöhte Aktivität. Von den vielen Einflussgrössen gewann die Oberflächenzusammensetzung in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung. Eine definierte chemische Zusammensetzung der aktiven Oberfläche, und zwar nicht nur der äusseren, sondern auch der inneren, an den tief in den Festkörper hineinreichenden Poren, ist für die Funktionsfähigkeit des aktiven Zentrums sehr wichtig.

2. Ziel der Arbeit 27 2. Ziel der Arbeit Es ist schon längst bekannt, dass mikroporöse Tektosilikate, zu der Kategorie auch die Clathrasile gehören, in der heterogenen Katalyse als formselektive Katalysatoren eingesetzt werden können. Diese Eigenschaft ist auf die selektive Zugänglichkeit des Porensystems und die Einschränkungen im Reaktionsvolumen des Zeolithen zurückzuführen. Die Analyse der Wachstumsflächen von Zeolithkristallmodellen lässt erkennen, dass die äussere Oberfläche Kavitäten aufweist, die durchaus einen Beitrag zu der Formselektivität liefern könnten. Das erste Ziel der vorliegenden Arbeit war es, eine perfekt kristalline D3C-Probe herzustellen, die eine Kristallitgrösse von 10-100 nm aufweisen sollte. Es ist bekannt, dass die mittlere Korngrösse des Clathrasils D3C (Schlenker et al., 1981) normalerweise 100-800 µm beträgt. Durch die Züchtung von D3C-Kristallen im nm-bereich würde das Verhältnis Oberfläche/Volumen 100 bis 1000 fach vergrössert, um mit Hilfe der Kernresonanzspektroskopie die äussere Oberfläche sichtbar zu machen. Die Popularität der Festkörper NMR-Spektroskopie und insbesondere der Kreuzpolarisationstechnik CP MAS ist in den letzten Jahren wegen der Informationen, die über die lokale Struktur, die Ordnung und die Dipol-Dipol Wechselwirkungen zu bekommen sind, erheblich gestiegen. Der Vorteil des Kreuzpolarisationsexperimentes, im englischen auch cross-polarisation genannt, liegt darin, dass die Probleme, die durch die niedrige Sensitivität der so genannten seltenen Kerne entstehen können, durch die Verstärkung der Empfindlichkeit beseitigt werden. Gleichzeitig findet ein Magnetisierungstransfer von einem Kern mit einer grossen natürlichen Häufigkeit, wie z. B. 1 H, 19 F, auf einen Kern mit einer geringeren, wie z. B. 13 C, 15 N, 29 Si, statt. In Anbetracht dessen, dass die Strukturuntersuchungen mit Beugungsmethoden keinen Aufschluss über die Beschaffenheit der Oberfläche liefern können und die Kraftfeldmikroskopie keine überzeugenden experimentellen Ergebnisse in der Oberflächenabbildung erbringen konnte, wurde überlegt, die NMR-Spektroskopie dafür einzusetzen. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass die Kernresonanzspektroskopie als eine nicht-oberflächensensitive Untersuchungsmethode bekannt ist.