Leistungsmessung, Fehlerkorrektur und das Bild des Lehrers im Diskurs der Fernstudieneinheiten Deutsch als Fremdsprache Dörthe Uphoff Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Bild des Lehrers in den Fernstudieneinheiten 10 und 19 ( Probleme der Leistungsmessung und Fehler und Fehlerkorrektur ). Ausgehend von den Titelbildern wird dabei in diskursanalytischem Sinne untersucht, wie bestimmte Handlungsweisen und Einstellungen der Lehrer in den betreffenden Einheiten dargestellt und bewertet werden. Stichwörter: Deutsch als Fremdsprache, Lehrerqualifizierung, Diskursanalyse 1. Einleitung Man kann sicherlich behaupten, dass die Fernstudieneinheiten Deutsch als Fremdsprache eine ganze Generation von DaF-Lehrern geprägt haben, auch in Brasilien. Neben dem Fernstudienkurs, der vom Goethe-Institut Salvador in Zusammenarbeit mit der Universidade Federal da Bahia (UFBA) in diesem Jahr schon in der dritten Auflage angeboten wird, finden die Fernstudieneinheiten (FSE) auch in vielen anderen Aus- und Fortbildungskontexten hierzulande großen Einsatz. Auf dem 8. Brasilianischen Deutschlehrerkongress im Juli 2011 in Belo Horizonte konnte man nun auf dem Semiplenarvortrag von Frau Karin Ende erfahren, dass in der Zentrale des Goethe-Instituts ein neues Fort- und Weiterbildungsprogramm entwickelt wird und dass die uns bekannten FSE damit allmählich zu einem Auslaufmodell werden. Auch auf der Internetseite des Langenscheidt-Verlages wird dieses neue, Deutsch lehren lernen genannte Programm schon angekündigt (siehe LANGENSCHEIDT 2011). In dieser Situation erscheint es mir sinnvoll, die FSE mit ihrer sehr charakteristischen Diskursstruktur (siehe Kap. 3) einmal von einem anderen Blickwinkel aus zu beleuchten und die in ihnen zum Ausdruck kommenden Lehrerbilder zu untersuchen. Schon seit längerem fallen mir beim Lesen der FSE die zum Teil ungewöhnlichen Darstellungen des Lehrers und seiner Handlungsweisen auf den Titelbildern auf. So ist z.b. auf dem Titelfoto von FSE 29 ( Gruppenarbeit und innere Differenzierung ; SCHWERDTFEGER 2001) eine ziemlich normale Unterrichtsszene zu sehen, in der ein Lehrer mit einer Schülergruppe spricht. In FSE 21 ( Phonetik lehren und lernen ; DIELING/HIRSCHFELD 2000) jedoch findet man die gezeichnete Darstellung eines Lehrers in der Rolle eines Dirigenten oder Chorleiters und auf dem Deckblatt von FSE
23 ( Lernerautonomie und Lernstrategien ; BIMMEL/RAMPILLON 2000) wird eine erwachsene Person gezeigt, die mit strenger Miene einem kleinen Jungen zu verstehen gibt, dass dieser innerhalb der Umrandung eines Sandkastens spielen soll, obwohl der Sand außerhalb dieser Umgrenzung genauso aussieht und ebenfalls zum Spielen einlädt. Was sollen diese Bilder den Lesern der FSE vermitteln, und was für ein Bezug besteht zwischen den Titelbildern und den methodisch-didaktischen Ausführungen im Innern der FSE? Von diesen Fragen ausgehend habe ich in meinem Kurzbeitrag auf dem 8. Deutschlehrerkongress die Lehrerdarstellungen in FSE 10 ( Probleme der Leistungsmessung ; BOLTON 1996) und 19 ( Fehler und Fehlerkorrektur ; KLEPPIN 1997) untersucht, auf deren Titelbildern auch ein Lehrer bzw. dessen Arbeitsweise zu erkennen ist. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Analysen werde ich im 5. und 6. Kapitel dieses Artikels vorstellen. Beginnen möchte ich jedoch mit ein paar allgemeinen Einschätzungen zum Thema Lehrerqualifizierung (Kapitel 2), einer kurzen Beschreibung der FSE (Kapitel 3) und ein paar Worten zur Diskursanalyse, die den theoretischen Rahmen meiner Untersuchung bildet (Kapitel 4). 2. Lehrerqualifizierung im Bereich DaF Seit geraumer Zeit wird über das Qualifikationsprofil von Fremdsprachenlehrern diskutiert. In vielen Ländern der Welt gilt ihr Ausbildungsstand als unzureichend oder zumindest als verbesserungsbedürftig, was auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden kann. So findet die Grundausbildung oft innerhalb philologischer Hochschulstudiengänge statt, die wenig an der Unterrrichtspraxis orientiert sind und sich mehr mit den theoretischen Fragestellungen der Sprachwissenschaft und Literatur befassen. Auch erweist sich der Lehrberuf in vielen Ländern als nicht sehr attraktiv, zumal in finanzieller Hinsicht, so dass nicht wenige Lehramtsabsolventen sich anderen Berufssparten zuwenden und offene Stellen an Bildungseinrichtungen stattdessen mit Lehrkräften ohne fachspezifische Ausbildung besetzt werden müssen. Hinzu kommt noch, dass dem Aufbau der Sprachkompetenz im Curriculum oft ein großer Platz eingeräumt wird, weil viele Studierende als Nullanfänger ihr Studium beginnen, besonders wenn die betreffende Sprache in einem Land nicht oder nur wenig an Schulen unterrichtet wird. Auch aus diesem Grund werden fachdidaktische Inhalte oft zwangsläufig an den Rand gedrängt.
All diese Aspekte treffen sicher in kleinerem oder größerem Umfang auch auf die Qualifizierung von DaF-Lehrern in Brasilien zu. So schreibt z.b. Soethe (2010: 1625), dass Fremdsprachenlehrer hierzulande nicht selten einen mangelhaften Ausbildungsstand auf[weisen], auch unzulängliche Sprachkenntnisse. Sartringen (2001: 1448) wiederum rechnet mit nur rund 400 fachlich hochrangig ausgebildeten DaF-Lehrerinnen und Lehrer[n] [...] von insgesamt 1.500 in ganz Brasilien. Im Zuge dieser Situation, die im internationalen Rahmen zu sehen ist und von der Brasilien nur einen Ausschnitt darstellt, wurde Ende der 80er Jahre das Fernstudienangebot Deutsch als Fremdsprache ins Leben gerufen mit dem Ziel, die Fort- und Weiterbildung von DaF-Lehrkräften weltweit zu fördern (siehe SCHMIDJELL 2004: 10). Im folgenden sollen ein paar Eigenschaften der FSE, die als zentrales Instrument dieses Angebots gelten, genauer besprochen werden. 3. Die Fernstudieneinheiten Die FSE werden vom Goethe-Institut München und der Universität Kassel unter Beteiligung des DAAD und der ZfA herausgegeben (siehe LANGENSCHEIDT 2011). Der erste, immer noch erhältliche Band ( Grammatik lehren und lernen ) erschien bereits im Jahre 1991, und erst vor wenigen Wochen ist wieder eine Neubearbeitung einer FSE (Bd. 18 Deutschunterricht planen ) auf den Markt gekommen. Insgesamt werden zur Zeit 25 FSE im Sortiment des Langenscheidt-Verlages geführt (ibid.; Stand 25.10.2011), weitere Einheiten sind im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte entstanden, heute jedoch nicht mehr erhältlich. Die FSE sind darauf ausgerichtet, ein möglichst breites Spektrum methodischdidaktischer Fragestellungen des DaF-Unterrichts abzudecken, und werden von ausgewiesenen, oft auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten Expertinnen und Experten verfasst. Charakteristisch für die Serie ist ihre einheitliche Diskursstruktur. Als Selbstlerntexte konzipiert sind die FSE nach induktiven Prinzipien aufgebaut und stark aufgabengesteuert (siehe SCHMIDJELL 2004: 10). Ausgehend von der eigenen Lehrerfahrung werden die Leser mit Theorie und Anwendung fachdidaktischer Teilaspekte vertraut gemacht und dabei immer wieder zur Reflexion über die eigene Unterrichtspraxis angeregt. In einem quasi fingierten Dialog zwischen Autor und Leser, in dem nur der Redeanteil des Autors gegenwärtig ist, während die Stimme des Lesers
durch die Leerzeilen in den Aufgaben nur angedeutet wird, spricht der Autor (oder das Autorenteam) die Leser immer wieder direkt an, was für meine Untersuchung zum Lehrerbild in den FSE von großer Bedeutung war. Trotz dieses relativ straff umrissenen Diskursformats ist jedoch zu beobachten, dass die Autoren der FSE die Möglichkeit zur unmittelbaren Anrede ihrer Leserschaft in unterschiedlichem Maße nutzen. 4. Theoretischer Hintergrund: die Diskursanalyse Aufgrund der im Rahmen dieses Artikels gebotenen Kürze können die von mir herangezogenen theoretischen Bezugsgrößen hier leider nur sehr kurz skizziert werden. Insgesamt ist der Blickwinkel, von dem aus ich die beiden FSE betrachte, in beträchtlichem Maße von Grundannahmen der (französischen) Diskursanalyse geprägt, die unter anderem auf Michel Foucault zurückgeht und hierzulande in den Geisteswissenschaften derzeit stark diskutiert wird. 1 Die Diskursanalyse beschäftigt sich vornehmlich mit der Frage, wie Sinnzusammenhänge produziert werden und unter welchen Bedingungen sie entstehen. Ein Diskurs kann dabei, um eine deutschsprachige Definition zu nennen, nach Gardt (2007) folgendermaßen beschrieben werden: Ein Diskurs ist die Auseinandersetzung mit einem Thema, die sich in Äußerungen und Texten der unterschiedlichsten Art niederschlägt, von mehr oder weniger großen gesellschaftlichen Gruppen getragen wird, das Wissen und die Einstellungen dieser Gruppen zu dem betreffenden Thema sowohl spiegelt als auch aktiv prägt und dadurch handlungsleitend für die zukünftige Gestaltung der gesellschaftlichen Wirklichkeit in Bezug auf dieses Thema wirkt (GARDT, 2007: 30). 5. Das Bild des Lehrers in Fernstudieneinheit 10 ( Probleme der Leistungsmessung ) Das Titelbild von FSE 10 zeigt die Karikatur Chancengleichheit von Hans Traxler, welche zum ersten Mal in den 70er Jahren im Kontext der Bildungsreformen 2 in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht wurde. Sie befasst sich in kritischironischer Form mit dem großen Einfluss der sozialen Herkunft auf die schulische 1 Siehe für einen meiner Ansicht nach hilfreichen Überblick über die Grundannahmen der Diskursanalyse, in Abgrenzung zu anderen sprachwissenschaftlichen Theorien, POSSENTI 2004. 2 Ich danke Werner Schreiber für seinen Hinweis zum Entstehungskontext des Cartoons.
Laufbahn von Kindern in Deutschland, den man bis heute mit verschiedenen bildungspolitischen Maßnahmen einzudämmen versucht: Abbildung 1: Titelbild FSE 10, in der Sprechblase zu lesen: Zum Ziele einer gerechten Auslese lautet die Prüfungsaufgabe für Sie alle gleich: Klettern Sie auf den Baum! Die Karikatur stammt also aus einem für das weltweite Publikum der Serie wahrscheinlich nicht immer leicht zu identifizierenden Kontext und steht, wie im folgenden noch zu sehen ist, ziemlich unverbunden zum eigentlichen Inhalt der FSE. Dennoch wirkt der Cartoon natürlich auch auf solche Leser, die ihn nicht mit dieser spezifischen innenpolitischen Debatte in Verbindung bringen können, denn er behandelt sozusagen ein pädagogisches Grunddilemma: Ein Lehrer möchte gerecht sein und behandelt deshalb alle seine Schüler gleich, lässt dabei jedoch unbeachtet, mit welch unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen die Lerner in den Unterricht kommen. So sind es vermutlich auch diese zwei Aspekte der Wunsch nach Gerechtigkeit und das Problem der Heterogenität, die über das Titelbild hinaus dem aufmerksamen Leser im Gedächtnis bleiben. Tatsächlich wird das Thema der Heterogenität auch im Textinnern der FSE aufgegriffen. Es bezieht sich dort allerdings nicht auf die Lernenden selbst, sondern auf die Lernziele und Lerninhalte des DaF-Unterrichts, die in engem Zusammenhang mit der Ausarbeitung von Prüfungen stehen. Unterschiedliche Lernziele und entsprechende Unterrichtsmethoden erfordern auch entsprechende Tests, erklärt die Autorin Sibylle Bolton (1996: 13) und führt damit in das Gütekriterium der Validität bei Prüfungsinstrumenten ein (ibid.: 17).
Bolton favorisiert in ihren Ausführungen ganz klar die kommunikative Didaktik, geht jedoch davon aus, dass zumindest ein Teil ihrer Leser noch in der audiolingualen Methode verhaftet sind. So formuliert sie an ihre Leserschaft: Möglicherweise haben Sie zu einer Zeit Deutsch gelernt, in der die audiolinguale Methode die vorherrschende Unterrichtsmethode für Fremdsprachen war. (BOLTON 1996: 9) Trotzdem scheint die Autorin vorauszusetzen, dass ihre Leser grundsätzlich kommunikativen Unterricht machen möchten, worauf die Klammersetzung in folgendem Zitat auf subtile Weise hindeutet: Wichtig ist nur, daß Sie am Ende des Kurses zu allen Lernzielen Ihres (kommunikativen) Unterrichts Tests gemacht haben, um wirklich ein umfassendes Bild über die Leistungen Ihrer Schülerinnen und Schüler zu erhalten. (BOLTON 1996: 19) Die Tatsache, dass Grammatik- und Wortschatztests eher mit einem audiolingual ausgerichteten Unterricht in Einklang stehen, in der kommunikativen Didaktik jedoch keine hinreichenden Bewertungsinstrumente darstellen, nimmt im folgenden großen Platz in Boltons Argumentation ein. Die Autorin (ibid.: 20, 117) betont, dass diese Art von Tests zwar durchaus sinnvoll sein kann, aber nicht über die kommunikativen Fertigkeiten der Lernenden informiert und somit auch keine kommunikativen Lernziele abprüft. Bolton erwartet allerdings, dass ihre Leser dennoch an dieser Prüfungsform festhalten möchten: Im Unterricht jedoch werden Sie wie die meisten Lehrerinnen und Lehrer nicht darauf verzichten wollen, von Zeit zu Zeit zu überprüfen, ob bestimmte, meist neu eingeführte linguistische Elemente oder der neue Wortschatz (der letzten oder der letzten zwei, drei Lektionen) genügend beherrscht werden. (BOLTON 1996: 117) Die Aussagen der Autorin müssen sicherlich im geschichtlichen Kontext der kommunikativen Wende im Fremdsprachenunterricht betrachtet werden. In diesem Zusammenhang war es auch dem Goethe-Institut, als Mitherausgeber des Fernstudienangebots, ein Anliegen, den DaF-Unterricht weltweit zu modernisieren. So ist z.b. in den Vermittlungstheoretischen Thesen und Empfehlungen aus dem Jahre 1998 zum Thema Fort- und Weiterbildung von Fremdsprachenlehrern zu lesen: Vielerorts unterrichten Lehrkräfte ohne hinreichende Ausbildung. Vor diesem Hintergrund gehört die vermittlungsmethodisch orientierte Fort- und Weiterbildung zu den vordringlichen Aufgaben. Eine solche Fort- und Weiterbildung muß beim Methodenrepertoire und den realen Unterrichtsbedingungen der Betroffenen ansetzen und sie zur Reflexion der eigenen Lehr- und Lernpraxis im Lichte neuerer bewährter Konzepte befähigen. (BEIRAT DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE DES GOETHE- INSTITUTS 1998: 14)
Genau diesen Weg beschreitet Bolton (1996) in ihrer FSE, indem sie bei ihren Lesern eine audiolingual geprägte Praxis der Leistungsmessung vermutet und darauf aufbauend in die Eigenschaften kommunikativ orientierter Lernfortschrittstests einführt. Für das Zielpublikum der Serie ergibt sich dabei das Bild eines Lehrers, der eventuell noch nach einer überholten Methode unterrichtet und deshalb mit neuen didaktischen Handwerkszeugen, auch im Bereich der Leistungsmessung, vertraut gemacht werden muss, um den modernen didaktisch-methodischen Anforderungen gerecht zu werden. Es ist interessant zu beobachten, wie das Motiv der Gerechtigkeit, das auf dem Titelblatt der FSE angesprochen wird, hier in umgewandelter Form wieder auftaucht, und zwar als Anspruch des Gerechtwerdens, der von der kommunikativen Didaktik aus an die Leser/Lehrer gestellt wird. 6. Das Bild des Lehrers in Fernstudieneinheit 19 ( Fehler und Fehlerkorrektur ) Im Vergleich zu FSE 10 weist das Titelbild von FSE 19 einen weitaus direkteren Bezug zum Thema des Bandes auf. Das Deckblatt zeigt eine korrigierte schriftliche Textproduktion, in der verschiedene Korrekturtechniken der Lehrperson sichtbar werden: Abbildung 2: Titelbild FSE 19, als Lehrerkommentar zu lesen: Schreibe eine vernünftige Einladung ohne Fehler! Der humorvoll-sarkastische Ton der Karikatur ist klar zu erkennen, denn sowohl der etwas derbe Bildimpuls für die Schreibaufgabe als auch das strenge, abweisende
Feedback der Lehrperson wirken überzeichnet. Das Titelbild kann dabei als negatives Beispiel für mehrere Aspekte der schriftlichen Korrektur gelten, die im weiteren Verlauf von Autorin Karin Kleppin genauer besprochen werden. So steht z.b. der unfreundliche Lehrerkommentar ( Schreibe eine vernünftige Einladung ohne Fehler! ) in krassem Widerspruch zu den Empfehlungen im Textinnern, da er nicht über die genauen Mängel oder Defizite des Geschriebenen aufklärt und keinerlei Hinweise darüber gibt, wie der Lerner seine Leistung verbessern könnte (KLEPPIN 1997: 70). Außerdem enthält der Kommentar auch keinen positiven Vermerk zu einem gelungenen Teilaspekt des Aufsatzes und entmutigt im Ganzen mit seiner barschen Formulierung den Lerner mehr, als dass er ihn zur Überarbeitung des Textes anregen würde. Auch die Art der Fehlermarkierung entspricht nicht den in der FSE gemachten Vorschlägen, da keine spezifischen Korrekturzeichen verwendet werden, die über die Art der Abweichung Auskunft geben und den Lerner damit bei der Selbstkorrektur unterstützen könnten (ibid.: 57). An verschiedenen Stellen der FSE wird betont, dass es verschiedene Korrekturtypen gibt und dass viele Fremdsprachenlehrer bei einem einmal gewählten und dann oft automatisierten Korrekturverhalten bleiben (KLEPPIN 1997: 75, 78, 95). Anliegen der Autorin ist es deshalb, diese erstarrte Praxis aufzubrechen und die Leser dazu zu bewegen, das eigene Verhalten zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern (ibid.: 6). Ein besonderes Augenmerk legt Kleppin (ibid.: 110) dabei auf die Notwendigkeit, taktvoll und nicht übermäßig streng zu korrigieren. Laut Ansicht der Autorin sind es nämlich besonders DaF-Lehrer, die ein eher rigides Korrekturverhalten an den Tag legen: Deutsch gilt als schwere Sprache, die aufgrund dieses Rufes häufig nicht gewählt wird. Viele Lehrer sind sich nicht bewusst, dass sie diesen Ruf weiterverbreiten, indem sie die Fehlerkorrektur meist strenger als Lehrer anderer Fremdsprachen handhaben. (KLEPPIN 1997: 5) Auch nichtmuttersprachliche Lehrer, die aufgrund der weltweiten Ausrichtung des Fernstudienangebots sicherlich das Zielpublikum der FSE stellen, korrigieren nach Einschätzung von Kleppin oft strenger: Man stellt immer wieder fest, dass z.b. muttersprachliche Lehrer sehr viel toleranter und nachgiebiger korrigieren als andere. (ibid.: 21) Weiterhin gibt Kleppin zu bedenken, dass Korrekturen im Fremdsprachenunterricht im Vergleich zum Muttersprachenerwerb wesentlich öfter mit Ermahnungen oder Zurechtweisungen verbunden sind und auch aus diesem Grunde das Verhältnis zwischen Lehrer und Lerner belasten können:
Übrigens verschwinden auch beim Erstspracherwerb nicht alle Fehler von selbst. Die Mutter und/oder andere Bezugspersonen korrigieren oder geben häufig das richtige sprachliche Vorbild. Sie gehen dabei meist nur anders vor als viele Lehrer. Sie tadeln das Kind nämlich in der Regel nicht. (ibid.: 51) Zur Entschuldigung der Lehrer räumt die Autorin jedoch an anderer Stelle ein, dass nicht immer eine vom Lerner als Tadel empfundene Korrektur auch wirklich als solcher von der Lehrperson intendiert ist: Die Besprechung [eines Fehlers] kann humorvoll, ernst, kritisch oder verständnisvoll erfolgen sie sollte nur nie bloßstellend wirken. Allerdings ist es immer wieder ein Problem, dass Lernende teilweise etwas als bloßstellend und negativ empfinden, was der Lehrer manchmal gar nicht so gemeint hat. (ibid.: 71) Die rigide Korrekturhaltung wird dabei auch mit Rollenvorbildern aus der eigenen Schulzeit in Verbindung gebracht, wie folgende Abbildung zeigt, die Aufgabe 71 in FSE 19 als Illustration beigefügt ist (siehe KLEPPIN 1997: 71): Abbildung 3: Illustration zu Aufgabe 71 in FSE 19: Denken Sie bitte an Ihre eigene Schulzeit zurück. Gibt es Besprechungen von korrigierten Arbeiten, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind? Wenn ja, warum erinnern Sie sich gerade an diese? Insgesamt ergibt sich also für FSE 19 das Bild eines unsensiblen Lehrers, der in strenger Manier die Fehler der Lernenden markiert und dabei manchmal sogar in Kauf nimmt, seine Schüler bloßzustellen und zu verletzen. Sicherlich ist dies nicht der einzige Korrekturtyp, auf den im Laufe der FSE hingewiesen wird, er stellt jedoch jene Art von Lehrer dar, auf die in den Ausführungen der Autorin immer wieder Bezug genommen wird, so dass eben dieses Lehrerbild am Ende die deutlichsten Konturen annimmt.
7. Abschließende Bemerkungen Vor dem theoretischen Hintergund der Diskursanalyse wurden in diesem Beitrag die in FSE 10 und 19 zum Ausdruck kommenden Lehrerbilder untersucht. Während in FSE 10 vor allem die Vorstellung von einem Lehrer erkennbar wurde, der mit einem überholten Methodenrepertoire Evaluationen vornimmt, stand in der Analyse von FSE 19 das Bild eines strengen und zum Teil unnachsichtig korrigierenden Lehrers im Vordergrund. In der Darstellung der Lehrperson werden also eher negative Aspekte betont, was besonders auch in der Wahl der Titelbilder Niederschlag findet. Es lohnt sich meiner Ansicht nach darüber nachzudenken, inwieweit eine solche Darstellung angebracht und zeitgemäß ist. In dem angekündigten neuen Fortbildungsprogramm des Goethe-Instituts scheint man in dieser Hinsicht auf jeden Fall andere Wege zu gehen, wie in ein paar Unterrichtsmitschnitten zu sehen war, die den Teilnehmenden auf dem 8. Brasilianischen Deutschlehrerkongress dargeboten wurden. Dort zumindest setzte man, im Sinne der best practice, bei guten Beispielen der Lehrpraxis an und arbeitete nicht mit negativen Lehrerbildern. 8. Literaturverzeichnis BEIRAT DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE DES GOETHE-INSTITUTS. Deutsch als Fremdsprache: 24 vermittlungstheoretische Thesen und Empfehlungen. Zeitschrift für den interkulturellen Fremdsprachenunterricht, v. 2, n. 3, 1998. <http://zif.spz.tudarmstadt.de/jg-02-3/beitrag/beirat2.htm> (28.10.2011). BIMMEL, Peter; RAMPILLON, Ute. Lernerautonomie und Lernstrategien. Berlin et al.: Langenscheidt, 2000. (= FSE 23) BOLTON, Sybille. Probleme der Leistungsmessung. Lernfortschrittstests in der Grundstufe. Berlin et al.: Langenscheidt, 1996. (= FSE 10) DIELING, Helga; HIRSCHFELD, Ursula. Phonetik lehren und lernen. Berlin et al.: Langenscheidt, 2000. (= FSE 21) GARDT, Andreas. Diskursanalyse. Aktueller theoretischer Ort und methodische Möglichkeiten. In: WARNKE, Ingo (org.). Diskurslinguistik nach Foucault. Theorie und Gegenstände. Berlin/New York: de Gruyter, 2007, p. 28-52. KLEPPIN, Karin. Fehler und Fehlerkorrektur. Berlin et al.: Langenscheidt, 1997. (= FSE 19) LANGENSCHEIDT. Das Fernstudienangebot Deutsch als Fremdsprache, 2011. <http://www.langenscheidt.de/reihe/438/das_fernstudienangebot_deutsch_als_fremds prache> (25.10.2011).
POSSENTI, Sírio. Teoria do Discurso: um caso de múltiplas rupturas. In: MUSSALIM, Fernanda; BENTES, Anna Christina. (orgs.). Introdução à lingüística: fundamentos epistemológicos, v. 3, São Paulo: Cortez, 2004, p. 353-392. SARTRINGEN, Kathrin. Deutschunterricht und Germanistikstudium in Brasilien. In: HELBIG, Gerhard et al. (orgs.). Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, v. 2, Berlin/New York: de Gruyter, 2001, p. 1445-1449. SCHMIDJELL, Annegret. Das Fernstudienprojekt als Fortbildungskonzept: Möglichkeiten und Erfahrungen. Eine Handreichung. München: Goethe-Institut, 2004. SCHWERDTFEGER, Inge C. Gruppenarbeit und innere Differenzierung. Berlin et al.: Langenscheidt, 2001. (= FSE 29) SOETHE, Paulo. Deutsch in Brasilien. In: KRUMM, Hans-Jürgen et al. (orgs.). Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Ein internationales Handbuch, v. 2, Berlin/New York: de Gruyter, 2010, p. 1624-1627.