Der systemische Lupus erythematodes

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Systemischer Lupus erythematodes

Transkript:

Der systemische Lupus erythematodes Ein nützlicher Ratgeber Zusammenstellung Birgitt Klatt, Frankfurt a. M. unter fachlicher Mitarbeit von Privatdozent Dr. med. Hans Krippner, Frankfurt a. M. Bearbeitung Dr. Annette Tuffs, Neckargemünd 1

Herausgeber: Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.v. Maximilianstraße 14, 53111 Bonn Info-Tel.: 02 28 / 7 66 70 80 Fax: 02 28 / 7 66 06-20 e-mail: bv@rheuma-liga.de www.rheuma-liga.de 5. Auflage 10.000 Exemplare Druck-Nr. A 33/BV/12/01 Gefördert durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) 2

Inhalt Vorwort 5 Was ist eigentlich der systemische Lupus erythematodes SLE? 6 Kleine Geschichte der Krankheit 6 SLE Rheuma der inneren Organe und der Haut 7 Warum Autoimmunkrankheit? 9 Meist sind Frauen betroffen 10 Ursachen und Vererbung 11 Hormone, Sonnenlicht und Streß 12 Mit der Krankheit leben 12 Wie ist der Stand der Forschung? 13 Hormone Wegbereiter des SLE 13 Organbeteiligung bei SLE 15 Allgemeine Symptome 15 Haut, Schleimhaut und Haare 16 Muskeln, Gelenke, Sehnen und Knochen 17 Niere 17 Herz 18 Lunge 18 Gefäßsystem 19 Zentrales Nervensystem 19 Blut 21 Magen, Darm, Leber und Bauchspeicheldrüse 21 Augen 22 Genitalorgane 23 Weitere SLE- und SLE-verwandte Krankheitsbilder 24 SLE durch Medikamente 24 SLE bei Neugeborenen und Kindern 24 SLE bei Männern 25 Sjögren-Syndrom 25 Mischkollagenosen 26 Antiphospholipid-Syndrom 26 Wie wird die Diagnose SLE gestellt? 27 Bluttests 27 Welches Organ ist befallen? 29 3

Wie wird der SLE behandelt? 31 Antimalariamittel 31 Kortikosteroide 32 Nichtsteroidale Entzündungshemmer 34 Zytostatika 34 Andere Therapieansätze 34 Was SLE-Patienten beachten sollten 36 Medikamente 36 Empfängnisverhütung 36 Schwangerschaft 37 Östrogensubstitution in den Wechseljahren 39 Operationen / Infektionen 39 Impfungen / UV-Schutz 40 Physikalische Therapie 41 Osteoporose 42 Vorsicht vor paramedizinischen Methoden! 42 Ernährung 43 Der Alltag mit dem SLE 44 Warum bin ich nur immer so kaputt? 44 Abbau von Streß und Angst 45 Der SLE-Patient und das Arzt-Patienten-Verhältnis 46 Bericht einer SLE-Patientin 47 Gedanken eines Rheumatologen 48 Patientenschulung 48 Umarmen als Therapie 49 SLE-Lebensmanagement 50 Sozialrechtliche Hinweise 52 Krankenkasse und Rentenversicherung 52 Berufliche Eingliederung 52 Erwerbsminderungsrente 53 Sozialhilfe 53 Schwerbehindertenausweis 53 Pflegeversicherung 54 Stichwortverzeichnis 55 Das Netzwerk der Deutschen Rheuma-Liga 62 Anschriften der Deutschen Rheuma-Liga 64 Notfall-Ausweis / Medikamentenliste 67/ 69 Kostenlose Schriften der DRL 71 4

Vorwort anche Krankheiten machen Schlagzeilen, auch wenn sie M recht selten sind. Andere bleiben im Verborgenen. Zu den letzten gehört die Erkrankung systemischer Lupus Erythematodes, kurz SLE. Auch im großen Kreis der entzündlich rheumatischen Krankheiten droht sie manchmal unterzugehen. In der Öffentlichkeit ist sie kaum bekannt. Für die Betroffenen ist dies schwer. Haben sie schon unter den vielfältigen Symptomen des unberechenbaren Leidens zu kämpfen, so kommt oft noch ein Unverständnis ihrer Mitmenschen hinzu. Eine Broschüre zu SLE ist deswegen nicht nur an Kranke und Ärzte, sondern auch an die Angehörigen, Freunde und Kollegen der SLE-Patienten gerichtet an alle. Ohne Zweifel ist schon wegen der Kompliziertheit der Erkrankung SLE ein gut verständlicher Leitfaden zu SLE von großem Nutzen. Er soll Interessierten helfen, die Krankheit kennenzulernen oder besser zu verstehen. Er soll den Betroffenen helfen, sicherer zu werden und so den SLE in das Alltagsleben besser einzuordnen. Sie sollen lernen, eigener Experte ihrer Krankheit zu werden. Was das Buch nicht möchte, ist Angst machen. Angst davor, daß der SLE den schlimmsten Verlauf nehmen wird. Angst davor, daß Nichtbetroffene sich mit ihren unspezifischen Beschwerden wiedererkennen und nun glauben, SLE zu haben. Birgitt Klatt, Frankfurt am Main 5

Was ist eigentlich der SLE? Kleine Geschichte der Krankheit wei Tiere haben der Krankheit Lupus erythematodes, Z kurz SLE oder LE, ihren Namen verliehen: der Wolf und der Schmetterling. Lupus heißt im Lateinischen Wolf; Erythematodes bedeutet gerötet. Einem Wolfsbiß ähneln die Hautschäden bei SLE. Auch Schmetterlingskrankheit wird der SLE immer wieder genannt, zu Unrecht, denn die falterförmigen Hautrötungen im Gesicht treten beileibe nicht bei allen SLE-Kranken auf. Der LE blickt bereits auf mehr als 160 Jahre Geschichte zurück: Erstmals wurde er im Jahre 1824 von dem französischen Hautarzt Biett beschrieben. Damals wurden vor allem die Veränderungen der Haut zur Kenntnis genommen. Erst 45 Jahre später wies der ungarische Hautarzt Kaposi darauf hin, daß bei einigen LE-Patienten auch die inneren Organe angegriffen sind. Der amerikanische Arzt Sir William Osler stellte gegen Ende des letzten Jahrhunderts fest, daß bei einem sogenannten systemischen LE (SLE) die inneren Organe, aber nicht die Haut betroffen sein können. Die Diagnose des SLE stellte lange ein schwieriges Problem dar, das bis heute noch nicht vollständig gelöst ist. 1948 wurde allerdings ein wichtiger Fortschritt erzielt: Dr. Malcolm Hargraves von der Mayo-Klinik entdeckte die LE-Zelle, mit deren Hilfe sich eine große Zahl von SLE-Fällen aufdecken ließen. Seit 1954 ist bekannt, daß beim SLE bestimmte Antikörper (Eiweißstoffe der Immunabwehr), welche die eigenen Gewebe des Patienten angreifen, vorkommen. Mit Hilfe empfindlicher Tests können die Antikörper beim Patienten nachgewiesen werden. 6

SLE Rheuma der inneren Organe und der Haut...meine Kollegen sagen, ich würde spinnen. So komische Beschwerden gibt es gar nicht, wie ich sie immer hätte. Und von wegen Müdigkeit, ich solle besser abends früher ins Bett gehen, statt morgens allen vorzustöhnen, daß ich so kaputt bin. Wie soll ich denen erzählen, was mit mir los ist, wenn ich selbst nicht weiß, was ich eigentlich habe. Ich weiß nur, daß die Krankheit einen unaussprechlichen Namen hat: Lupus erythematodes. as hier eine SLE-Patientin aus ihrem Alltag berichtet, ist W typisch: Die Krankheit hat nicht nur einen schwierigen Namen, sie ist auch schwer zu beschreiben und zu fassen, für die Patienten wie für die Ärzte. Der systemische LE (SLE), der eine Vielzahl von Organen befallen kann, wird zu den entzündlich rheumatischen Erkrankungen gerechnet. Man spricht auch vom Rheuma der inneren Organe und der Haut. Im Gegensatz zu den entzündlichen rheumatischen Gelenkleiden wird der SLE zur Gruppe der Kollagenosen gerechnet. Diese Bezeichung rührt von der mittlerweile überholten Annahme her, daß bei diesen Erkrankungen vor allem das Kollagen, der wichtigste Bestandteil des Bindegewebes, in Mitleidenschaft gezogen ist. Heute weiß man, daß es sich um einen viel komplizierteren Krankheitsmechanismus handelt. Zu den Kollagenosen zählen: 1. der systemische Lupus erythematodes (SLE) 2. die Sklerodermie 3. Mischkollagenose MCTD Sharp Syndrom 4. Polymyositis/Dermatomyositis Alle Erkrankungen haben eines gemeinsam: Es werden zahlreiche Antikörper, Abwehrstoffe des Immunsystems, gebildet, die sich gegen Bestandteile des Zellkerns richten. Das können entweder die Zellkernmembran, die schützende Hülle des Zellkerns sein oder die DNS (sie enthält die Erbinformation). 7

Zelle Zellkern Enzymsystem DNS Hüllproteine Oder die Antikörper richten sich gegen die Hüllproteine um die DNS. Warum sie auftreten, ist bislang nicht geklärt. Das Auftreten dieser antinukleären Antikörper (ANA) wird für diagnostische Zwecke genutzt. Die ANA sind für die Entzündungen und Schäden, die der SLE und die anderen Kollagenosen im Körper hervorrufen, verantwortlich. Antikörper und Antigen verbinden sich zu Immunkomplexen, die im Blutkreislauf zirkulieren. Sie lassen sich schließlich in den Blutgefäßen nieder und lösen dort eine Entzündung der Gefäßwand aus. Der ungarische Hautarzt Kaposi unterschied noch im letzten Jahrhundert nur zwischen dem diskoiden (kutanen) LE, bei dem allein die Haut befallen ist, und dem systemischen LE (SLE), der eine Vielzahl von Organen, mitunter auch die Haut, angreift. Heute kennt man mehrere Krankheitsbilder, die dem LE zuzurechnen sind, oder ihm stark ähneln (siehe Seite 24). Am häufigsten sind jedoch der diskoide und der systemische LE (SLE). Ist wie beim diskoiden LE allein die Haut betroffen, so finden sich gerötete und schuppige Stellen, die oft im Zentrum abgeheilt sind, sowie Haarausfall. Meist tritt der Ausschlag im Gesicht oder in anderen lichtexponierten Körperregionen auf. Selten geht die Erkrankung in einen systemischen LE mit Befall innerer Organe über. Der systemische LE ist in der Regel eine chronische entzündliche Erkrankung des Bindegewebes, die in Schüben vonstatten geht. Das Bindegewebe erfüllt im Körper dieselbe Funktion wie der Mörtel beim Haus: Er verbindet und stützt die Ziegelsteine, das Bindegewebe die Zellen der verschiedenen Organe und Blutgefäße. So erklärt sich auch das wechselhafte Erscheinungsbild des SLE. Symptome und Beschwerden treten in denjenigen Organen auf, wo das Bindegewebe gerade eine Entzündung durchmacht, bisweilen auch in der Haut. 8

Warum Autoimmunkrankheit? er systemische Lupus Erythematodes ist eine Autoimmun- D krankheit. Dabei richten sich Abwehrstoffe und Zellen des Immunsystems gegen die körpereigenen Gewebe und zerstören sie. Ein kurzer Abriß des Immunsystems verdeutlicht, welche Mechanismen bei der unsinnigen Selbstzerstörung des Körpers fehlgesteuert werden. Das Immunsystem ist mit seinen Millionen Zellen im gesamten Körper aktiv. Es wehrt den Angriff von Bakterien, Viren und Pilzen etc. ab. Die Körperpolizei hat ihren Hauptsitz in den Lymphknoten und schickt von dort ihre Truppen, bestimmte weiße Blutzellen, aus, um fremde Eindringlinge abzufangen und zu vernichten. Aus der Thymusdrüse und dem Knochenmark werden immer wieder neue Truppen von Abwehrzellen rekrutiert. Auch die Gaumen- und Rachenmandeln, die Milz sowie das lymphatische Gewebe in der Lunge und im Darm gehören zum Netz der Immun-Polizeistationen des Körpers. Zum Immunsystem gehören mehrere Typen von weißen Blutzellen. In einem komplizierten Zusammenspiel bewältigen sie die anspruchsvollen Aufgaben der Immunabwehr. 1. Die T-Lymphozyten. Sie werden im Thymus gebildet und entwickeln sich entweder zu Helfer-T-Zellen, Unterdrücker- T-Zellen oder Killer-T-Zellen. Diese erkennen eingedrungene Fremdkörper als fremd, rufen andere Zellen zum Angriff herbei, vernichten die feindlichen Erreger und setzen dem Kampf schließlich ein Ende. 2. Die B-Lymphozyten. Durch die Produktion von Antikörpern neutralisieren sie Viren und Bakterien. 3. Die Granulozyten. In ihrem Zelleib tragen sie Granula (Körnchen), in denen sich aggressive Enzyme (Eiweißstoffe) zur Vernichtung von Bakterien befinden. 4. Die Makrophagen (Freßzellen). Sie werden von den T-Helferzellen herbeigerufen und fressen die eingedrungenen Erreger in den Körperzellen auf. Außerdem: Sie bieten den T-Zellen kleine Portionen des verdauten Fremdlings an, so daß diese ihn auch als fremd erkennen und entsprechend reagieren können. Normalerweise funktioniert die vereinte Abwehr von fremden Organismen gut. Das Immunsystem kann unterscheiden, ob es sich um die eigenen oder um fremde Zellen handelt. Doch bei 9

einigen Erkrankungen ist das Immunsystem dazu nicht mehr in der Lage. Warum dies so ist, konnte trotz intensiver Forschung bislang nicht erklärt werden. Bei den entzündlichen rheumatischen Erkrankungen und den Kollagenosen werden vor allem Bestandteile des Bindegewebes angegriffen. Viren Fremdstoffe Bakterien Pilze Parasiten Immunologie: Abwehr gegen Bedrohungen von außen und innen Meist sind Frauen betroffen Tumorzellen LE kann jeder bekommen; doch 80 bis 90 Prozent der Be- Stroffenen sind Frauen. Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter ihren Anfang nehmen. Am häufigsten setzt sie jedoch im Alter zwischen 20 und 45 Jahren im gebärfähigen Alter der Frau ein. Auf 100.000 Menschen kommen rund 50 SLE-Patienten, wird geschätzt. Amerikanische Statistiken besagen, daß etwa ein Prozent der weißen Frauen in den USA betroffen sind. Die schwarze Bevölkerung soll rund dreimal häufiger befallen sein. Für die Bundesrepublik Deutschland gibt es keine statistischen Angaben; es wird mit mehreren 10.000 SLE-Patienten gerechnet. 10

Ursachen und Vererbung ie Ursachen der Autoimmunkrankheit liegen nach wie vor D im Dunkeln. Es gibt bislang keinen eindeutigen Beweis dafür, daß etwa ein Erreger, zum Beispiel ein Virus, oder ein anderer Umweltfaktor ausschlaggebend sind und die Selbstzerstörung des Körpers in Gang setzen. Bestimmte Medikamente können zwar eine Erkrankung auslösen, die dem SLE stark ähnelt. Diese verschwindet jedoch, wenn die Medikamente abgesetzt werden. Welche Rolle spielt die Vererbung? Aus Zwillingsstudien weiß man, daß Erbfaktoren beim SLE einen Einfluß ausüben können. Ist ein Zwilling erkrankt, so erkrankt bei einem Drittel der eineiigen Zwillingspaare auch der zweite an SLE. Etwa 10 Prozent der SLE-Kranken haben einen näheren Verwandten mit SLE; rund 20 Prozent einen Angehörigen mit einer anderen Autoimmunkrankheit, etwa Schilddrüsenversagen oder Diabetes. Weitere 15 Prozent der Angehörigen weisen antinukleäre Antikörper (ANA), aber keine Krankheitssymptome auf. Die Polizeiarbeit des Immunsystems wird von einer Vielzahl von Genen gesteuert. Eine Gruppe von Genen, der sogenannte Major Histocompatability Complex (MHC), ist besonders wichtig. Sie sind auf dem sechsten Chromosom lokalisiert und machen bei besonderen Konstellationen für eine Autoimmunerkrankung anfällig. Die MHC- Gene steuern die Produktion bestimmter Proteinmoleküle auf der Zelloberfläche, der sogenannten HLA-Antigene. Diese haben eine wichtige Aufgabe bei der Immunabwehr: Wie auf einem Präsentierteller bieten sie den T-Zellen die Proteine dar, damit diese entscheiden, ob es sich um eigenes oder fremdes Eiweiß handelt. Untersucht man Patienten mit SLE, so findet man meist bestimmte HLA-Antigene, HLA-DR2 oder DR3 und HLA-DQ. Sie sind wiederum mit der Produktion bestimmter antinukleärer Antikörper verknüpft. Genetisch bedingt ist ebenfalls das Fehlen oder die mangelhafte Produktion sogenannter Komplementfaktoren im Blut von SLE-Kranken. Diese Proteine spielen in der Immunabwehr eine wichtige Rolle. Bislang wurde eine Vielzahl von Genen mit SLE in Zusammenhang gebracht. Möglicherweise ist die Krankheit bei einigen Patienten rein genetisch bedingt; bei anderen könnten dagegen Umweltfaktoren den Autoimmunprozeß auslösen. 11

Hormone, Sonnenlicht und Streß uch wenn bislang keine Ursache des SLE gefunden wurde, A sind doch mehrere Faktoren bekannt, die sein Auftreten begünstigen. Aus der Tatsache, daß vor allem Frauen im gebärfähigen Alter betroffen sind, läßt sich auf einen Faktor schließen: die weiblichen Geschlechtshormone, die Östrogene. Sie fördern die Entstehung von SLE. In der Schwangerschaft kann sich der SLE verschlechtern und die Patientin einen Schub bekommen. Auch Sonnenlicht, genauer der ultraviolette Anteil, kann einen SLE aktivieren. Infektionskrankheiten, körperliche und seelische Belastung (Streß) sowie bestimmte Medikamente können ebenfalls ein Aufflackern des SLE bewirken. Mit der Krankheit leben as bedeutet die Diagnose SLE? Wie sind die Lebensaus- W sichten der Betroffenen? So verschiedenartig das Erscheinungsbild der Erkrankung ist, so wechselhaft ist auch ihr Verlauf. Rund 20 Prozent der Fälle verlaufen ausgesprochen schwer, 80 Prozent mittelschwer oder leicht. Nur bei wenigen Patienten ist der SLE ständig aktiv. Zwischen den Schüben sind manche Patienten völlig beschwerdefrei, andere haben noch geringe Krankheitszeichen. Mitunter verschwindet der SLE wieder von allein; manchmal nimmt er einen raschen bösartigen Verlauf. Für manche Patienten ist die Erkrankung spürbar: Sie leiden unter Haut- und Gelenkschmerzen sowie einem schlechten Allgemeinzustand. Andere spüren fast nichts, dabei ist ihr SLE weitaus bedrohlicher, da er die Niere befallen hat. In seltenen Fällen kann dies sogar tödlich sein. Ist der SLE unberechenbar und springt von einem zum anderen Organ? Meist kann davon ausgegangen werden, daß er dort, wo er sich einmal eingenistet hat, auch verbleibt. In der Regel läßt die Intensität der Krankheit im Laufe der Jahre nach. Die Schübe werden seltener und weniger stark. Wichtig ist eine frühe Diagnose und Behandlung. Je früher Medikamente (Steroide und Immunsuppressiva) eingesetzt werden, desto besser ist die Prognose. 12

Wie ist der Stand der Forschung? erichte über neuere Forschungsarbeiten zu SLE sind sel- B ten. SLE-Patienten könnten deshalb den Eindruck gewinnen, daß sich auf diesem Gebiet wenig tut. Dies trifft jedoch nicht zu. Es gibt viele neue Ansätze, sowohl bei der Erforschung der Ursachen von SLE wie auch bei seiner Behandlung. Um diese Ansätze zu überprüfen, sind jedoch Langzeitstudien nötig, deren Ausgang ungewiß ist. Außerdem: Vielversprechende Studien müssen aus den unterschiedlichsten Gründen immer wieder aufgegeben werden. Es wäre deshalb nicht sinnvoll, im Rahmen dieser Broschüre hoffnungsvolle Berichte zu veröffentlichen, die womöglich in kurzer Zeit wieder überholt wären. Sicher ist, daß in den meisten deutschen Universitätskliniken, insbesondere in den immunologischen Abteilungen, Ursachenforschung zu Autoimmunkrankheiten, auch SLE, betrieben wird. Über einen der Forschungsansätze, die bereits seit längerer Zeit in verschiedenen Kliniken untersucht werden, kann hier berichtet werden. Hormone Wegbereiter des SLE und 90 Prozent der SLE-Patienten sind Frauen; meist sind R sie im gebärfähigen Alter, wenn die Krankheit einsetzt. Die weiblichen Geschlechtshormone werden deshalb als Wegbereiter des SLE und nicht nur als auslösende Faktoren verstanden. Doch wie und warum sie den SLE begünstigen, ist bislang nicht bekannt. Forschungsergebnisse weisen jedoch immer wieder auf ihre große Bedeutung hin. Frauen sind besser als Männer gegen Infektionen gefeit. Sie sind ihnen bei der Produktion von Antikörpern überlegen. Auch ihre Immunzellen reagieren anders: Organtransplantate werden eher abgestoßen. Östrogene modulieren demnach die Immunabwehr. Zum Teil geschieht dies über ihren Einfluß auf die T-Zellen des Immunsystems, die Rezeptoren, spezifische Andockmoleküle auf der Zelloberfläche, für Östrogene besitzen. Eine Schwangerschaft kann den Verlauf von Autoimmunerkrankungen beeinflussen. Patientinnen mit rheumatoider 13

Polyarthritis spüren meist eine Besserung. Bei SLE ist der Effekt nicht eindeutig. Zudem sind sich die Experten nicht einig: Einem Drittel der Frauen geht es besser, ein Drittel spürt keine Veränderung und einem Drittel geht es schlechter, sagen die einen. Andere Fachleute schreiben jeder Schwangerschaft einen schlechten Einfluß auf den SLE zu. Auch orale Kontrazeptiva (Pille) auf Östrogenbasis können die Erkrankung zum Aufflackern bringen. Es gibt Hinweise dafür, daß SLE-Kranke einen anderen Östrogen-Stoffwechsel haben als Gesunde. Sowohl Männer als auch Frauen mit SLE haben erhöhte Östrogen-Spiegel. Auch in Tierversuchen konnte die Bedeutung der Östrogene für SLE nachgewiesen werden. Bei einem Mäusestamm, der eine genetische Veranlagung für SLE besitzt, konnten die weiblichen Tiere durch Kastration vor einem SLE der Niere bewahrt oder zumindest zeitweise geschützt werden. Obwohl diese Ergebnisse eindeutig sind, können heute noch keine therapeutischen Schlüsse gezogen werden. (Hormonpräparate, etwa zur Verhütung, müssen selbstverständlich vorsichtig und überlegt angewendet werden.) Ein massiver Eingriff wie eine Kastration zur Behandlung von SLE kommt sicher nicht in Frage. Noch ist nicht bekannt, wie die Hormone die Reaktion des Körpers auf Umweltfaktoren modulieren. Erst dann könnte daran gedacht werden, in das Wechselspiel mit Medikamenten einzugreifen. 14

Organbeteiligung bei SLE Allgemeine Symptome ie Energie läßt nach, Müdigkeit und Frösteln werden zum D ständigen Wegbegleiter. Leichtes Fieber um 38 Grad Celsius setzt ein, und neue Krankheitszeichen treten hervor. Für SLE-Patienten, die ihre Krankheit kennen, sind dies klare frühzeitige Warnsignale, daß ein neuer Schub bevorsteht: Sie suchen den Arzt auf, damit gegebenenfalls eine weitere Therapie eingeleitet wird. Was nach den ersten Allgemeinsymptomen folgt, ist allerdings für jeden Betroffenen unterschiedlich; mitunter liegen Jahre Augen Haut Schleimhäute Speichel- und Tränendrüsen Zentrales Nervensystem (ZNS) Haare Gelenke / Sehnen Muskulatur Verdauungstrakt Leber Magen Darm Herz / Lunge Blutgefäße Nieren Bauchspeicheldrüse Unterleibsorgane 15

oder Jahrzehnte zwischen den ersten allgemeinen Symptomen und dem Befall der Organe. Bei einigen Patienten ist stets nur ein einziges Organ betroffen. Andere haben eine bestimmte Gruppe von Symptomen; bei einer kleineren Gruppe springt der SLE von Organ zu Organ oder breitet sich aus. Allgemeine Schmerzen, Schwäche, Ermüdbarkeit, Gewichtsverlust, Erschöpfungszustände und leichtes Fieber sowie Frösteln gehen meist mit einem aktiven SLE einher. Ein Teil der Patienten leidet ein Leben lang unter diesen Symptomen. Leichte Temperaturerhöhungen um 38 Grad Celsius, die meist am späten Nachmittag auftreten, können auf eine schwelende SLE-Aktivität hinweisen. Haut, Schleimhäute und Haare und 70 Prozent der SLE-Patienten haben im Verlauf der R Erkrankung Veränderungen an der Haut. Etwa die Hälfte ist bereits zu Beginn betroffen. Meist wird angegeben, daß Sonnenbestrahlung, Kosmetika und Medikamente schon immer schlecht vertragen wurden. Nur etwa ein Viertel der SLE-Kranken zeigen das als typisch angesehene Schmetterlings-Erythem auf Wangen und Nase. Es kommen vielmehr zahlreiche uncharakteristische Hautausschläge vor. Meist sind sie im Gesicht oder auf der Brust lokalisiert, seltener auf Armen und Beinen oder Körperstamm. Sogenannte diskoide Läsionen, die für Patienten mit einem rein die Haut betreffenden LE typisch sind, können auch bei systemischem LE vorkommen. Bei rund 40 Prozent der SLE-Patienten treten kleine Schleimhautgeschwüre in der Schleimhaut von Mund, Nase und Rachen auf. Verlust des Kopfhaares (Alopezie) ist ein häufiges Symptom bei SLE. Drei Krankheitsmechanismen können verantwortlich sein: Die diskoiden Läsionen können zum Untergang der Haarfollikel in einem definierten Areal führen, der meist irreversibel ist. Die allgemeine Streß-Situation, die ein SLE-Kranker durchmacht, stoppt das Haarwachstum, indem sie den Haarfollikel vorzeitig in eine Ruhephase versetzt. Nach etwa drei Monaten fällt dann das Haar aus. Der Haarausfall ist diffus und nur vorübergehend. Außerdem kann bei SLE das Haarwachstum gestört sein. Die Haare werden dünn und wollartig, brechen ab 16

und gehen bereits bei geringer Einwirkung von außen aus. Auch diese Alopezie verschwindet, wenn die Krankheit therapeutisch im Griff ist und zum Stillstand kommt. Muskeln, Gelenke, Sehnen und Knochen. eichte Ermüdbarkeit und Schwächegefühl sind häufig die L ersten Anzeichen für einen SLE. Sie treten allerdings auch bei vielen anderen Erkrankungen auf. Gelenkschmerzen kommen oft vor und ähneln denen einer rheumatoiden Arthritis. Typischerweise ist aber die Steifigkeit der Gelenke am Morgen bei SLE weniger stark ausgeprägt. Nahezu die Hälfte aller Patienten leiden im Verlauf des SLE an Gelenkentzündungen (Arthritis), die aber selten die Gelenke zerstören. Es sind sowohl kleine als auch große Gelenke betroffen. Bevorzugt werden die Finger-, Knie- und Sprunggelenke. Rheumaknoten und Sehnenscheidenentzündungen können ebenfalls zum Erscheinungsbild des SLE gehören. In der Nähe des betroffenen Gelenks kommt es zum Knochenschwund (Osteoporose). Selten sind Fehlstellungen des Gelenks. Am Oberarm und Oberschenkel können nicht-infektiöse Knochennekrosen (Untergang von Knochengewebe) auftreten. Niere eden Tag filtert die Niere bis zu 180 Liter Flüssigkeit aus J dem Blut, scheidet 1,4 Gramm Kochsalz und zahlreiche Schadstoffe aus. Sie reguliert die Konzentration lebenswichtiger Elektrolyte wie Kalium und Natrium im Blut und entsorgt Abbauprodukte des Proteinstoffwechsels (Harnstoff und Kreatinin). Wichtige chemische Blutbestandteile, zum Beispiel Blutproteine, hält sie zurück. Bei vielen SLE-Kranken ist die Niere angegriffen. Meist merkt der Patient zunächst nichts oder wenig davon. Nicht immer muß eine Nierenentzündung (Nephritis) schwere Symptome hervorrufen. Bei einem Teil der Betroffenen findet man im Urin lediglich rote Blutkörperchen und eine geringe Menge Eiweiß. Ein zweite Gruppe von Patienten hat Wassereinlagerungen in den Beinen, manchmal auch im Rippenfell und Bauchraum. 17

Der Eiweißgehalt des Urins ist hoch, die Nierenfunktion jedoch normal und der Blutdruck, der bei Nierenschäden meist steigt, nur wenig erhöht. Ein dritter Typ von Nierenbeteiligung bei SLE hat weitaus drastischere Konsequenzen: Die Patienten haben einen schlechten Allgemeinzustand, im Urin sind Eiweiß und rote Blutkörperchen stark vermehrt. Ohne Therapie drohen die Blutwäsche (Dialyse) oder eine Nierentransplantation. Herz er SLE kann alle Teile des Herzens befallen. Am häufigsten D trifft dies für den Herzbeutel zu, wo er eine Entzündung mit einem Erguß (Perikarditis) hervorrufen kann. Meist hat dies jedoch keine schwerwiegenden Konsequenzen für den Patienten. Ist der Herzmuskel entzündet (Myokarditis), kann dessen Pumpkraft erlahmen und ein Herzversagen drohen. Der Patient klagt dann über Atemnot, Wassereinlagerungen und Müdigkeit. Auch die Herzinnenhaut, das Endokard, das die Herzkammern und Klappen auskleidet, kann sich, wenn auch selten, beim SLE entzünden (Endokarditis Libman-Sacks). Die Einlagerung der Immunkomplexe führt jedoch fast nie zu Störungen; Herzklappen sind kaum geschädigt. Vor allem bei einem langjährigen Verlauf des SLE spielen die Veränderungen in den Koronararterien eine Rolle. Die Arteriosklerose, die schließlich bei einigen Betroffenen zum Herzinfarkt führt, hat mehrere Ursachen: Entzündungen durch Ablagerung von Immunkomplexen in den Koronararterien und die Auswirkung einer langfristigen Behandlung mit Kortikosteroiden. Diese Medikamente erhöhen die Blutfette, begünstigen einen hohen Blutdruck, Diabetes und Übergewicht. Bedrohliche Herzrhythmusstörungen sind bei SLE selten, auch wenn sich gehäuft EKG-Veränderungen finden. Lunge ei 30 bis 60 Prozent der SLE-Patienten tritt eine Entzün- B dung des die Lunge umspannenden Rippenfells auf (Pleuritis), die meist von einem Erguß begleitet wird. Im schlimmsten Fall haben die Betroffenen Atemnot und Brustschmerzen und müssen mit Kortikosteroiden behandelt 18

werden. Die chronische Lungenentzündung (Pneumonie) durch SLE kann bei Bedarf ebenfalls damit in Schach gehalten werden. Eine akute Lupus-Pneumonie äußert sich mit Fieber, Atemnot, Auswurf und Brustschmerzen. Auch hier sind Kortikosteroide angezeigt. Gefäßsystem ut ein Viertel der SLE-Patienten leiden unter dem soge- G nannten Raynaud-Syndrom: Bei Kälte werden die Finger kalt und weiß. Erwärmt man die Hand, so verfärben sich die Finger zunächst tiefblau, dann rot und schmerzen. Mitunter ist der Krampf in den Blutgefäßen, der für diese Symptome verantwortlich ist, so stark, daß kleine Geschwüre an den Fingerspitzen entstehen. Entzündungen der Blutgefäße (Vaskulitis) können praktisch in jedem Organ vorkommen. An der Haut führen sie zu netzförmigen blauen Verfärbungen und zu Geschwüren an den Unterschenkeln. Viele der bereits beschriebenen Organveränderungen sind eine Folge von Gefäßentzündungen. Auch Thrombosen und Embolien können als Folge der Gefäßentzündung auftreten. Zentrales Nervensystem as Zentrale Nervensystem (ZNS) besteht aus Gehirn, Hirn- D stamm und Rückenmark. Es steuert sämtliche bewußten und unbewußten Körperfunktionen und ist Sitz des menschlichen Bewußtseins. Befällt der SLE das Gehirn, so hat dies schwerwiegende Konsequenzen für den Betroffenen. Die Schäden im Gehirn können sehr vielseitig sein. Frühe Anzeichen sind: Konzentrationsstörungen, Vergeßlichkeit, Wortfindungsstörungen aber auch Depression, Agressivität oder Migräne. Eine frühe Diagnose ist für eine rechtzeitige Behandlung wichtig, jedoch äußerst schwierig. Der Arzt muß unterscheiden, ob es sich bei den Beschwerden um Nebenwirkungen einer langfristigen Behandlung, zum Beispiel von Kortikosteroiden, handelt, oder um eine eigenständige SLE-Erkrankung des ZNS, bzw. die psychischen Auswirkungen der chronischen Erkrankung SLE. 19

Herkömmliche neurologische Untersuchungen wie das EEG (Elektroenzephalogramm), CT (Computertomographie) und MRT (Magnetresonanztomographie) bringen oft normale Befunde. Vor allem psychiatrische Symptome bestimmen das klinische Bild der Gehirnbeteiligung beim SLE. Organische Psychosen mit optischen und akustischen Halluzinationen und Wahnvorstellungen sind häufig anzutreffen, ebenso Depressionen und manische Zustände (Euphorie). Andere Patienten klagen über Ängste, die in keinem Verhältnis zur Realität stehen. Denken und Gedächtnis bleiben dabei in der Regel normal. Seltener geben Patienten den Verlust an intellektuellen Fähigkeiten oder Verwirrtheit an. Ein anderes zerebrales Symptom sind epileptische Krampfanfälle. Es ist oft schwierig zu unterscheiden, ob das Anfallsleiden Symptom der ursprünglichen Krankheit SLE ist, oder ob der SLE erst durch ein Mittel gegen Epilepsie ausgelöst wird. (Einige Medikamente gegen Epilepsie können einen SLE nachahmen.) Der SLE kann auch Schlaganfälle verursachen. Diese werden entweder durch Durchblutungsstörungen in den entzündeten Gefäßen, Hirnblutungen, Blutgerinnsel oder eine verminderte Gerinnungsfähigkeit des Blutes ausgelöst. Schlaganfallpatienten können gelähmt, in Sprache, Wortverständnis oder Sehen beeinträchtigt sein, je nachdem, welches Areal des Gehirns von dem Infarkt betroffen ist. Bis zu einem Viertel der SLE-Patienten leiden an starkem Kopfschmerz, verbunden mit Übelkeit und Erbrechen sowie Lichtempfindlichkeit. Eine seltenere Komplikation des SLE sind Störungen der Bewegungskoordination. Häufiger als das Parkinson-Syndrom (Schüttellähmung) ist die symptomatische Chorea, die mit überschießenden, fahrigen Bewegungen einhergeht. Bei einer Beteiligung des Hirnstamms sind in erster Linie die Hirnnerven betroffen, welche die Kopfmuskulatur und die Sinnesorgane versorgen. Die Augenbewegung kann nicht mehr kontrolliert werden, der Patient sieht Doppelbilder. Ist der Sehnerv entzündet, so kann es zu verschwommenen Seheindrücken kommen. Das Gesicht fühlt sich taub an und ist unbeweglich. Hören, Sprechen und Schlucken sind beeinträchtigt. 20

Sind die Nervenleitungsbahnen im Gehirn betroffen, so kommt es zu Bewegungs- und Empfindungsstörungen in Armen und Beinen. Das Rückenmark ist selten von der SLE-Entzündung befallen. Manchmal sind Lähmungen jedoch die ersten Anzeichen der Erkrankung. Es kann sogar zur Querschnittslähmung kommen. Diese bildet sich durch die hochdosierte Behandlung mit Kortikosteroiden wieder nahezu vollständig zurück. Auch die peripheren Nerven können von SLE betroffen sein. Bei einer derartigen Polyneuropathie werden Beine und Füße taub und schwach. Verletzungen und Temperaturschwankungen werden nicht mehr wahrgenommen. Die Patienten können sich Wundinfektionen zuziehen. Blut atienten mit SLE leiden häufig an Blutarmut und haben Peine geringe Anzahl an roten Blutkörperchen. Auch die Zahl der weißen Blutkörperchen kann abnehmen auf etwa 2500-3000 pro Kubikmillimeter (normal sind 4000-10.000 pro Kubikmillimeter). Dazu kann ein Mangel an Blutplättchen kommen, der die Gerinnbarkeit des Blutes herabsetzt. Die Blutproteine können ebenfalls verändert sein. Magen, Darm, Leber und Bauchspeicheldrüse iele SLE-Patienten entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung VBeschwerden des Verdauungstraktes. Meist nimmt die Organbeteiligung einen leichten Verlauf. Komplikationen wie schwere Blutungen, Perforation (Durchbruch) oder Geschwürbildung sind selten. Mikroskopische Untersuchungen von Speiseröhre, Bauchspeicheldrüse, Leber, Magen, Dick- und Dünndarm sowie des Bauchfells von SLE-Kranken haben gezeigt, daß kleine Blutgefäße entzündet sind. Die Mangeldurchblutung der Organe kann schließlich zu Geschwüren führen. In der Speiseröhre kann dies schmerzhafte Schluckbeschwerden hervorrufen. Symptome der Magen-Darm-Beteiligung sind Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl und Leibschmerzen sowie 21

Durchfall. In seltenen Fällen ist die Leber und Bauchspeicheldrüse befallen. Erkrankungen des Verdauungstraktes können auch durch die Einnahme bestimmter Medikamente wie Antirheumatika, Kortikosteroide und Immunsuppressiva verursacht werden. Augen ei etwa einem Fünftel aller Patienten mit SLE sind die B Augen in Mitleidenschaft gezogen. Dazu kommen die Schäden durch Medikamente, die zur Behandlung des SLE eingenommen werden müssen. Wie alle unbedeckten Hautpartien können auch die Augenlider betroffen sein. Zunächst kommt es zur Schwellung, dann zu SLE-typischen Hautveränderungen. Schmerzen, Fremdkörpergefühl, Lichtempfindlichkeit und Sehminderung: Das sind die Beschwerden, die sich beim Befall der Binde- und Hornhaut einstellen. Die Tränenproduktion versiegt. Es kommt zum Krankheitsbild des trockenen Auges, das sich auch beim Sjögren-Syndrom findet. Die Hornhaut kann ihre Klarheit verlieren, Infektionen und Geschwüre stellen sich ein. Auch die unter der Bindehaut gelegene Lederhaut kann sich entzünden. Meist zeigt sich dann ein stark gerötetes Knötchen unter der Bindehaut, und es treten starke Schmerzen auf. Besonders wichtig sind die Netzhautschäden bei SLE. Kleine Blutungen in der Netzhaut sowie blockierte Gefäße führen zum Zelluntergang in der Netzhaut. Ist der Ort des schärfsten Sehens, die Makula, davon betroffen, so wird das Sehen stark beeinträchtigt. Kortikosteroide, die beim SLE eingenommen werden, können zu Schäden am Auge führen. Nach langer Einnahme führen sie zu grünem (Glaukom) und grauem Star (Katarakt). Beim Glaukom ist der Innendruck des Auges erhöht, so daß der Sehnerv geschädigt wird. Bei dem Katarakt ist die Augenlinse getrübt und muß unter Umständen entfernt und durch eine Kunststofflinse ersetzt werden. Auch die Antimalariamittel Hydroxychloroquin und Chloroquin (Handelsnamen Quensyl, Resochin), die zur Behandlung des SLE eingesetzt werden, können Schäden am Auge verursachen. Bei 30 Prozent der Patienten treten Einlagerungen in der 22

Hornhaut auf, die allerdings reversibel sind. Aber auch die Netzhaut kann geschädigt werden. Dann ist das Sehvermögen beeinträchtigt und das Farbsehen gestört. Diese Symptome werden durch Einlagerungen des Medikaments in die Netzhaut hervorgerufen. Sie sind irreversibel. Genitalorgane ie Menstruation kann bei SLE-Patientinnen unregelmäßig Dwerden, oder über Monate hinweg ganz ausbleiben. Oft besteht dabei ein Zusammenhang mit der Aktivität des SLE. Das Ausbleiben der Regelblutung kann jedoch auch die Folge einer Behandlung mit Zytostatika wie Endoxan sein. Ist die Krankheit unter Kontrolle gebracht, normalisiert sich auch der Zyklus. Manche schwangere SLE-Patientinnen neigen zu Aborten und Frühgeburten. Die Sekretion der Vaginalschleimhaut kann gestört sein. Die mangelhafte Befeuchtung tritt auch beim Sjögren-Syndrom auf. 23

Weitere SLE- und SLE-verwandte Krankheitsbilder SLE durch Medikamente ine Vielzahl von Medikamenten kann ein SLE-ähnliches ESyndrom auslösen. Vier davon sind besonders wichtig: Hydralazin (gegen Bluthochdruck), Hydantoin (gegen Epilepsie) sowie Sulfonamide und Penizillin (gegen Infektionen). Die Nieren oder das Zentrale Nervensystem sind fast nie beteiligt. Alle Symptome verschwinden nach dem Absetzen manchmal sofort, manchmal erst nach Monaten. Menschen, bei denen ein bestimmter Stoffwechselschritt (Azetylierung) in der Leber zum Abbau von Arzneimitteln aus genetischen Gründen nur langsam vonstatten geht, entwickeln eher einen medikamenteninduzierten SLE. Etwa die Hälfte der Bevölkerung sind langsame Azetylierer. SLE bei Neugeborenen und Kindern er neonatale Lupus tritt bei Neugeborenen von Müttern mit DSLE auf. Er ist einzigartig, weil Autoantikörper der Mutter (Anti-Ro) über die Plazenta auf das Kind übertragen werden und bei ihm einen SLE auslösen können. Meist haben die Neugeborenen einen Ausschlag im Gesicht. Bei einem kleinen Prozentsatz können aber auch Herz und Lunge betroffen sein. Innerhalb des ersten Lebensjahres bilden sich die Symptome meist zurück. SLE ist auch eine Erkrankung des Kindesalters. In den USA treten jährlich fünf bis zehn neue Fälle pro Million Kinder unter 14 Jahren auf. Bei Kindern über zehn Jahren sind Jungen sehr viel seltener betroffen als Mädchen. Häufig gibt es weitere Angehörige mit SLE oder einer anderen Autoimmunkrankheit. Die meisten erkrankten Kinder leiden an Müdigkeit und Unwohlsein, Gewichtsverlust, Gelenkschmerzen und leichtem Fieber. Meist wird die Diagnose erst nach Monaten gestellt. Alle Organe können betroffen sein. Bei der Behandlung müssen die schweren Nebenwirkungen der Medikamente sorgfältig gegen ihre Vorteile abgewogen werden. 24

SLE bei Männern LE ist bei Männern eine sehr seltene Erkrankung. Die S weiblichen Sexualhormone (Östrogene) haben entscheidenden Einfluß auf den Verlauf des SLE bei Frauen. Daraus ergeben sich für den SLE bei Männern zwei Fragen: Handelt es sich dabei um eine andere Krankheit? Und unterscheiden sich betroffene Männer von nicht betroffenen in der Bildung von Sexualhormonen? Eine kanadische Untersuchung an der Wellesley LE-Klinik in Toronto hat gezeigt, daß 51 männliche SLE-Kranke keine Anomalien der geschlechtsbestimmenden Chromosomen, jedoch erhöhte Östrogenspiegel im Blut aufwiesen. Diese könnten, so vermuten die Wissenschaftler, eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Krankheit spielen und zudem für die Therapie des SLE von Bedeutung sein. Die Krankheitssymptome der männlichen SLE-Patienten unterscheiden sich nicht von denen an SLE erkrankter Frauen. Sjögren-Syndrom as Sjögren-Syndrom (SS) ist eine Entzündung der Tränen- D und Speicheldrüsen sowie der Drüsen der Schleimhäute. Die Drüsen sind geschädigt und bilden weniger Sekret. Frauen sind neunmal häufiger betroffen als Männer. Ist die Tränendrüse angegriffen, so wird zuwenig Tränenflüssigkeit produziert: Das Auge wird gereizt und rot und schmerzt. Der Mangel an Sekret in den Speicheldrüsen führt zur Mundtrokkenheit. Die Speicheldrüsen können schmerzhaft geschwollen sein. Die Krankheit kann sich auf den ganzen Körper ausweiten. Dann klagt der Patient über Fieber, Abgeschlagenheit, Muskelund Gelenkschmerzen. Mitunter entwickelt sich das SS auch zusätzlich zu einer anderen Erkrankung. Meist handelt es sich dabei um eine chronische Polyarthritis oder SLE. Dann wird von einem sekundären Sjögren-Syndrom gesprochen. Das Sjögren-Syndrom gehört ebenfalls zu den Autoimmunkrankheiten. Die Therapie beschränkt sich meist auf den künstlichen Ersatz der Tränen- und Speichelflüssigkeit. Ansonsten kommen dieselben Medikamente zum Einsatz wie bei SLE. (siehe Merkblatt 1.11 Das Sjögren-Syndrom der Deutschen Rheuma-Liga) 25

Mischkollagenosen ie Mischkollagenose wurde erstmals 1972 von Sharp als D eigenständiges Krankheitsbild beschrieben. Sie wird auch Sharp Syndrom und MCTD (Mixed Connective Tissue Disease) genannt. Es handelt sich dabei um klinische überlappende Bilder von SLE, Sklerodermie und Polymyositis (beides Kollagenosen). Sie werden von einem Spektrum charakteristischer serologischer Befunde begleitet. Bei 100 Prozent der Patienten findet man antinukleäre Antikörper (ANA) gegen Ribonucleoprotein (nrnp), einen Bestandteil der Zelle. Verlauf und Prognose des MTCD sind günstig, da das zentrale Nervensystem und die Nieren nur selten betroffen sind. Meist ist das erste Symptom bei MTCD ein ausgeprägtes Raynaud-Phänomen (kälteinduzierte schmerzhafte Blau-Weiß- Färbung der Finger durch heftigen Gefäßkrampf). Oft haben die Patienten Gelenk- und Muskelschmerzen, geschwollene Hände und Füße und vergrößerte Lymphknoten. Bei rund zwei Drittel wird im Verlauf der Erkrankung die Lunge befallen. Eine Behandlung mit niedrig dosierten Kortikosteroiden reicht meist aus, um die Krankheit im Schach zu halten. Antiphospholipid-Syndrom nfang der achtziger Jahre fanden britische Wissenschaftler A einen Antikörper im Blut von SLE-Patienten, den sie Antiphospholipid nannten. Rund ein Drittel aller SLE-Kranken hat diesen Antikörper gegen Phospholipid, ein wichtiger Bestandteil der Zellmembran. Für ein Drittel der Antikörperträger hat dies Konsequenzen: Sie haben Venenentzündungen und Lungenembolien, einen Mangel an Blutplättchen, kleine Schlaganfälle, Anämie oder eine Entzündung der Herzinnenhaut. Auch eine Anfälligkeit für Fehlgeburten im zweiten Drittel der Schwangerschaft steht im Zusammenhang mit Antiphospholipid. Nicht nur SLE-Patienten haben den Antikörper, sondern auch rund 20 Prozent der an chronischer Polyarthritis oder einer anderen entzündlich rheumatischen Erkrankung leidenden Menschen. Auch 2 Prozent der gesunden Bevölkerung sind betroffen. Man spricht vom Antiphospholipid-Sydrom, wenn der Antikörper gefunden wird und einige der genannten klinischen Befunde vorliegen. 26

Wie wird die Diagnose SLE gestellt? ie Diagnostik des SLE hat ihre Tücken: Es gibt keine ein- Dheitliche Symptomgruppe und kein einheitliches Krankheitsbild. SLE kann die Symptome vieler anderer Krankheiten vortäuschen und viele unterschiedliche Körperteile befallen. Selbst die erfahrensten Ärzte können dadurch in die Irre geführt werden. Recht einfach ist die Diagnose des diskoiden LE, der sich fast immer auf die Haut beschränkt. Er kann meist schon an der Vorgeschichte und an dem Erscheinungsbild des Ausschlags erkannt werden. Eine Hautbiopsie kann letzte Klarheit bringen. Doch muß jeder Patient, einschließlich Labortests, eingehend körperlich untersucht werden, um einen systemischen LE auszuschließen. Die Diagnose des systemischen LE ist schwieriger. Es können monatelange Beobachtung und zahlreiche Labortests sowie andere Untersuchungen erforderlich sein, bis die Diagnose feststeht. Viele Patienten glauben aufgrund der unterschiedlichen Symptome an einer anderen Krankheit zu leiden. Hier werden nun Tests erläutert, die zur Diagnose des SLE zum Einsatz kommen. Insgesamt sind zur Diagnose und Kontrolle von Organerkrankungen beim SLE Herz, Lunge, Verdauungstrakt, Gefäße usw. verschiedene Untersuchungen unumgänglich. Dazu gehören neben der eingehenden fachärztlichen Untersuchung Röntgenuntersuchungen, Computertomographie (CT), Ultraschall, Elektrokardiogramm (EKG), Lungenfunktionsprüfung und andere Spezialuntersuchungen. Bluttests ANA-Test gegen antinukleäre Antikörper Der Test stellt fest, ob der Patient Antikörper gegen Bestandteile des Zellkerns (Antinukleäre Antikörper, ANA) im Blut hat. Das Vorhandensein der ANA wird an Zellen unter dem Mikroskop abgelesen. Mehr als 99 Prozent der SLE-Patienten haben 27

einen positiven ANA-Test. Doch ist der Test nicht spezifisch für SLE: Patienten mit positivem ANA müssen nicht unbedingt SLE haben. Je höher der ANA-Titer (die Konzentration der Antikörper im Blut), desto wahrscheinlicher ist die Diagnose SLE. Anti-dsDNA-Test Der Test untersucht Antikörper gegen doppelsträngige DNA (DNS). Ungefähr 75 Prozent aller SLE-Kranken haben ein positives Ergebnis. Rund 95 Prozent der Patienten mit positivem Testergebnis haben SLE. Test gegen Anti-Sm, Anti-RNP, Anti-Ro, Anti-La Nachweis von Antikörpern gegen verschiedene Zellbestandteile. Nur etwa 20 bis 50 Prozent der SLE-Kranken haben jeweils ein positives Testergebnis. Komplement Das Komplement-System besteht aus einer Gruppe von mehr als 20 Proteinen im Blutserum. Sie werden durch Antikörper aktiviert und lösen eine Entzündung aus. Ist die Konzentration der Komplement-Faktoren C3 und C4 niedrig, so weist dies auf eine aktive Erkrankung hin, da die Faktoren dabei verbraucht werden. Blutbild und Blutsenkung Dabei wird die Zahl der weißen und roten Blutkörperchen (Leukozyten und Erythozyten) sowie der Blutplättchen (Thrombozyten) im Blut untersucht und der Hämatokrit, der Anteil an Zellen im Blut, gemessen. Eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) ist ein recht sicherer Indikator für eine aktive Entzündung. Allerdings kann die BSG niedrig sein und trotzdem ein SLE vorliegen. Ein erhöhtes CRP (C-reaktives Protein) mit aktivem SLE ist verdächtig auf eine begleitende bakterielle Infektion. Antiphospholipid-Antikörper (Antikardiolipin) In diesem Test wird ein Antikörper gegen einen Bestandteil der Zellmembran festgestellt. Etwa 30 Prozent der SLE-Patienten haben ein positives Ergebnis. Hohe Titer sind assoziiert mit einer gesteigerten Blutgerinnungsaktivität, Venenentzündung, Thrombose und wiederholter Fehlgeburt. 28

Welches Organ ist befallen? Niere Der Urin wird auf Eiweiß, Zucker und Blutzellen untersucht. Protein im Urin ist ein Signal dafür, daß in der Niere eine Entzündung abläuft. Ist kein Wert verändert, so ist ein SLE der Niere sehr unwahrscheinlich. Weiße Blutzellen im Urin sprechen eher für eine Infektion von Niere oder Harntrakt. Das Serumkreatinin, ein Abbauprodukt des Körpereiweiß, wird normalerweise über die Niere ausgeschieden. Versagt die Nierenfunktion, so steigt der Kreatininspiegel im Blut an. Wird der Urin 24 Stunden lang gesammelt, so läßt sich die Eiweißausscheidung messen. Außerdem läßt sich mit Hilfe des Kreatininspiegels in Urin und Serum (Kreatinin Clearance) die Arbeitsleistung der Niere, die sogenannte Glomeruläre Filtrationsrate, berechnen. Gehirn Das moderne bildgebende Verfahren der Magnetresonanztomographie (MRT) =Kernspintomographie ist oft in der Lage, die Gehirnveränderungen bei neurologischen Störungen darzustellen. Auch die Computertomographie (CT) kann dies in einigen Fällen leisten, wird aber meist durch MRT ersetzt. Mit Hilfe des Elektroenzephalogramms (EEG), einer Messung der Hirnströme, können Anfallsleiden und andere Ausfälle durch LE untersucht werden. Psychologische Tests werden benutzt, um bei psychischen Veränderungen zwischen neurologischen und rein psychisch bedingten Ursachen zu unterscheiden. Biopsie Bei Niere, Leber, Haut und anderen Organen kann eine Biopsie, die Entnahme eines kleinen Gewebestücks, klären, ob das Organ vom SLE betroffen ist. Oft ist sie aussagekräftiger als Labortests. Außerdem kann der Arzt das Ausmaß der Entzündung und den bereits angerichteten Schaden im Organ beurteilen. Laborbefunde Die Diagnose des SLE kann aufgrund der klinischen Symptome vermutet und mit Hilfe der Laborbefunde mit großer Wahrscheinlichkeit gesichert werden. Die Amerikanische Rheuma- 29

Gesellschaft (American Rheumatism Association) hat eine vorläufige Liste von wichtigen diagnostischen Kriterien aufgestellt. Liegen vier vor, ist ein SLE wahrscheinlich. Die elf ARA-Kriterien sind: Gesichtserythem (Wangen), diskoid-erythematöse Hautherde, Photosensibilität (Sonnenempfindlichkeit) und Geschwüre der Mundhöhle, nichterosive Arthritis an mehr als zwei Gelenken, Nierenbeteiligung, neurologische Manifestationen, hämatologische Beteiligung, Immunphänomene und ANA. So hilfreich Laborbefunde sein können, kommt es doch öfters vor, daß die Beschwerden nicht mit den Ergebnissen übereinstimmen. So können etwa die Laborwerte zeitversetzt zur Aktivität der Krankheit ansteigen. Umgekehrt kann sich der Patient bei schlechten Laborwerten durchaus wohl fühlen. Eine wichtige Frage, die sich Arzt und Patient im Verlauf der Erkrankung stellen müssen, lautet: Steht das klinische Beschwerdebild in direktem Zusammenhang mit SLE, handelt es sich also um eine Komplikation von SLE oder seiner Therapie? Oder hat man es mit einer separaten Erkrankung zu tun, die parallel zum SLE aufgetreten ist? Alle Testmethoden müssen dazu beitragen, dies herauszufinden. 30

Wie wird der SLE behandelt? ie Prognose von SLE-Patienten hat sich in den letzten D Jahrzehnten erheblich verbessert. Früher kam die Krankheit für viele Betroffene einem Todesurteil gleich. Eine amerikanische Untersuchung am Johns Hopkins Hospital aus dem Jahre 1980 hat gezeigt: Während 1955 nach vier Jahren etwa die Hälfte der Patienten verstorben waren, lebten 1980 noch 97 Prozent nach 5 Jahren, 90 Prozent nach 10 Jahren und 84 Prozent nach 15 Jahren. Diese Verbesserung der Prognose ist nicht zuletzt auf die Fortschritte in der Behandlung von SLE zurückzuführen. Bislang kann der SLE nicht geheilt werden. Die Therapie des SLE hat zum Ziel, einem neuen Schub vorzubeugen und seinen Verlauf zu mildern. Mit den verfügbaren Medikamenten ist es bislang nicht gelungen, die entgleiste Immunabwehr wieder in die richtige Bahn zu lenken. Wesentlich erfolgreicher ist die Unterdrückung entzündlicher Immunreaktionen mit Hilfe von Medikamenten. Die meisten Patienten brauchen eine kontinuierliche Behandlung, die die Immunreaktion auf einem niedrigen Niveau hält. Außerdem müssen Organschäden durch SLE behandelt werden. Es sollte nie vergessen werden: Ebenso wichtig wie eine medikamentöse Therapie ist die Vermeidung von SLE-auslösenden Faktoren wie Exposition zu Sonnenstrahlen, bestimmte Medikamente, Streß und Übermüdung. Im folgenden werden Medikamentengruppen besprochen, die zur Behandlung des SLE verwendet werden. Antimalariamittel ährend des 2. Weltkrieges wurde eine neue Gruppe von W Substanzen zur Behandlung der Malaria entwickelt, weil der Nachschub an Chinin ausging. Man entdeckte, daß SLE-Patienten nach der Verabreichung des neuen Antimalaria- Mittels Atebrin, das in den USA vertrieben wurde, eine deutliche Besserung zeigten. Vor allem Hautveränderungen beim diskoiden SLE sprachen gut darauf an. Aber auch Patienten mit systemischem SLE profitierten von den neuen Wirkstoffen. Warum die Antimalariamittel bei SLE wirksam sind, ist nicht bekannt. Klar ist indes: Beim SLE handelt es sich nicht, wie bei 31

der Malaria, um eine Parasiteninfektion, die durch eine Stechmücke übertragen wird. Die beiden bekanntesten Präparate sind Chloroquin (Handelsname Resochin) und Hydroxychloroquin (Handelsname Quensyl). Sie sind überdies in der Lage, akute Krankheitsschübe mit allgemeinen Beschwerden und Haut- und Gelenkbeteiligung zu unterdrücken. Ein günstiger Effekt auf SLEbefallene Organe ist bislang nicht eindeutig nachgewiesen. Nebenwirkungen der Antimalariamittel können vorübergehende Übelkeit und Erbrechen, Hautausschlag, übermäßige Reizbarkeit, Kopfschmerzen und Benommenheit sein. Außerdem erhöhen sie die Sonnenempfindlichkeit. Die Medikamente dürfen Kleinkindern nicht zugänglich sein, da schon wenige Tabletten für sie tödlich sein können. Die wichtigste Nebenwirkung betrifft das Auge, wo sich die Medikamente in die Netzhaut einlagern und Sehstörungen verursachen können (siehe Organbeteiligung Auge). Dies dürfte bei den gebräuchlichen Dosen zwar selten der Fall sein. Dennoch ist ein regelmäßiger Besuch beim Augenarzt notwendig. Kortikosteroide ei dieser Gruppe von Substanzen handelt es sich um B natürlich im Körper vorkommende Hormone, die bei Streß von den Nebennieren ausgeschüttet werden und Entzündungsreaktionen im Körper unterdrücken. Deshalb sind sie in der Lage, viele Symptome des SLE in Schach zu halten, die auf Entzündungen zurückgehen, etwa Arthritis und Rippenfellentzündung. Die Arzneimittel werden als Tabletten geschluckt oder als Injektionen in die Muskulatur oder als Infusion in die Venen verabreicht. Obwohl seit 30 Jahren Erfahrungen mit der Steroid-Behandlung des SLE bestehen, sind die Ärzte sich über die spezifischen Einsatzgebiete, Dosierungen und Erfolge nicht völlig einig. Dennoch stimmen die meisten Experten überein, daß die Hormontherapie wesentlich zur Verlängerung der Lebenserwartung von SLE-Kranken beigetragen hat. Weniger sicher ist, ob Steroide allein die schwerwiegende Beteiligung von Nieren und Gehirn stoppen können. Bei Patienten mit Fieber, Haut- und Schleimhautbeteiligung, Gelenkentzündungen und Rippenfellentzündungen ist eine täg- 32