Abfallwirtschaft und Klimaschutz Aufgabe von Metropolen Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft Berlin 20. Juni 2008 Dr. Henning Friege AWISTA Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung mbh Sprecher der Geschäftsführung
Wachstum der Weltbevölkerung = Verstädterung 19. Jhdt./1. Hälfte 20 Jhdt.: Bildung von Agglomerationen mit hoher Bevölkerungsdichte in (europäischen) Großstädten Hygienische Probleme mit flüssigen u. festen Abfällen Entwicklung der Städtehygiene Beginn der Fassung und des Abtransports von Abfällen 2. Hälfte 20. Jhdt.: Beginn der industriellen Verwertung von Haus- und Gewerbeabfällen Analogie zu landwirtschaftlichen Verwertungskaskaden: Kompostierung, Futtermittelzubereitung, Analogie zu industriellen Prozessen: Substitution von Primärmaterialien bei stofflichen und energetischen Prozessen
Metropolen mitverantwortlich beim Stoffstrom-Management mit 21. Jhdt.: Stoffstrom-Management mit Rücksicht auf globale Ressourcen- und Senkenprobleme Grundregeln f. nachhaltige Entwicklung ( Konzept Nachhaltigkeit Vom Leitbild zur Umsetzung 1998) Ökol. Regel 2: Nicht erneuerbare Ressourcen sollen nur in dem Umfang genutzt werden, in dem ein Ersatz in Form erneuerbarer Ressourcen oder höherer Produktivität geschaffen wird. Ökol. Regel 3: Stoffeinträge in die Umwelt sollen sich an der Belastbarkeit der Umweltmedien orientieren, wobei alle Funktionen zu berücksichtigen sind Klimaschutz und Ressourcenschonung sind bzw. werden vorrangige Politikziele weltweit Metropolen werden im Wettbewerb auch an ihrem Erfolg bei diesen Zielen gemessen werden
Abfallwirtschaft und Klimaschutz Abfallwirtschaft ist Ressourcenwirtschaft Abfallwirtschaft kann das Klima positiv wie negativ beeinflussen Besonders positive Effekte lassen sich durch Wiedernutzung organischen Materials zur Energiegewinnung und durch Recycling von Metallen erzielen. Negative Effekte ergeben sich durch die Verrottung organischen Materials und die Freisetzung von Methan und anderen klimaschädlichen Gasen wie FKW/FCKW. CH 4 = 21 CO2eq N 2 O = 310 CO2eq F11/F12 = 5000 CO2eq F 22 = 4300 CO2eq F 134 a = 4000 CO2eq Ein kluges Stoffstrom-Management in der Abfallwirtschaft ist daher ein optimaler Beitrag zum Klimaschutz.
Umweltwirkungen der Abfallwirtschaft POSITIV Nutzung organischen Materials ( Biomasse ) zur Energieerzeugung Rückgewinnung von Wertstoffen aus Abfällen Nutzung von Biomasse zur Kompostierung Achtung: Verschiedene Nutzungsmöglichkeiten der Abfälle konkurrieren. Die Aspekte Klimaschutz und Ressourcenschonung können auch konkurrieren. NEGATIV Zersetzung organischen Materials (Kunststoffe, Biomasse...) zu Methan oder anderen anaeroben Produkten Deponierung von Wertstoffen Die schlechteste Lösung von allen ist die Deponierung organischer Materialien wie auch die Deponierung anorg. Wertstoffe (Metalle)
Abfallwirtschaft Beispiel Düsseldorf 585.000 Einwohner, ca. 440.000 Arbeitsplätze Hoher hygienischer Standard: Wöchentliche Leerung von Restmüllgefäßen. Es darf nichts liegen bleiben. Hoher Stand der Wertstoffrückgewinnung: Altglas, Altpapier, Fe-/NE-Metalle, Bio- und Grünabfall, Leichtverpackungen, Alttextilien, Altholz (ab Jan. 2008) Möglichst wenig Arbeit für den Bürger: Graue Tonne, gelbe Tonne, braune Tonne auf Wunsch, viele Depotcontainer- Standorte, RC-Höfe Hoher technischer Standard der Restmüllbehandlung: MVA Flingern Welche Auswirkungen hat das Abfallwirtschaftssystem auf das globale Klima? (Fragestellung mittlerweile auch für München untersucht)
AWISTA 160 Mio Umsatz, 1050 Arbeitsplätze Sammlung/Transport von Abfällen Stadtreinigung Reparaturen für LKW/Spezialfahrzeuge Akquisition für MVA Düsseldorf Schwesterunternehmen und Beteiligungen RRW, idr-eg, KDM, MOWA Sonderabfallbehandlung, Kompostierung, PPK-/Gewerbeabfall-/BMA- Sortierung, Altholzaufbereitung, Kumulierter Umsatz ca. 250 Mio Operativ tätig in der Region zwischen Rhein, Ruhr und Wupper (ca. 1,8 Mio EW), ca. 1 Mio t Stoffströme pro Jahr Kunden Ca. 12 Kommunalkunden - Düsseldorf, Kreis Mettmann, Ratingen, Haan, Ca. 20.000 Gewerbekunden - Henkel, Messe Düsseldorf, DSD,
Düsseldorfer Abfallwirtschaft + Klimaschutz Rechenmodell: IFEU, Heidelberg Datenabgleich für 2006: AWISTA Fachliche Betreuung: Stadtwerke Düsseldorf AG Angaben in CO 2 -Äquivalenten damit Hinzurechnung anderer Treibhausgase nur für Düsseldorfer Anteile an den jeweils betroffenen Anlagen Positive Auswirkungen mit ca. 250.000 t/jahr Negative Auswirkungen mit ca. 100.000 t/jahr Im Saldo ca. 150.000 t CO 2 -Äquivalente im Sinne des Klimaschutzes gewonnen entspricht den Emissionen von ca. 12.000 Haushalte Zusätzliche Wirkungen durch weitere Aktivitäten von AWISTA für andere Kunden
Stoffstrom- und Rechenmodell 101 Mg 538 Mg 9.019 Mg 9.066 Mg 36.904 Mg 12.550 Mg 12.096 Mg 617 Mg 135.818 Mg 27.010 Mg 25.005 Mg 17.876 Mg Altreifen Metall GPF Bioabfall PPK Glas LVP Holz Hausmüll Sperrmüll HMG Straßenkehricht Sammlung Sammlung 205.709 Mg Aufbereitung Aufbereitung 1.613 Mg Sperrmüll Zementwerk Papierschlamm Kraftwerk PPK-Sortierreste 5.400 Mg 50% stoffliche 50% thermische Verwertung MVA Düsseldorf Kompostierung 15.586 Mg geschl. 2.499 Mg offen Verwertung LVP-Sortierreste 6.326 Mg MVA Eisen Torf Rindenhumus Mineraldünger Kohle Holz Mineralien Primärkunststoffe Strom Wärme Strom Holz Schlackeaufber. Schlacke Fe-Metalle Deponie Prozessdampf Kraftwerk Flingern Nutzen
Abfallbehandlungsanlagen Müllverbrennungsanlage MVA Düsseldorf: Haus-, Sperrmüll, HMG, Kehricht -Erzeugung Prozessdampf für Kraftwerk Flingern und vollständige Substitution Kohleeinsatz; Schlackeaufbereitung - Metallrückgewinnung Fe (65%), NE (35%) bezogen auf Gehalt im Abfall Mittlere MVA D: Sekundärabfälle (PPK-, LVP-Sortierreste) Nettostrom 10%, Nettowärme 30%; Schlackeaufbereitung -Metallrückgewinnung Fe (50%), NE (10%) Kompostierungsanlagen, Kompost 86% Bio- und Grünabfall zur KDM Hamm, geschl. Anlage (Wäscher + Biofilter); 14% offene Grünabfallkompostierung KDM Ratingen 50% Frischkompost (in Landwirtschaft), 50% Fertigkompost (mittlere Vermarktung D) Sortier- und Verwertungsanlagen Mittlere Anlagen D für Sortierung und Verwertung Papier, Glas, LVP, Metallschrott Mittlere Anlagen D Mitverbrennung Kraftwerk Papierschlamm, Zementwerk Altreifen Mittlere Anlagen D stoffliche und energetische Verwertung Altholz
Substitutionspotenzial der Abfallentsorgung Abfallverbrennung MVA Düsseldorf: Substitution Kohle; Substitution Metalle (Roheisen, NE-Metalle) Mittlere MVA D: Substitution Strommix D, Wärmemix D; Substitution Metalle Kompost Substitution Mineraldünger bei Anwendung Landwirtschaft, Hobbygartenbau, GaLa Substitution Rindenhumus, Torf bei Anwendung Hobbygartenbau, GaLa Substitution Torf bei Anwendung Erwerbsgartenbau, Substraterzeugung Erdenwerke Wertstoffe Metallschrott: Substitution Roheisen Altpapier: Zellstoff/Frischfaser; Kohle (Mitverbrennung Papierschlamm im Kraftwerk) Altglas: Primärmaterialien (Sand, Kalkstein, etc.), Energie Glasherstellung LVP: Primärkunststoffe, nicht-stoffgleiche Produkte (Holz, Zement), Zell-/Holzstoff, Weißblech, Aluminium; fossile Brennstoffe, Methanol (rohstoffliche Verwertung); fossile Brennstoffe (energetische Verwertung) Altholz: Holz (stoffliche Verwertung), Strom (energetische Verwertung) Altreifen: fossile Brennstoffe, Eisenerz (Einsatz Zementwerk)
Abfallmengen und Verbleib
Netto-Entlastung für CO 2 -Bilanz Tonnen CO2-Äquivalente 150.000 100.000 50.000 0-50.000-100.000-150.000-200.000-154.149 Netto Belastungen Anwendung Aufbereitung Metalle MVA Sammlung Gutschriften - GS energ./rohst. 154. Verw. 149 GS stoffl. Verw. Treibhauseffekt Wirkungsaggregation nach IPCC 2007, 100-Jahreshorizont -250.000 GS Metalle -300.000 GS MVA Energie
Anteile der Abfallfraktionen am Ergebnis 60.000 40.000 20.000 Tonnen CO2-Äquivalente 0-20.000-40.000-60.000-80.000-100.000-120.000-140.000 Anwendung Aufbereitung Metalle MVA Sammlung GS energ./rohst. Verw. GS stoffl. Verw. GS Metalle GS MVA Energie -160.000 Hausmüll Sperrmüll HMG Kehricht Papier Glas LVP GPF Bioabfall Fe-Schrott Altholz Altreifen Nettoergebnisse, absolut Hausmüll Sperrmüll HMG Kehricht Papier Glas LVP GPF Bioabfall Fe-Schrott Altholz Altreifen -85.377-26.402-16.851-11.200-12.027-2.142-222 654 758-1.089-148 -101
Spezifische Ergebnisse nach Abfallfraktionen 2.000 1.000 kg CO2-Äq. / Mg Abfall 0-1.000-2.000-3.000-4.000 Anwendung Aufbereitung Metalle MVA Sammlung GS energ./rohst. Verw. GS stoffl. Verw. GS Metalle GS MVA Energie Hausmüll Sperrmüll HMG Kehricht Papier Glas LVP GPF Bioabfall Fe-Schrott Altholz Altreifen Nettoergebnisse, spezifisch Hausmüll Sperrmüll HMG Kehricht Papier Glas LVP GPF Bioabfall Fe-Schrott Altholz Altreifen -629-978 -674-627 -326-171 -18 72 84-2.025-240 -1.005
MVA: Träger des Klimaschutzes MVA trägt zu mehr als 80 % zum positiven Saldo bei Historisch begründete ehrgeizige Kesselstruktur Hochdruckdampf 80 bar / 500 C in 2006 wurden aus dem MVA-Dampf 137.723 MWh Strom und 184.294 MWh Fernwärme erzeugt damit wurden ca. 11 % des Strombedarfs der Düsseldorfer Privathaushalte gedeckt und ca. 20 % des FW-Bedarfs im Düsseldorfer Innenstadtnetz hohe CO 2 -Gutschrift aufgrund Substitution eines alten Steinkohleblocks Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien, da mehr als 50 % des Kohlenstoffs im Restmüll aus regenerativen Quellen
Klimaschutz und Ressourcenschonung Aufbereitung von Fe- und NE-Metallen aus der MV-Schlacke aus der Sammlung auf den RC-Höfen Nutzung von Altpapier als Rohstoff für neues Papier damit geringerer Energiebedarf für Aufbereitung als mit frischem Holz/Zellstoff damit Schonung von Holzressourcen, die wiederum energetisch verwertet werden können als Beitrag zur energetischen Nutzung in der MVA Nutzung von Leichtverpackungen zur Ressourcenschonung nach getrennter Sammlung, Sortierung und Aufbereitung oder als Beitrag zur energetischen Nutzung in der MVA
Ressourcenschonung versus Klimaschutz Nutzung von Biomasse in der MVA energetisch günstig und positiv für Klimaschutz Nutzung geeigneter Biomasse als Dünger nach Kompostierung zur Ressourcenschonung kein direkter positiver Beitrag zum Klimaschutz aber positiver Beitrag zur Humuswirtschaft damit wieder indirekt Ertragssicherung u.a. für Energiepflanzen Konkurrenz zwischen Klimaschutz und Ressourcenschonung ist wissenschaftlich noch nicht ausdiskutiert
Weitere Schritte zur Optimierung CO2eq Ergänzung der Kompostierung durch vorgelagerte Trockenvergärungsanlage? Status: Machbarkeitsstudie Höhere Rückgewinnungsrate von Fe- und NE- Schrotten Sammlung von Elektronikmüll eingeführt, aber behindert durch Scavenger (Sperrmüllmarder) Ausbau der Rückgewinnung aus MV-Rostasche Status: z.zt. Sache des beauftragten Entsorgers Ökonomisch sinnvoll, für Klimaschutz nicht: Blaue Tonne, separate Altholz-Sammlung Ökologisch und ökonomisch fatal: Zerstörung bzw. Diebstahl von Kühlgeräten mit FCKW/FKW
Zusammenfassung Klimaschutz IFEU-Gutachten bescheinigt positive Klimawirkungen ( CO 2 - Senke ) durch eine vernünftige Entsorgungswirtschaft. Spitzenplatz in Deutschland mit 250 kg/ew (Durchschnitt ca. 100 kg/ew) Wichtigster Beitrag: die Müllverbrennungsanlage in Flingern mit Strom- und Fernwärmeerzeugung Hoher Standard bei der Wertstoffrückgewinnung trägt zur Ressourcenschonung bei. Ausbau des hohen Standards durch nachhaltige Politik der Stadt in Zusammenarbeit mit AWISTA und anderen Partnern ist das Ziel.