Mittlere Strahlenexposition (in msv pro Jahr)

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Transkript:

Mittlere Strahlenexposition (in msv pro Jahr) Natürliche Strahlenexposition Gesamtexposition Genetisch wirksame Exposition Kosmische Strahlung Terrestrische Strahlung Aufenthalt im Haus Körperinnere Bestrahlung gesamt 0,45 1,00 0,25 2,00 0,33 0,17 1,10 Zivilisatorische Strahlenexposition Medizin Technik, Forschung Beruf Fall-Out Kerntechnische Anlagen gesamt 1,50 < 0,02 0,02 < 1,56 0,50 < 0,02 0,02 <0,01 < 0,56 Unterschiede in der terrestrischen Strahlung (in msv pro Jahr) Schleswig-Holstein Harz Bayerischer Wald Kaiserstuhl Katzenbuckel (Mosbach) Menzenschwand (Schwarzwald) Kerala (Indien) Brasilien (Atlantikküste) 0,14 1,02 1,46 1,60 6,30 18,00 26,00 87,00 Aufenthalt in Gebäuden Holzhäuser Betonbauten bis zu 0,60 bis zu 3,00 1

Beiträge medizinischer Untersuchungen (in msv) Röntgen Nuklearmedizin mit 99m Tc Zahnaufnahme 0,01 msv Nierenfunktionsuntersuchung 1,3 msv Thoraxaufnahme 0,03 msv Hirnperfusion 2,0 msv Mammographie 0,50 msv Myocarddiagnostik 3,0 msv Galle 4,00 msv Schilddrüse 1,0 msv Harntrakt 5,00 msv Leberszintigraphie 4,0 msv Skelettuntersuchung 4,5 msv CT Schädel 3 msv CT Brustkorb 10 msv CT Bauchraum 20 msv Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz 2002 Direkte und indirekte Wechselwirkungen von Strahlung mit lebender Materie Direkte Wechselwirkungen mit entsprechenden Molekülen Aminosäuren: Nukleinsäuren: Desaminierung, Ringbruch, Oxidation Kettenbrüche 15 bis 29 ev für Einzelstrangbrüche 100 bis 200 ev für Doppelstrangbrüche Indirekte Wechselwirkungen mit entsprechenden Molekülen ( indirekter Effekt ) - Wasser ist das weitaus häufigste Molekül in der Zelle ( 70%) - Primärprozess am Wasser (Dauer: 10-18 bis 10-12 s) Radiolyse: H 2 O + hν H 2 O + + e - Energieeintrag 12,56 ev - Folgereaktionen (vereinfacht): - Zerfall von H 2 O + in ein OH Radikal H 2 O + H + + OH - OH ist Hauptradiolyseprodukt, besitzt stark oxidierende Wirkung - freiwerdendes Elektron hat zwei Möglichkeiten e - + H 2 O OH - + H e - + H 2 O e - (aq) - 3 wichtige Radiolyseprodukte: e - (aq), H (reduzierend) und OH (oxidierend) - Rekombination der Radikale untereinander OH + OH H 2 O 2 H + H H 2 H + OH H 2 O - Reaktionen der Radikale mit organischen Molekülen 2

Nichtstochastische Effekte bei hoher Kurzzeitdosis und Ganzkörperbestrahlung 0 0,25 Sv 0,25 1 Sv 1 2 Sv 2 3 Sv ab 3 Sv 4,5 Sv 7,5 10 Sv ab 50 Sv ab 100 Sv Keine klinisch erkennbaren Wirkungen, Spätfolgen (somatisch, genetisch aber möglich) Leichte, vorübergehende Änderungen des Blutbildes, Haarausfall (erneuter Haarwuchs möglich), Spätfolgen können auftreten Veränderung des Blutbildes, Schädigung des Immunsystems, Übelkeit, Müdigkeit Erbrechen, Spätwirkungen können Lebenserwartung verkürzen Starke Veränderungen des Blutbildes, höheres Infektionsrisiko, Übelkeit und Erbrechen am ersten Tag Nach Latenzzeit von einigen Wochen folgende Symptome in leichter Form: Übelkeit, Appetitlosigkeit, Halsschmerzen, Durchfall Todesrate bei Erwachsenen unter 20%, Erholung nach 2 3 Monaten möglich Zunehmend schwere Störungen des Blutbildes und des Immunsystems, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall nach wenigen Stunden; Nach Latenzzeit von weniger als 7 Tagen: Haarausfall, Appetitlosigkeit, allg. Unwohlsein; Während der zweiten Woche: Fieber, innere Blutungen, Entzündungen der Mundhöhle; Todesfälle nach 2 bis 6 Wochen Die Todesrate beträgt nach 30 Tagen 50% Nahezu 100 % Sterblichkeit Fast augenblicklich einsetzende schwerste Krankheit, 100% Sterblichkeit innerhalb einer Woche Lähmung und schneller Tod durch Ausfall des Zentralnervensystems Gewebe-Wichtungsfaktoren w T zur Berechnung der Organdosen H T oder der effektiven Dosis E Organdosis: H T = Σ w R D T,R R Gewebe oder Organe Keimdrüsen Knochenmark (rot) Dickdarm Lunge Magen Blase Brust Leber Speiseröhre Schilddrüse Haut Knochenoberfläche Andere Organe oder Gewebe Effektive Dosis: E = Σ w T H T = Σ w T Σ w R D T,R Gewebe-Gewichtungsfaktoren w T 0,20 0,01 0,01 Quelle: StrlSchV, Anlage VI 3

Biologische Reparaturprozesse Bedeutung der Reparaturprozesse - über Strahlenwirkung hinausgehendes Phänomen - Reparatur von Schäden aus unvollkommenen biologisch/biochemischen Reaktionen - Ursache können nichtionisierende und ionisierende Strahlung oder chemische Noxen sein - wichtig gerade im Bereich relativ niedriger Dosen - Bedeutung für die Konstanthaltung des genetischen Materials und Evolution durch Mutation Dauer - Reparaturprozesse sind relativ langsam (0,5 bis 1 Stunde) - wird bei Strahlentherapie ausgenutzt (Regenerationsintervalle, fraktionierte Bestrahlung) - hohe Dosisleistung wirkt anders als niedrige bei gleicher Dosis Reparaturmechanismen - Ausnutzung unterschiedlicher Energieformen (Licht = Photoreparatur, ATP = Dunkelreparatur) - Prä- und postreplikative Reparaturen - fehlerhafte und fehlerfreie Reparaturen Basenschäden Strahlenbedingte Schädigungen des DNA- Moleküls - Hauptstrahlenschäden an den Basen (Basenverlust, Desaminierung, Hydroxylierung, Ringbruch, Dimerisierung (bevorzugt Thymin-Dimere) - Basenveränderungen (falsche messenger RNA, Strahlenschutz durch Konkurrenzreaktionen, z.b. S-haltige Verbindungen, OH-Gruppen, Reparaturprozessen zugänglich - Hauptwirkung der UV-Strahlung Einzelstrangbruch - durch direkte und indirekte Treffer verursacht, nicht durch UV-Strahlung mit biologisch relevanten Dosen - Größe des Effekts von Sauerstoff-Anwesenheit abhängig ( oxygen enhancement ratio, OER), Reparatur möglich - Einzelstrangbrüche können zu Doppelstrangbrüchen führen, wenn sie dicht beieinander liegen (4 Basen) Doppelstrangbruch - durch direkte und indirekte Treffer verursacht, nicht durch UV-Strahlung mit biologisch relevanten Dosen - Größe des Effekts von Sauerstoff-Anwesenheit abhängig ( oxygen enhancement ratio, OER) - nicht reparierbar - Letalität oder Mutationen 4

Reparaturprozesse in Zellen Excisionsreparatur (Ausschnittreparatur) - präreplikative Dunkelreparatur, Kontrolle am Komplementärstrang - Entfernung einzelner Basen: Basen-Excision - Entfernung von Basen + Zucker + Phosphatgruppen + benachbarter Nukleotide : Nukleotid-Excision Strangbruchreparatur - präreplikative Dunkelreparatur Photoreparatur - präreplikative Lichtreparatur - nur in Zellen, die vom Licht erreicht werden (Haut), in allen Organismen außer Placenta-Säugetieren vorhanden - zerlegt Pyrimidindimere in Monomere - Enzym Photolyase absorbiert zwischen 300 und 600 nm (wenn an DNA angelagert) Rekombinationsreparatur - postreplikative Dunkelreparatur, Replikation hat schadhaften Strang hinterlassen - Fehler wird durch Strangaustausch beseitigt SOS-Reparatur - präreplikative Dunkelreparatur mit außerordentlich komplexen Mechanismus - nach Replikation verbliebene Stranglücke wird durch Neusynthese geschlossen - arbeitet fehlerhaft Fazit: Reparaturprozesse können Strahlenrisiko verringern, aber nicht ausschalten 5