Stellungnahme der Superiorenkonferenz zum Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien 1. Das Volksbegehren richtet sich zwar anscheinend gegen alle anerkannten Religionsgemeinschaften, trifft aber tatsächlich vorwiegend die katholische Kirche. Werden die Intentionen des Volksbegehrens durchgesetzt, erleiden allerdings auch die anderen anerkannten Religionsgemeinschaften wesentliche Nachteile, so auch die evangelischen Kirchen, die israelitische Kultusgemeinde, die islamische Glaubensgemeinschaft, die Buddhisten und alle anderen. 2. Die Initiatoren des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien wenden sich gegen die Zahlung von jährlich Millionenbeträgen aus Steuermitteln an die römisch-katholische Kirche. Damit sind offenbar Zahlungen entsprechend dem Vermögensvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich vom 23.06.1960 zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen (BGBl 195/1960) gemeint. Diese Zahlungen erfolgen im Hinblick auf den Wegfall der Dotierung des Klerus aus der ehemaligen Congruagesetzgebung, im Hinblick auf den Wegfall der öffentlichen Patronate und Kirchenbaulasten und zur Abgeltung der Ansprüche, die von der katholischen Kirche auf das Religionsfondsvermögen erhoben wurden. Die
2 Zahlungen der Republik Österreich an die katholische Kirche dienen daher vor allem der Kompensation der rechtswidrigen Enteignung der Kirche durch das NS-Regime. Mit der dritten Verordnung des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem deutschen Reich zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Land Österreich wurde u.a. bestimmt, dass die Religionsfonds aufgelöst werden und ihre Rechte und Pflichten auf das Deutsche Reich übergehen. Die Einstellung der Zahlungen entsprechend dem Vermögensvertrag vom 23.06.1960 wäre daher nicht nur ein Verstoß gegen das Völkerrecht, sondern bedeutete in ihrer Konsequenz die Vollendung der Enteignung der römisch-katholischen Kirche durch den NS-Staat. 3. Es wird von den Initiatoren des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien kritisiert, dass ein beträchtlicher Teil der Denkmalschutzmittel in kirchliche Bauten fließt. Dies ist jedoch keine Privilegierung, sondern Ausfluss des Umstandes, dass ein beträchtlicher Teil der denkmalgeschützten Gebäude kirchliche Bauten sind. Fast überall und in jedem Ort ist das älteste Gebäude die Kirche; die Erhaltung der kirchlichen Gebäude dient daher der Erhaltung von Kulturgut. Wesentlicher Motor des Fremdenverkehrs in Österreich sind kirchliche Bauten, deren Erhaltung auch aus diesem Aspekt im öffentlichen Interesse liegt. Darüber hinaus wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Umsatzsteuer, die seitens kirchlicher Gebäudeeigentümer im Zusammenhang mit denkmalpflegerischen Maßnahmen entrichtet wird, die Subventionen aus Mitteln des Denkmalschutzes bei weitem übersteigt. 4. Ein grundliegendes Missverständnis der Initiatoren des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien liegt hinsichtlich einer kircheneigenen Kommission zur
3 Aufarbeitung der aktuellen Missbrauchsfälle vor. Es gibt keinerlei "kirchenspezifische" Beschränkung in der Verantwortlichkeit kirchlicher Rechtsträger und der von kirchlichen Rechtsträgern beschäftigten Geistlichen, Ordensleuten und Laien. Wenn Personen im Umkreis der katholischen Kirche strafgesetzwidrige Handlungen zur Last fallen, sind diese Handlungen ausnahmslos nach den Gesetzen der Republik Österreich zu ahnden. Eine Privilegierung der Kirche gibt es nicht. Davon zu unterscheiden sind die Maßnahmen, die die Kirche gesetzt hat, um Opfern oder vermeintlichen Opfern zu helfen. Die Unabhängige Opferschutzanwaltschaft und die Unabhängige Opferschutzkommission sowie die Stiftung Opferschutz, weiters auch die diözesanen Ombudsstellen wurden geschaffen, um Opfern zu helfen und Opfern oder vermeintlichen Opfern ohne langes Verfahren Hilfen (Entschädigungszahlungen und Therapien) zukommen zu lassen, auch wenn die tatsächlichen oder vermeintlichen Täter bereits verstorben sind oder die Strafbarkeit oder die Ansprüche verjährt sind. Soweit eine Verjährung der Strafbarkeit nicht eingetreten ist oder Ansprüche nicht verjährt sind, steht es den Opfern jederzeit frei, sich sämtlicher Rechtsbehelfe (Anzeigen an die Staatsanwaltschaft, Klagen) zur Durchsetzung ihrer Ansprüche zu bedienen. Die Unabhängige Opferschutzanwaltschaft, die Unabhängige Opferschutzkommission, die Stiftung Opferschutz und die diözesanen Ombudsstellen bieten nur ein Mehr an Möglichkeiten, schränken diese aber keineswegs ein. Ein fundamentales Missverständnis der Initiatoren des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien besteht in der unrichtigen Annahme, dass Missbrauchs-Verbrechen im Bereich der katholischen Kirche nicht verfolgt werden. Opfer sind in keiner Weise gehindert, sich sämtlicher staatlicher Einrichtungen zu bedienen, deren sich Missbrauchsopfer außerhalb des Bereichs der katholischen Kirche bedienen
4 können. Staatliche Einrichtungen (z.b. die Staatsanwaltschaften) sind zur Verfolgung derartiger Delikte ohne jede Einschränkung verpflichtet. 5. Die Initiatoren des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien berücksichtigen nicht, dass in weiten Bereichen gemeinnützige und mildtätige Organisationen ohne jeden kirchlichen Bezug dieselbe steuerliche Behandlung erfahren wie kirchliche Organisationen. Die meisten kirchlichen Organisationen könnten diese Behandlung auch unter dem Gesichtspunkt der Gemeinnützigkeit und Mildtätigkeit beanspruchen, wenn der Tatbestand der Kirchlichkeit aus den steuerlichen Bestimmungen gestrichen würde. 6. Wenn die Kirche ihre eigenen Angelegenheiten selbst regelt, ist dies ein Ausdruck der Religionsfreiheit. Eine staatliche Bevormundung der Kirche verstieße gegen dieses grundlegende Menschenrecht. Die Kirche anerkennt das staatliche Rechtsmonopol und hat sich niemals dagegen gewandt, dass Straftaten, die innerhalb der Kirche begangen wurden, von staatlichen Stellen verfolgt und Ansprüche gegen die Kirche vor den staatlichen Gerichten geltend gemacht werden. 7. Wenn konfessionelle Schulen (aller anerkannten Religionsgemeinschaften) keine Personalsubventionen mehr erhielten, müssten zur Aufnahme dieser Schüler staatliche Schulen geschaffen werden, da sich nur mehr die wenigsten Eltern die dann wesentlich teureren konfessionellen Schulen leisten könnten. Dies bedeutete eine beträchtliche Ausgabenerhöhung für den Staat, der die Höhe der Personalsubventionen übersteigen würde, zumal der sonstige Personalaufwand (Personalaufwand für Nichtlehrer) und der Sachaufwand jetzt von den kirchlichen Schulerhaltern
5 getragen wird und dann vom Staat getragen werden müsste. Daneben müssten innerhalb kürzester Zeit Schulgebäude gebaut oder angemietet werden, was zu wesentlichen Mehrkosten für den Staat führen würde. Derzeit wird der Sachaufwand von den Orden selbst getragen, Gebäude werden unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Der Staat erspart sich sogar etwas. 8. Der Hinweis der Initiatoren des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien auf die steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer ist unvollständig, da die Kirchensteuer nur bis 200,- pro Jahr steuerlich absetzbar ist, während z.b. Gewerkschaftsbeiträge ohne diese Beschränkung absetzbar sind. 9. Die Initiatoren des Volksbegehrens übersehen oder verschweigen, dass kirchliche Einrichtungen, insbesondere solche von Ordensgemeinschaften, auch in zahlreichen anderen Bereichen in gemeinnütziger Weise tätig sind, ohne dafür eine Gegenleistung oder zumindest einen Teil einer angemessenen Gegenleistung zu erhalten. Dies betrifft beispielsweise die Ordensspitäler, wo es als selbstverständlich gilt, dass diese von den ordensgemeinschaften hinsichtlich der Liegenschaften und Gebäude, die oft erhebliche Werte repräsentieren, unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Dieser Bereich repräsentiert in Österreich immerhin annähernd 20 % des gesamten stationären Angebotes. Ähnliches gilt im Bereich von Alten- und Pflegeheimen, Kindergärten und, wie oben erwähnt, den Schulen. 10. Die Behauptung der Initiatoren des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien, dass die neue Spendenabsetzbarkeit fast ausschließlich kirchlichen Einrichtungen zugutekomme, ist eine unbewiesene und vermutlich falsche Behauptung,
6 zumal Spenden an kirchliche Einrichtungen per se niemals steuerlich absetzbar sind, sondern nur dann, wenn es sich um mildtätige kirchliche Einrichtungen handelt. 11. Eine Trennung von Kirche und Staat in dem Sinne, dass die Kirche das staatliche Rechts- und Gewaltmonopol anerkennt und der Staat sich in die inneren Angelegenheiten der Religionsgesellschaften nicht einmengt, existiert in Österreich ohnehin. Eine Schlechterbehandlung kirchlicher gemeinnütziger oder mildtätiger Einrichtungen gegenüber nicht kirchlichen gemeinnützigen oder mildtätigen Einrichtungen wäre verfassungswidrig. Die Vollendung der Enteignung der katholischen Kirche durch das NS-Regime durch eine Aufhebung des Vermögensvertrages würde die Intentionen der seinerzeitigen nationalsozialistischen Verbrecher zu einem späten Erfolg führen. Durch die Einstellung der Personalsubventionen an konfessionellen Schulen würde sich der Staat nichts ersparen, sondern es würden Mehrkosten entstehen. Bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle hat die katholische Kirche einen für die Opfer günstigeren zusätzlichen Weg ergänzend zu solchen staatlichen Rechtsbehelfen geschaffen, die auch den Opfern von Missbrauch in nicht kirchlichen Einrichtungen (aber auch den Opfern von Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen) zur Verfügung stehen. Eine Verwirklichung der Intentionen des Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien würde niemand nützen und allen schaden. Wien, den 2.3.2011 ER/g/SK/Div/229 Dr. Christian Kuhn