Die VWFA (visuelle Wort-Form Area)

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ABSTRACT. A large body of empirical research documents that different linguistic forms lead to a

Transkript:

Die VWFA (visuelle Wort-Form Area) Einige Jahre nachdem Kinder gelernt haben, Buchstaben in Wörter zu dekodieren, bildet sich eine perzeptuelle Expertise, durch die Gruppen von Buchstaben mühelos in Wörter integriert werden. McCandliss et al. (2003) postulieren eine Verbindung zwischen dieser Expertise und einer Region im linken Gyrus fusiformis, der VWFA. Lesen und Schreiben als Kulturtechniken existieren erst seit ca. 5400 Jahren. Wie soll sich in so kurzer Zeit ein eigenes funktionelles Modul für Lesen gebildet haben? McCandliss et al. nehmen einen Entwicklungsprozess im Individuum an, bei dem die perzeptuelle Erfahrung mit geschriebenen Wörtern als Katalysator einer zunehmende Spezialisierung von Systemen zur visuellen Objekterkennung im inferioren Temporallappen fungiert.

Perzeptuelle Expertise beim Lesen Trotz enormer Variationen in Größe, Schriftart, Font oder retinaler Position kann das visuelle System innerhalb von weniger als 250 ms die relevante Information aus einem geschriebenen Wort extrahieren. Die Lesegeschwindigkeit in Wörtern mit 3-6 Buchstaben Länge ist bemerkenswert unabhängig von der Wortlänge, was auf parallele Verarbeitung der Buchstaben hinweist (Nazir et al., 1998). Der Wortüberlegenheitseffekt (word superiority effect) zeigt, dass ein Targetbuchstabe innerhalb eines Wortes besser verarbeitet wird als innerhalb einer sinnlosen Buchstabenkette (Reicher, 1969). Diese perzeptuellen Effekte persistieren über eine Reihe von nicht-essentiellen Änderungen des Stimulus (z.b. in Font oder Grösse). Hier wird offenbar abstrakte, invariante Information über die Struktur visueller Wörter (visuelle Wort-Formen) extrahiert und in ein für das Lesen essentielles perzeptuelles Objekt integriert (Rayner & Pollatsek, 1989).

VWFA Areale im Gyrus fusiformis können durch visuelle Objekte, Gesichter, oder Wörter aktiviert werden. Neuroimaging-Studien zeigen eine reliable Aktivierung der linken fusiformen Region durch Wörter im Vergleich zu Kontrollstimuli (Abb. 1). Modalitätsspezifität: Gesprochene Wörter aktivieren diese Region NICHT (DeHaene et al., 2002). Patienten mit einer Läsion in dieser Region zeigen oft eine sog. reine Alexie (pure Alexia) mit letter-to-letter-reading. VWFA zeigt eine vergleichbare BOLD-Antwort für normale und mixed-case Stimuli. Priming-Effekte durch Wiederholung von Wörtern sind unabhängig von Änderungen in Font, Grösse oder Kapitalisierung (Abb. 2).

From Dehaene et al, 2001, Nature Neuroscience

VWFA und Dyslexie

Zusammenfassung Areale im Gyrus fusiformis sind spezialisiert für das Erkennen komplexer visueller Stimuli (Gesichter, Objekte, Wörter). Die für diese Stimuli relevanten Prozesse variieren möglicherweise auf den Dimensionen holistische vs. merkmalsorientierte Verarbeitung (Farah, 1991), und die für die Erkennung relevanten Repräsentationen sind in unterschiedlichem Maße bildhaft vs. abstrakt Hemisphärenspezialisierungen in der fusiformen Region zeigen sich in einer rechtshemisphärischen Spezialisierung für Gesichter (holistische Verarbeitung, bildhafte Repräsentationen) bzw. in einer linkshemisphärischen Spezialisierung für Wörter (merkmalsorientierte Verarbeitung, abstrakte Repräsentationen)

Head cap with inserted Ag/ AgCl electrodes Electromagnetically shielded recording chamber Visual stimulus presentation Fixed chin rest Keypress response pad

The bigger picture: Can we relate the cognitive architecture of face perception to brain processes, as measured by ERPs? Structural Encoding N170 (150-200 ms). Posterior lateral occipitotemporal areas (ITG, IOG) Directed visual processing Speech codes Expression analysis Face recognition units N250r (200-300 ms). Ventral temporal areas (fusiform gyrus) A B N400 (300-600 ms). Anterior MTL? Name retrieval (left temporal pole) Person Identity Nodes (PINs) (anterior temporal) Arousal response to familiar faces (amygdala) Skin Conductance Response (SCR)? Semantic Information (anterior medial temporal) Integrative Device Attribution Processes Source: S.R. Schweinberger & A.M. Burton (2003). Covert recognition and the neural system for face processing. Cortex, 39, 9-30.

Brain Regions that Mediate Face Recognition I. 1960s: Patients with unilateral brain lesions RH > LH (e.g., Milner, 1968) II. 1970s: Divided visual field presentation technique RH > LH (Rizzolatti et al., 1971) III. 1970-1980s: Post-Mortem analyses of brain-injured patients with prosopagnosia (inability to recognize familiar faces) Occipitotemporal areas of both hemispheres, RH > LH IV. Late 1990s - : Functional brain imaging in neurologically healthy individuals (e.g., fmri, PET) Occipitotemporal areas of both hemispheres, RH > LH Fusiform face area (FFA, Kanwisher et al., 1997)

ERP Studies of Face Recognition I. RH superiority RH > LH (Barrett et al., 1988, Schweinberger & Sommer, 1991) II. Face-specific ERPs VPP (Jeffreys, 1989), N170 (Bentin et al., 1996) III. N170 Larger for faces than for other visual stimuli Independent of face familiarity, face priming Source: Posterior lateral inferior temporal gyrus Probably neither related to individual face recognition nor to FFA

ERPs to repeated and non-repeated famous faces N250r (200-300) N170 (150-200)

BESA Dipole Fit for N170 (blue) and N250r (red) Dipoles projected on to standard brain N170: 160-190 ms window N250r: 260-290 ms window No constraints except for symmetric dipoles R.V. < 3% for both fits

Are the N170 and/or N250r ERPs face-specific?

Task: Respond to Butterfly Targets P300 Target Effect to Butterflies Time Keypress Response

N170: clear N170 for all these stimuli! Das Bild kann nicht angezeigt werden. Dieser Computer verfügt möglicherweise über zu wenig Arbeitsspeicher, um das Bild zu öffnen, oder das Bild ist beschädigt. Starten Sie den Computer neu, und öffnen Sie dann erneut die Datei. Wenn weiterhin das rote x angezeigt Das Bild kann wird, nicht müssen angezeigt Sie das werden. Bild möglicherweise Dieser Computer löschen verfügt und möglicherweise dann erneut einfügen. über zu wenig Arbeitsspeicher, um das Bild zu öffnen, oder das Bild ist beschädigt. Starten Sie den Computer neu, und öffnen Sie dann erneut die Datei. Wenn weiterhin das rote x angezeigt wird, müssen Sie das Bild möglicherweise löschen und dann erneut einfügen. Larger (and delayed) for inverted faces N170

N250r: human faces > ape faces no N250r for inverted faces and cars N250r N250r (260-310 ms) (Difference repeated minus nonrepeated) µv 64 channels, voltage maps, spherical spline interpolation

Conclusion N250r is a face-selective ERP sensitive to repetition probably generated in fusiform gyrus may relate to individual face recognition

Figure 1. Examples of the prime and target names in Experiment 1. Bottom row: target names. Top row: prime names for the primed same, primed different, and unprimed conditions, respectively.

Font-specific vs. font-independent repetition priming F9' FP1 FP2 F10' Das Bild kann nicht angezeigt werden. Dieser Computer verfügt möglicherweise über zu wenig Arbeitsspeicher, um das Bild zu öffnen, oder das Bild ist beschädigt. Starten Sie den Computer neu, und öffnen Sie dann erneut die Datei. Wenn weiterhin das rote x angezeigt wird, müssen Sie das Bild möglicherweise löschen und dann erneut einfügen. F7 F3 Fz F4 F8 FT9 FT10 C3' C4' T7 C3 Cz C4 T8 TP9 TP1 0 P7 P3 Pz P4 P8 P9 P10 O1 O2 PO 9 PO 10 Iz

font-specific N200 effect font-independent N250 effect font-independent N400 effect Source: E. Pickering & S.R. Schweinberger (2003). N200, N250r and N400 Event-related Brain Potentials Reveal Three Loci of Repetition Priming for Familiar Names. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 29, 1298-1311.

Cross-domain repetition priming

Priming: Within-domain Cross-domain N200 200 ms featural N250r 260 ms lexical N400 semantic 350 ms Figure 4. Topographical voltage maps of ERP differences between primed and unprimed conditions show the three qualitatively different priming effects at 200 ms (top, N200), 260 ms (middle, N250r) and 350 ms (bottom row, N400). PS - primed same; PD - primed different; UP - unprimed. Spherical spline interpolations. Equipotential lines are separated by 0.5 µv/line. Negativity is red.

Conclusions ERPs can distinguish separate stages at which priming facilitates processing during word/name reading Posterior N200: font-specific featural processing Left temporal N250r: lexical representation (visual word-form) Central-parietal N400: semantic processing

The Visual Word Form Area (McCandliss, Cohen, Dehaene, 2003. Trends in Cognitive Sciences) Names (N250r ERP): x=36,y=-43, z=-6

N250r ERPs to 2nd (target) face N170 Source: S.R. Schweinberger et al. (2002). Cognitive Brain Research, 14, 398-409.!

Lateralized Repetition Priming for Names: Font-specific vs. Abstractive Priming BILL CLINTON + Prime presented to LVF or RVF for 150 ms Prime-Target SOA: 1500 ms BILL CLINTON Target presented centrally Task: Target familiar (yes/no) RT (ms) % Errors 8 650 600 550 Unprimed Primed Different Primed Same 7 6 5 4 Unprime Primed D Primed S 500 LVF Prime RVF Prime 3 LVF Prime RVF Prime

N200 N250r

> = Source: Schweinberger, S.R., Ramsay, A.L., & Kaufmann, J.M. (2006). Hemispheric asymmetries in font-specific and abstractive priming of written personal names: Evidence from event-related brain potentials. Brain Research, 1117, 195-205.

Schlussfolgerungen Die rechte Hemisphäre (spez. der rechte fusiforme gyrus) repräsentiert Stimuli auf bildspezifische Art und Weise und ist eine zentrale Struktur für die Repräsentation von Gesichtern. Diese bildspezifische Art der Repräsentation komplexer visueller Stimuli in der RH zeigt sich auch für Wörter. Die linke Hemisphäre (spez. der linke fusiforme gyrus) repräsentiert Stimuli auf abstrakte Art und Weise und ist eine zentrale Struktur für die Repräsentation von geschriebenen Worten. Diese Ergebnisse bestätigen und erweitern andere Befunde (Marsolek et al., 1992, 1995, 1999, DeHaene et al., 2001)