Biomonitoring von Luftverunreinigungen an Flughäfen im deutschsprachigen Raum

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Biomonitoring von Luftverunreinigungen an Flughäfen im deutschsprachigen Raum M. Wäber, F. Pompe 1 Einleitung 166 Hunderttausende Menschen leben in unmittelbarer Umgebung um einen der 32 internationalen und regionalen Verkehrsflughäfen Deutschlands und neun korrespondierenden Flughäfen in Österreich und der Schweiz, die in der Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen Mitglied sind [1]. Den Anwohnern ist bewusst, dass im Flughafenbetrieb erzeugte Emissionen Schadstoffe enthalten, die sich in der Umgebungsluft ausbreiten. Sie sind zum Teil besorgt, ob sich diese Luftverunreinigungen auf ihre Gesundheit und ihre Umwelt schädlich auswirken. Insbesondere, wenn Flughäfen ihre Kapazitäten erweitern wollen und Ausbaumaßnahmen planen, erheben die Betroffenen teilweise starke Bedenken. Die Anwohner fragen beispielsweise, ob sie im Garten angebautes Gemüse oder die aus ihrer Region stammenden Lebensmittel bedenkenlos verzehren können. Sie verlangen nach glaubhaften, zuverlässigen und für sie verständlichen Antworten. Um solcherart Bürgerfragen zu beantworten und die tatsächliche Belastungssituation in der Umgebung von Flughäfen festzustellen, wurden und werden an Flughäfen Biomonitoring-Untersuchungen durchgeführt. 2 Das Besondere an Biomonitoring in der Luftreinhaltung Dr. rer. silv. Dipl. Biol. Monica Wäber, Vorsitzende des VDI-Richtlinienausschusses Wirkungsfeststellung an Höheren Pflanzen der VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) Normenausschuss, UMW Umweltmonitoring, München. Dipl.-Ing. Frank Pompe, advizze managementberatung, München. Bild 1. Seit 2014 exponiert der Airport Bremen im Nordwesten und im Südosten des Flughafenareals sowie auf dem Gut Varrel einige Kilometer westlich des Airports Grünkohl. Bild: Simon Köcher Biomonitoring ermöglicht was Emissions- und Immissionsmessungen nicht können die Auswirkungen von Emissionen auf die belebte Umwelt und über die Nahrungskette auf den Menschen räumlich und zeitlich differenziert zu erfassen, etwaige Gefährdungen zu prüfen und Antworten auf die diesbezüglichen Bürgerfragen zu liefern [2; 3]. Biomonitoring-Verfahren sind seit Jahrzehnten etabliert und werden ständig weiterentwickelt. Mittlerweile existieren 20 VDI-Richtlinien und drei europäische Normen zum Biomonitoring von Luftverunreinigungen mit Höheren und Niederen Pflanzen [4]. Umweltbundes- und Landesämter führen langfristig im Hintergrundbereich sowie emittentenbezogen Biomonitoring durch [5 bis 7]. Biomonitoring wird teilweise als Auflage bei Genehmigungen, z. B. in Planfeststellungsverfahren, verordnet. Biomonitoring liefert vergleichbar reproduzierbare und zuverlässige Ergebnisse wie technische Immissionsmessungen und bietet darüber hinaus zahlreiche Vorteile. Beispielsweise ist es kostengünstig, insbesondere bei weiterräumigen Messungen wie der Untersuchung der Umgebung von Flughäfen. Mit Biomonitoring können viele Luftverunreinigungen, auch im Zusammenwirken, gleichzeitig erfasst werden. Messpunkte können unabhängig von der Infrastruktur so gewählt werden, dass der Einwirkungsbereich eines Emittenten bestimmt und gegenüber anderen Emissionsquellen abgegrenzt werden kann [8]. Biomonitoring gibt anschauliche und begreifbare Antworten, die Bürgernähe, Kontaktmöglichkeiten und Akzeptanz fördern [9]. 3 Die Funktionsweise von Biomonitoring mit Pflanzen Beim Biomonitoring werden biologische Systeme als Indikatoren eingesetzt. Die Bioindikatoren akkumulieren die Luftverunreinigungen oder reagieren spezifisch darauf. So können die Wirkungen von Immissionen auf Vegetation und Nahrungskette erfasst werden [3]. Neben schwer abbaubaren (persistenten) Stoffen, die partikelförmig abgelagert werden wie bei den Depositionsmessungen erfassen sie auch gasförmige Stoffe und Schwebstaub: Schwermetalle und anorganische Spurenstoffe (kurz: Metalle), organische Schadstoffe wie die polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) und Dioxine sowie weitere Stoffe, die sich in der Nahrungskette anreichern und so auf die Gesundheit des Menschen schädlich wirken können. Beim aktiven Biomonitoring werden für einen bestimmten Zeitraum einheitlich vorbereitete Bioindikatoren exponiert. In der Regel kommen erprobte und standardisierte Verfahren zum Einsatz: Weidelgras (standardisierte Graskultur nach VDI 3957 Blatt 2 [10]) als Vertreter für Futtermittel und Grünkohl (Grünkohlexposition nach VDI 3957 Blatt 3 [11]) als Vertreter von Gemüselebensmitteln [12]. Die während der Exposition akkumulierten Stoffe können der aktuellen Luftgütesituation zugeordnet werden.

Bild 2. Das Biomonitoring mit Graskulturen (im Bild) und Grünkohlexponaten an zehn Messpunkten in der Umgebung des Flughafens Berlin-Schönefeld 2011 bis 2015 wird nach Eröffnung des BER fortgesetzt. Bild: Günter Wicker Passives Biomonitoring nutzt bereits in der Umwelt vorhandene Bioindikatoren. Damit werden retrospektiv die Wirkungen der Luftverunreinigungen inklusive Vorbelastungen betrachtet [12]. Beispiel für ein passives Biomonitoringverfahren mit einem Reaktionsindikator ist die Kartierung des Flechtenbewuchses an Bäumen als Luftgüteanzeiger, vorrangig für säurebildende und eutrophierende Luftverunreinigungen [13]. 4 Der Einsatz von Biomonitoring an Flughäfen Erstmals wurde 1978 am Flughafen Nürnberg die Unbedenklichkeit von Gemüseanbau in Flughafennähe mit einem sogenannten Gemüsegutachten belegt [14]. Erste Messungen mit aktivem Biomonitoring gemäß VDI-Richtlinien wurden in den 1990er-Jahren gestartet. Eine Übersicht bietet die Tabelle (im oberen Teil). Der Flughafen München ließ 1991 bis 1993 Graskulturen und Grünkohlexposition in der gesamten Umgebung auf Metalle und PAK analysieren [15]. Der Flughafen Frankfurt ließ 1992 Graskulturen, Grünkohlexposition und Sommerweizen direkt am Flughafen auf Metalle und Dioxin untersuchen [16]. Messpunkte im Umfeld des Frankfurter Flughafens wurden von Landes- und Kommunalbehörden in weitere Biomonitorings einbezogen: in die Dauerbeobachtung des Flechtenbewuchses an Bäumen in Hessen 1992 bis 2012 [17] und das 2013 im Auftrag der Stadt Mörfelden-Walldorf durchgeführte Grünkohl-Biomonitoring [18]. Die Fraport AG unterstützte ein Forschungsprojekt, in dem von 2006 bis 2008 Proben von Moosen, Bienen, Honig und Pollen auf dem Flughafen und an zwei Referenzmessorten untersucht wurden [19]. Die Flughäfen Dresden und Leipzig beauftragten 2008 Grünkohl-Biomonitoring [20; 21]. Aktuell setzen die Flughäfen Bremen, Berlin und München auf Biomonitoring von Metallen und PAK. Der Flughafen Bremen analysiert seit 2014 an zwei Messpunkten sowie einem Referenzmesspunkt Grünkohlexposition (Bild 1), 2015 und 2016 auch Spinat. Anlass war der Vergleich mit einem kleineren niederländischen Flughafen. Positives Ergebnis dabei: Am größeren Flughafen Bremen wurden keine höheren Akkumulationen als am kleineren niederländischen ge - mes sen. Inzwischen läuft das Biomonitoring am Flughafen Bremen selbstständig [22]. Im Umfeld des Flughafens Berlin- Schönefeld dient das Biomonitoring seit 2011 dazu, den Anwohnern die Betriebssituationen von bisheriger Nord- und neuer Süd- Landebahn transparent zu machen [23] (Bild 2). Es wird nach Inbetriebnahme des Flughafens Berlin-Brandenburg (BER) fortgeführt, um etwaige dortige Veränderungen zu dokumentieren [24]. Am Flughafen München gibt es seit 2006 das engmaschigste Biomonitoring-Messnetz aller europäischen Flughäfen. 5 Das engmaschigste Messnetz am Flughafen München Seit mehr als zehn Jahren führt der Flughafen München nunmehr Biomonitoring durch, das mit Depositionsuntersuchungen ergänzt wird. Das Messnetz umfasst insgesamt 14 Messpunkte: zwölf in der Region rund um den Flughafen sowie zwei weitere in einem Vergleichsgebiet ohne Flughafen. Es zielt darauf ab, Flughafenbetrieb, Kfz-Verkehr, Siedlungseinflüsse und Landwirtschaft als potenzielle Quellen zu unterscheiden (Bild 3). Zeitweise wurde das kontinuierliche Biomonitoring sogar auf bis zu 28 Messpunkte erweitert. Die Untersuchungen 2009 und 2010 gingen als Ist- Zustandserfassung in das landwirtschaftliche Beweissicherungsverfahren im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens für den Bau der dritten Start- und Landebahn ein. Das dichte Messnetz und die breite Stoffpalette übertreffen die Anforderungen, die an emittentenbezogenes Biomonitoring gestellt sind [8]. Die Ergebnisse von rund 25 000 Messwerten von jedem Messpunkt pro Messjahr drei Graskultur- Messwerte und ein Grünkohl-Messwert zu je 19 Schwermetallen und anorganischen Spurenstoffen sowie 16 PAK- Einzelverbindungen sind für die Öffentlichkeit transparent im Internet zugänglich [25]. Die positiven Ergebnisse: Für die in Grünkohlexponaten analysierten Blei-, Cadmium-, Kupfer- und Quecksilbergehalte, für die nach Europäischem Recht Lebensmittel-Höchstgehalte festgelegt sind, kann die Gefährdung des Menschen über den Verzehr ausgeschlossen werden. Die als Beurteilungswerte dienenden Höchstgehalte für Futtermittel werden von den Graskulturergebnissen unterschritten. Hinweise auf Beeinträchtigungen der landwirtschaftlichen Produktion durch Luftverunreinigungen sind nicht abzuleiten, die Stoffe weisen teilweise sehr geringe Gehalte auf oder sind trotz empfindlicher Analysenverfahren nicht auffindbar. 167

Kurzbericht Bild 3. Das kontinuierliche Biomonitoring des Flughafens München wird an zwölf Messpunkten am und in der Umgebung des Flughafens von Bergerhoff-Depositionsmessungen begleitet, zum Beispiel in den An-/Abflugschneisen (links) und in Gemeinden (rechts). Bilder: Flughafen München 6 Der Nutzen für die Beteiligten und Brückenschlag zu verwandten Themen In freiwilligen Programmen untersuchten und untersuchen Flughäfen, welche Wirkungen auf die Umwelt und über die landwirtschaftliche Produktion auf die Menschen in der Umgebung vom Flughafenbetrieb ausgehen. Dass hier mit sinnvollem Messinstrumentarium das Richtige getan wird fernab von Reinwaschen, zeigt sich daran, dass die laufenden Biomonitorings von Luftverunreinigungen mit pflanzlichen Bioindikatoren nach Richtlinienverfahren durchgeführt (Tabelle), mit Behörden und Experten abgestimmt, z. B. [6; 25] und die Ergebnisse transparent gemacht werden [14 bis 25]. Das fördert die Glaubwürdigkeit des für interessierte Laien und Betroffene oft unerwarteten und übereinstimmend positiven Ergebnisses, zu dem die Biomonitorings kamen: Ein nennenswerter Einfluss des Luftverkehrs auf die jeweilige Region ist nicht festzustellen. Von der eher technischen Luftreinhaltung schafft das vorgestellte klassische Biomonitoring von Immissionswirkungen eine Verbindung hin zu anderen Monitorings, für die sich viele Flughäfen engagieren: Beispiele sind Bienenoder Honigmonitorings als Umwelt- oder Rückstandsuntersuchung für in der Region produzierten Honig, oder Kartierungen von Flora und Fauna zum Monitoring der Biodiversität und ihrer Entwicklung (Tabelle, im unteren Teil) [26 bis 33]. Literatur [1] [2] [3] [4] [5] [6] Flughafenverband ADV: Mitglieder. http://www.adv.aero/wpcontent/uploads/2015/11/adv-mitgliederkate_01_ 2018.png. DIN EN 16789: Außenluft Biomonitoring mit Höheren Pflanzen Verfahren der standardisierten Tabak-Exposition; Deutsche Fassung EN 16789:2016-12. Berlin: Beuth. VDI 3957 Blatt 1:2014-09: Biologische Messverfahren zur Ermittlung auf Pflanzen (Biomonitoring) Grundlagen und Zielsetzung. Berlin: Beuth. VDI (Hrsg.) Agenda Biomonitoring VDI-Richtlinien zur Zielerreichung. Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN Normenausschuss KRdL (Hrsg.) 2016, Düsseldorf: VDI. Hombrecher, K., Both, R., Müller-Uebachs, A., Schmidt, J., Radermacher, L.: Immissionsbedingte Hintergrundbelastung von Pflanzen in NRW Schwermetalle und organische Verbindungen. LANUV-Fachbericht 61, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), 2015, Recklinghausen. Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.): PAK-Immissionswirkungen in Bayern Langzeituntersuchung polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe mit Biomonitoring-Verfahren. UmweltSpezial, 2017, Augsburg. 168 Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf

Tabelle. Historischer Überblick über an Flughäfen im deutschsprachigen Raum durchgeführte Biomonitorings von Luftverunreinigungen (oberer Abschnitt: grün) sowie Bespiele weiterer, aktueller Monitorings mit lebenden Organismen (unterer Abschnitt: grau). Biomonitoring der Wirkungen von Luftverunreinigungen mit pflanzlichen Bioindikatoren Flughafen Zeitraum Biomonitoring-Verfahren untersuchte Parameter, Messorte Quellen Nürnberg 1978 bis 2003 Gemüse- und Bodenstichproben Metall-, PAK-, Dioxin-Akkumulation, an [14] (10 Gemüsesorten) 21 Feldorten in der Umgebung München 1991 bis 1993 Graskulturen und Grünkohlexposition Metall-, PAK-Akkumulation, [15] [VDI 3957 Blatt 2 und 3] an zwölf Messpunkten in der Umgebung Frankfurt 1992 Graskulturen, Grünkohlexposition [VDI 3957 Blatt 2 und Blatt 3] und Sommerweizen Metall-, Dioxin-Akkumulation, direkt am Flughafen [16] Frankfurt HLUG 1992, 2007, 2012 Flechten-Luftgütekartierung [VDI 3957 Blatt 13] Frankfurt 2006 bis 2008 Moos-Monitoring zusammen mit Bienenvitalität, Honig- und Pollenanalysen Reaktion von Flechten (an Bäumen) auf saure [17] und eutrophierende Stoffe, auf einer Untersuchungsfläche 17 Metall- und PAK-Akkumulation [19] Dresden 2008 Grünkohlexposition [VDI 3957 Blatt 3] PAK-Akkumulation, [20] Feld im Westteil des Flughafens Leipzig 2008 Grünkohlexposition [VDI 3957 Blatt 3] 7 Metall-, PAK-Akkumulation, [21] an 8 Messpunkten in der Umgebung Frankfurt 2013 Grünkohlexposition [VDI 3957 Blatt 3] 7 Metall-, PAK-Akkumulation, an 14 Messpunkten [18] Walldorf 1) um Mörfelden-Walldorf inkl. 4 Mess- punkten entlang Flugroute Berlin 2011 bis 2015 Graskulturen und Grünkohlexposition 9 Metall-, PAK-Akkumulation, [22; 23] Schönefeld ab BER 2) [VDI 3957 Bl. 2, 3] an 10 Messpunkten in der Umgebung Bremen seit 2014 Grünkohlexposition [z.t. gem. 5 Metall-, PAK-Akkumulation, im Flughafen [24] VDI 3957 Bl. 3], Spinat 2 Messpunkte, 1 Referenzmesspunkt München seit 2006 Graskulturen und Grünkohlexpo sition [VDI 3957 Bl. 2, 3] begleitet von Depositionsmessungen [VDI 4320 Blatt 2] [34] 18 Metall-, PAK-Akkumulation, 12 kontinuierliche Messpunkte (inkl. 2 Referenzmess punkte) und Vergleichsgebiet; zeitweise bis zu 28 Messpunkte [25] Beispiele weiterer, aktueller Monitorings mit lebenden Organismen Flughäfen Medium Monitoring-Verfahren Untersuchungsziel Quellen D: fast alle CH: Basel 3), Genf, Ö: Wien D: Stuttgart CH: Zürich D: 16 von 22 internationalen Flughäfen Fauna und Flora Tier- und Pflanzenarten- sowie Biotop-Kartierung/-Monitoring Schutz von Biodiversität, Arten und Biotopen, Vogelschlagverhütung [26 bis 29] als Beispiele Wiese Analysen von Grünschnitt auf dem Flughafen Information der Vertragsbauern über Stoffgehalte in der Flughafenmahd [30; 31] Honig Metall-/BTEX-/PAK-Analysen regionale Lebensmittel [32; 33 als Bienen- Beispiele] produkte Bienen-/Honigmonitoring: Vitalität sowie Metalle, (BTEX), PAK in Honig, Pollen, Wachs Untersuchung des Flugverkehrseinflusses auf Umwelt, Bienenprodukte und regionale Lebensmittel HLUG: Auftraggeber Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (heute HLNUG) Walldorf 1) : Auftraggeber Stadt Mörfelden-Walldorf BER 2) : Fortsetzung ab Eröffnung des BER; Basel 3): Euroairport Basel Mulhouse Freiburg BTEX: Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylole PAK: polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, in der Regel 16 Einzelverbindungen nach EPA-Standard analysiert D: Deutschland, Ö: Österreich, CH: Schweiz [7] Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.): 35 Jahre Moosmonitoring von Metallen in Bayern Zeitliche und räumliche Analysen. UmweltSpezial, 2017, Augsburg. [8] VDI 3957 Blatt 10:2004-12: Biologische Messverfahren zur Ermittlung auf Pflanzen (Bioindikation) Emittentenbezogener Einsatz pflanzlicher Bioindikatoren. Berlin: Beuth. [9] Wäber, M., Pompe, F.: Lasst Blumen sprechen Ein Plädoyer für die richtige Kommunikation von Anfang an beim Biomonitoring. Gefahrstoffe Reinhalt. Luft 77 (2017) Nr. 4, S. 116-117. [10] VDI 3957 Blatt 2:2016-03: Biologische Messverfahren zur Ermittlung auf Pflanzen (Biomonitoring) Verfahren der standardisierten Graskultur. Berlin: Beuth. 169

[11] VDI 3957 Blatt 3:2008-12: Biologische Messverfahren zur Ermittlung auf Pflanzen (Bioindikation); Verfahren der standardisierten Exposition von Grünkohl. Berlin: Beuth. [12] Wäber, M.: Biomonitoring der Auswirkungen von Emittenten Abgrenzung zu technischen Emissions- und Immissionsmessungen, aktuelle Normungsaktivitäten und Anwendungen im Anlagenumfeld. Anlagenbezogenes Monitoring, VDI-Berichte 2280. Düsseldorf 2016, S. 23-36. [13] Außenluft Biomonitoring mit Flechten Kartierung der Diversität epiphytischer Flechten; Deutsche Fassung EN 16413:2014 08. Berlin: Beuth. [14] Flughafen Nürnberg: Das Gemüsegutachten Garant für ein gesundes Knoblauchsland. https://www.airportnuernberg.de/luft-529c706ce9087309. [15] TÜV Bayern Sachsen (1993): Biomonitoringprogramm im Umfeld des Flughafens München. Zitiert in: Wäber, M. 2009, unveröffentlicht: Biomonitoring und Depositionsuntersuchungen in der Nachbarschaft des Flughafens München 2006 und 2007. [16] Fraport (Hrsg.): Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt. Spektrum Umwelt 6/2009. Frankfurt am Main 2009. http://www.fraport.de/content/fraport/de/misc/binaer/ unternehmen/verantwortung/publikationen/umwelt/weitereumweltpublikationen/die_ wurzeln_der_nachhaltigkeitamflughafenfrankfurt/jcr:content. file/50_jahre_umweltschutz_am_flughafen.pdf. [17] Hessisches Landesamt für Natur, Umwelt und Gesundheit (Hrsg.): Dauerbeobachtung von Flechten in Hessen 2012. HNLUG, vormals HLUG, 2013, Wiesbaden. https://www. hlnug.de/fileadmin/dokumente/nachhaltigkeit/14 05 07_ Abschlussbericht_DBF_2012_endversion.pdf. [18] Klein und Quack: Biomonitoring von Luftschadstoffen mit standardisiertem Grünkohl (VDI 3957/3, 2008) Stadt Mörfelden-Walldorf. https://www.moerfelden-walldorf.de/ media/amt70/abschlussbericht%20luftschad-stoffmonitoring%20moerfelden-walldorf%202013.pdf. [19] Biomonitoring am Flughafen Frankfurt Bienen überwachen Standortqualität. Spektrum Umwelt 8/2009. Fraport AG (Hrsg.). Frankfurt am Main 2009. Zitiert in: Wäber, M., Pompe, P., Steinbrecher, W., Rottler, H.: Honigmonitoring Verfahren zur Untersuchung von Luftschadstoffen in Pollen, Wachs und Honig von Bienen. Gefahrstoffe Reinhalt. Luft 76 (2016) Nr. 4, S. 115-121. [20] Flughafen Dresden International: Biomonitoring mit Grünkohl 2008. http://www.dresden-airport.de/unternehmen/laermund-umweltschutz/biomonitoring.html. [21] Maier, W.: Biomonitoring von Luftschadstoffen mit dem Grünkohl-Verfahren im Umfeld des Flughafens Leipzig 2008. TÜV SÜD Industrie Service GmbH, 2009, Filderstadt. https://www.leipzig-halle-airport.de/mediapool/bericht_ biomonitoring_2008.pdf?t=ckljd3czor. [22] Wäber, M., Aust, S., Johannsen, K., Pompe, F., Heimberg, J.: Biomonitoring mit Grünkohl und Graskultur im Umfeld des zukünftigen Flughafens Berlin Brandenburg. Gefahrstoffe Reinhalt. Luft 75 (2015) Nr. 4, S. 137-142. [23] Flughafen Berlin Brandenburg: Biomonitoring. http://www. berlin-airport.de/de/unternehmen/umwelt/luft/biomonito ring/index.php. [24] Flughafen Bremen: Alles im grünen Bereich Gemüse vom Flughafen. http://www.bremen-airport.com/umwelt/alles-imgruenen-bereich/ und mündliche Mitteilung S. Köcher, Environmental Manager, Flughafen Bremen GmbH am 11.12.2017. [25] Flughafen München: Biomonitoring Mit Weidelgras den Luftschadstoffen auf der Spur. https://www.munich-airport. de/biomonitoring-88353. [26] Flughafenverband ADV: Naturschutz im Blick. http://adv.aero/ wp-content/uploads/2016/10/adv_naturschutz-im- Blick_web-2016.pdf. [27] Euroairport Basel Mulhouse Freiburg: Umweltbericht 2016. 27 S. https://www.euroairport.com/de/euroairport/umwelt/luft verkehr-und-umwelt/publikationen.html. [28] Geneva Airport: Naturschutz Große Biodiversität und seltene Pflanzenarten. http://www.gva.ch/de/desktopdefault.aspx/ tabid-114/. [29] Vienna Airport: Nachhaltigkeitsbericht 2014 inklusive Umwelterklärung 2015. Flughafen Wien AG (Hrsg.), 110 S. https://www.viennaairport.com/jart/prj3/va/uploads/datauploads/konzern/investor%20relations/nachhaltigkeit/vie_ Nachhaltigkeit_DE_neu.pdf. [30] Flughafen Stuttgart: Klimaschutz & Ressourcen Biodiversität: http://www.flughafen-stuttgart.de/fairport-str/klimaschutzressourcen. [31] mündliche Mitteilung E. Fleuti, Head of Environment, Flughafen Zürich AG, am 7.12.2017. [32] Flughafen Hamburg: Umwelt im Fokus Honigbienen am Flughafen. http://www.hamburg-airport.de/de/um welt_im_fokus.php. [33] Flughafenverband ADV: Kleine Umweltpolizisten belegen hohe Luftqualität am Flughafen. http://www.adv.aero/wpcontent/uploads/2016/10/infografik_20161028_01.pdf. [34] VDI 4320 Blatt 2:2012-01: Messung atmosphärischer Depositionen Bestimmung des Staubniederschlags nach der Bergerhoff-Methode. Berlin: Beuth. 170