Betreten und Befahren der Wälder im Land Brandenburg (Teil 1)

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Transkript:

Verlinkter Beitrag der Internetfassung der BRAFONA-Ausgabe 134, März/April 2008 Rubrik Aus der Rechtspraxis, S. 26 Betreten und Befahren der Wälder im Land Brandenburg (Teil 1) I. Konfliktsituationen In weiten Teilen des Landes Brandenburg ist der Wald in erster Linie Nutzwald, der von den öffentlichen oder privaten Waldbesitzern bewirtschaftet wird. In den letzten Jahren hat jedoch der Wald in seiner Bedeutung als Ort der Erholung erheblich zugenommen. Ein Beleg dafür ist die wachsende Bedeutung des Tourismus im Lande, nicht nur für die Stadtbevölkerung, insbesondere von Berlin, sondern auch aus dem In- und Ausland. Zusätzlich hat sich auch das Freizeitverhalten der Waldnutzer verändert, die den Wald intensiver als bisher in Form von Wandern ( Nordic Walking ), Waldrallyes oder durch Reiten nutzen. Diese Nutzung durch Dritte ist zulässig aufgrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG), welches den Waldeigentümer zur Duldung der Nutzung verpflichtet. Dieser Duldungspflicht, die dem Bürger z. B. einen schönen Spaziergang durch die brandenburgischen Wälder erlaubt, kann dem Waldbesitzer erhebliche Nachteile bringen. Zum einen muss er seinen Verkehrssicherungspflichten gerecht werden, auch wenn sich für ihn eine Haftung grundsätzlich nur bei atypischen Gefahren ergibt. Zum anderen wird das biologische Gleichgewicht des Waldes durch das Spazierengehen abseits der Wege, liegengebliebenen Müll, erhöhte Waldbrandgefahr, Reitpferde, frei laufende Hunde und nicht zuletzt PKWs nachhaltig gestört. Vermehrt kommt es daher zu Konflikten zwischen beiden Seiten, welche durch eine gesetzliche Regelung, die auch das Betreten und das Befahren des Waldes betrifft, vermindert werden sollen. Bund und Länder haben versucht, mit dem Bundeswaldgesetz (BWaldG) und den ergänzenden Landeswaldgesetzen (LWaldG) einen möglichst gerechten Ausgleich zu schaffen einerseits zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an einem freien Zutritt zum Wald und andererseits den Belangen der Waldeigentümer, über ihren Wald unter Ausschluss Dritter frei verfügen zu können. II. Betreten des Waldes gemäß 15 LWaldG 15 Abs. 1 LWaldG regelt, dass zum Zwecke der Erholung das Betreten des Waldes jedermann gestattet (ist), soweit dem nicht Interessen der Allgemeinheit entgegenstehen. Das Betretungsrecht im Rahmen der Ausübung behördlicher Aufgaben bleibt hiervon unberührt. 1

1. Formen des Betretens Begünstigte des Rechts können naturgemäß nur natürliche Personen sein, nicht etwa juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts. Es bezieht sich grundsätzlich auf alle Waldflächen 1, unabhängig von ihrer Eigentumsform oder den Besitzverhältnissen 2 und kann nicht von einem Entgelt abhängig gemacht werden 3. Umfasst werden von diesem Betretungsrecht zunächst das gewöhnliche Spazierengehen zu Fuß, das Wandern und das Laufen. 4 Jedoch wird dieser Begriff sehr weit verstanden und geht daher über den normalen Fußgängerverkehr hinaus. Somit fallen unter dieses Recht auch das Ruhen, Sitzen oder Spielen im Wald, eine Übernachtung ohne Zelt und andere Verweilungsmöglichkeiten. 5 Wie das LG Arnsberg entschieden hat, fällt daher auch das Skilanglaufen unter den Begriff des Betretens, solange dies in erster Linie vom Erholungsgedanken geprägt ist und nicht innerhalb einer Teilnahme an organisierten Veranstaltungen ausgeführt wird. 6 a) Zum Reiten als Form des Betretens: Vielen Waldbesitzern, aber auch Jägern sind Reiter im Walde ein Dorn im Auge, weil Wege beschädigt oder gar nicht benutzt werden und sich zusätzliche Gefahren für den Abschuss ergeben. Andererseits besteht ein Interesse und in gewisser Weise auch eine Notwendigkeit für Reiter, Pferde artgerecht zu halten und zu diesem Zweck auch zu bewegen. Der Gesetzgeber hat daher im Gesetz versucht, eine Kompromisslösung zu treffen: Aus der gesetzlichen Systematik des 14 BWaldG und der speziellen Regelung für das Reiten im Walde in 15 Abs. 4 LWaldG ergibt sich, dass das Reiten nicht unter den Begriff des Betretens fällt, sondern eine eigene Bewegungsart darstellt, die das Land Brandenburg dem Betreten allerdings gleichgestellt hat. 7 Unter dem Begriff Reiten ist zum einen die Fortbewegung des Menschen mittels eines Pferdes und dessen Führung zu verstehen. Des weiteren umfasst es aber auch das Fortbewegen des Menschen mit irgendeinem Reittier, wie z. B. mit einem Esel, einer Kuh oder einem Ochsen. 8 Als zulässige Reitwege nennt 15 Abs. 4 Satz 2 LWaldG Waldwege und Waldbrandwundstreifen. In 15 Abs. 5 LWaldG sind die unzulässigen Reitwege aufgeführt. Im Folgenden werden die Termini Rückewege und Waldeinteilungsschneisen erläutert. aa) Rückewege: Das Herausbringen von geschlagenen Holzstämmen wird im Forstwesen als Rücken bezeichnet. Die für diesen Vorgang vorgesehene Fläche nennt sich Rückeweg und Rückegasse. Während die Rückegassen die Bestände erschließen und das Befahren mit Holzerntemaschinen ermöglichen, verbinden die Rückewege 1 Koch, Waldgesetz des Landes Brandenburg (Kommentar), 2007, 15 Anm. 4.1.1.2.1 (S. 10). 2 Koch, a.a.o. 3 VG Arnsberg, Urteil vom 14.09.1994, NuR 1995, S. 1243. 4 Koch, a.a.o., 15 Anm. 4.1.1.2.1 (S. 9); Klose/Orf, Kommentar zum Waldrecht des Bundes und der Länder, 2. Aufl. 1998, 14 Rdnr. 18 f. (S. 574). 5 Koch, a.a.o. 6 LG Arnsberg, Urteil vom 14.09.1994, 1 K 7738/93. 7 Koch, a.a.o., 15 Anm. 4.4.2.2 (S. 14). 8 Koch, a.a.o. 2

die einzelnen Rückegassen mit den für Lastwagen befahrbaren Abfuhrwegen. Sachgerecht ist es daher, nicht nur Rückewege, sondern auch Rückegassen unter die unzulässigen Reitwege zu fassen. 9 bb) Waldeinteilungsschneisen: Darunter sind Flächen zu verstehen, die von Bewuchs freizuhalten sind und die allein der Unterteilung einer Waldfläche in einzelne Einheiten oder der Kennzeichnung von Grundstücksbewirtschaftungsgrenzen dienen. 10 b) Besondere Formen des Betretens bzw. des Benutzens: Das Radfahren, worunter auch das Fahren mit Mountainbikes, Liegerädern oder sonstigen nicht motorisierten Rädern fällt, und das Fahren mit Krankenfahrstühlen ( Rollstühlen ) ist nur auf Wegen gestattet. Darunter sind auch alle im Wald gelegenen betretbare Pfade und nicht öffentliche Verkehrsflächen zu verstehen, die nicht mit einem zwei- oder mehrspurigen Fahrzeug befahren werden können. Die Bedingung für ein Befahren eines dieser Wege ist aber, dass diese für Fahrräder und Krankenfahrstühle überhaupt befahrbar sind. 11 2. Erholungszweck Ein weiteres Tatbestandsmerkmal des 15 Abs. 1 Satz 1 LWaldG, welches für das geduldete Betreten vorliegen muss, ist der Erholungszweck ( zum Zwecke der Erholung ). Dieses Merkmal wird ebenfalls sehr weit verstanden und es genügt, wenn es den Zweck des Betretens nur nebenbei bestimmt. Zu beachten ist auch, dass dieses Merkmal nicht abschließend erläutert werden kann und im konkreten Fall stets neu ausgelegt werden muss, um eine lebensnahe Entscheidung zu gewährleisten. Dem Zwecke der Erholung dient in keinem Fall ein Betreten aus gewerblichen, beruflichen oder solchen Gründen, die für gewöhnlich nicht mit einer Erholung verbunden sind. 12 Dazu zählen unter anderem das Errichten eines Kiosks, das Unterhalten einer Reitschule oder der Verkauf von Waren. 13 Rein wissenschaftliche Tätigkeiten, wie das Beobachten von Vögeln oder das Sammeln verschiedener Gräser können zwar nicht als Erholung angesehen werden, jedoch wird von einem stillschweigenden Einverständnis des Waldeigentümers ausgegangen, solange sich diese Betätigung auf reine Beobachtung der Natur beschränkt. 14 Daher müssen trotz des möglichen Erholungsfaktors aus Naturschutzgründen keine Schleppjagden oder sonstige Veranstaltungen geduldet werden, bei denen ein wirtschaftliches gesellschaftliches Interesse im Vordergrund steht und Eingriffe in die Natur zu befürchten sind. 15 Auch sog. Survival-Games sind genehmigungspflichtig. 16 9 Koch, a.a.o., 15, Anm. 4.4.2.4.3 (S. 16). 10 Koch, a.a.o., 15, Anm. 4.4.2.4.4 (S. 16). 11 Koch, a.a.o., 15, Anm. 4.4.1. (S. 13). 12 Koch, a.a.o., 15 Anm. 4.1.1.2.2 (S. 10). 13 Koch, a.a.o. 14 Koch, a.a.o., 15 Anm. 4.1.1.2.2 (S. 11). 15 Klose/Orf, a.a.o., Rdnr. 26 (S. 577). 16 VG Köln, Beschluss vom 25.07.1991, 14 L 820/91. 3

3. Kein entgegenstehendes Interesse der Allgemeinheit Die dritte Tatbestandsvoraussetzung aus 15 Abs. 1 Satz 1 LWaldG, die zur Gewährleistung des Betretungsrechts erfüllt sein muss, besteht darin, dass nicht Interessen der Allgemeinheit entgegenstehen dürfen. Die Erholungsfunktion des Waldes darf nicht über die anderen Funktionen des Waldes gestellt werden. Um diese anderen Funktionen zu schützen, muss in bestimmten Situationen der Besucherverkehr eingeschränkt werden. Solche Situationen, die die Verminderung des Betretungsrechts fordern, können sich aus Naturschutzgründen, Waldbrandschutz oder auch aus Wildverbissschäden ergeben. 17 Die Soweit-Regelung ( soweit dem nicht Interessen der Allgemeinheit entgegenstehen ) wird dann in 15 Abs. 3 LWaldG durch dessen Betretungsverbote konkretisiert. Die Zulässigkeit dieser Betretungsverbote resultiert aus 14 Abs. 2 Satz 2 BWaldG, welches den Ländern die Möglichkeit einräumt, das Betretungsrecht einzuschränken. Das Land Brandenburg erteilt ein Betretungsverbot für gesperrte Flächen und Waldwege, für Flächen und Wege der Holzwirtschaft, für umzäunte Flächen und forstbetriebliche Einrichtungen. 4. Aneignungsrecht nach 15 Abs. 7 LWaldG Das Aneignungsrecht aus 15 Abs. 7 LWaldG führt hinsichtlich der Entnahmeobjekte zu einem Eigentumserwerb kraft Gesetzes. 18 Als Objekte kommen nach 15 Abs. 7 Waldfrüchte, Pilze und wild wachsende Pflanzen in Betracht. Zu den wild wachsenden Pflanzen zählen Moose, Farne, Gräser, Schilf, Blumen und Kräuter. Unter Waldfrüchten versteht man alle Erzeugnisse des Waldes bzw. der in ihm lebenden Pflanzen, wie Eicheln, Bucheckern, Nüsse, Zapfen oder Beeren. Die Termini Handstrauß, für den eigenen Gebrauch und in geringen Mengen geben die Entnahmemenge an. Danach darf an wild wachsenden Pflanzen so viel mitgenommen werden, wie ein einzelner Mensch in seiner Hand tragen kann und an Pilzen und Waldfrüchten soviel, wie für den eigenen Verzehr benötigt wird. Der Begriff für den eigenen Gebrauch bestimmt des weiteren den Zweck der Entnahme. Eine Entnahme in Form gewerblichen Sammelns oder innerhalb organisierter Veranstaltungen ist nicht gestattet. 19 Allerdings muss beachtet werden, dass besondere unter Schutz gestellte Arten (Pflanzen etc.) aus der freien Natur nicht entnommen werden dürfen, insoweit schränkt das Brandenburgische Naturschutzgesetz (BbgNatSchG) den Anwendungsbereich des LWaldG ein. 17 Koch, 15, S. 11 18 Koch, a.a.o., 15 Anm. 4.1.1.1 (S. 8). 19 Koch, a.a.o., 15 Anm. 4.6.2.1.3 (S. 19). 4

5. Betreten im Rahmen hoheitlicher Tätigkeit Aus 15 Abs. 1 Satz 2 LWaldG ergibt sich, dass das Betretungsrecht im Rahmen der Ausübung behördlicher Aufgaben von den oben genannten Voraussetzungen unberührt bleibt. Grundlage behördlichen Handelns sind zum einen für die Forstbediensteten die speziellen Eingriffsnormen aus dem Landeswaldgesetz und den Ausführungsbestimmungen, z. T. in Verbindung mit den Vorschriften des Ordnungswidrigkeitenrechts (OWiG), sowie für diejenigen Bestimmungen der Sonderordnungsbehörden, wie z. B. für die Naturschutzbehörde 68 Abs. 3 BbgNatSchG oder für die Polizei 23 Abs. 4 BbgPolG. 20 Beitrag wird demnächst fortgesetzt. RA Stephan J. Bultmann unter Mitarbeit von stud. iur. Cathrin Krämer, SNP Schlawien Naab Partnerschaft, Berlin stephan.bultmann@snp-online.de www.snp-online.de 20 Koch, a.a.o., 15 Anm. 4.1.2 (S. 11). 5