STELLUNGNAHME vom 5. Mai 2017 zum Entwurf einer Verordnung über den Umgang mit Nährstoffen im Betrieb und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 18. April 2017 DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.v. Ansprechpartner Dr. Daniel Petry Josef-Wirmer-Straße 1-3 D-53123 Bonn Tel.: +49 228 9188-856 E-Mail: petry@dvgw.de
Der DVGW bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung über den Umgang mit Nährstoffen im Betrieb und zur Änderung weiterer Vorschriften. Zusammenfassende Einschätzung des Verordnungsentwurfs Mit dem novellierten Düngerecht besteht erstmals die Möglichkeit, eine umfassende Bilanzierung der relevanten Stoffströme und eine sowohl pflanzenbaulich als auch gewässerschutzbezogen sachgerechte Bewertung der betrieblichen Bilanzwerte einzuführen. Mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf, insbesondere Artikel 1 mit dem Entwurf der Stoffbilanzverordnung (StoffBilV), soll diese Möglichkeit nun genutzt werden. Der DVGW stellt hierzu Folgendes fest: Der Berechnungsteil der Stoffstrombilanz bildet die tatsächlichen Bilanzglieder und Bilanzgrößen weitgehend korrekt ab. Dies betrifft die Ermittlung der Stoffströme von Stickstoff und Phosphor und die darauf aufbauende Erstellung der betrieblichen Stoffstrombilanzen auf Basis der Anlagen 1, 2, 3 und 4 des Verordnungsentwurfs zur StoffBilV. Auf einige wenige Defizite und Fehler weisen wir weiter unten hin. Der Bewertungsteil der Stoffstrombilanz, also die Ermittlung zulässiger Bilanzgrößen auf Basis der Anlage 5 des Verordnungsentwurfs zur StoffBilV, ist weder sachgerecht noch zielführend, weil - die Zulässigkeit der Überschüsse allein von betrieblichen Kenngrößen abhängig ist und nicht von den Erfordernissen des Gewässerschutzes, - hohe pauschale Zuschläge für umweltrelevante gasförmige Verluste bei tierischen Ausscheidungen und Gärrückständen sowie für Grobfutterverluste geschaffen werden, - ein zusätzlicher pauschaler Zuschlag für Messungenauigkeiten in Höhe von 20 % möglich ist. Im Ergebnis sind Stickstoffüberschüsse von > 200 kg/ha zulässig, die weit jenseits der als dauerhaft gewässerverträglich anzusehenden 60 kg/ha liegen. Aus Sicht des DVGW wird mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf daher kein substanzieller Beitrag zur Umsetzung der EG-Nitratrichtlinie und zum Schutz der Gewässer vor Nitratbelastungen aus der Landwirtschaft geleistet. Dies ist absolut unverständlich, da im Berechnungsteil die relevanten Bilanzglieder und -größen erfasst werden und damit eine belastbare Datengrundlage vorliegt. Erst durch den unzureichenden Bewertungsteil wird die Chance auf eine auch den Gewässerschutzzielen gerecht werdende Ausgestaltung der Stoffstrombilanz vertan. Der DVGW lehnt daher die Ermittlung der zulässigen Bilanzwerte nach Anlage 5 strikt ab und hält zur Erreichung der Ziele der EG-Nitratrichtlinie die Überarbeitung des Entwurfs gemäß den nachfolgenden Hinweisen und Vorschlägen für zwingend notwendig. Kernbestandteil der Überarbeitung muss nach Ansicht des DVGW der Ersatz der Anlage 5 durch einen grundsätzlich für alle Betriebe geltenden maximal zulässigen Bilanzwert von 60 kg N/ha sein. Damit würde die Verordnung einer auch an den vorgegebenen Gewässerschutzzielen orientierten Bewertung der Stoffströme gerecht. Seite 2 von 5
Zu den Regelungen des Artikel 1 (Stoffstrombilanzverordnung StoffBilV) im Einzelnen Anlage 1 Umrechnungsschlüssel zur Ermittlung der Großvieheinheiten (GV) Es fehlen die Werte für die Tierarten Bullen, Ziegen und Kaninchen. Anlage 2 Stickstoff- und Phosphor-/Phosphatgehalte [ ] Tabelle 6: Stickstoffzufuhr durch den Anbau von Leguminosen Die in relevantem Umfang stattfindende N-Zufuhr über das Saatgut von Körnerleguminosen wird nicht berücksichtigt. Weiterhin fehlt hier die Berücksichtigung der N-Fixierung durch Leguminosen im Grünland, deren Höhe nach bestehendem fachlichen Konsens pauschal mit 30 kg N/ha angesetzt werden kann. Demzufolge ist in Tabelle 6 und in Anlage 3 die Stickstoffzufuhr beim Grünland als eigenes Bilanzglied zu ergänzen. Anlage 3 Jährliche betriebliche Stoffstrombilanz und Anlage 4 Mehrjährige betriebliche Stoffstrombilanz Die in den Anlagen 3 und 4 vorgesehenen Bilanzglieder sind zur Berechnung des N-Überschusses geeignet und die jeweils geforderten Werte sind durch Buchführungsunterlagen oder Datenabgleich belegbar. Der DVGW begrüßt daher die hier gewählte Vorgehensweise. Auf Seite der N-Zufuhren ist bei Anlage 3 ein Bilanzglied für die Stickstofffixierung von Grünlandflächen zu ergänzen. Anlage 5 Ermittlung des für den Betrieb zulässigen Bilanzwertes für Stickstoff und Phosphor Allgemein Die Berechnung und Bewertung des zulässigen Bilanzwertes nach Anlage 5 basiert auf Schätzgrößen und pauschalen Zuschlägen für gasförmige Verluste, wodurch sich die Qualität und Belastbarkeit der Berechnung des gesamtbetrieblichen N-Überschusses (N-Bilanzsaldo) gemäß Anlage 3 und 4 deutlich verschlechtert. Der nach Anlage 3 ermittelte N-Bilanzsaldo (kg N Überschuss) ist auf die Gesamtfläche des Betriebes zu beziehen (kg N/ha Überschuss) und muss dann als Bewertungsmaßstab für den zulässigen Bilanzwert dienen. Der DVGW hält diesen Punkt für zentral und sieht sich damit in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der BLAG Betriebliche Stoffstrombilanzen und der Analysen des Thünen-Instituts (Klages et al. 2017). In der Dokumentation von Klages et al. (2017) sind verschiedene Ansätze zur differenzierten Bewertung abgestufter Bilanzwerte entsprechend der Höhe des eingesetzten organischen Düngers aufgezeigt. Die Ermittlung des zulässigen Bilanzüberschusses für Stickstoff ist aufgrund z. T. widersprüchlicher Angaben und Verweise in den Fußnoten (vgl. Anlage 5 Tab. 1) ausgesprochen verwirrend, aufwändig und daher wenig praxistauglich. Hier ist zwingend eine deutliche Vereinfachung und Klarstellung erforderlich. Seite 3 von 5
Tabelle 1: Berechnung des zulässigen Bilanzwertes für Stickstoff Der zulässige Bilanzüberschuss für Stickstoff bei Futterbaubetrieben wird durch die Berücksichtigung der Grobfutterverluste extrem hoch, so dass es unwahrscheinlich ist, dass Milchviehbetriebe den zulässigen Bilanzüberschuss überhaupt überschreiten können. Zudem macht die Berücksichtigung der Grobfutterverluste bei einer gesamtbetrieblichen Bilanzierung keinen Sinn, da diese Verluste innerbetrieblich anfallen und deshalb nicht bewertet werden müssen. Daneben besteht nach Zeile 7 für Wirtschaftsdünger abgebende Betriebe die Möglichkeit, 20 % des abgegebenen Stickstoffs als sogenannte Messungenauigkeit auf den Kontrollwert aufzuschlagen. Dies entspricht nicht den mit dem Verordnungsentwurf verfolgten Zielen, einen nachhaltigen und ressourceneffizienten Umgang mit Nährstoffen im Betrieb zu fördern und Nährstoffverluste in die Umwelt so weit wie möglich zu vermeiden. Nach 3 Abs. 4 des Entwurfs der novellierten DüV ist vor dem Aufbringen von organischen Düngern deren Nährstoffgehalt zu ermitteln, so dass ein pauschaler Abzug von 20 % nicht gerechtfertigt ist. Vielmehr sollte diese Regelung so präzisiert werden, dass vor der Abgabe von organischen Düngern in jedem Falle die Nährstoffgehalte durch eine repräsentative Probenahme analytisch zu bestimmen sind. Tabelle 3: Kennzahlen für die Berechnung des zulässigen Bilanzwertes für Stickstoff bei der tierischen Erzeugung und bei Biogasbetrieben und Tabelle 4: Kennzahlen für die Berechnung des zulässigen Bilanzwertes für Stickstoff bei der Aufnahme und Abgabe von organischen Düngern Die hoch angesetzte pauschale Berücksichtigung der gasförmigen Verluste bietet für viehhaltende bzw. Wirtschaftsdünger einsetzende Betriebe keinerlei Anreize ihre gasförmigen Verluste durch geeignete Maßnahmen zu reduzieren. Damit wird eine Kernforderung des Wasser-, Natur- und Klimaschutzes völlig unberücksichtigt gelassen, denn die gasförmigen Verluste führen an anderer Stelle, in der Regel sogar in unmittelbarer Nähe des Emittenten, durch Deposition wieder zu einem entsprechenden Eintrag auf der Fläche und damit auch zu einer Stickstoffbelastung der Böden und Gewässer. Aktuelle Berechnungen des DVGW zu den zulässigen Bilanzwerten gemäß Anlage 5 des Verordnungsentwurfes machen deutlich: Das sich mit der Bewertungssystematik deutlich überhöhte zulässige Bilanzüberschüsse ergeben (s. Tabelle 1). Milchviehbetriebe mit hohen Viehbesatzdichten sind fast immer in der Lage die zulässigen Bilanzwerte einzuhalten. Dies steht im krassen Gegensatz zu den von diesen Betrieben teilweise ausgehenden Umwelt- und Gewässerbelastungen. Seite 4 von 5
Tabelle 1: Aktuelle Berechnungsbeispiele unterschiedlicher Betriebstypen für zulässige Bilanzwerte Beispielbetriebe, jeweils 100 ha LF 80 Milchkühe, 8.000 l/a, Grünland, Kühe auf Gülle, Jungvieh auf Stroh 120 Milchkühe, 8.000 l/a, Grünland, Kühe auf Gülle, Jungvieh auf Stroh 120 Milchkühe, 8.000 l/a, Grünland, Kühe auf Gülle, Jungvieh auf Stroh, Ausfuhr von 500 m 3 Gülle [0,37 N] 120 Milchkühe, 10.000 l/ha Grünland, ohne Weidegang, Kühe auf Gülle, Jungvieh auf Stroh 2.000 Schweinemastplätze, 850 g TMZ, Standardfutter, Haltung auf Gülle 2.000 Schweinemastplätze, 850 g TMZ, Futter N-/P-reduziert, Haltung auf Gülle 2.000 Schweinemastplätze, 850 g TMZ, Futter stark N-/-P-reduziert, Haltung auf Gülle 2.000 Schweinemastplätze, 850 g TMZ, Standardfutter, Haltung auf Gülle, Ausfuhr von 500 m 3 Gülle [0,45 N] Ackerbaubetrieb, Einfuhr 1.000 m 3 Biogasgärreste [0,4 N], Einfuhr 500 m 3 Schweinegülle [0,45 N] GV- max. N-Bilanz-Wert Besatz nach Anlage 5 des Verordnungsentwurfes [kg/ha] Nicht tolerierbarer N-Überschuss [kg/ha] 104 115 55 156 154 94 156 156 96 156 157 97 320 123 63 320 120 60 320 114 54 320 124 64 0 56 - Seite 5 von 5