Stand: Mai 2010 Pestenacker 1934 wurde bei der Begradigung des Loosbaches im vermoorten Tal des Verlorenen Baches bei Pestenacker, Gde. Weil, Oberbayern, eine Feuchtbodensiedlung der Altheimer Kultur entdeckt. Ausgrabungen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) deckten zwischen 1988 und 2004 östlich des Loosbaches eine nur 34 x 40 m messende umzäunte Siedlung auf (Abb. 1). Am westlichen Ufer des Baches liegende Siedlungsteile wurden sondiert. Das Bodendenkmal ist gemeinsam mit anderen sogenannten Pfahlbausiedlungen als UNESCO-Welterbe nominiert worden. Abb. 1: Die Ausgrabung bei Pestenacker von NW. Ein Drainagegraben umzieht das Gelände. Links die Altmoräne Baustrukturen Der Plan der ältesten Bauphase zeigt eine in drei Häuserzeilen gegliederte Siedlung (Abb. 2). Das Gelände war nach jüngster Schätzung mit maximal 17 Kleinhäusern, von denen bisher 11 nachgewiesen wurden, eng bebaut. Zwischen der südlichen und der mittleren Häuserzeile führte ein 2,40 m breiter Bohlenweg zu einem zerstörten Tor und weiter hinaus nach Osten bis zum Talrand bzw. zu den Wirt-schaftsflächen auf der Lössterrasse (Abb.3). Auf der Innenseite des umgebenden Flechtwerkzauns verlief ein mit Holz belegter, mal mehr, mal weniger breiter Weg (Abb. 4). Der Häuserbestand hat sich über mehrere Siedlungsphasen hinweg verändert.
Abb. 3: Eichenrundlinge des Hauptwegs Abb. 2: Ergänzter Siedlungsplan der Gründungsphase Hausbau Unter Grundwassereinfluss haben sich die Gebäudereste, vor allem die Fundamente der Gründungsphase, vergleichsweise gut erhalten (Abb. 5). In einigen Fällen sind sogar Wandstümpfe mehrere Bretterlagen hoch konserviert (Abb. 6). Die Häuser sind zweiräumig gegliedert mit einer Tür in der Giebelseite. Bei einigen Gebäuden konnte ein Flur nachgewiesen werden. Im vorderen Raum befindet sich gewöhnlich ein Kuppelofen. Abb. 4: Freilegung eines verstürzten Zaunabschnitts, dahinter der aus Birke errichtete innenseitig umlaufende Weg Abb. 5: Obere Fundamentlage eines 8 x 4 m großen Kleinhauses Dendrodaten Die Siedlung wurde im Frühsommer 3495 errichtet. Nach nur vier Jahren zerstörte ein Großbrand Teile der Siedlung, die anschließend repariert und teilweise wieder aufgebaut wurden. Nach insgesamt 15 Jahren fiel der Platz anscheinend wüst. Eine Neuanlage scheint sich noch am Dorfzaun und am Hauptweg zu orientieren. Nach weiteren, schwach nachweisbaren Bauphasen ist die Siedlung aus unbekannten Gründen verlassen worden.
Abb. 7: Getreidefund aus Pestenacker Abb. 6: Aus Haus 1 geborgenes Wandbrett Wirtschaftsgrundlagen Das jungsteinzeitliche Pestenacker war ein Bauerndorf, das von Getreideanbau und Viehhaltung lebte. Man baute vor allem Weizen, daneben auch Einkorn und Gerste an, was auf eine entwickelte Anbautechnik mit Sommer- und Wintersaat schließen lässt (Abb. 7). Vermutlich wurde das Getreide auf oder zumindest nahe den Anbauflächen gelagert. Sammeltätigkeit spielte daneben eine geringe Rolle, ebenso der Anbau typischer Gartenpflanzen. Eine überragende Zahl von Tierknochenfunden zeigt die Bedeutung tierischer Nahrung an (Abb. 8). Unter den Haustieren dominieren die Knochen vom Rind, gefolgt von Schaf/Ziege und Schwein. Bei den Wildtieren steht der Rothirsch an erster Stelle. Sein Geweih wurde mit Vorliebe zur Herstellung von diversen Geräten benutzt (Abb. 9). Der Wildtieranteil war insgesamt gering. Funde Eine besondere und in Bayern praktisch singuläre Fundgattung bildet eine Reihe von Textilien, die allesamt im Brandschutt zerstörter Häuser entdeckt wurden (Abb. 10, 11 und 12). Abb. 8: Schlachtabfälle Abb. 9: Geweihhacken
Abb. 10: Detail eines mattenartigen Geflechts, das vermutlich Ein Gewandfragment gewesen ist Abb. 11: Platt gedrückter Spitzhut aus Bast (Original) Abb. 12: Nachbildung des Spitzhutes Unfriedshausen 500 m südlich der jungsteinzeitlichen Siedlung von Pestenacker wurde 1986 beim Pipelinebau im Niedermoor des Verlorenen-Bach-Tals die jungsteinzeitliche Feuchtbodensiedlung Unfriedshausen entdeckt (Abb. 13). Das durch den Bau als zerstört geltende Bodendenkmal wurde in Teilen zwischen 1994 und 2000 freigelegt (Abb. 14). Dabei zeigte sich, dass es sich um zwei durch einen Weg verbundene Siedlungen handelt (Abb. 15). Die ausgegrabene Siedlung wird als Unfriedshausen-West und die andere, noch im Boden ruhende, als Unfriedshausen-Ost bezeichnet. Unfriedshausen ist gleichfalls als UNESCO-Welterbe nominiert worden.
Abb. 14: Die Fundstelle aus Richtung Südosten von der Terrasse aus Abb. 13: Tal des Verlorenen Baches von Unfriedshausen aus gesehen. Im unteren Bilddrittel im Talraum Bogenzelte und Bauwagen der Ausgrabung Baustrukturen Wie die Siedlung in Pestenacker wurde Unfriedshausen-West von einem Flechtwerkzaun. Eingefasst (Abb. 16). In der Einfriedung entwickelte sich eine mehrphasige Siedlung mit Kleinhäusern, die in zwei Reihen parallel zueinander angeordnet beidseits eines Hauptweges standen (Abb. 15, 17). Der Hauptweg führte aus der Siedlung hinaus zum Talrand. Eine Wegabzweigung erreichte nach wenigen Metern Unfriedshausen-Ost (Abb. 18). Abb. 15: Plan der Siedlungen Unfriedshausen-Ost und Unfriedshausen-West Abb. 16: In der linken Bildhälfte die rechtwinklig umbiegenden Pfostenreihen der Zäune 2 und 3
Abb. 17: Profil aus Unfriedshausen-West. Deutlich kann man zwei sich überlagernde Holzfundamente unterscheiden Abb. 18: Teilstück des nach Unfriedshausen-Ost abzweigenden Verbindungsweges Hausbau und Zimmermannswesen Die Häuser von Unfriedshausen sind geringfügig kleiner und schwächer fundamentiert als die aus Pestenacker, von der Bauweise her aber ähnlich. Es handelt sich um zweiräumige Pfostenbauten mit einer großen Feuerstelle im vorderen Raum (Abb. 19). Flure wie in Pestenacker konnten nicht nachgewiesen werden. Abb. 19: Ein heller Estrich belegt etwa zwei Drittel des Hausfundaments
Dendrodaten Die älteste, scheinbar aus nur zwei Gebäuden bestehende Siedlung ist noch nicht datiert. Die Folgesiedlung entstand im Jahr 3537 v. Chr. Ab 3525 v. Chr. wuchs an Ort und Stelle aus Neubauten, die gegenüber ihren Vorgängern um 90 Grad in der Achse gedreht waren, die jüngste Siedlung auf (Abb. 15, 17). Jüngste Reparaturen konnten bis 3517 v. Chr.verfolgt werden, danach lässt sich dendrochronologisch keine Siedlungstätigkeit mehr belegen. Wirtschaftsgrundlagen Getreideanbau und Viehhaltung bildeten die Nahrungsgrundlagen. Auf der Lössterrasse oberhalb der Siedlung ist das Getreide angebaut worden. Das Vieh wurde unter den optimalen Bedingungen der wasserreichen, mit Tümpeln besetzten Talaue gehalten. Gegenüber dem wenige Jahre jüngeren Pestenacker zeichnet sich ein deutlich höherer Wildtieranteil ab.