Interviews / Zitatsammlung Die Jobsuche im Internet aus Sicht von Menschen mit Behinderungen eine Befragung von Betroffenen



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Transkript:

Anhang zum Jobbörsentest Interviews / Zitatsammlung Die Jobsuche im Internet aus Sicht von Menschen mit Behinderungen eine Befragung von Betroffenen Erstellt von WEB for ALL (im VbI e.v.), Alte Eppelheimer Straße 38, 69115 Heidelberg, Mitglied im Aktionsbündnis für barrierefreie Informationstechnik (AbI) Autoren: Anna Courtpozanis, Benjamin Grießmann Bei der Jobsuche im Internet bestehen viele Barrieren. Das bestätigen exemplarische Telefon-Interviews, die im Rahmen des Aktionsbündnisses für Barrierefreie Informationstechnik (AbI) mit 10 betroffenen Personen geführt wurden. Bei der Befragung kommen die betroffenen Nutzer als Experten des praktischen Alltags zu Wort. Sie ergänzt damit die theoretischen Betrachtungen des Jobbörsen- Tests, den das Aktionsbündnis 2007 durchführte. Die meisten Interviewpartner sind arbeitslos oder besetzen Stellen, die nicht ihrer Qualifizierung entsprechen. Die Befragten hatten in der Regel mit nicht mehr als ein bis zwei Online-Jobbörsen Erfahrungen gemacht. Sehr bekannt ist das Angebot der Arbeitsagentur. Viele Befragte verwenden keine überregionalen Online-Jobbörsen. Sie suchen lieber auf ihnen bekannten Websites von Firmen, Behörden oder Tageszeitungen in der näheren Umgebung. Dass auch überregionale Online-Jobbörsen Stellenangebote im näheren Umfeld enthalten können, war vielen Interviewpartnern nicht bewusst. Die Mehrheit der Befragten fühlt sich ausgeschlossen. So wurde bemängelt, dass es fast keine speziellen Angebote zur Jobsuche für Menschen mit Behinderung gebe. Ein Interviewpartner äußerte die Vermutung, dass Menschen mit Behinderungen bewusst ausgegrenzt würden. Online-Jobbörsen, die bereits von den Befragten genutzt wurden: Arbeitsagentur.de Stellenanzeigen.de Jobscout24

2 Ausschreibungen auf Behördenseiten Online-Jobbörsen lokaler Zeitungen meinestadt.de Online-Jobbörse der ZEIT Barrieren Neben der schlechten Bedienbarkeit und visuellen Darstellung gehören Verständnisprobleme zu den größten Barrieren. Viele Fachbegriffe und unverständlich benannte Links überfordern einen Großteil der Interviewpartner. Insbesondere blinde Nutzer hatten mit schlecht benannten Linktexten Probleme. Zur schnelleren Navigation können Vorleseprogramme Links getrennt vom Fließtext auflisten, so dass der inhaltliche Zusammenhang verloren geht. Eine sinnvolle Navigation ist nur bei eindeutigen Linkbezeichnungen möglich. Die Hindernisse im Internet führen bei einigen Befragten dazu, dass sie für die Jobrecherche lieber wieder auf Tageszeitungen zurückgreifen und sich beim Lesen gegebenenfalls von anderen Menschen helfen lassen. Folgende Barrieren wurden genannt: Schlechte Kontraste Inhalte bei geringer Auflösung abgeschnitten Schrift nicht vergrößerbar Standardschriften und Tooltipps zu klein Bilder und Grafiken nicht oder nur schlecht beschrieben Bewegte Inhalte / Werbung lenken von den Inhalten ab Seitenelemente, Formularfelder und Menüs lassen sich nicht mit der Tastatur erreichen Individuelle Farbeinstellungen nicht möglich Bei Verwendung von Lupen-Software verdecken Bilder den Text Navigation lässt sich nicht überspringen Links und Texte schwer verständlich Bei den Interviews wurde auch deutlich, dass die Befragten sich vieler Barrieren gar nicht bewusst waren. Beispielsweise war einem blinden Nutzer nicht klar, dass bei einer Jobbörse zu Stellenangeboten nähere Details aufgerufen werden können. Da

3 für die Verlinkung Schriftgrafiken verwendet wurden, konnte das Linkziel vom Vorleseprogramm nicht ausgegeben werden. Alle notwendigen Angaben zur Kontaktaufnahme waren vorhanden, so dass sich der Nutzer nicht weiter gewundert hatte. Er wusste nicht, dass weitere Informationen zur Verfügung standen. Für das Bewerbungsanschreiben wären die zusätzlichen Angaben aber sehr nützlich gewesen. Hilfsmittel Spezielle Hilfsmittel zur Computerbedienung nutzten ausschließlich Interviewpartner mit Sehbehinderungen. Alle anderen Befragten waren in der Lage die Maus oder zumindest das Trackpad des Notebooks zu verwenden. Verwendete Hilfsmittel: Screenreader (Jaws, Supernova, Hal) Programm zur Aufbereitung der Textinformationen einer Website (Webformator) Vergrößerungs-Software (Lunar, SuperNova, Windows-Bildschirmlupe) Programm zur Umwandlung von PDF-Dokumenten ins Textformat (Textpal) Schriftgrößen- und Farbeinstellung unter Windows Braille-Zeile Lupenbrille, Fernrohr Zitate Im Folgenden sind exemplarisch interessante Aussagen der Interview-Partner aufgeführt. Herr S., blind, seit 5 Jahren arbeitslos: Man merkt, dass Internet-Seiten meistens für Nichtbehinderte gemacht sind. Schlecht benannte Links und nicht beschriebene Grafiken erschweren die Jobsuche. Mich ärgern besonders spontan aufspringende Werbefenster. Für blinde Menschen nützlich wären spezielle Job-Newsletter. Frau B., stark sehbehindert, Doktorandin im biomedizinischen Bereich: Ich habe mich zum Ende meines Studiums umgesehen, was es denn an interessanten Job-Angeboten gibt. Ich denke aber nicht, dass sich die Suche nach

4 einem Job oder ein Praktikum von anderen Internet-Recherchen unterscheidet. Auf jeder Homepage, die man zum ersten Mal besucht, muss man sich erstmal zurechtfinden - das geht mal schneller und mal langsamer. Ich persönlich habe Schwierigkeiten mit schlechten Kontrasten, kleinen Schriften und schlecht markierten Links. Herr S., spastische Hemiparese, auf der Suche nach einer Professur im sonderund heilpädagogischen Bereich: Ich stoße auf keine Barrieren, auf die Menschen ohne Behinderung nicht auch stoßen würden. Viele wissenschaftliche Websites sind nicht sehr barrierefrei. Ich habe den Eindruck, dass Menschen mit Behinderung hier bewusst ausgeschlossen werden. Frau G., blind, Teilzeit im Blindenverein tätig, sucht Vollzeitstelle: Ich nutze für die Arbeitssuche mittlerweile lieber Offline-Medien, die ich mir von netten Menschen vorlesen lasse. Das ist einfacher und geht schneller. Der Job- Newsletter von stellenanzeigen.de ist viel zu unpräzise. Die meisten Angebote treffen nicht auf mich zu. Nicht jeder ist ein Computerprofi und kann mit den Suchmaschinen gut umgehen. Sinnvolle und nützliche Dienste zur Unterstützung, wie die Zentrale Arbeitsvermittlung für Menschen mit Behinderung, wurden leider eingestellt. Frau E., sehbehindert und manuell-motorische eingeschränkt, sucht nach der Ausbildung eine Stelle im Callcenter: Auf Jobbörsen-Seiten stören mich vor allem die vielen Bilder und Animationen. Überall hüpft und blinkt es. Bei Nutzung meiner Vergrößerungssoftware verdecken Bilder häufig den Text, was sehr lästig ist. Individuelle Farbeinstellungen lassen sich oft nicht vornehmen. Auch die Schriftgrößen sind bei vielen Seiten nicht verstellbar. Probleme gibt es auch mit der Tastaturbedienung. Ich bin froh, dass ich trotz meiner Einschränkungen auch die Maus bedienen kann. Alles Hürden, die beseitigt werden müssten. Für die Jobsuche aber noch wichtiger als barrierefreie Internetseiten sind gute Beziehungen. Frau S., blind, arbeitssuchend: Die Seite der Arbeitsagentur ist insbesondere für Neulinge schwer zu durchschauen.

5 Die vielen Links erschlagen den Nutzer. Wenigstens kann man die Navigation überspringen. Ich wünsche mir, dass man die Navigation auch bei anderen Jobbörsen überspringen kann und sich nicht immer wieder die ganzen Links vorlesen lassen muss. Frau O., stark sehbehindert, freischaffende Übersetzerin, auf der Suche nach einer festen Stelle: Funktionen zum Hinterlegen eines Lebenslaufs sind prinzipiell praktisch. Ich bin jedoch skeptisch, ob das viel bringt, da ich noch nie gehört habe, dass jemand auf diese Weise einen Job bekommen hätte. Außerdem habe ich Bedenken wegen der Datensicherheit. Frau H., Rollstuhlfahrerin, arbeitssuchend: Da ich im Rollstuhl sitze und sonst keine weiteren Behinderungen habe, stoße ich auf keine besonderen Barrieren im Internet. Meine Behinderung ist an sich ein Hindernis bei der Einstellung. Herr L., blind, Diplom-Informatiker, hat einen Arbeitsplatz gefunden: Die Jobsuche lief ausschließlich per Internet. Im Großen und Ganzen waren die Seiten nutzbar. Ich habe immer über die Homepages der Firmen gesucht, nicht über Jobportale. Wichtig ist die Trennung von Style und Inhalt sowie die Beschriftung von Grafiken. Herr A., stark sehbehindert, seit 6 Jahren arbeitslos: Ich vermisse Online-Jobbörsen, die sich speziell an Menschen mit Behinderungen richten. Für mich stellen feste Schriftgrößen und schlechte Kontraste die größten Barrieren dar. Da ich mit geringer Auflösung surfe und einige Fenster nicht scrollbar sind, kann ich viele Inhalte nicht erreichen. Stand: 20.02.2008