Geschichte der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft. Urs Stammbach



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Transkript:

Geschichte der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft Urs Stammbach Die Schweizerische Mathematische Gesellschaft wurde 1910 gegründet. Dies ist im Vergleich mit ähnlichen Gesellschaften in Europa verhältnismässig spät. Es gab allerdings Vorläufer, die zu ihrer Zeit offenbar den Bedürfnissen der Mathematik in der Schweiz wenigstens teilweise Rechnung tragen konnten. Wir gehen deshalb hier kurz auch auf diese Vorläuferorganisationen ein. Vorläuferorgansitationen. Vor 1800 existierten nur wenige akademische Institutionen in der Schweiz, zwei davon genossen im Bereich der Mathematik bereits in jener Zeit grosses Ansehen. Die eine ist natürlich die Universität Basel, welche bereits 1460 gegründet worden war, und die im 18. Jahrhundert vor allem dank der Mitglieder der Familie Bernoulli zu einem der mathematischen Zentren Europas wurde. Die andere ist die Académie de Genève, welche 1559 gegründet worden war. Auch sie hatte im 18. Jahrhundert dank G. Cramer (1704-1752) und J.-L. Calandini (1703-1758) in der Mathematik europäischen Rang aufzuweisen. Als im Laufe des 19. Jahrhundert in der Schweiz mehrere neue Universitäten gegründet wurden, billigte man aber der mathematischen Wissenschaft offenbar keinen allzu grosser Stellenwert mehr zu. Von ihr wurde eigentlich kaum etwas anderes als die Ausbildung von Fachlehrern erwartet. Dies ist deshalb etwas überraschend, als es auch damals durchaus Schweizer Mathematiker gab, die wissenschaftlich Weltgeltung beanspruchen konnten. So war der Genfer Ch.F. Sturm (1803-1855) als Professor an der École Polytechnique und an der Sorbonne in Paris tätig, und der Berner Jakob Steiner (1796-1863) hatte sich an der Universität in Berlin etabliert. Ferner ist hier auch Steiners Berner Freund Ludwig Schläfli (1814-1895) zu erwähnen. Schläfli erhielt zwar 1848 eine Dozentenstelle an der Universität Bern, aber diese brachte ihm finanziell so wenig ein, dass er davon seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten konnte. 1853 wurde er schliesslich mit einem sehr kleinen Gehalt zum Professor ernannt. Einzig am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich, das 1855 gegründet wurde, war die Situation für die Mathematik etwas besser. Hier erhielt die Mathematik als Basiswissenschaft für die technische Ausbildung von Anfang an einen hohen Stellenwert. Darüber hinaus wurde schon in den Anfangsjahren vor allem auf Betreiben des hier tätigen E.B. Christoffel eine Schule für Fachlehrer mathematischer und naturwissenschaftlicher Richtung geschaffen, an der die Mathematik im Rahmen eines Mathematischen Seminars auch als Wissenschaft betrieben werden sollte. Das Polytechnikum in Zürich konnte sich als technische Schule im ganzen deutschsprachigen Raum rasch einen guten Namen machen; dies gilt auch für das Fachgebiet der Mathematik. Es gelang nämlich, eine ganze Reihe von hervorragenden jungen Mathematikern aus Deutschland für die ersten Jahre ihrer wissenschaftlichen Karriere nach Zürich zu holen. So verbrachten u.a. R. Dedekind, 1

E.B. Christoffel, H.A. Schwarz, H. Weber, G.F. Frobenius, A. Hurwitz und H. Minkowski alle kürzere oder längere Zeit am Polytechnikum in Zürich. Für die Mathematik am Eidgenössischen Polytechnikum war allerdings hinderlich, dass die Schule kein Promotionsrecht besass. Erst ab 1909 war es möglich, hier zu doktorieren; wenig später wurde auch der Name des Polytechnikums geändert: es heisst seit 1911 Eidgenössische Technische Hochschule. Der Zeit entsprechend etablierten sich im 19. Jahrhundert in den Universitätsstädten wissenschaftliche Gesellschaften. Sie hatten, ganz im Sinne der Aufklärung, das Ziel, die neuen Erkenntnisse in interessierten Kreisen bekannt zu machen. Sie organisierten Zusammenkünfte und gaben regelmässig erscheinende Publikationen heraus. Die Naturforschende Gesellschaft in Zürich war als eine der ersten in Europa, nämlich bereits im Jahre 1746, gegründet worden. Ihr Publikationsorgan, die Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, spielte auch für die Mathematik eine grosse Rolle; hier erschienen nämlich bis weit in das 20. Jahrhundert hinein zahlreiche mathematischen Abhandlungen, z.b. finden sich darin solche von E.B. Christoffel, R. Dedekind, H.A. Schwarz, G.F. Frobenius und L. Schläfli, und schliesslich auch von H. Weyl und H. Hopf. Eine gesamtschweizerische Naturforschende Gesellschaft wurde erst 1815 gegründet. In deren Rahmen etablierte sich 1871 informell auch eine mathematische Sektion. H.A. Schwarz, der am Eidgenössischen Polytechnikum tätig war, wurde ihr Präsident. Die Sektion trat allerdings nicht mehr in Erscheinung, nachdem Schwarz 1875 den Ruf nach Göttingen angenommen hatte. Erster Internationaler Mathematiker-Kongress. Im Jahr 1897 fand in Zürich der Erste Internationale Mathematiker-Kongress statt. Man könnte vermuten, dass dies Anlass zur Gründung einer nationalen mathematischen Gesellschaft hätte sein können. Seltsamerweise war dies nicht der Fall: Der Kongress wurde unter der Führung C.F. Geisers im wesentlichen von den Mathematikern des Eidgenössischen Polytechnikums zusammen mit den Mathematikern der Universität Zürich organisiert; die anderen Hochschulen der Schweiz waren in der Organisation nicht beteiligt. Auch unter den Teilnehmern am Kongress sind nur wenige Vertreter der übrigen Universitäten der Schweiz zu finden. Dies widerspiegelt ohne Zweifel die damals in der Schweiz herrschende Zersplitterung und den fehlenden Zusammenhang im Fachgebiet Mathematik. Edition der Werke Eulers. Im Laufe des Internationalen Kongresses wurde von F. Rudio angeregt, die Werke von Leonhard Euler herauszugeben. Dieses Vorhaben sollte einige Jahre später indirekt zur Gründung der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft beitragen. Es war allen Beteiligten von Anfang an klar, dass die Herausgabe der Werke Eulers eine Riesenaufgabe darstellte, welche viele Jahre dauern und grössere Geldsummen beanspruchen würde. Eine Abstützung durch eine grössere wissenschaftliche Gesellschaft war offensichtlich notwendig und eine internationale Einbindung erwünscht. Die Feier zum 200. Geburtstag von Leonhard Euler in Basel führte schliesslich zu einem entsprechenden Antrag von F. Rudio und C.F. Geiser u.a. an die Schweizerische Naturforschende Gesell- 2

schaft. Sowohl Geiser wie Rudio waren am Eidgenössischen Polytechnikum tätig. Rudio war Direktor der Bibliothek des Eidgenössischen Polytechnikums und hatte weitgespannte historische Interessen, während Geiser ein begabter Organisator war und gute Beziehungen zu den politischen Kreisen hatte. Dem Antrag folgte noch im gleichen Jahr 1907 die Bildung der sogenannten Euler-Kommission, welche die Gesamtausgabe der Werke Eulers vorbereiten sollte. Unter ihrem Präsidenten F. Rudio klärte die Kommission in kurzer Zeit die finanziellen und wissenschaftlichen Bedingungen ab. Ihrem positiven Bericht folgend konnte das Projekt, die Werke Eulers in der Originalsprache herauszugeben, in Angriff genommen werden. Der erste Band erschien 1911; bis heute wurden mehr als 70 Bände herausgegeben, und es ist abzusehen, dass das Projekt in einigen Jahren zum Abschluss gebracht werden kann. Gründung der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft. Man war bei der Vorbereitung der Herausgabe der Werke Eulers in verschiedener Hinsicht auf Improvisationen angewiesen und die beteiligten Personen vermissten eine gesamtschweizerischen mathematischen Körperschaft, welche derartige grosse Projekte an die Hand nehmen und die notwendigen Finanzen sicherstellen konnte. So gaben die Bemühungen um die Herausgabe der Werke Eulers indirekt den Anlass zur Gründung einer Schweizerische Mathematische Gesellschaft. Die SMG/SMS wurde als Sektion der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft (heute: Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften) am 4. September 1910 gegründet. Im Vordergrund sollte die Pflege der reinen Mathematik stehen und die Förderung ihrer Fortschritte im nationalen und internationalen Rahmen. So umschreibt im Rückblick E. Fueter, der Redaktor der Schweizerischen Hochschulzeitung und Neffe des Gründungsmitgliedes R. Fueter die Ziele der neuen Gesellschaft in einem Beitrag, der aus Anlass des 50jährigen Bestehens der SMG in der Neuen Zürcher Zeitung vom 26. Juni 1960 erschienen ist. Die Gründung fand unter den Mathematikern der Schweiz sofort reges Interesse: Bereits im ersten Jahr konnten über 100 Mitglieder gezählt werden. Die jährliche Zusammenkünfte, die in den folgenden Jahren gemeinsam mit der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft an wechselnden Orten der Schweiz stattfanden, wurden gut besucht und verstärkten den Kontakt und den Zusammenhalt unter den Mathematikern aus den verschiedenen Landesteilen. Dass gerade dies eines der wesentlichen 3

Ziele der Gründung war, lässt sich aus der Tatsache ablesen, dass von Anfang an darauf geachtet wurde, bei der Wahl der Präsidenten die verschiedenen Hochschulen der deutschund französischsprachigen Schweiz zu berücksichtigen: Keine der Hochschulen, keiner der Landesteile sollte die anderen dominieren. So vertrat der erste Präsident, R. Fueter die Universität Basel, der zweite, H. Fehr die Universität Genf und der dritte, M. Grossmann die ETH Zürich. Auf diese drei Persönlichkeiten geht im übrigen der Anstoss zur Gründung der Gesellschaft zurück. Die gesamtschweizerische Abstützung wurde insbesondere während des Ersten Weltkrieges wichtig, als die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich die Atmosphäre zwischen dem deutsch- und dem französischsprechenden Landesteil der Schweiz zu vergiften drohten. Commentarii Mathematici Helvetici. Mit der Zeit wuchsen die wissenschaftlichen Ansprüche der Mathematik, und es machte sich das Fehlen eines schweizerischen Publikationsorgans für wissenschaftliche mathematische Arbeiten schmerzlich bemerkbar. Im Laufe der 20er Jahre entstand der Plan, eine eigene Zeitschrift zu gründen. Das Projekt wurde von H. Fehr zusammen mit einigen ehemaligen Präsidenten der Gesellschaft vorbereitet. Wegen der Mehrsprachigkeit der Schweiz war von Anfang an klar, dass weder ein deutscher noch ein französischer Titel in Frage kommen konnte; man suchte aus diesem Grund einen lateinischen Namen, wobei man schliesslich aus drei verschiedenen Vorschlägen Commentarii Mathematici Helvetici auswählte. Die Gründung der Zeitschrift erfolgte an der Sitzung der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft vom 20. Mai 1928. Die Redaktion wurde R. Fueter übertragen. Anfänglich veröffentlichte man fast nur Beiträge von in der Schweiz tätigen Mathematikern, um wie E. Fueter im bereits erwähnten Jubiläumsartikel sagt ein möglichst vollständiges Bild der Leistung unseres Landes auf dem Gebiet der Mathematik zu bieten. Im Laufe der folgenden Jahre haben sich die Commentarii Mathematici Helvetici mehr und mehr international ausgerichtet; sie geniessen heute weltweit hohes Ansehen. Obschon die Zeitschrift offensichtlich einem Bedürfnis entsprach und sich von Anfang an gut verkaufte, bereits im ersten Jahr wurden 140 Abonnenten gewonnen konnte sie trotzdem nicht allein aus den Abonnementseinkünften finanziert werden. Es waren weitere finanzielle Mittel notwendig. Die Schweizerische Mathematische Gesellschaft beschloss deshalb im Jahr 1929, eine Stiftung zur Förderung der mathematischen Wissenschaften ins Leben zu rufen, um für diesen Zweck Gelder aus der Privatwirtschaft zu sammeln. Im Laufe der Zeit sind dieser Stiftung weitere Aufgaben zugewachsen. So unterstützt sie heute gezielt eine ganze Reihe weiterer Projekte in Lehre und Forschung. Internationaler Mathematiker-Kongress 1932. Im Jahr 1932 fand zum zweiten Mal der Internationale Mathematiker-Kongress in Zürich statt. R. Fueter von der Universität Zürich und M. Plancherel von der ETH Zürich hatten am Kongress in Bologna den Wunsch der Internationalen Mathematischen Union entgegengenommen, Zürich möge den nächsten Kongress organisieren. Verglichen mit 1897 verliefen die Vorbereitungen jetzt 4

anders. Man achtete darauf, dass die Durchführung im Auftrage der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft erfolgte und beteiligte bewusst die anderen schweizerischen Universitäten an der Organisation. In viel grösserem Mass als 1897 war deshalb der Kongress von 1932 ein schweizerisches Gemeinschaftswerk. Dies zeigt sich auch daran, dass zwar R. Fueter von der Universität Zürich die Präsidentschaft übernahm, dass aber daneben zwei Vizepräsidenten bestimmt wurden, nämlich M. Plancherel von der ETH Zürich und H. Fehr von der Universität Genf. Steiner-Archiv. Bereits 1930 hatte die Schweizerische Mathematische Gesellschaft das Steiner-Archiv gegründet und ein entsprechendes Komitee gewählt. Es sollte den wissenschaftlichen Nachlass von J. Steiner betreuen. Die gesammelten Werke Steiners waren bereits 1881/82 von Weierstrass herausgegeben worden. Die Aufgabe des Komitees wurde im Jahr 1937 erweitert: Es soll den Nachlass der beiden grossen Schweizer Mathematiker Steiner und Schläfli sichten und zugänglich machen. In den darauffolgenden Jahren bis 1956 wurden dann die Werke Schläflis in drei Bänden herausgegeben. Internationale Kontakte. Die Tagungen der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft wurden immer wieder dazu benutzt, namhafte ausländische Mathematiker zum Vortrag in die Schweiz einzuladen. Für die kleineren schweizerischen Universitäten war dies bis in die vierziger Jahre hinein eine der wenigen Möglichkeiten, internationale Kontakte aufzubauen. Die Pflege der internationalen Beziehungen war denn auch immer ein besonderes Anliegen der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft. Sie verfolgte dieses Ziel auch dadurch, dass sie Ehrenmitgliedschaften an ausländische Mathematiker vergab, an deren Kontakt ihr besonders gelegen war. So wurden R. Dedekind, D. Hilbert, H. Weyl, R. Nevanlinna, G. Polya, H. Whitney, J. Leray, u.a. zu Ehrenmitgliedern ernannt, wie auch einige verdiente Schweizer Mathematiker wie(wir nennen hier nur bereits verstorbene Personen) R.M. Fueter, C.F. Geiser, H. Hopf, A.M. Ostrowski, A. Pfluger, M. Plancherel, G. de Rham, W. Saxer, B.L. van der Waerden, u.a. In diesen Zusammenhang gehört auch, dass immer enge Beziehungen zwischen der Schweiz und der Internationalen Mathematischen Union bestanden. H. Hopf wurde für die Periode 1955-58 zum Präsidenten gewählt, gleichzeitig amtete B. Eckmann als Sekretär. Spätere, an schweizerischen Hochschulen tätige Präsidenten der IMU waren G. de Rham, der an den Universitäten Genf und Lausanne, sowie K. Chandrasekharan und J. Moser, die beide an der ETH Zürich tätig waren. In neuesten Jahren haben auch die Kontakte mit der Europäischen Mathematischen Gesellschaft einen grossen Stellenwert erhalten: mit R. Jeltsch ist ein jetziges Mitglied des Vorstandes der SMG gleichzeitig auch Präsident der EMS. Elemente der Mathematik. Unabhängig von der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft erfolgte 1946 durch L. Locher-Ernst die Gründung der Zeitschrift Elemente der Mathematik. Sie wandte sich an eine Leserschaft, die sich vornehmlich aus Lehrern an Gymnasien zusammensetzte, wobei allerdings immer die Mathematik als Wissenschaft 5

und nicht didaktische Fragen im Vordergrund standen. Die Elemente der Mathematik vertraten damit ähnliche Ziele wie die bereits 1899 durch H. Fehr und Ch. Laisant in Genf gegründete Zeitschrift L Enseignement Mathématique. Die Elemente der Mathematik gingen 1975 in das Eigentum der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft über und werden seither in deren Auftrag herausgegeben. Internationaler Mathematiker-Kongress 1994. Für das Jahr 1994 wandte sich die Internationale Mathematische Union (IMU) wiederum an die SMG/SMS mit der Anfrage, ob der Internationale Mathematiker-Kongress in der Schweiz durchgeführt werden könne. Nach kurzen Sondierungen konnte die ehrenhafte Anfrage positiv beantwortet werden, wobei wiederum, zum dritten Mal, die Stadt Zürich als Veranstaltungsort ausersehen wurde. Ähnlich wie im Jahr 1932 übernahm im Auftrage der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft ein gesamtschweizerisch abgestütztes Komitee die Organisation. H. Carnal von der Universität Bern amtete dabei als Präsident, Chr. Blatter von der ETH Zürich als Sekretär. Dieser Kongress bot natürlich die willkommene Gelegenheit, die Aufmerksamkeit des öffentlichen Publikums gezielt auf die Mathematik zu lenken und auf deren Rolle in der heutigen technisierten Gesellschaft. Auf dieses Thema ging in ihrer Eröffnungsrede zum Kongress auch die Vorsteherin des Departementes des Innern, Bundesrätin Ruth Dreifuss ein: It is the task of the scientific community to tell the public why science matters. It is your task and it is mine.prägnanter lässt sich die Funktion, die unsere mathematische Gesellschaft gegenüber der Öffentlichkeit hat, nicht ausdrücken. Der Autor dankt Frau Dr. F. Lanini von den Wissenschaftshistorischen Sammmlungen der ETH- Bibliothek für die kritische Durchsicht des Manuskriptes und für eine Reihe von wichtigen Hinweisen. Ein weiterer Dank geht an Herrn Prof. Dr. E. Neuenschwander für die Korrektur eines Fehlers in der Erstfassung. Urs Stammbach Mathematik ETH-Zentrum CH - 8092 Zürich 6