GRUR Jahrestagung Hamburg 2010 Digitale Inhalte: Werk und/oder Software? Dr. Christian Czychowski, RA und FA für IT-Recht sowie für Urheber- und Medienrecht, Berlin Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam Prof. Dr. Winfried Bullinger, RA, Lehraufträge an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU)
Digitale Inhalte: Werk oder Software - Glasperlenspiel oder nötige Abgrenzung? 1. Für digitale Inhalte gilt zunehmend: Verwebung von Inhalt und Code wirtschaftliche Bedeutung sowie praktische Entwicklung 2. Warum ist diese Abgrenzung für das Urheberrecht wichtig? 3. Lösungsansatz 4. Illustration am Beispiel der Computerspiele 2
Digitale Inhalte sind überall mit Software verwoben 3
Dies gilt insbesondere für Computerspiele Quelle: Electronic Arts, Trailer FIFA 2010 4
Eine Trennung von Code und Inhalt ist technisch kaum möglich Zunehmend Einsatz sog. Werkzeuge (Engines) Damit zwar im Front-End Trennung des Inhalts von der Software - auf Codeebene aber Trennung kaum möglich Quelle: Crytek GmbH 5
Auch in der Sprache der Spezialisten entwickeln sich digitale Inhalte von den Computerprogrammen weg 1. Speziell bei Computerspielen: man spricht vom Designen eines Spiels, nicht vom Programmieren es gibt (Software-) Editoren als bloße Werkzeuge 2. Allgemein für digitale Inhalte: auch bei anderen digitalen Inhalten wie z.b. iphone Apps oder ebooks wird das Design zunehmend wichtiger, um die Inhalte abzusetzen vergleichbar mit Softwarewerkzeugen wie Smart Art für Powerpoint, dort begreift man das Ergebnis auch nicht als Computerprogramm 6
Warum muss uns das im Urheberrecht interessieren? 1. Keine speziellen Regelungen zum Multimediawerk im UrhG 2. Wegen der technisch-künstlerischen Doppelnatur können die Vorschriften in 2 ff. UrhG und/oder in 69a ff. anwendbar sein 3. Es existieren mehrere Meinungen zur Einordnung "Schwerpunkttheorie" (je nachdem 69a ff. oder 2 UrhG) "Trennungstheorie" (Software = 69a ff., Inhalt = 2 UrhG) "Kumulationstheorie" ( 69a ff. und 2 UrhG) 4. Alle diese Auffassungen stoßen an Grenzen Schwerpunkttheorie "entrechtet" eine Gruppe von Mitwirkenden Trennungstheorie ist schwer durchzuhalten angesichts dargestellter zunehmender Verwebung von Code und Inhalten Kumulationstheorie urheberrechts-untypisch 7
Unseres Erachtens bietet sich folgende Lösung an Grundsatz: Die Vorschriften sind parallel anwendbar, für Software gelten die 69a ff., für den Inhalt 2 ff. UrhG; eine solche Trennung ist insbesondere bei der Schutzentstehung möglich Konfliktfälle: Zunehmende Verwebung von Inhalt und Code führt aber häufig zu einer kumulativen Anwendung der Vorschriften, was Konflikte hervorrufen kann in diesen Fällen sollen die Vorschriften eingreifen, die den engsten Bezug aufweisen, bei Gleichwertigkeit die besser passenden Vorschriften Beispiel: Im Folgenden soll dieses Vorgehen anhand der Computerspiele illustriert werden 8
Worüber wir nicht reden. "PONG", 1972 9
. und worüber "Call of Duty - Modern Warfare 2", 2009 (PS 3) 10
Schutz des künstlerischen Teils eines Computerspiels 1. Die Spieldarstellung in ihrer Gesamtheit: Nach h.m. Schutz gemäß 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG als Filmwerk bzw. filmähnliches Werk; unproblematisch bei Zwischensequenzen ("Cutscenes"), aber auch beim eigentlichen Spielen, weil der Urheber den Rahmen der möglichen Spielzüge bereits vorgegeben hat 2. Die einzelnen "Teile": Verschiedene Anknüpfungspunkte möglich, z.b. Einzelbilder: 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, wichtig für Screenshots Figuren: 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, wie Comicfiguren Schutz "jeder Pose" Musik: 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG, wird zunehmend selbständig verwertet Texte: 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, oftmals Dialoge, Briefe, Bücher im Spiel lesbar Handlung: 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, wenn konkret ausgearbeitet und individuell 11
Schutz des technischen Teils eines Computerspiels Neben dem Inhalt ist aber auch der Code wichtig: Er ist das technische Werkzeug zur Schaffung des künstlerischen Spielerlebnisses Kein Schutz nach 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG, wegen der Doppelnatur vielmehr spezieller urheberrechtlicher Schutz für Computerprogramme nach 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a ff. UrhG 12
Konfliktfälle am Beispiel des Computerspiels (1) 1. Sicherungs- oder Privatkopie Sachverhalt: Die Kopie eines Spiels erfasst sowohl Inhalt als auch Code Konflikt: Die einschlägigen Normen in 53 UrhG und 69d UrhG weisen Unterschiede auf Lösung: Engerer Bezug zum allgemeinen Werkschutz, da es dem Nutzer um den Spielgenuss und nicht die Sicherung des Codes gehen wird = 53 UrhG 2. Anwendbarkeit technischer Schutzmaßnahmen Sachverhalt: Die Herstellung und der Vertrieb z.b. von sog. ModChips (die ein Abspielen nicht lizenzierter Spiele auf Konsolen ermöglichen) betrifft die Spiele- Software als auch den Spiele-Inhalt Konflikt: Im Softwarerecht sind die sonst einschlägigen 95a ff. UrhG wegen 69a Abs. 5 UrhG nicht anwendbar Lösung: Ebenfalls engerer Bezug zum allgemeinen Werkschutz, da es Nutzer und Hersteller nicht um den Schutz der Software gehen wird, sondern primär um das Abspielen bzw. den Schutz des Inhalts = 95a ff. UrhG 13
Konfliktfälle am Beispiel des Computerspiels (2) 3. Vertragssituation Sachverhalt: Strikte Trennung der Vertragsverhältnisse zwischen Programmieren und Designern dürfte schwierig sein, weil sich die Bereiche überschneiden Konflikt: Die urhebervertragsrechtliche Regel in 69b UrhG gilt nur für Urheber in Arbeitsverhältnissen, anders als 89 UrhG Lösung: Überwiegender Bezug fraglich; den Interessen der Parteien wird aber 89 UrhG besser entsprechen, weil er eine separate Rechtseinräumung bei externen Mitarbeitern entbehrlich macht 14
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